L 9 U 168/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 68/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 168/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 27/17 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Waisenrentenanspruch nach § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB VII setzt keinen (fiktiven) zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch gegen den verstorbenen Versicherten voraus und ist damit auch für die Zeit einer Schulausbildung zu bewilligen, wenn zuvor eine Berufsausbildung absolviert wurde.

2. Die Frage, ob ein Waisenrentenanspruch nach § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB VII einen (fiktiven) zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch voraussetzt, ist - zumindest bislang - keine Sache ohne besondere rechtliche Schwierigkeit im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG, sodass hierüber nicht durch Gerichtsbescheid entschieden werden darf. Ein solcher Verfahrensfehler führt aber nicht zur Aufhebung des Gerichtsbescheides, sondern wird durch die Sachentscheidung des Landessozialgerichts geheilt.
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 18. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Halbwaisenrente für die Dauer einer Schulausbildung im Anschluss an eine Berufsausbildung.

Am 22. Dezember 1998 verstarb der Vater der 1994 geborenen Klägerin bei einem Arbeitsunfall. Daraufhin bewilligte die zuständige Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung – die Rechtsvorgängerin der Beklagten – der Klägerin ab dem 22. Dezember 1998 Halbwaisenrente nach § 67 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII). Am 1. August 2010 begann die Klägerin eine Berufsausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. Mit Bescheid vom 3. Juli 2012 bewilligte ihr die Beklagte Halbwaisenrente in Höhe von 430,42 Euro monatlich auch über das 18. Lebensjahr hinaus für die Dauer der Berufsausbildung bis zum Ablauf des Endes der Ausbildung, spätestens zum 31. Juli 2013.

Die Beklagte entzog mit Bescheid vom 24. April 2013 die Waisenrente mit Ablauf des Monats Juni 2013 mit der Begründung, die Klägerin werde voraussichtlich im Juli 2013 ihre Schul-/Studien- oder Berufsausbildung beenden, so dass die Voraussetzungen für die Waisenrente entfielen.

Das Berufsausbildungsverhältnis der Klägerin endete zum 19. Juni 2013. Ab 19. August 2013 besuchte sie die Klasse 12 FOV 1 Schulform Fachoberschule Form B Vollzeit der Beruflichen Schulen des X.-Kreises.

Mit Schreiben vom 11. November 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Weiterbewilligung der Waisenrente ab Juli 2013. Mit Schreiben vom 6. Januar 2014 begründete sie dies damit, dass sie nach Abschluss der Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten am 19. Juni 2013 nicht weiter übernommen worden sei. Sie strebe nun ihr Fachabitur im Bereich Wirtschaft und Verwaltung an. Nach der Fachoberschule stünden ihr viele Türen offen, so dass ihre Entscheidung noch nicht gefallen sei, ob sie eventuell ein Studium beginnen werde.

