L 8 KR 145/12

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 226/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 145/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 57/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der zweitangegangene Reha-Träger hat einen privilegierten Erstattungsanspruch nach Abs. 4 Satz 1 gegen den „eigentlich“ leistungspflichtigen Träger nach den für ihn selbst geltenden Rechtsvorschriften, also in vollem Umfang; dieser Erstattungsanspruch geht als der speziellere den allgemeinen Erstattungsvorschriften nach dem SGB X vor.

Weil § 14 SGB IX den zweitangegangenen Träger dazu anhält, umfassend nach allen Leistungsvorschriften als zuständiger Reha-Träger zu leisten, bedarf es eines umfassenden Ausgleichsmechanismus, der dem Zweck dient, dass der berechtigte Träger alle seine erbrachten Leistungen zurückerhalten soll.

Dass Übergangsgeld von dem zweitangegangenen Reha-Träger nicht direkt an den Versicherten gezahlt, sondern dem Träger von Leistungen nach dem SGB II überwiesen wurde, welcher während der stationären Reha-Maßnahme vorschussweise Alg II-Zahlungen in dieser Höhe geleistet hatte, ist dabei rechtlich ohne Belang.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird endgültig auf 402,61 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Erstattung eines Betrages von 402,61 EUR im Wege des Ausgleichs erbrachter Leistungen zwischen dem sogenannten zweitangegangenen Rehabilitationsträger und dem nach materiellem Recht zuständigen Rehabilitationsträger.

Empfängerin der streitgegenständlichen Leistungen war die bei der Klägerin rentenversicherte und bis zum 31. Januar 2008 bei der Beklagten krankenversicherte X. (V). Am 5. Februar 2007 beantragte V bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Braunschweig-Hannover die Gewährung einer Anschlussheilbehandlung (AHB). Diesen Antrag reichte die DRV Braunschweig-Hannover am 7. Februar 2007 an die Klägerin weiter, da sich der Wohnsitz von V in deren Zuständigkeitsbereich befand. Mit Bescheid vom 12. Februar 2007 bewilligte die Klägerin die beantragte AHB als Leistung der medizinischen Rehabilitation, welche in der Zeit vom 20. Februar bis 13. März 2007 in der Klinik für Kardiologie, Psychosomatische Medizin und Orthopädie D. in Bad Nauheim stattfand.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2007 teilte der Vogelsbergkreis der Klägerin mit, die Versicherte erhalte von ihm Arbeitslosengeld II (ALG II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Zugleich machte er einen Erstattungsanspruch auf das während der Dauer der medizinischen Rehabilitation vorschussweise ausgezahlte ALG II geltend. Die Klägerin erkannte daraufhin den Erstattungsanspruch in Höhe von 402,61 EUR an und machte ihrerseits u.a. die Erstattung dieser Kosten gemäß § 14 Abs. 4 S. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) gegenüber der Beklagten geltend.

Mit Schreiben vom 25. März 2008 lehnte die Beklagte diese Forderung endgültig ab.

Die Klägerin hat daraufhin am 29. April 2009 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Zu deren Begründung hat sie ausgeführt, sie sei für die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme nicht zuständig gewesen, da mit der Wiederherstellung des Leistungsvermögens der V nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu rechnen gewesen sei und deren Erwerbsminderung gemäß § 101 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) bereits am 7. Februar 2007 vorgelegen habe. Gleichwohl habe sie den Antrag nicht weiterleiten dürfen, da sie bereits der zweitangegangene Träger gewesen sei. Der Umfang des Erstattungsanspruches richte sich nach den für den zweitangegangenen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Zu den Leistungen, welche sie im Zusammenhang mit der Maßnahme erbracht habe, gehöre gem. § 20 Nr. 3 b) SGB VI auch das Übergangsgeld, das von der Beklagten folglich ebenfalls zu erstatten sei. Die Auszahlung des Übergangsgeldes sei vorschussweise durch den Träger der Leistungen nach SGB II erfolgt, so dass diesem zunächst einen Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin zugestanden habe.

