L 7 AL 149/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 20 AL 293/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 149/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bei einem Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland besteht kein Anspruch auf Überbrückungsgeld (Aufgabe der Senatsrechtsprechung, Urteil vom 23. September 2011, L 7 AL 104/09).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung und Erstattung eines gewährten Überbrückungsgeldes in Höhe von 11.957,97 Euro.

Der Kläger beantragte am 28. September 2005 (Bl. 1 ff. der Verwaltungsakte) die Gewährung von Überbrückungsgeld und gab an, dass er sich ab dem 1. November 2005 als Tauchlehrer in A-Stadt selbständig machen werde. Er bezog Arbeitslosengeld, der Anspruch bestand noch bis zum 30. Juni 2006 (Bl. 1 der Verwaltungsakte). Er gab an, dass er für die Tätigkeit ca. 40 Wochenstunden aufwenden werde. Er legte eine Gewerbeanmeldung vom 26. September 2005 (Bl. 22 der Verwaltungsakte) vor, wonach er folgende Tätigkeit ausüben wird: Tauchaus- und -fortbildung, Erste Hilfe- und Herz-Lungen-Wiederbelebungskurse, Event-Marketing, Training und Schulungen, An- und Verkauf von Tauchsportartikeln und Ausrüstungsgegenständen. Die Betriebsstätte sollte im "C-Weg, A-Stadt" sein. Die Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 11. Oktober 2005 (Bl. 34 der Verwaltungsakte) Überbrückungsgeld für den Zeitraum vom 1. November 2005 bis 30. April 2006 in Höhe von monatlich 3.203,01 Euro.

Am 5. Juli 2011 (Bl. 38 ff. der Verwaltungsakte) erreichte die Beklagte anlässlich einer erneuten Beantragung von Arbeitslosengeld seitens des Klägers ab dem 1. Juni 2011 Unterlagen der Arbeitsverwaltung aus Spanien, in denen mitgeteilt wird, dass der Kläger ab dem 9. Januar 2006 bis 2010 abhängige Beschäftigungen ausgeübt hat.

Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin am 11. Juli 2011 (Bl. 44 der Verwaltungsakte) wegen einer Aufhebung des gewährten Überbrückungsgeldes ab dem 9. Januar 2006 und Erstattung einer Überzahlung in Höhe von 11.957,97 Euro an. Der Kläger gab an (Bl. 50 der Verwaltungsakte), dass er die mit Überbrückungsgeld geförderte selbständige Tätigkeit weiterhin ausgeübt habe. Er habe unter der Woche und verstärkt am Wochenende Tauchkurse gegeben, seine Tauschschule nebst Internetseite aufgebaut. Parallel habe er als eine Art Verwalter abhängig beschäftigt in einer Ferienanlage gearbeitet. Es sei ursprünglich beabsichtigt gewesen, die Ferienanlage zu erwerben, jedoch sei eine Finanzierung nicht zustande gekommen. Es sei dann ein Kauf-Pacht-Vertrag abgeschlossen worden. Er habe für den Eigentümer der Anlage gearbeitet und zwar mit einem Vertrag mit 25 Stunden pro Woche.

Die Beklagte hob durch Bescheid vom 2. September 2011 (Bl. 53 der Verwaltungsakte) die Gewährung von Überbrückungsgeld im Zeitraum vom 9. Januar 2006 bis 30. April 2006 auf und forderte die Erstattung eines Betrages in Höhe von 11.957,97 Euro. Sie führte zur Begründung aus, dass der Kläger die Tätigkeit nicht im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs ausgeübt habe. Der Kläger legte am 14. September 2011 (Bl. 55 der Verwaltungsakte) Widerspruch ein. Er verwies darauf (Bl. 59 der Verwaltungsakte), dass sein Gewerbe in A-Stadt angemeldet sei. Der Bescheid benenne keine Rechtsgrundlagen und benenne keine Tatsachen, auf die sich die Entscheidung stütze. Die Beklagte wies diesen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 16. November 2011 (Bl. 61 der Verwaltungsakte) als unbegründet zurück. Sie wies daraufhin, dass förderungsfähig zu diesem Zeitpunkt nur die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei. Ein Nachweis über die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in A-Stadt sei nicht erbracht, der Kläger habe sich wegen der abhängigen Beschäftigung tatsächlich in Spanien aufgehalten. Zugunsten des Klägers werde unterstellt, dass er die hauptberufliche selbständige Tätigkeit in Deutschland erst ab dem 9. Januar 2006 aufgegeben habe. Der Kläger habe seine Mitteilungspflichten verletzt, so dass die Gewährung auch rückwirkend aufgehoben werden könne.