Mit Bescheid vom 17. Februar 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Waisenrente ab dem 1. Juli 2013 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Waisenrente erfülle den Zweck, nach dem Tod eines Elternteils den Unterhalt für die unversorgt hinterbliebenen Kinder sicherzustellen. Dieser Unterhaltsanspruch bestehe generell bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Waisenrente werde auch über das 18. Lebensjahr hinaus gezahlt, wenn sich die Waise in einer Schul- oder Berufsausbildung befinde. Zu berücksichtigen sei hierbei, dass Kinder nach den zivilrechtlichen Vorschriften nur Anspruch auf eine Ausbildung hätten. Für eine Zweitausbildung seien die Eltern nur dann unterhaltspflichtig, wenn diese von vornherein angestrebt worden sei, sich während der Erstausbildung eine besondere Begabung des Kindes herausgestellt habe und diese eine weitere Ausbildung erfordere oder der erreichte Berufs- oder Schulabschluss ohne Weiterbildung keine ausreichende Lebensgrundlage bilde. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Mit ihrem Berufsabschluss sei sie in der Lage, ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Zudem wisse sie noch nicht, ob sie nach dem Abitur ein Studium aufnehmen wolle. Es sei somit davon auszugehen, dass die Klägerin das Erreichen des Abiturs vor der Aufnahme ihrer Berufsausbildung nicht angestrebt habe. Unter dem 4. März 2014 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein. Mit Schriftsatz vom 31. März 2014 begründete sie ihn dahingehend, dass sie von vornherein die Absicht gehabt habe, das Fachabitur abzulegen. Für einen Fachabituranwärter bestünden zwei Möglichkeiten, das Fachabitur zu absolvieren: Zum einen könne nach dem Realschulabschluss eine weitere zweijährige Schulausbildung absolviert werden. Zum anderen könne eine spezifische Ausbildung gemacht und diese auf das erste Schuljahr angerechnet werden. Für den letztgenannten Bildungsweg habe sie sich vor Beginn der Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten entschieden. Dementsprechend schließe sich an diese Ausbildung nunmehr eine Schulausbildung von einem Jahr in der Fachoberschule an, welche sodann mit dem von ihr bereits zu Beginn der Ausbildung angestrebten Fachabiturabschluss abschließe. Für alle Beteiligten habe von vornherein festgestanden, dass eine Übernahme der Klägerin nach Beendigung der Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten aufgrund der beengten Kapazitäten im Ausbildungsbetrieb nicht in Betracht käme.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie unter Bezugnahme auf das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. März 2010 (L 3 U 208/08) im Wesentlichen aus, es bestehe kein Anspruch auf Gewährung einer Waisenrente wegen Berufsausbildung, wenn es sich bei der Ausbildung um eine sogenannte Zweitausbildung handele, für die nach zivilrechtlichem Unterhaltsrecht (§ 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –) keine Unterhaltspflicht der Eltern gegeben sei. Die Waisenrente erfülle den Zweck, nach dem Tod des Ernährers den Unterhalt für die infolge des Versicherungsfalls unversorgt hinterbliebenen Kinder sicherzustellen. Sie solle den Ausfall eines in pauschalierter Höhe unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten (§§ 1601 ff. BGB) ausgleichen. Hiervon sei stets bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auszugehen, danach aber nur noch in den Zeiträumen, in denen das Kind aus Ausbildungsgründen oder im öffentlichen Interesse gehindert sei, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren. Hierbei sei zu beachten, dass Kinder nach den zivilrechtlichen Vorschriften grundsätzlich nur Anspruch auf eine Ausbildung hätten, nicht dagegen auf eine Zweitausbildung. Eine solche sei durch einen Berufswechsel gekennzeichnet. In diesem Fall seien die Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig, wenn sie dem Kind mit der Erstausbildung eine optimale begabungsbezogene Berufsausbildung hätten zuteilwerden lassen, da das Kind dann nicht mehr außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Die Klägerin habe im Juni 2013 ihre dreijährige Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen. Hierdurch sei sie in die Lage versetzt worden, vollumfänglich erwerbstätig zu sein und für ihren Unterhalt selbst aufzukommen. Dabei sei es unerheblich, ob sie in ihrem bisherigen Ausbildungsbetrieb nach Beendigung der Ausbildung einen Arbeitsplatz angeboten bekommen habe oder sich bei einem anderen Unternehmen um eine Anstellung habe bewerben müsse. Es lägen bei der Klägerin auch keine besonderen Gründe vor, nach denen eine Zweitausbildung ausnahmsweise unterhaltspflichtig sein könne. Zwar bestehe auch für eine Zweitausbildung eine Unterhaltsverpflichtung der Eltern gegenüber ihrem Kind gegebenenfalls dann, wenn die weitere Bildungsmaßnahme von vornherein angestrebt gewesen oder eine besondere Begabung des Kindes erst während der Ausbildung zutage getreten sei und eine Weiterbildung erfordere oder der schon erreichte Abschluss ohne die Weiterbildung aus unvorhergesehenen Gründen keine hinreichende Lebensgrundlage bilde. Darüber hinaus würden unter anderem die Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis, ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ausbildungen, ein zeitlicher Zusammenhang zur Grundausbildung sowie eine wirtschaftliche Zumutbarkeit für die Eltern vorausgesetzt. Bei der Klägerin sei allerdings davon auszugehen, dass kein enger Zusammenhang zwischen der Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte und dem späteren Besuch einer Fachoberschule zur Erlangung eines Fachabiturs bestehe. Darüber hinaus sei die Beklagte nicht davon überzeugt, dass die Klägerin die Aufnahme des späteren Schulbesuches im Nachgang zu der abgeschlossenen Ausbildung von vornherein angestrebt gehabt habe. Ihre diesbezüglichen Einlassungen stünden im Widerspruch zu den schriftlichen Angaben vom 6. Januar 2014, wonach sie sich offensichtlich erst nach Beendigung ihrer Ausbildung und dem Umstand, dass sie von ihrem Ausbildungsbetrieb nach Beendigung der Ausbildung nicht übernommen worden sei, dazu entschlossen habe, an der Fachoberschule ihr Fachabitur zu absolvieren. Zudem spreche gegen einen im Voraus geplanten einheitlichen Schul- bzw. Ausbildungsgang nach Absolvierung des Realschulabschlusses der Umstand, dass es jetzt vom Realschulabschluss zum Fachabitur vier Jahre gedauert habe, während ein sofortiger Besuch der Fachoberschule bereits nach zwei Jahren zum Fachabitur geführt hätte. Der von der Klägerin bereits erreichte Abschluss der Ausbildung zu einer Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten ohne Zweitausbildung bzw. Weiterbildung sei zudem eine hinreichende Lebensgrundlage, zumal durchaus zweifelhaft sei, ob der von ihr nunmehr aufgenommene Besuch der Fachoberschule eine wesentlich bessere Lebensgrundlage in der Zukunft begründen könne.

