L 6 AS 401/11

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 9 AS 321/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 401/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Angemessenheit der Kosten einer Einzugsrenovierung.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 28. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben auch in der Berufungsinstanz einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme weiterer Kosten der Einzugsrenovierung für die Wohnung der Bedarfsgemeinschaft des Klägers.

Der Kläger stand in den Jahren 2010 und 2011 mit seiner Lebensgefährtin C. sowie dem im Januar 2011 geborenen gemeinsamen Kind D. im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II). Die Bedarfsgemeinschaft bewohnt das Erdgeschoss eines Hauses, das den Eltern der Lebensgefährtin des Klägers gehört.

Am 21. September 2010 beantragte der Kläger für die Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 1. Oktober 2010. Er legte hierbei eine mit dem Vater seiner Lebensgefährtin geschlossenen Mietvertrag über die Wohnung im Erdgeschoss (Grundmiete 375,75 EUR, kalte Betriebskosten 100,50 EUR, Heizkosten 84,00 EUR) vor. Hierin verpflichtete sich der Kläger bei Einzug auf eigene Kosten die Wohnung komplett zu renovieren. Darüber hinaus wurde im Leistungsantrag die Angabe gemacht, dass die Wohnung seit den 1980er Jahren nicht mehr renoviert worden sei. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 10. Oktober 2010 die Übernahme von Renovierungskosten für die Wohnung. Aufgrund der Angaben des Klägers ging die Beklagte bei der Bedarfsgemeinschaft von Einkommenslosigkeit und einem Vermögen aus, dass die Freibeträge nicht übersteigt. Dem stand ein Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1.141,25 EUR monatlich für den streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber.

Daraufhin gewährte die Beklagte durch Bescheid vom 22. Oktober 2010 Leistungen in Höhe von 174,50 EUR für die Einzugsrenovierung.

Hiergegen hat der Kläger am 12. November 2010 Widerspruch eingelegt. Für die Renovierung der Wohnung seien insgesamt ca. 1.000,00 EUR erforderlich. Es müssten die Wände sowie die Decke tapeziert und gestrichen, die Türen und Heizkörper gestrichen sowie ein neuer Fußboden verlegt werden. Daraufhin veranlasste die Beklagte einen Hausbesuch ihres Ermittlungsaußendienstes am 19. Januar 2011. Dieser stellte dabei fest, dass in der Wohnung bereits Schlaf- und Kinderzimmer renoviert gewesen seien. Die übrigen Zimmer seien noch nicht renoviert. Neue Böden, ein Streichen der Türen und der Heizung seien nicht nötig.

Dem Widerspruch wurde durch Bescheid vom 18. März 2011 in Höhe von 137,16 EUR teilweise stattgegeben, im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung stellte die Beklagte Berechnungen hinsichtlich der notwendigen Kosten für Raufasertapete, Wandfarbe und weiteren Renovierungsmaterialen an. Hierbei kam sie für die Tapete auf Kosten in Höhe von 181,72 EUR, für die Wandfarbe auf 89,94 EUR sowie für die Materialien wie Kleister, Pinsel und Farbroller auf eine Pauschale von 40,00 EUR.

Der Kläger hat hiergegen am 31. März 2011 Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben. Parallel zum Klageverfahren betrieb er ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Seine Beschwerde gegen den nur teilweise stattgebenden Beschluss vom 28. Juli 2011 wies der Senat mit Beschluss vom 5. Dezember 2011 zurück (L 6 AS 400/11 B ER).

Der Kläger hat vorgetragen, die gewährten Renovierungskosten seien bei weitem nicht ausreichend, vielmehr sei eine Gesamtsumme von 1.216,00 EUR erforderlich. Er hat Aufstellungen über die Kosten des Renovierungsmaterials (Gesamtsumme 951,36 EUR), das benötigte Werkzeug (Gesamtsumme 134,64 EUR) und für Fahrten zu den Baumärkten (Gesamtsumme 120,00 EUR) vorgelegt. Die Beklagte hat die Begründung der angegriffenen Bescheide vertieft.