Die Beklagte hat im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens dem Grund nach anerkannt, dass aufgrund der Weiterleitung des Rehabilitationsantrags von einem Träger der Rentenversicherung auf einen anderen grundsätzlich der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eröffnet worden sei, so dass die Klägerin als zweitangegangener Rehabilitationsträger angesehen werden könne. Weiterhin hat sie anerkannt, der eigentlich zuständige Rehabilitationsträger für die Maßnahme gewesen zu sein und sich zur Erstattung der hierbei entstandenen Pflegekosten und Fahrtkosten bereit erklärt. Die Forderung bezüglich des von der Klägerin gezahlten Übergangsgeldes sehe sie jedoch weiterhin nicht als erstattungsfähig an. § 21 Abs. 4 SGB VI nenne den Versicherten als unmittelbaren Leistungsempfänger und als Berechtigten, das Übergangsgeld zu beziehen. Tatsächlich habe die Klägerin jedoch nicht an V Übergangsgeld gezahlt, sondern dem SGB II-Träger vorgeleistetes ALG II erstattet. Zu der Zahlung von Übergangsgeld komme es nur, weil der Träger der Leistungen nach dem SGB II verpflichtet sei, bei Rehabilitationsmaßnahmen des Rententrägers zunächst ALG II vorzuleisten und dann berechtigt sei, sich diese Vorleistung zurück zu holen. Wäre sie selbst der Träger der Leistung, bestehe dieser Anspruch nicht. Ohne das Erstattungsverfahren nach § 14 SGB IX sei sie zu dieser Leistung nicht verpflichtet gewesen. Dies könne im Ergebnis nicht sein und lasse sich auch nicht rechtfertigen, wenn man den Zweck der Regelung des § 14 SGB IX bemühe. Dessen Sinn sei es, dem behinderten Menschen innerhalb einer bestimmten Frist die notwendigen Leistungen zur Verfügung zu stellen. Mit den Erstattungspflichten der Träger der Leistungen habe dies nichts zu tun. Die Beklagte trage hier den Nachteil, denn für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II bestehe kein Anspruch auf Krankengeld.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Beklagte mit Urteil vom 16. März 2012 verurteilt, an die Klägerin 402,61 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Erstattung des gegenüber der Beklagten geltend gemachten Betrages sei § 14 Abs. 4 SGB IX. Es sei mittlerweile durch das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass die Übermittlung eines Antrages auf medizinische Rehabilitation zwischen zwei Trägern innerhalb eines Sozialversicherungszweiges eine Weiterleitung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX darstelle. Auch lägen die Voraussetzungen für eine Rehabilitationsleistung im Sinne des § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung vor, weshalb die Beklagte den Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Rehabilitationsmaßnahme als solche, sowie der Fahrtkosten, zu Recht anerkannt habe. Der Erstattungsanspruch der Klägerin umfasse darüber hinaus auch die Aufwendungen, welche die Klägerin gegenüber dem Träger der Leistungen nach dem SGB II im Wege der Erstattung nach § 102 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gehabt habe. Das Gericht schließe sich den Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 8. September 2009 (B 1 KR 9/09) zu dem Umfang sowie Sinn und Zweck des Erstattungsanspruches gemäß § 14 Abs. 4 SGB IX an. In Anwendung der Rechtsprechung des BSG ergebe sich, dass die Klägerin Anspruch auf Erstattung der ihr tatsächlich entstandenen Aufwendungen habe. Im Verhältnis zur V sei aufgrund der "aufgedrängten" Zuständigkeit der Klägerin ein Rechtsanspruch auf Zahlung von Übergangsgeld gemäß § 20 Nr. 3 b) SGB VI entstanden. Aufgrund dieses Anspruches sei der Träger der Leistungen nach dem SGB II gemäß § 25 SGB II zur Zahlung von Leistungen nur als Vorschuss verpflichtet, mit der Folge, dass er gemäß § 102 SGB X einen Anspruch auf Erstattung habe. Der Klägerin stünden gegenüber dem Träger der Leistungen nach dem SGB II keine Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch zu, denn die Zuständigkeit der Klägerin aufgrund der Regelung nach § 14 SGB IX für die Leistung gegenüber dem versicherten Menschen begründe in dem bestehenden Normengefüge auch den Erstattungsanspruch des Trägers der Leistungen des SGB II. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe dem Leistungsträger, der aufgrund der aufgedrängten Zuständigkeit handeln musste, hierfür kein Nachteil entstehen sollen, weshalb die Individualkosten des Einzelfalles und deshalb hier auch das Übergangsgeld von der Beklagten zu erstatten seien. Die Beklagte könne sich demgegenüber nicht mit dem Argument zur Wehr setzen, dass bei der unmittelbaren Inanspruchnahme von ihr als der zuständigen Leistungsträgerin diese Kosten nicht entstanden wären. So habe das BSG in dem zitierten Urteil auch die Beiträge zur Rentenversicherung als erstattungsfähige Aufwendung im Sinne des § 14 Abs.4 Satz 1 SGB IX angesehen, wenn ihre Zahlung gemäß § 176 Abs.3 SGB VI lediglich fingiert würden.