Am 17. Juni 2014 schloss die Klägerin die Fachoberschule erfolgreich ab.

Am 21. Juli 2014 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben. Am 3. November 2014 hat sie eine Beschäftigung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte aufgenommen. Auf die mit Paraphe (Handzeichen) abgezeichnete richterliche Verfügung vom 23. September 2015 "Anhörung GB" ist den Beteiligten ein Schreiben übermittelt und zugestellt worden, das nicht in der Gerichtsakte enthalten ist.

Mit Gerichtsbescheid vom 18. Juli 2016 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin mit Wirkung ab dem 1. Juli 2013 weiterhin Halbwaisenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. März 2014 (L 17 U 269/13) hat es dies im Wesentlichen damit begründet, § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB VII setze nicht voraus, dass die Waise noch keine abgeschlossene Berufsausbildung habe. Eine solche Beschränkung sei dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen und entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Einen Bezug auf das zivilrechtliche Unterhaltsrecht finde sich in den Regeln über den Anspruch auf Waisenrente, anders als in § 66 Abs. 1 SGB VII (Witwen- und Witwerrente an frühere Ehegatten), nicht. Es handele sich vielmehr um eine sozialrechtlich eigenständige Regelung des Unterhaltsersatzanspruches einer Waisen. Unerheblich sei, ob im Einzelfall tatsächlich nach zivilrechtlichen Bestimmungen ein individueller Unterhaltsanspruch bestehe.

Am 16. August 2016 hat die Beklagte Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend nimmt sie Bezug auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 2003 (B 4 RA 37/02 R), in dem das Gericht ausdrücklich erläutere, dass der Erwerbshinderungsgrund und der Zweck der Waisenrente in engem Zusammenhang stünden und es keinen Anlass gebe, einen nichtbestehenden Unterhaltsanspruch durch Zahlung einer Waisenrente zu kompensieren, wenn zivilrechtlich kein Unterhalt von dem verstorbenen Elternteil zu leisten gewesen wäre.

Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 18. Juli 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat am 15. Mai 2017 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben. Wegen des Inhalts des Erörterungstermins wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Mai 2017 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde lagen.

Entscheidungsgründe:

1. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

2. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie ohne Zulassung statthaft, weil der Beschwerdegegenstand 750,00 Euro übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

3. Die Berufung ist aber unbegründet. Der Gerichtsbescheid ist weder wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben (a) noch ist er inhaltlich zu beanstanden (b).

a) Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben.