Das Sozialgericht Kassel hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 28. Juli 2011 in Abänderung des Bescheides vom 22. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2011 verurteilt, an den Kläger weitere Leistungen für die Einzugsrenovierung i.H.v. 106,34 EUR zu erbringen. Die angefochtenen Bescheide seien teilweise rechtswidrig und verletzten den Kläger insoweit in seinen Rechten. Er habe jedoch nur Anspruch auf weitere Leistungen für die Einzugsrenovierung in Höhe von 106,34 EUR. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Kosten der Einzugsrenovierung seien, soweit sie an die Stelle der regelmäßig anfallenden Schönheitsreparaturen treten würden, den Kosten der Unterkunft zuzurechnen. Voraussetzung für die Angemessenheit von Aufwendungen zur Einzugsrenovierung sei, dass die Renovierung erforderlich sei, um die Bewohnbarkeit der Wohnung herzustellen, und dass sie ortsüblich sei, weil keine renovierten Wohnungen im unteren Wohnsegment im nennenswerten Umfang zur Verfügung stünden. Schließlich müssten die Aufwendungen der Höhe nach zur Herstellung des Standards einer Wohnung im unteren Wohnsegment erforderlich sein. Die ersten beiden Voraussetzungen seien vorliegend gegeben. Die vom Kläger angemietete Wohnung habe sich unstreitig in einem renovierungsbedürftigen Zustand befunden. Der Kläger habe sich auch mietvertraglich zur Einzugsrenovierung verpflichtet. Zudem sei es im Werra-Meißner-Kreis - soweit dem Gericht bekannt - jedenfalls nicht unüblich, dass Wohnungen des unteren Wohnungssegments in unrenoviertem Zustand übergeben würden. Die Beklagtenseite habe nicht dargelegt, dass dort im nennenswerten Umfang renovierte Wohnungen vorhanden seien, die der Kläger und die übrige Bedarfsgemeinschaft hätten anmieten können. Jedoch fielen nach den Feststellungen des Gerichts erheblich niedrigere Kosten für eine Einzugsrenovierung der Wohnung gemäß dem Standard des unteren Wohnungssegments an, als vom Kläger geltend gemacht, nämlich nur Gesamtkosten i.H.v. ca. 418,00 EUR. Das Gericht gehe insofern zwischen den Beteiligten unstreitig - von einer Gesamtfläche an Wand und Decke der Wohnung in Höhe von rund 414 qm aus. Hiervon habe die Beklagte nachvollziehbarerweise einen pauschalen Satz von 10 % für Fenster- und Türöffnungen in Abzug gebracht, so dass sich eine zu renovierende Gesamtfläche in Höhe von 373 qm ergebe. Nach Ermittlungen des Gerichts sei eine einfache Raufasertapete in Baumärkten für ca. 6,50 EUR pro Rolle mit einer Gesamtfläche von 13,25 qm erhältlich. Das Gericht schließe sich insoweit den Darlegungen des Widerspruchsbescheides an. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass beim Vorgang des Tapezierens regelmäßig ein Verschnitt von ca. 15 % der Tapete anfalle. Folglich sei Tapete für eine Gesamtfläche in Höhe von ca. 429 qm erforderlich. Nötig seien daher 32 Rollen á 6,50 EUR, mithin für die Tapete ein Gesamtbetrag in Höhe von 208,00 EUR. Weiße Wandfarbe sei nach Recherche des Gerichts für einen Betrag von ca. 25 EUR pro 70 qm erhältlich. Hierbei handelt es sich bereits um eine Wandfarbe