Der Kläger erhob dagegen am 21. November 2011 Klage vor dem Sozialgericht Gießen.

Er behauptete, dass er weiterhin hauptberuflich selbständig tätig gewesen sei. Er habe ursprünglich seine selbständige Tätigkeit in Deutschland ausgeübt, jedoch sei dies schwierig gewesen. Kurzfristig habe sich die Möglichkeit ergeben, in Spanien eine Tätigkeit in diesem Bereich auszuüben. Dies sei ursprünglich nicht so vorgesehen gewesen. Er sei weiterhin in Deutschland gemeldet gewesen und habe sein Einkommen in Deutschland versteuert. Er habe sich jedoch mehr in Spanien aufgehalten. Er habe Verwalteranfragen in der Ferienanlage durchgeführt und über diese Anlage auch Tauchkunden akquiriert. Er habe ca. 80% seiner Arbeitszeit für die selbständige Tätigkeit verwandt. Er habe erst ca. 600 Euro, später mehr durch seine abhängige Beschäftigung verdient. Seine Frau habe auch in der Anlage gearbeitet. Der Kauf-Pacht-Vertrag sei bis Februar 2010 gelaufen, er sei dann zurückgekommen, seine Frau noch bis Ende 2010 geblieben. Das Geschäft sei gescheitert. Die Tauchschule habe auch Gewinn abgeworfen, jedoch nicht so viel, dass er und seine Frau ihren Lebensunterhalt damit hätten sichern können. Er war der Ansicht, dass die selbständige Tätigkeit auch im Ausland habe ausgeübt werden können und dass der Umfang der Tätigkeit nicht anhand des Einkommens zu Beginn der selbständigen Tätigkeit bestimmt werden könne.

Dem trat die Beklagte entgegen. Sie war der Ansicht, dass eine Tätigkeit im Ausland nicht gefördert werden könne, da die Mittel der deutschen Sozialversicherung nicht im Ausland eingesetzt werden sollten und zudem die Ausübung der Tätigkeit von der Beklagten im Ausland nicht überwacht werden könne.

Sie behauptete, dass sich aus den vorgelegten Gewinnermittlungen über die selbständige Tätigkeit und den Abrechnungen der unselbständigen Tätigkeit ergebe, dass die Haupteinnahmequelle die unselbständige Tätigkeit gewesen sei. Er sei daher nicht mehr hauptberuflich selbständig tätig gewesen.

Das Gericht führte am 20. Februar 2014 einen Erörterungstermin durch; für den Inhalt wird auf das Protokoll (Bl. 25 f. der Gerichtsakte) verwiesen.

Mit Urteil vom 17. Oktober 2014 wies das Sozialgericht Gießen die Klage ab. An dem Urteil hat die ehrenamtliche Richterin E. mitgewirkt, die als Leiterin der Personalabteilung der Beklagten arbeitet.

Die Klage sei zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2011 sei nicht aufzuheben gewesen, da er rechtmäßig sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze. Die Beklagte habe zu Recht die Gewährung von Überbrückungsgeld im Zeitraum vom 9. Januar 2006 bis 30. April 2006 aufgehoben.

Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung sei § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X sei, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintrete, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei.

Diese Voraussetzungen lägen vor.

Es handele sich bei der Gewährung von Überbrückungsgeld um einen Dauerverwaltungsakt. Dieser sei aufgrund einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse rechtswidrig geworden.