Denn die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG liegen nicht vor. Danach kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

Eine weitere Beweisaufnahme ist indes vorliegend nicht notwendig. Allerdings ist der Gerichtsbescheid verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Denn die Sache weist besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG auf, da die streitgegenständliche Frage, ob der Waisenrentenanspruch nach § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB VII einen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch voraussetzt, komplizierte Rechtfragen aufwirft, die bislang nicht höchstrichterlich entschieden sind und es hierzu bislang – soweit ersichtlich – lediglich zwei veröffentlichte (landes)sozialgerichtliche Entscheidungen gibt, die überdies zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Dieser Verfahrensfehler ist auch wesentlich, weil das Sozialgericht ohne die ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG), mithin in einer unzulässigen Besetzung entschieden hat und damit ein absoluter Revisionsgrund vorliegt (§ 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 547 Nr. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Ob dieser Verfahrensfehler zugleich einen Entzug des gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz - GG -, Art. 20 Abs. 1 Hessische Verfassung - HV - darstellt, d. h. ob das Sozialgericht die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG willkürlich angenommen oder die Tragweite der verfassungsrechtlichen Gewährleistung grundlegend verkannt hat (O. Schmitt, SGb 2015, 662, 665), kann dahinstehen. Denn auch ein solcher Verfassungsverstoß wird durch die Sachentscheidung des Landessozialgerichts geheilt (siehe dazu O. Schmitt, SGb 2015, 662, 668; vgl. BSG, Urt. v. 22. Mai 1984 - 6 RKa 15/83 -, juris, Rn. 9; Thüringer LSG, Urt. v. 30. September 2014 - L 6 R 185/14 -, juris, Rn. 17). Es stellt auch einen Verfahrensfehler dar, dass die zuständige Richterin lediglich ihre Verfügung "Anhörung GB" mit einer Paraphe abgezeichnet hat, statt den vollständigen Wortlaut der Anhörungsmitteilung mit ihrem Namen zu unterschreiben (in diesem Sinne auch LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 9. November 2010 - L 12 R 793/09 -, juris, Rn. 22; Urt. v. 29. November 2011 – L 14 AS 1663/11 -, juris, Rn. 25; vgl. auch BSG, Urt. v. 1. Juli 2010 - B 13 R 58/09 R -, juris, zum Erfordernis der Unterschrift unter eine richterliche Betreibensaufforderung). Ob die Anhörungsmitteilung inhaltlich ausreichend war, kann der Senat nicht beurteilen, weil sie sich nicht in der Akte befindet.

b) Der Gerichtsbescheid ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat zu Recht den angegriffenen Bescheid der Beklagten aufgehoben und sie zur Weiterbewilligung von Waisenrente ab 1. Juli 2013 verurteilt. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) ist begründet.

Die Klägerin hat sowohl für die Zeit des Besuches der Fachoberschule (1) als auch für die Übergangszeit zwischen Ende der Ausbildung und Beginn der Fachoberschule (2) einen Anspruch auf Waisenrente, so dass die Beklagte einen entsprechenden Bewilligungsbescheid vom 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014 zu erlassen hat.

(1) Die Klägerin hat zunächst einen Anspruch auf Waisenrente für den Zeitraum des Besuches der Fachoberschule vom 19. August 2013 bis zum 17. Juni 2014.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin ist Kind eines aufgrund eines Arbeitsunfalls verstorbenen Versicherten. Maßgebliche Rentenart ist die Halbwaisenrente, weil die Klägerin noch einen Elternteil hat, § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.

Gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 SGB VII wird die Rente bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt (Nr. 1), darüber hinaus auch bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet (Nr. 2a). Eine Schul- oder Berufsausbildung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt nur vor, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen Zeitaufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert (§ 67 Abs. 3 Satz 2 SGB VII). Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Klägerin befand sich im streitgegenständlichen Zeitraum in Schulausbildung und hatte das 18., aber nicht das 27. Lebensjahr vollendet. Bei Beginn des Schulbesuches war die Klägerin 19 Jahre, bei Abschluss der Fachoberschule 20 Jahre alt. Die Fachoberschule ist auch eine Schulausbildung im Sinne des § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB VII (§ 37 Hessisches Schulgesetz - HSchG -). Die Schulausbildung der Klägerin hat zudem gemäß § 67 Abs. 3 Satz 2 SGB VII einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 5 HSchG).