mit hoher Deckkraft, so dass bei ordnungsgemäßer Verarbeitung nicht davon auszugehen ist, dass die Wand mehrfach gestrichen werden müsse. Bei einer zu streichenden Gesamtfläche von 373 qm ergebe sich ein Bedarf von 6 Eimern á 25,00 EUR, also für die Farbe ein Gesamtbetrag in Höhe von 150,00 EUR. Die Übrigen vom Kläger geltend gemachten Positionen für Renovierungsbedarf, insbesondere für Tapetenkleber in Höhe von 87,92 EUR, Spachtelmasse in Höhe von 43,96 EUR, Malerkrepp in Höhe von 36,90 EUR und Abdeckplane in Höhe von 54,90 EUR könnten nicht anerkannt werden. Zum einen greife er insofern auf Markenprodukte zurück, für die unangemessene Aufwendungen anfallen. So sei Tapetenkleber von anderen Marken für einen erheblich niedrigeren Betrag als 10,99 EUR je Paket erhältlich. Gleiches gelte für die Malerabdeckplane. Zudem würden Mengen in Ansatz gebracht, deren Notwendigkeit für eine ordnungsgemäße Renovierung der Wohnung gemäß eines unteren Wohnstandards nicht dargetan worden ist. So sei es dem Gericht beispielsweise nicht erklärlich, weshalb vier Sack Spachtelmasse á 5 kg vonnöten gewesen seien. Auch sei dem Kläger zuzumuten, Abdeckplanen mehrfach zum Einsatz zu bringen, indem er die Wohnung Raum für Raum renoviert. Auch die vom Kläger in Ansatz gebrachten Kosten für das benötigte Werkzeug seien in diesem Umfang nicht übernahmefähig. Zahlreiche der in der Klageschrift genannten Werkzeuge seien für eine Renovierung nicht zwingend erforderlich, so etwa ein zusätzlicher Farbeimer, eine Kartuschenpresse, eine Walze und eine Wasserwaage. Zudem ließen sich Gegenstände wie ein Tapeziertisch, die Wasserwaage, Schraubendreher sowie ein Hammer regelmäßig bei Verwandten oder Bekannten ausleihen. Das Gericht halte in Ansehung der verbleibenden Einzelkosten für Kleinmaterial und Werkzeug einen Pauschalbetrag von 60,00 EUR für angemessen. Im Einzelnen sei es kaum möglich, die tatsächlichen Kosten konkreter zu ermitteln, da ein Großteil der Materialien verbrauchsabhängig sei und der Verbrauch wiederum von unwägbaren Umständen wie der Wandbeschaffenheit und den Eigenschaften der jeweiligen Produkte abhänge. Schließlich seien die veranschlagten Kosten für Materialbeschaffung nicht berücksichtungsfähig. Die Fahrtkosten zum Baumarkt müssten aus der Regelleistung, die einen erheblichen Anteil für den Bereich "Verkehr" enthalte, bestritten werden. Auch sei es dem Kläger zumutbar, die Renovierungsmaterialien im Rahmen von einem oder zwei Einkäufen und nicht nur nach und nach zu beschaffen. Das Gericht folge schließlich dem Einwand des Klägers nicht, es müssten die tatsächlichen Kosten für die benötigten Gegenstände, wie sie bei der Anschaffung in dem örtlichen E-Baumarkt anfallen würden, zugrunde gelegt werden. Der Kläger verfüge nach eigenem Bekunden über ein Kraftfahrzeug, mit dem er in der Lage sei, auch weiter entfernt liegende Baumärkte zu erreichen. Die von ihm eingereichten Belege wiesen insbesondere aus, dass er häufig Einkäufe im Kasseler F-Baumarkt getätigt habe.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 2. August 2011 zugestellt worden