Das Urteil ist der Beklagten am 21. März 2012 zugestellt worden. Am 18. April 2012 hat sie hiergegen Berufung vor dem Hessischen Landessozialgericht erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angefochtene Entscheidung gehe fehlerhaft davon aus, dass die Klägerin im Sinne eines "weiten Umfangs des Erstattungsanspruchs" alle ihrerseits erbrachten Leistungen zurückerhalten solle. Dies könne sich nur auf die Leistungen beschränken, auf die der Versicherte selbst einen Anspruch habe, nicht jedoch auf Erstattungsansprüche zwischen verschiedenen Leistungsträgern. Vorliegend habe V kein Anspruch auf Übergangsgeld für die Dauer der AHB mehr zugestanden, nachdem ihr insoweit schon vom Vogelbergkreis vorschussweise ALG II gezahlt worden sei. Unabhängig von den Erstattungsansprüchen der Leistungsträger untereinander sei damit aufgrund § 107 SGB X der Anspruch von V untergegangen, da dieser befriedigt worden sei. Folgerichtig hätte die Klägerin als vorleistender, zweitangegangener Leistungsträger im Sinne § 14 SGB IX einen solchen Anspruch der V nicht mehr befriedigen dürfen. Sie sei auch nicht berechtigt, einen etwaigen Erstattungsanspruch des SGB II-Trägers auf ihre Kosten zu befriedigen. Denn ein solcher etwaiger Erstattungsanspruch sei zwischen dem Sozialhilfeträger und der Beklagten unmittelbar abzuhandeln gewesen. Vorliegend spreche alles dafür, dass ein solcher Erstattungsanspruch gemäß § 111 oder § 113 SGB X wegen Verstreichens der Ausschlussfrist bzw. Verjährungsfrist untergegangen wäre. Mithin wäre sie nicht mehr erstattungspflichtig gewesen. Zweck der Regelung in § 14 SGB IX sei es, allein zwischen den betroffenen behinderten Menschen und den Reha-Trägern die Zuständigkeit schnell und dauerhaft zu klären, damit die anspruchsberechtigten behinderten Menschen die ihnen zustehende Leistung schnell erhalten. Anderes ergebe sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BSG, wonach der zweitangegangene Reha-Träger im Verhältnis zum behinderten Menschen nicht nur vorläufig, sondern endgültig und umfassend Leistungspflichtig sei. Das BSG spreche nicht umsonst von einer endgültigen Zuständigkeit "im Verhältnis zum behinderten Menschen". Es sehe diese Zuständigkeit nur in diesem Verhältnis, nicht aber im Verhältnis der Leistungsträger untereinander.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. März 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Bestimmung des § 14 SGB IX räume dem zweitangegangenen Träger einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Reha-Träger ein. Dieser spezielle Anspruch gehe den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB X vor. Die Regelung begründe einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Reha-Träger - bei Vorliegen eines entsprechenden Reha-Bedarfs - die erforderlichen Reha-Leistungen spätestens nach drei Wochen selbst dann erbringen müsse, wenn er der Meinung sei, hierfür nicht zuständig zu sein. Im Außenverhältnis zum behinderten Menschen werde durch diese gleichsam aufgedrängte Zuständigkeit eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die - vergleichbar der Regelung des § 107 SGB X - einen endgültigen Rechtsgrund für das "Behalten dürfen" der Leistung in diesem Rechtsverhältnis bilde. Im Außenverhältnis gegenüber V habe sie daher als zweitangegangener Träger über den Rehabilitationsbedarf verbindlich zu entscheiden gehabt. Demnach habe auch V ihr gegenüber nach § 20 Satz 1 Nr. 3b i.V.m. § 21 Abs. 4 SGB VI ein Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld zugestanden. Der Anspruch gelte zwar gemäß § 107 SGB X als erfüllt. Dadurch sei jedoch zugleich nach § 25 SGB II i. V. m. § 102 SGB X der Anspruch des SGB Il-Trägers auf Erstattung des Vorschusses entstanden. Insoweit erstrecke sich das "Außenverhältnis" nicht nur auf den Versicherten sondern auch auf den Vorschuss gewährenden SGB-Il-Träger. Die Klägerin bleibe auch nach Erstattung durch den eigentlich zuständigen Träger, vorliegend also die Beklagte, im Außenverhältnis zuständiger Träger. Im Innenverhältnis der Reha-Träger untereinander, d.h. zwischen der Klägerin und der Beklagten, sei jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Diesen Ausgleich bewirke der Anspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die kraft Zulassung durch das Sozialgericht statthafte (§ 144 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. März 2009 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des von ihr in Höhe von 402,61 EUR für die Zeit der Durchführung der V gewährten AHB gezahlten Übergangsgeldes. Dass das Übergangsgeld nicht direkt an V gezahlt, sondern dem Vogelsbergkreis überwiesen wurde, welcher V während der stationären Rehabilitationsmaßnahme weiter Alg II-Zahlungen in dieser Höhe geleistet und deshalb seinerseits einen Erstattungsanspruch hatte, ist rechtlich ohne Belang. Wertmäßig hatte die Klägerin zugunsten der V Übergangsgeld in dieser Höhe geleistet.