Weitere Voraussetzungen für den Waisenrentenanspruch zwischen Vollendung des 18. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus enthält § 67 SGB VII nicht.

Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Waise einen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch (§§ 1601 ff. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) gegen den Verstorbenen hätte. Dem Anspruch steht mithin nicht entgegen, dass die Klägerin bereits zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums erfolgreich die Berufsausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten abgeschlossen hatte.

(a) § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB VII enthält in seinem Normtext keine Beschränkung, wonach ein Anspruch auf Waisenrente einen fiktiven Unterhaltsanspruch gegen den Verstorbenen voraussetzt und daher grundsätzlich nicht mehr besteht, wenn die Waise eine Berufsausbildung abgeschlossen hat. Vielmehr setzt ein solcher Anspruch vom Wortlaut der Norm lediglich voraus, dass sich die Waise in Berufs- oder Schulausbildung befindet, worunter auch eine Zweitausbildung fällt (Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 13. März 2014 - L 17 U 269/13 -, juris, Rn. 25; Keller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 67 Rn. 33, Stand: 7/2015; Jung, BPUVZ 2014, 517).

(b) Auch der Entstehungsgeschichte des § 67 SGB VII können keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff Schul- oder Berufsausbildung nur eine Erstausbildung verstanden hätte (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 13. März 2014 - L 17 U 269/13 -, juris, Rn. 26). Nach § 595 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) bestand der Anspruch auf Waisenrente längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet. Zu dieser Vorschrift hat das BSG entschieden, dass es für eine Weiterbewilligung der Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus ausreichend ist, wenn sich die Waise in Schul- oder Berufsausbildung befindet, so dass eine Begrenzung auf das erste Ausbildungsverhältnis nicht in Betracht käme (Urt. v. 27. Januar 1976 - 8 RU 2/75 -, juris, Rn. 19, 22). Daran wollte der Gesetzgeber mit § 67 SGB VII, der durch Gesetz vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1254) mit Wirkung vom 1. Januar 1997 eingeführt wurde, nichts ändern. Denn in der amtlichen Begründung (BT-Drucksache 13/2204, Seite 92) heißt es zu § 67 Abs. 3: "Ist die Waise behindert, befindet sie sich in Schul- oder Berufsausbildung oder leistet sie ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr, besteht der Anspruch bis zum 27. Lebensjahr wie im geltenden Recht (§ 595 Abs. 2 Satz 1 RVO)."

(c) Eine systematische Betrachtung bestätigt dieses Ergebnis. Denn ein Bezug auf zivilrechtliche Unterhaltsansprüche findet sich in den Regelungen über den Anspruch auf Waisenrente (§§ 67 ff. SGB VII) nicht, während die Regelung über die Witwen- und Witwerrente an frühere Ehegatten in § 66 Abs. 1 SGB VII ausdrücklich einen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch als Anspruchsvoraussetzung vorsieht. Dies spricht ebenfalls dafür, dass sich der Gesetzgeber ganz bewusst entschieden hat, wo er Anknüpfungen an das zivile Unterhaltsrecht vornimmt und wo nicht (Ziegler, in: Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl. 2014, § 67 Rn. 23).