Die hiergegen gerichtete Berufung ist am 8. August 2011 bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangen.

Der Kläger trägt vor, durch den Besuch eines Außendienstmitarbeiters der Beklagten sei festgestellt worden, dass sowohl die Wände als auch die Decken in allen Räumen zu renovieren sein. Die Wände seien teilweise mit alten Tapeten und mit alten Holzverschalungen belegt, die Decken ebenfalls mit alten Holz- und Akustikplattenverschalungen. Sowohl die Wand- als auch die Deckenverschalungen könnten nicht demontiert und entsorgt werden, da sich unter den Verschalungen kein Putz befinde, sondern nur Rohbeton an den Decken oder Mauerwerk an den Wänden. Eine Sanierung der Decken- und Wandverschalungen komme ebenfalls nicht in Betracht, da dies zu aufwändig und zu teuer sei. Der einzig gangbare Weg bestünde darin, die Verschalung entweder mit Rigips zu beplanken oder da wo dies möglich sei, durch aufwendigere Spachtelarbeiten auszuführen und zu begradigen. Der Kläger hat die hierfür nach seiner Auffassung erforderlichen Arbeiten detailliert in der Berufungsschrift dargelegt, aufgeschlüsselt nach Wänden mit altem Tapetenbelag, Wänden mit alter Holzverschalung, Decken mit alter Holzverschalung und Decken mit alter Akustikplattenverschalung. Nach vorsichtigen Schätzungen gehe der Kläger davon aus, dass die Kosten für die Beplankung der Decken insgesamt 500,- EUR betragen werden. Die genauen Kosten könnten erst nach Fertigstellung anhand der Ausgabenbelege abgerechnet werden. Der Kläger rügt die nicht fachgerechte Flächenberechnung durch das Sozialgericht. Es sei ein Aufmaß nach DIN-Vorschriften durch einen Sachverständigen notwendig. Hinsichtlich der weiteren Berechnung der Klageforderung wird auf die Berufungsschrift vom 8. August 2011 Bezug genommen. Bereits im Widerspruchsbescheid der Beklagten sei festgestellt worden, dass auch die Decken renovierungsbedürftig seien. Es sei eine entsprechende Untergrundbehandlung nötig. Es gehe nicht darum, die alte Deckenverschalung zu erhalten, sondern diese abzudecken, damit die Decke überhaupt tapeziert und gestrichen werden könne. Hinsichtlich des Zustandes der Decke vor Renovierung und des Renovierungsstandes nimmt der Kläger Bezug auf die zum Schriftsatz vom 24. Mai 2013 übersandte Fotodokumentation.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 28.07.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weitere Renovierungskosten in Höhe von 798, EUR sowie für die Rigipsplatten und Zubehör 500,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen aktuellen Basiszinssatz auf den eingeklagten Betrag ab dem 22. Oktober 2010 zu erbringen,
sowie auf Nachweis auch die darüber hinausgehenden Kosten zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, bei einem Hausbesuch im Februar 2013 sei festgestellt worden, dass das Wohnzimmer mit neuen Gipskartonplatten ausgestattet worden sei. Hierbei handele es sich nicht um eine übliche Maßnahme einer Einzugsrenovierung. Sie ist der Rechtsauffassung, die Wohnung sei mit einer Wohnfläche von 120 m² für 3 Personen unangemessen. Auch im Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung durch die Bedarfsgemeinschaft im Oktober 2010 hätte anderer Wohnraum im Werra-Meißner-Kreis zur Verfügung gestanden. Die Beklagte beruft sich insoweit auf eine dem Schriftsatz vom 20. Juni 2013 beigefügten Auswertung von Wohnungsangeboten in Zeitungen. Mit den Renovierungsmaßnahmen hätten auch grundsicherungsrechtlich unbeachtliche Maßnahmen wie zum Beispiel die Erneuerung der Elektroinstallation und die Sanierung der Decke, die mit Holz- und Akustikverschalung versehen sei, mitabgerechnet werden sollen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 21. Mai 2014, der Gerichtsakten, der Gerichtsakte L 6 AS 401/11 B ER sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Bände) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klage ist nur teilweise zulässig. Hinsichtlich der unterschiedlichen Antragsfassungen des Leistungsbegehrens geht der Senat zugunsten des Klägers von einer Klarstellung und nicht von einer Klageänderung aus. Für das erst in der Berufung geltend gemachte Begehren "auf Nachweis auch die darüber hinausgehenden Kosten zu erstatten" ist kein besonderes Feststellungsinteresse erkennbar, soweit darin eine Klageerweiterung über den bisherigen Streitgegenstand und nicht lediglich eine Präzisierung des ursprünglichen Freistellungsbegehrens gesehen werden soll.

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Es ist kein über 418,- EUR (die Summe der vorgerichtlich zuerkannten und mit der erstinstanzlichen Entscheidung zuerkannten Renovierungskosten) hinausgehender, notwendiger Renovierungsbedarf festzustellen. Offen bleiben kann daher, ob der Kläger alleine oder vielmehr die gesamte Bedarfsgemeinschaft den Anspruch hätte einklagen müssen, um die Kosten in voller Höhe geltend machen zu können.