Der Klägerin steht als zweitangegangener Leistungsträgerin gegen die Beklagte - als materiell-rechtlich originär zuständige Reha-Trägerin - der zuerkannte Erstattungsanspruch aus § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX zu. Diese Regelung bestimmt: "Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs. 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften." Dieser spezielle Anspruch ist begründet, soweit der Versicherte vom Träger, der ohne die Regelung in § 14 SGB IX zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2009 - B 1 KR 9/09 R, juris Rn. 11 m.w.N.). Die Regelung begründet einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Reha-Träger - bei Vorliegen eines entsprechenden Reha-Bedarfs - die erforderlichen Reha-Leistungen (spätestens nach drei Wochen) selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit". Diese in § 14 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB IX geregelte Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind. Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die - vergleichbar der Regelung des § 107 SGB X - einen endgültigen Rechtsgrund für das "Behalten dürfen" der Leistung in diesem Rechtsverhältnis bildet. Im Verhältnis der Reha-Träger untereinander ist jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Den Ausgleich bewirkt der Anspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX.

Die Klägerin hat die streitgegenständliche Reha-Maßnahme der V als zweitangegangener Reha-Träger nach § 14 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB IX bewilligt, was zwischen den Beteiligten nach zwischenzeitlicher Klärung dieser Rechtsfrage durch das BSG nicht mehr im Streit steht und auch seitens des Senats keinen Bedenken begegnet.

Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX setzt voraus, dass der Versicherte die Reha-Maßnahme ihrer Art nach von dem auf Erstattung in Anspruch genommene Versicherungsträger (in § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX als anderer Rehabilitationsträger bezeichnet) nach dessen materiellem Recht – der Zuständigkeitsordnung außerhalb von § 14 SGB IX – hätte beanspruchen können. Es muss eine sachliche Kongruenz zwischen der gewährten Reha-Maßnahme und der von dem Versicherten von dem anderen Rehabilitationsträger beanspruchbaren Reha-Leistung bestehen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der andere Rehabilitationsträger – hier die Beklagte – für alle unter dem Aspekt medizinischer Rehabilitation in Betracht kommenden Einzelleistungen aufkommen hätte müssen. So darf ein Erstattungsanspruch z.B. nicht bereits daran scheitern, dass die Maßnahme in einer Einrichtung durchgeführt wurde, mit der die Krankenkasse keinen Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V geschlossen hat, obwohl § 40 Abs. 2 SGB V den Anspruch Versicherter auf die Gewährung medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen davon abhängig macht, dass mit der Rehabilitationseinrichtung ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Dies entspricht einem allgemeinen Grundsatz des Erstattungsrechts zwischen Leistungsträgern. Dementsprechend hat es die Rechtsprechung sogar stets als unerheblich angesehen, dass der erstattungspflichtige Leistungsträger kein eigenes Ermessen hinsichtlich der Auswahl der Einrichtung ausüben konnte. Andernfalls würde der Erstattungsanspruch zweckwidrig über Gebühr eingeschränkt (vgl. BSG: Urteil vom 8. September 2009 – B 1 KR 9/09 R – juris Rn. 13; Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 36/06 R – juris Rn. 16 - 19 mit zahlreichen Nachweisen aus der BSG-Rechtsprechung).