(d) Auch Sinn und Zweck der Waisenrente erfordern keine restriktive Auslegung des § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB VII. Zweck der gesetzlichen Regelung der Waisenrente ist zwar die Funktion als Unterhaltsersatz (siehe BVerfG, Beschl. v. 18. Juni 1975 - 1 BvL 4/74 -, juris, Rn. 47, zur Waisenrente aus der Angestelltenversicherung). Die Waisenrente soll aber nicht die durch den Tod von Vater oder Mutter eingetretene Beeinträchtigung individuell ausgleichen, sondern lediglich den typischen Bedarf decken, der durch den Ausfall väterlicher oder mütterlicher Unterhaltsleistung entsteht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Juni 1975 - 1 BvL 4/74 -, juris, Rn. 49). Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass ein solcher Bedarf mit einem bestimmten Lebensalter endet. Daher gewährt das Gesetz bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ohne weiteres jeder Waise einen Anspruch auf Waisenrente, weil nach den gegebenen Lebensumständen Waisen dieser Altersgruppe sich bis auf wenige Ausnahmen noch in der Schul- oder Berufsausbildung befinden und deshalb ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Juni 1975 - 1 BvL 4/74 -, juris, Rn. 49). Da es nach heutigen sozialen Verhältnissen nicht mehr die Regel bildet, dass jemand mit 18 Jahren seine Berufsausbildung abgeschlossen hat und im Erwerbsleben steht, wird Waisenrente über diese Altersgrenze hinaus bis zum vollendeten 27. Lebensjahr gewährt, wenn sich die Waise insbesondere noch in der Ausbildung befindet oder das soziale/ökologische Jahr leistet, d. h. in Fällen, in denen normalerweise anzunehmen ist, dass sich die Waise nicht selbst unterhalten kann. Demgemäß bedarf es keiner Prüfung der tatsächlichen Bedürftigkeit im Einzelfall oder der Leistungsfähigkeit des Verstorbenen (in diesem Sinne BVerfG, Beschl. v. 18. Juni 1975 - 1 BvL 4/74 -, juris, Rn. 49). Ob nach den zivilrechtlichen Bestimmungen ein individueller Unterhaltsanspruch bestehen würde, ist mithin ohne Belang (Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 13. März 2014 - L 17 U 269/13 -, juris, Rn. 28). Der Gesetzgeber hat bei der Regelung des Waisenrentenanspruchs bewusst darauf verzichtet, an die Leistungsfähigkeit der überlebenden oder verstorbenen Unterhaltsverpflichteten oder an die Bedürftigkeit des hinterbliebenen Kindes anzuknüpfen; andererseits hat er auch abstrakt Altersgrenzen gesetzt, zu denen ein Anspruch auf Waisenrente endet, ohne dass es darauf ankommt, ob das hinterbliebene Kind beim Erreichen dieser Altersgrenze in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, was besonders in § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2d SGB VII zum Ausdruck kommt, wonach selbst diejenige Waise nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres eine Waisenrente erhält, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 13. März 2014 - L 17 U 269/13 -, juris, Rn. 28). Der Anspruch auf Waisenrente nach Vollendung des 18. Lebensjahres ersetzt zwar den Ausbildungsunterhalt, den der Versicherte gemäß §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1610 BGB hätte gewähren müssen, aber nur in stark pauschalierender und typisierender Weise (BSG, Urt. v. 1. Juli 2010 - B 13 R 86/09 R -, juris, Rn. 34, zu § 48 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI). Dem Charakter der Vorschrift als abstrakte Regelung des Unterhaltsersatzes sowie dem bewussten Verzicht des Gesetzgebers auf eine Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterhaltsvoraussetzungen und der dadurch erfolgten Lösung vom bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht (vgl. BSG, Urt. v. 7. Juli 1965 - 12 RJ 180/62 - , juris, zu § 1267 Abs. 1 Satz 2 RVO) widerspräche es somit, wenn man im Einzelfall darauf abstellte, ob nach den zivilrechtlichen Bestimmungen (§§ 1601 ff., 1610 BGB) ein Anspruch auf Unterhalt gegenüber dem verstorbenen Versicherten (noch) bestünde (Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 13. März 2014 - L 17 U 269/13 -, juris, Rn. 29; Keller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 67 Rn. 33, Stand: 7/15).