Nach § 57 SGB III (in der Fassung vom 19. November 2004) hätten Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Überbrückungsgeld. Überbrückungsgeld werde geleistet, wenn der Arbeitnehmer
1. in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit oder der vorgeschalteten Teilnahme an einer Maßnahme zu deren Vorbereitung
a) Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte oder
b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist, und
2. eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständischen Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

Diese Voraussetzungen lägen aufgrund einer Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen zum 9. Januar 2006 nicht mehr vor. Der Kläger habe nämlich die im November 2005 aufgenommene hauptberufliche selbstständige Tätigkeit wieder aufgegeben. Ausweislich des Businessplans des Klägers (Bl. 7 ff. der Verwaltungsakte) sei Geschäftsinhalt seiner selbstständigen Tätigkeit eine Tauschschule sowie Planung und Organisation von Event-Veranstaltungen innerhalb der Tauchbranche, die Durchführung von Seminaren im Bereich Vertrieb, Verkauf von Tauchsportartikeln und die Planung und Durchführung von Tauchreisen für Clubs/Gruppen gewesen. Er habe angegeben, dass die selbstständige Tätigkeit von seinem Firmensitz in A-Stadt aus ausgeführt werde. Er habe nicht angegeben, dass eine Tauchschule in Spanien in einer Ferienanlage betrieben werden sollte bzw. die Vermittlung von Reisen und der Verkauf von Sportartikeln aus Spanien heraus erfolgen sollte. Der Kläger habe bei der mündlichen Befragung im Termin am 20. Februar 2014 hierzu angegeben, dass sich kurzfristig die Möglichkeit ergeben hätte, Ende des Jahres 2005 in das Projekt in Spanien auf D. einzusteigen. Nach Ansicht des Gerichtes habe der Kläger damit seine für die Gewährung des Überbrückungsgeldes maßgebliche selbstständige Tätigkeit aufgegeben und eine neue selbstständige Tätigkeit in Spanien begonnen. Nach Ansicht des Gerichts sei der Wechsel der selbstständigen Tätigkeit nur dann leistungsrechtlich unschädlich, wenn sich die Konzeption der neuen selbstständigen Tätigkeit nicht wesentlich von der ursprünglichen selbstständigen Tätigkeit unterscheide. Hintergrund dieser Auslegung sei, dass Voraussetzung für die Gewährung des Überbrückungsgeldes sei, dass die Unternehmung des Klägers tragfähig sei. Hierzu sei ein Businessplan und eine fachkundige Stellungnahme vorzulegen, die sich auf den konkreten Businessplan und die entsprechende Rentabilitätsvorschau des Klägers bezieht. Der Kläger habe auch einen entsprechenden Businessplan und eine entsprechende Stellungnahme der fachkundigen Stelle vorgelegt. Diese Stellungnahme habe nur eine Tätigkeit von A-Stadt aus beurteilen können; relevant seien insbesondere die Vernetzung des Klägers im Tauchbereich und die Konkurrenzsituation in Deutschland. Die fachkundige Stellungnahme beziehe sich nicht auf eine Tragfähigkeit einer Tauschschule und des Vertriebs von Tauchsportartikeln in Spanien. Dort sei z.B. die Mitbewerbersituation eine vollständig andere als in Deutschland. Der Kläger habe somit die bei der Beklagten beschriebene selbständige Tätigkeit, auf die sich die Bewilligung beziehe, aufgegeben.