Der Kläger erfüllt zwar die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen der §§ 7 ff. SGB II. Insbesondere war er im streitgegenständlichen Zeitraum hilfebedürftig. Aufgrund der Angaben des Klägers ging die Beklagte bei der Bedarfsgemeinschaft von Einkommenslosigkeit und einem Vermögen aus, das die Freibeträge nicht übersteigt. Dem stand ein Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1.141,25 EUR monatlich für den streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber. Mögliche Zweifel am fehlenden Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (vgl. für spätere Zeiträume L 6 AS 520/12 B ER) sind dabei jedenfalls für den hiesigen Leistungszeitraum nicht von solchem Gewicht, dass die Hilfebedürftigkeit dem Grunde nach entfallen würde. Der Senat macht sich im Übrigen die Feststellungen der Beklagten und des Sozialgerichts zu Eigen.

Der Höhe nach folgt aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II indes kein weitergehender Anspruch auf Übernahme der Kosten der Einzugsrenovierung. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Vom Mieter geschuldete Kosten der Einzugsrenovierung sind, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, grundsätzlich den Kosten der Unterkunft zuzurechnen. Voraussetzung des Anspruches ist, dass die Renovierung erforderlich ist, um die Bewohnbarkeit der Wohnung herzustellen, die Verlagerung der Renovierungskosten auf den Mieter orts- bzw. marktüblich ist und die Renovierung zur Herstellung des Standards einer Wohnung im unteren Wohnsegment erforderlich ist (vgl. auch zum Folgenden: BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 49/07 – juris). Die Angemessenheit der Einzugsrenovierungskosten, die grundsätzlich unabhängig von der Angemessenheit der Unterkunft selbst gegeben sein muss, ist in drei Schritten zu prüfen. Zunächst ist festzustellen, ob die Einzugsrenovierung im konkreten Fall erforderlich war, um die Bewohnbarkeit der Unterkunft herzustellen (a). Alsdann ist zu ermitteln, ob eine Einzugsrenovierung ortsüblich ist, weil keine renovierten Wohnungen in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen (b). Zuletzt gilt es zu klären, ob die Renovierungskosten der Höhe nach im konkreten Fall zur Herstellung des Standards einer Wohnung im unteren Wohnungssegment erforderlich waren (c). Angemessen sind also nur solche Kosten, die zur Herstellung der Bewohnbarkeit der Wohnung aus der vertretbaren Sicht des Hilfebedürftigen erforderlich sind. Insofern hat eine Orientierung am Ausstattungsstandard im unteren Wohnsegment zu erfolgen. Es ist mithin von einem lediglich einfachen Ausstattungsgrad auszugehen. Dies betrifft auch den Wand- und Deckenbelag bzw. –ausstattung (vgl. LSG NRW, Urteil vom 22. Februar 2010 – L 1 AS 42/08 – juris; BSG a.a.O.). Die Marktüblichkeit der Renovierung (oben b) ist auf das Maß des konkret Erforderlichen zu beziehen (c): Üblicherweise beschränkt sich das Maß auf die vertraglich geschuldeten Schönheitsreparaturen, insbesondere Tapezier- und Malerarbeiten bei Einzug, die sich zunehmend insbesondere in Reaktion auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Unwirksamkeit einer mietvertraglichen Formularklausel, durch die dem Mieter die Ausführung der Schönheitsreparaturen nach einem starren Fristenplan in Kombination mit einer Auszugsrenovierung auferlegt wird (seit BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 – VIII ZR 361/03NJW 2004, 2586; Urteil vom 5. April 2006 – VIII ZR 152/05NJW 2006, 2115), etabliert hat. Dementsprechend könnten außergewöhnliche Renovierungs- und Sanierungsarbeiten, zu denen sich der Leistungsberechtigte vertraglich verpflichtet hat, nur dann angemessene Kosten der Unterkunft sein, wenn kein anderer Wohnraum, bei dem sich die Einzugsrenovierung auf die beschriebenen üblichen Maler- und Tapezierarbeiten beschränkt, in hinreichendem Umfang auf dem Markt vorhanden ist.