Hieraus folgt, dass der Rehabilitationsfall von dem erstattungspflichtigen und eigentlich zuständigen Träger nicht noch einmal vollständig daraufhin zu prüfen ist, welche Einzelleistungen dem Versicherten zugestanden hätten, wenn nicht der zweitangegangene Rehabilitationsträger, sondern ersterer über den Rehabilitationsantrag entschieden hätte (vgl. Götz, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, Kommentar, 3. Auflage 2009, § 14 Rn. 23; Jabben in Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, SGB IX § 14, Stand: 1. März 2015, Rn. 10). So ist z.B. eine von dem zweitangegangenen Rehabilitationsträger gewährte Entgeltersatzleistung nicht noch einmal neu zu berechnen. Weiter sind entrichtete und auch als entrichtet geltende Beiträge zur Sozialversicherung ohne weitere Prüfung zu erstatten. § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX gibt ausdrücklich vor, dass der Rehabilitationsträger, der die Leistung zur Teilhabe erbracht hat, Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen nach den Bestimmungen hat, die für ihn und seine Leistung gelten. Der zweitangegangene Reha-Träger hat damit einen privilegierten Erstattungsanspruch nach Abs. 4 Satz 1 gegen den "eigentlich" leistungspflichtigen Träger nach den für ihn selbst geltenden Rechtsvorschriften, also in vollem Umfang; dieser Erstattungsanspruch geht als der speziellere den allgemeinen Erstattungsvorschriften nach dem SGB X vor (Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Auflage 2010, § 14, Rn. 15c). Die Regelung soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass der zweitangegangene Träger keine Möglichkeit hatte, den Antrag nochmals weiterzuleiten und trotz Unzuständigkeit zur Leistung verpflichtet war (vgl. Götz, a.a.O., Rn. 23). Weil § 14 SGB IX den zweitangegangenen Träger dazu anhält, umfassend nach allen Leistungsvorschriften überhaupt als zuständiger Reha-Träger zu leisten, bedarf es eines umfassenden Ausgleichsmechanismus, der dem Zweck dient, dass der berechtigte Träger alle seine erbrachten Leistungen zurückerhalten soll. In der Sache geht es um alle Individualkosten des Einzelfalles. Dazu zählen z.B. auch die Rentenversicherungsbeiträge, deren Zahlung § 176 Abs. 3 SGB VI fingiert (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2009 – B 1 KR 9/09 R, juris Rn. 17 f.).

Alle oben aufgeführten Voraussetzungen für den von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruch sind erfüllt. Die Beklagte hätte dem Versicherten – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – die beantragte AHB gewähren müssen. Gemäß § 40 Abs. 6 Satz 1, Abs. 2 SGB V gehört eine stationäre AHB zum Leistungsspektrum der Beklagten. Sie wird dort definiert als eine stationäre Rehabilitation, deren unmittelbarer Anschluss an eine Krankenhausbehandlung medizinisch notwendig ist. Es bestand also eine sachliche Kongruenz zwischen der von der Klägerin geleisteten Rehabilitationsmaßnahme und der von der Beklagten zu erbringen gewesenen Rehabilitationsleistung. Damit greift die Regelung in § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, wonach der eigentlich zuständige Rehabilitationsträger dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften zu erstatten hat. Dies führt dazu, dass – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht darauf abzustellen ist, ob dem Versicherten für die Dauer der AHB Krankengeld zu zahlen gewesen wäre. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die Klägerin nach den für sie für eine AHB nach dem SGB VI maßgeblichen Normen dem Versicherten Entgeltersatzleistungen zu gewähren hatte. Dass eine solche Verpflichtung bestand, folgt aus § 20 Nr. 3 b) und § 21 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI. Danach steht Versicherten, die unmittelbar vor Beginn der medizinischen Leistungen ALG II bezogen, ein Anspruch auf Übergangsgeld in Höhe des zuvor bezogenen ALG II zu. Die Erfüllung vom Vogelsbergkreis geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist seitens der Klägerin aufgrund ihrer Verpflichtung gegenüber der V nach § 20 Nr. 3 b) und § 21 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI erfolgt. Der Vogelsbergkreis ist insoweit lediglich für die Klägerin in Vorleistung getreten. Aus § 21 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI folgt ein Vorrang des Anspruchs auf Übergangsgeld vor dem ALG II-Anspruch. Folglich handelt es sich bei dem geltend gemachten Betrag in Höhe von 402,61 EUR im Ergebnis um eine Aufwendung der Klägerin "nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften", die ihr als zweitangegangenem Leistungsträger gem. § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX zu erstatten war.

Die zutreffende Berechnung der Höhe der Erstattungsforderung wird von Beklagten nicht angezweifelt und begegnet auch seitens des Senats keinen Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und stellt auf die Höhe der eingeklagten Forderung ab.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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