Darüber hinaus sei die Leistungsgewährung auch rechtswidrig geworden, weil der Kläger weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 6. März 2013, Az.: B 11 AL 5/12 R, SozR 4-1200 § 30 Nr. 8) setze ein Anspruch nach § 57 SGB Ill in der ab 1. August 2006 geltenden Fassung (Gründungszuschuss) voraus, dass die betroffene Person einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nach § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) in der Bundesrepublik Deutschland habe (Territorialitätsprinzip). Nach Ansicht des BSG (a.a.O.), der sich die erkennende Kammer anschließe, sei es nämlich beim Bezug des Gründungszuschusses nicht ausreichend, dass ein in der Vergangenheit liegender Bezug zur Versichertengemeinschaft vorliege. Vielmehr komme durch die Regelung zum Ausdruck, dass während des Leistungsbezuges auch die weitere Ausübung der selbstständigen Tätigkeit gegeben sein muss, weshalb ein territorialer Bezug auch für die Zeit ab Aufnahme der Tätigkeit als erforderlich anzusehen sei. Es sei daher nicht ausreichend, dass durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit in Deutschland beendet werde (entgegen Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. September 2011, L 7 AL 104/09, Juris). Begründung finde die Ansicht darin, dass der Gründungszuschuss dem Zweck diene, die wirtschaftliche Lebensgrundlage in Deutschland während der Zeit der selbstständigen Tätigkeit abzusichern, was nur der Fall sein könne, wenn die Tätigkeit auch in Deutschland ausgeübt werde. Die Rechtslage entspreche insoweit der Rechtslage des hier streitgegenständlichen Überbrückungsgeldes nach § 57 SGB Ill. Diese beiden Leistungen seien wiederum nicht mit dem Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III in der Fassung vom 23. Dezember 2002 vergleichbar, weil für den Existenzgründungszuschuss nach der vorgenannten Vorschrift weder die Prüfung einer Erfolgsaussicht noch eine Zweckbindung zur sozialen Sicherung vorgeschrieben sei (BSG, Urteil vom 27. August 2008, Az.: B 11 AL 22/07 R, BSGE 101, 224). Nach den tatsächlichen Feststellungen habe der Kläger jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum in Deutschland weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I habe jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Entscheidend seien die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse; der Wohnsitz liege dort, wo jemand den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse habe (BSG, Urteil vom 28. Mai 1997, Az.: 14/10 RKg 14/94, SozR 3-5870 § 2 Nr. 36, SozR 3-1200 § 30 Nr. 19, SozR 3-1200 § 30 Nr. 19). Der Kläger sei zwar weiterhin in Deutschland gemeldet und habe auch seine Wohnung beibehalten, jedoch sei er nur in größeren Abständen in Deutschland. Er habe die Wohnung tatsächlich nur in größeren, unregelmäßigen Abständen und nur für einzelne Tage genutzt. Der Kläger habe den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht mehr in Deutschland. Die Tatsache der Zahlung von Miete für die bisherige Wohnung in Deutschland für eine Übergangszeit sei nicht ausreichend (BSG, a.a.O.). Auch habe der Kläger seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr in Deutschland, so dass er auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in Deutschland gehabt habe. Denn den gewöhnlichen Aufenthalt habe gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Der Kläger sei jedoch nach Spanien gegangen, um sich dort eine neue Existenz mit seiner Ehefrau aufzubauen und eine Ferienanlage in Eigentum zu übernehmen. Er habe sich tatsächlich bis zum Jahr 2010 nicht mehr in Deutschland aufgehalten, sondern in Spanien. Er habe auch dort versicherungspflichtige Beschäftigungen ausgeübt, so dass er seinen Lebensmittelpunkt auf D. hatte.

Nach alledem sei es nach Ansicht des Gerichtes nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger nachgewiesen habe, dass er, obwohl er eine abhängige Beschäftigung in Spanien aufgenommen habe, auch weiterhin seine selbstständige Tätigkeit ausgeübt habe. Denn es handelt sich zumindest nicht um die selbstständige Tätigkeit, für welche die Beklagte Überbrückungsgeld gewährt habe. Für diese sei auch kein Überbrückungsgeld zu gewähren, da sie auf D. in Spanien durchgeführt wurde, so dass die Voraussetzungen des Territorialitätsprinzips nicht mehr gewahrt gewesen seien.

Es habe auch eine rückwirkende Aufhebung erfolgen können, da der Kläger die Änderungen seiner Tätigkeit in keiner Weise angezeigt habe. Die Änderung sei erst dadurch bekannt geworden, dass der Kläger nach Rückkehr aus Spanien im Jahr 2011 erneut Arbeitslosengeld beantragt habe. Es sei jedoch seine Pflicht nach § 60 SGB I, und über diese Pflicht sei er durch das Merkblatt 3, dessen Erhalt er durch seine Unterschrift bestätigt habe, informiert gewesen, alle wesentlichen Änderungen bezüglich seiner selbstständigen Tätigkeit mitzuteilen.

Waren sodann die Leistungen zu Unrecht gewährt, seien sie nach § 50 SGB X zu erstatten. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Rückforderung.