Zu (a): Zwar ist die Einzugsrenovierung erforderlich, um eine ästhetische Beeinträchtigung der Wohnqualität, wie sie auch nach dem Standard im unteren Wohnsegment erwartet werden kann, zu beseitigen. Nach der vom Kläger vorgelegten Fotodokumentation, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21. Mai 2014 in Augenschein genommen worden ist, ist der Senat davon überzeugt, dass die Decke renovierungsbedürftig ist. Die Verschalungen zeigen deutliche Alterungsspuren, erwecken einen deutlich "abgewohnten" Eindruck, der der Behauptung des Klägers entspricht, dass die Wohnung seit den 1980er Jahren nicht mehr renoviert worden ist. Dieser Zustand kann auch in einem unteren Wohnsegment nicht als üblich erachtet werden.

Zu (b): Auch ist der Senat davon überzeugt, dass bei abstrakter Betrachtung im Werra-Meißner-Kreis die Vermietung im unrenovierten Zustand ortsüblich geworden ist. Der Senat hat diese Überzeugung, die sich mit dem Kenntnisstand des Sozialgerichts deckt, aus der Erfahrung in Parallelverfahren im nordhessischen Raum sowie der Bewertung der o.g. mietrechtlichen Entwicklung gewonnen. Auch die Beklagte hat keine dieser Würdigung entgegenstehenden Umstände vorgetragen.

Zu (c): Die Kosten der Deckensanierung sind aber nicht erforderlich, da die Verlagerung einer derartigen Maßnahme auf den Mieter derart marktunüblich ist, dass der Kläger eine andere Wohnung hätte anmieten müssen. Der Senat ist nämlich auch insoweit von der Richtigkeit der Einschätzung des Klägers überzeugt, dass als kostengünstige Alternative zur kompletten Ersetzung der alten Deckenverschalungen jedenfalls hinsichtlich der in der Fotodokumentation noch erkennbaren Akustikplattenverschalung allein eine "Beplankung" mit Rigips in Betracht kommt. Dem Senat, der seit vielen Jahren für den nordhessischen Raum zuständig ist, ist noch kein einziger Fall bekannt geworden, in dem bei einer Einzugsrenovierung derart umfangreiche Sanierungsarbeiten erforderlich gewesen wären. Als üblich können insoweit allein Maler- und Tapezierarbeiten angesehen werden. Im Übrigen ist der Senat davon überzeugt, dass derart umfangreiche Sanierungsarbeiten mietrechtlich jedenfalls formularmäßig nicht auf den Mieter übertragen werden könnten, ohne dass der entsprechende wirtschaftliche Gegenwert individualvertraglich in einer Gegenleistung einen Niederschlag findet. Auch diese Rechtstatsache spricht gegen eine Marktüblichkeit.

Die unangemessenen Kosten der Einzugsrenovierung bezüglich der Wohnungsdecken sind nicht etwa deshalb zu übernehmen, weil an den Kläger keine Kostensenkungsaufforderung ergangen ist. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II regelt nicht einmalige, sondern nur wiederkehrende Bedarfe. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut, wonach die Bedarfe dadurch gekennzeichnet sein müssen, dass "es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken". Dies ist bei einmaligen Bedarfen von vornherein nicht der Fall. Auch die Rechtsfolge, den "Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen", weist durch die Formulierung "so lange" auf wiederkehrende Bedarfe hin.

Die Unangemessenheit hat umgekehrt auch nicht zur Folge, dass gar keine Einzugsrenovierungskosten zu gewähren wären, sondern führt lediglich zu einer Beschränkung auf die angemessenen Einzugsrenovierungskosten (vgl. zu entsprechenden Erwägungen zu den Heizkosten BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 23, Rn. 22 – juris). Die Angemessenheitsschwelle wird einerseits bestimmt durch das angestrebte Renovierungsniveau (siehe bereits oben), die Qualität der verwendeten Materialien und die wohnungsgrößenabhängigen Mengen. Damit hat die die Angemessenheit der Mietkosten mitbestimmende Quadratmetergrenze auch einen Einfluss auf die Angemessenheit der Einzugsrenovierungsaufwendungen. Zudem ist trotz Geltung der Produkttheorie die Angemessenheit auf die abstrakt angemessene Wohnfläche, nicht auf die konkrete, innegehabte Wohnung zu beziehen (zu Heizkosten vgl. BSG a.a.O. sowie BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R). Dabei kann – ebenso wie bei den Heizkosten – kein Quadratmeterhöchstwert bestimmt werden, da die Renovierungskosten in erheblichem Umfang z.B. durch die Deckenhöhe, die Notwendigkeit der Tapezierung, des vorhandenen Bodenbelages etc. bestimmt wird. Das Überschreiten der abstrakt angemessenen Wohnfläche ist daher nur ein Indikator für die Unangemessenheit der für die Einzugsrenovierung benötigten Mengen. Die Grenze des Angemessenen ist aber in jedem Fall überschritten, wenn der kleinste abgeschlossene Raum der Wohnung eine kleinere Fläche hat als die Differenz der abstrakt angemessenen Wohnfläche zur konkreten innegehabten Wohnfläche; dann kann nämlich dieser Raum unrenoviert bleiben, ohne die nutzbare Wohnfläche unterhalb des Existenzminimums zu beschränken.