(e) Demgegenüber vermag die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. März 2010 (L 3 U 208/08) nicht zu überzeugen. Es leitet aus dem Zweck der Waisenrente, nach dem Tod des Ernährers den Unterhalt für die in Folge des Versicherungsfalls unversorgt hinterbliebenen Kinder sicherzustellen und den Ausfall eines in pauschalierter Höhe unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten (§§ 1601 ff. BGB) auszugleichen, ab, dass dieser Zweck nach Vollendung des 18. Lebensjahres nur noch in den Monaten einschlägig sei, in denen das Kind aus Ausbildungsgründen oder im öffentlichen Interesse gehindert sei, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren (juris, Rn. 34). Hier sei "problematisch", dass Kinder grundsätzlich nur Anspruch auf eine Ausbildung hätten, nicht dagegen auf eine Zweitausbildung; eine solche sei durch einen Berufswechsel gekennzeichnet, wobei in diesem Fall die Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig seien, wenn sie dem Kind mit der Erstausbildung eine optimale begabungsbezogene Berufsausbildung hätten zuteilwerden lassen, da das Kind dann nicht mehr außerstande sei, sich selbst zu unterhalten (juris, Rn. 37). Unter bestimmten Voraussetzungen sei nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte ausnahmsweise die Weiterbildung unterhaltspflichtig, wenn sie von vornherein angestrebt gewesen oder wenn eine besondere Begabung des Kindes erst während der ersten Ausbildung zu Tage getreten sei und eine Weiterbildung erfordere oder der schon erreichte Abschluss ohne die Weiterbildung aus unvorhergesehenen Gründen keine hinreichende Lebensgrundlage bilde, was noch von weiteren Voraussetzungen abhänge (juris, Rn. 38 bis 44). Damit sieht das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in dem (fiktiven) zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch eine ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung für den Waisenrentenanspruch nach § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB VII. Es verkennt mithin, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des Waisenrentenanspruches gerade nicht auf das zivile Unterhaltsrecht abgestellt, sondern eine eigene, typisierende Regelung geschaffen hat, bei der der allgemeine Zweck des Unterhaltsersatzes nicht ausreichend ist, eine klar bestimmte Anspruchsberechtigung - ohne jeden stützenden Anhaltspunkt in der Entstehungsgeschichte - wieder auszuhebeln (in diesem Sinne auch Ziegler, in: Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl. 2014, § 67 Rn. 26; Keller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 67 Rn. 33, Stand: 07/15).

(f) Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtslage für die Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1267 Abs. 1 Satz 2 RVO, wonach die Waisenrente längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres für ein Kind gewährt wurde, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet. Für diese Regelung war anerkannt, dass eine Begrenzung auf ein erstes Ausbildungsverhältnis für die Zeit ab dem 18. Lebensjahr weder Wortlaut noch Sinn und Zweck zu entnehmen und die Regelung über die Unterhaltspflicht nach § 1610 Abs. 2 BGB für die Auslegung unmaßgeblich ist, weil sich das Waisenrentenrecht durch Verzicht auf die genannten Unterhaltsvoraussetzungen vom bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht gelöst hat, sofern nicht ausdrücklich gesetzlich etwas anderes bestimmt ist (BSG, Urt. v. 7. Juli 1965 - 12 RJ 189/62 -, juris, Rn. 15). Dieser Rechtsprechung widerspricht indes das Urteil des damaligen 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 2003 (B 4 RA 37/02 R). In dieser Entscheidung geht es um die Frage, ob ein Promotionsstudium eine Berufsausbildung im Sinne des Waisenrentenrechts der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 48 SGB VI) ist. Das Bundessozialgericht leitet hier aus dem Zweck der Waisenrente, den durch den Tod des Elternteils weggefallenen Unterhaltsanspruch zu ersetzen, her, dass der Erwerbshinderungsgrund der Berufsausbildung entfalle, wenn in der Ausbildung die notwendigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt worden seien, sodass die Waise nach deren Abschluss ohne weitere Zusatz- oder Ergänzungsausbildung den gewählten Beruf ausüben könne; eine Berufsausbildung sei immer dann beendet, wenn der erste auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Abschluss erreicht sei, wobei in einem solchen Fall grundsätzlich auch kein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch bestehe; wenn aber zivilrechtlich kein Unterhalt von dem Verstorbenen zu leisten wäre, bestünde auch kein Anlass, einen nichtbestehenden Unterhaltsanspruch durch Zahlung einer Waisenrente zu kompensieren (juris, Rn. 23). Den Ausführungen des damaligen 4. Senats des BSG schließt sich der erkennende Senat für die Waisenrente nach § 67 SGB VII aus bereits dargelegten Gründen nicht an.