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 2. Dezember 2014 zugestellt. Dagegen hat er am 30. Dezember 2014 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe seine für die Gewährung von Überbrückungsgeld maßgebende selbständige Tätigkeit nicht aufgegeben und keine neue selbständige Tätigkeit in Spanien begonnen. Sein Vorhaben sei nach dem genehmigten Konzept nicht auf eine selbständige Tätigkeit im Inland beschränkt. Die Tätigkeit umfasse auch die Planung und Durchführung von Tauchreisen auch ins Ausland. Im Übrigen sei der vom Sozialgericht geforderte territoriale Bezug nach der Auffassung des erkennenden Senats (Urteil vom 23. September 2011, L 7 AL 104/09, Juris) nicht erforderlich. Außerdem habe er bei der Verletzung seiner Mitteilungspflicht nicht grob fährlässig gehandelt. In dem entsprechenden Merkblatt heiße es nur "Wenn Sie Leistungen beantragt haben oder beziehen, müssen Sie der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit unaufgefordert und unverzüglich alle Änderungen mitteilen, die für die Beurteilung ihres Leistungsanspruchs von Bedeutung sein können". Mit der Kenntnis dieser Formulierungen sei die grobe Fahrlässigkeit in Hinblick auf die nicht mitgeteilte Änderung nicht nachgewiesen. Seine Unterschrift über den Erhalt des Merkblattes besage nicht, ob ihm bewusst gewesen sei, dass er die Idee, ein Angebot in Spanien anzubieten, der Beklagten habe mitteilen müssen. Er habe auch nicht davon ausgehen können, dass die Tatsache, dass er weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe, für die Leistung erheblich sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Oktober 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 2. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und ist weiterhin der Auffassung, dass er seine Tätigkeit in A-Stadt, die auch die Planung und Durchführung von Tauchreisen ins Ausland umfasse, aufgegeben und stattdessen in Spanien eine Tauchschule eröffnet habe. Für den Kläger sei auch erkennbar gewesen, dass er diese Änderung gegenüber der Beklagten hätte mitteilen müssen, weil er den gewährten Gründungszuschuss nur für eine bestimmte im Antrag benannte Tätigkeit erhalten habe. Außerdem sei der Kläger im Antrag gefragt worden, ob er noch eine andere Beschäftigung ausübe. Er hätte deshalb der Beklagten mitteilen müssen, dass er neben einer selbständigen Tätigkeit auch noch eine versicherungspflichtige Tätigkeit in Spanien aufgenommen habe.

Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 28. Oktober 2015 auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.

Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte des Klägers bei der Beklagten verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143 und 144 SGG. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstandes (Aufhebung und Erstattung eines gewährten Überbrückungsgeldes in Höhe von 11.957,97 Euro) den maßgeblichen Betrag von 750 Euro deutlich überstieg.

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen oder Richter zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Die Beteiligten sind auch vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG). Eines Einverständnisses der Beteiligten mit dieser Entscheidungsform bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6 Rka 97/96 – NZS 1998, 304; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 10. A. 2012, § 153 Rn. 14).

Die Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts Frankfurt am Main im angegriffenen Urteil, die sich der Senat nach Prüfung zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG) verwiesen. Der Senat gibt außerdem in Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. März 2013 (Az.: B 11 AL 5/12 R, Juris) seine bisherige Rechtsprechung zum Gründungzuschuss auf, nach der auch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Ausland zu einem Anspruch auf Überbrückungsgeld führen kann (Senatsurteil vom 23. September 2011, L 7 AL 104/09, Juris, Rdnrn. 27 ff.).

Auch der Vortrag im Berufungsverfahren gibt zu einer anderen Bewertung keine Veranlassung. Der Kläger hat nicht nur von Deutschland aus Tauchreisen nach Spanien durchgeführt, sondern in Spanien selbst eine Tauchschule eröffnet und so seine selbständige Tätigkeit in Deutschland aufgegeben und im Ausland eine neue selbständige Tätigkeit aufgenommen. Der Kläger hat auch grob fahrlässig gehandelt, weil er diese Änderung, die auch ihm als Wesentlich erscheinen musste, der Beklagten nicht angezeigt hat. Dem steht auch die Formulierung des Merkblattes der Beklagten nicht entgegen, denn dort ist ausdrücklich aufgeführt, dass unaufgefordert und unverzüglich alle Änderungen mitzuteilen sind, die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs von Bedeutung sein "können". Auch dem Kläger musste klar sein, dass die Aufgabe seiner Tauchschule in A-Stadt und die Eröffnung einer Tauchschule in Spanien für die Beurteilung seines Leistungsanspruchs von Bedeutung sein kann. Deshalb hat der Kläger - wie das Sozialgericht zutreffend geurteilt hat - zumindest grob fahrlässig gehandelt.

Das Urteil des Sozialgerichts leidet auch nicht an einem Verfahrensmangel. Die ehrenamtliche Richterin E. durfte an dem Urteil mitwirken, da sie nicht mit der Sache des Klägers befasst wurde, sondern bei der Beklagten lediglich als Leiterin der Personalabteilung fungiert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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