Insoweit ist der Senat davon überzeugt, dass die bereits gewährten Leistungen i.H.v. 418,- EUR die Kosten einer angemessenen Einzugsrenovierung abdecken. Wie im Beschwerdeverfahren L 6 AS 400/11 B ER ist der Senat auch nach Vorlage der Fotodokumentation davon überzeugt, dass bezüglich der Wände Tapezier-, Maler- und geringfüge Spachtelarbeiten, ggf. ein neuer Holzanstrich hinreichend gewesen wären. Selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, wäre insoweit keine Marktüblichkeit zu erkennen (siehe bereits oben zu (c). Die Auskömmlichkeit der bislang gewährten Leistungen folgt im Übrigen bereits aus dem Umstand, dass nach den Berechnungen der Beklagten und des Sozialgerichts bei den flächenabhängigen Kosten für Tapezier-, Spachtel- und Malerarbeiten die komplette Wohnung in voller Größe sowie die Deckentapezierung einbezogen worden ist. Dies führt zu einem finanziellen "Polster", bei dem die Einwände des Klägers von vornherein nicht mehr durchgreifen können. Ist bei isolierter Betrachtung die Größe einer Wohnung unangemessen, so müssen die Kosten für die Einzugsrenovierung sich jedenfalls dann nicht an der Größe der Gesamtwohnung orientieren, wenn in der Größe des unangemessenen Anteils ein abgeschlossener Raum vorhanden ist, was bei der hiesigen 4-ZKB-Wohnung der Fall ist. Der Kläger bewohnt in einer dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft 120 qm. Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße beträgt 72 qm. Bereits aus Gründen der Logik und anhand der Inaugenscheinnahme der ausführlichen Fotodokumentation ist der Senat mit hinreichender Gewissheit davon überzeugt, dass mindestens ein Zimmer außer Küche und Bad eine Größe von weniger als 48 qm aufweist. Allein von dieser überschießenden Leistung kann der Kläger den von ihm behaupteten Aufwand nicht berücksichtigter Spachtelarbeiten decken, so dass der Kläger durch die Bewilligung nicht in seinen Rechten verletzt sein kann. Unabhängig davon ist auch der Einwand unzutreffend, Kürzungen seien allenfalls dann zulässig, wenn zuvor ein DIN-gerechtes Aufmaß seitens der Beklagten erstellt worden ist. Vielmehr ist zur Darlegung eines Bedarfes, der in der Sphäre des Klägers liegt, zunächst dieser mit der Obliegenheit der Darlegung seines Bedarfes belastet. Ist dieser bereits unplausibel, so bedarf es auch keiner Aufmaßerstellung. Die gewährte Pauschale für Werkzeug etc. ist auskömmlich, die weiteren denkbaren Kosten auszugleichen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die allgemeine Anschaffung von Haushaltswerkzeug grundsätzlich vom Regelsatz erfasst und im Falle des unabweisbaren Bedarfes zur Einzugsrenovierung allenfalls darlehensweise zu gewähren ist. Nur Einwegwerkzeug mit dem Charakter von Verbrauchsmaterial ohne weitere Verwendungsmöglichkeit außerhalb der Wohnungsrenovierung (z.B. Einwegtapeziermessen, entsprechende Klingen) ist ausnahmsweise der Einzugsrenovierung zuzurechnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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