(2) Die Klägerin hat auch für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis zum 18. August 2013 einen Anspruch auf Waisenrente.

Dies folgt aus § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2b SGB VII. Danach wird Waisenrente auch (bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres) gezahlt, wenn die Waise sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt. Mit Ausbildungsabschnitt meint diese Regelung auch eine Schulausbildung oder Berufsausbildung i. S. d. § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB VII. Durch diese Regelung wird auch in Übergangszeiten, die für die Waisen aus organisatorischen Gründen regelmäßig unvermeidlich sind, Waisenrente weiter gezahlt (vgl. BSG, Urt. v. 1. Juli 2010 - B 13 R 86/09 R -, juris, Rn. 27, zu § 48 SGB VI; Jentsch, in: jurisPK-SGB VII, § 67 Rn. 56, Stand: 15. März 2014; vgl. BSG, Urt. v. 29. April 1997 - 5 RJ 84/95 -, juris, Rn. 17). Typische Fälle sind die Zeiten zwischen Abitur und der nächstmöglichen Immatrikulation an einer Hochschule (BSG, Urt. v. 29. April 1997 - 5 RJ 84/95 -, juris, Rn. 17) oder zwischen Schulende und Aufnahme einer Berufsausbildung (Ziegler, in: Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl. 2014, § 67 Rn. 27). Vom 20. Juni 2013 bis 18. August 2013 befand sich die Klägerin zwischen dem Abschnitt Berufsausbildung und dem Abschnitt Schulausbildung. Dieser Zeitraum ist auch nicht länger als vier Monate.

(3) Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin Waisenrente für den Zeitraum 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014 zu bewilligen.

Die Waisenrente ist ab dem 1. Juli 2013 zu zahlen, obgleich die Klägerin eine Weiterbewilligung über den 30. Juni 2013 hinaus erst am 11. November 2013 beantragt hat. Denn nach § 72 Abs. 2 Satz 1 SGB VII werden Renten an Hinterbliebene vom Todestag an geleistet. Lediglich Hinterbliebenenrenten, die auf Antrag geleistet werden, werden vom Beginn des Monats an gezahlt, der der Antragstellung folgt, § 72 Abs. 2 Satz 2 SGB VII. Eine Waisenrente nach § 67 SGB VII wird indes nicht auf Antrag, sondern von Amts wegen geleistet. Denn Leistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung werden von Amts wegen erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die gesetzliche Unfallversicherung nichts anderes ergibt, § 19 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV). Ein Antragserfordernis für eine Waisenrente nach § 67 SGB VII gibt es nicht.

Der materielle Anspruch endet am Tag des Endes der Schulausbildung, d. h. am 17. Juni 2014. Es kommt für den Waisenrentenanspruch auf die Bekanntgabe des Abschlusszeugnisses und nicht auf das Ende des Schuljahres im schulrechtlichen Sinne an (vgl. § 57 HSchG: 31. Juli), was bereits aus § 67 Abs. 3 Satz 2 SGB VII folgt, wonach eine Schulausbildung nur vorliegt, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert (in diesem Sinne für § 48 SGB VI BSG, Urt. v. 1. Juli 2010 - B 13 R 86/09 R -, juris, Rn. 22; a. A. Sacher, in: Lauterbach, SGB VII, § 67 Rn. 33, Stand: Juli 2006; Jentsch, in: jurisPK-SGB VII, § 67 Rn. 51, Stand: 15. März 2014). Nach § 73 Abs. 5 Satz 2 SGB VII ist die Waisenrente mithin auf den 30. Juni 2014 zu befristen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

5. Die Revision wird zugelassen, da die Frage, ob der Anspruch auf Zahlung einer Waisenrente nach § 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB VII einen (fiktiven) zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch voraussetzt und nach erfolgreichem Abschluss einer ersten Berufsausbildung grundsätzlich entfällt, über den vorliegenden Einzelfall hinaus Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Rechtsfrage wird von Landessozialgerichten unterschiedlich beurteilt und ist noch nicht höchstrichterlich entschieden.
Rechtskraft
Aus
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