L 9 U 150/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 36/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 150/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 236/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für einen Gas- und Wasserinstallateur, der im Rahmen seiner Tätigkeit mit der Wartung und Instandhaltung von Abwasseranlagen befasst ist, besteht hinsichtlich der Infektion mit dem Erreger Streptococcus bovis keine Infektionsgefahr, die in besonderem Maße über derjenigen der Gesamtbevölkerung liegt.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 3. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1957 geborene Kläger war nach Umschulung zum Gas- und Wasserinstallateur (November 1982 bis April 1985) bis September 2012 in diesem Beruf in einem Sanitärbetrieb, der Firma D. in A-Stadt, tätig. Nach seinen eigenen Angaben war er dabei überwiegend im Auftrag seiner Arbeitgeberin bei der E. AG und der EX-Schlauch-GmbH A-Stadt zur Reinigung und Instandhaltung der Abwasseranlagen eingesetzt gewesen.

Im Mai 2012 zeigte der Kläger selbst der Beklagten den Verdacht der BK Nr. 3101 an. Er führte an, bei ihm sei im Juni 2011 die Diagnose einer Spondylodiszitis nach bakterieller Infektion gestellt worden. Bei dieser Erkrankung handele es sich um eine Krankheit, die bei Versicherten auftrete, die in Folge ihrer beruflichen Tätigkeit in bestimmten Bereichen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt seien. Dieses Risiko bestehe "nach herrschender Lehrmeinung" unter anderem auch bei Tätigkeiten an Abwasseranlagen. Er habe an Abwasseranlagen gearbeitet und sei dabei einer besonderen Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen, die zur vorliegenden Spondylodiszitis - hervorgerufen durch bakterielle Erreger - geführt haben müsse, weil Vorerkrankungen ähnlicher Art nicht vorlägen. Seiner Anzeige fügte er einen Arztbrief der Klinik für Neurologie des Klinikums Kassel (Prof. Dr. F.) vom 14. Juni 2011 über seinen stationären Aufenthalt dort vom 24. Mai 2011 bis 14. Juni 2011 unter anderem mit den Diagnosen Spondylodiszitis in Höhe HW 4/5, intraspinaler Abszess und Infektion durch Streptococcus bovis bei. Darüber hinaus legte er ein fachorthopädisches Attest von dem Orthopäden Dr. G. vom 20. April 2012 bei, das der Arzt im Rahmen einer Widerspruchsbegründung zur Vorlage bei dem Versorgungsamt erstellt hatte. Danach sei der Kläger nicht in der Lage, sich alleine an- und auszukleiden sowie körperhygienische Maßnahmen durchzuführen, er sei ständig auf fremde Hilfe angewiesen und nicht in der Lage, auch nur wenige Schritte ohne fremde Hilfe zu bewältigen.

Im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen zog die Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen vom 28. Juni 2012, Befundberichte des Neurologen und Psychiaters H. vom 26. Juni 2012, der Asklepios Kliniken Bad Wildungen vom 28. Juni 2012 nebst Entlassungsbericht über den stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 14. Juni 2011 bis 14. Juli 2011 sowie der Dres. J. und K. (Fachärzte für Innere Medizin und Allgemeinmedizin) vom 4. Juli 2012 bei. Darüber hinaus zog die Beklagte die Verwaltungsakte des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales - Versorgungsamt - Kassel bei und wertete die in einem dortigen Verfahren auf Feststellung des Grades der Behinderung und Feststellung von Nachteilsausgleichen vorliegenden medizinischen Unterlagen aus. Nach Anforderung auch noch eines Befundberichtes von Dr. G. vom 9. August 2012, der diesem noch ergänzende medizinische Unterlagen aus seiner Behandlungsdokumentation beifügte, holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arbeitsmediziners L. vom 20. September 2012 ein. Der Arzt führte aus, dass es sich bei dem vorliegend als Erreger nachgewiesenen Keim Streptococcus bovis um einen typischen Teil der Flora des Gastrointestinaltraktes handele, welcher nur im Rahmen von Erkrankungen dieses Bereiches in das Blut überträte und dann Herzmuskelentzündungen oder aber die hier vorliegende Spondylodiszitis auslösen könne. Nach dem Bericht des Klinikums Kassel vom 14. Juni 2011 habe bei dem Kläger eine schwere Speiseröhrenentzündung auf der Basis einer Refluxösophagitis dritten Grades bestanden. Diese Erkrankung aus innerer Ursache stelle die Eintrittspforte des Keims dar. Es könne zusammenfassend daher nur empfohlen werden, eine BK Nr. 3101 abzulehnen, da die Infektion mit dem Keim der natürlichen Flora des Verdauungstraktes aus innerer Ursache über eine schwere Speiseröhrenentzündung erfolgt sei. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. November 2012 die Anerkennung der BK ab.

In seinem Widerspruch stellte der Kläger u. a. seinen Krankheitsverlauf ausführlich dar und wies darauf hin, dass sich eine schwere Ösophagitis bei ihm erst acht Tage nach seiner stationären Aufnahme im Klinikum Kassel am 24. Mai 2011 am 2. Juni 2011 gezeigt habe. Bei einer erneuten Gastroskopie am 6. Juni 2011 sei die Diagnose einer Refluxösophagitis dritten Grades gestellt worden, die seiner Meinung nach auch Folge der hoch dosierten Antibiotikaverabreichung sein könne. Zu der Widerspruchsbegründung zog die Beklagte eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes L. vom 18. März 2013 bei. Darin führte dieser aus, dass die Aussagen zum zeitlichen Ablauf nicht durchgriffen. Nach dem Bericht des Klinikums Kassel vom 14. Juni 2011 habe eine schwere Speiseröhrenentzündung auf der Basis einer Refluxösophagitis dritten Grades bestanden. Mit Blick auf den Schweregrad der Erkrankung müsse diese bereits über mehrere Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte bestanden haben; das klinische Bild äußere sich meistens in Form von Sodbrennen. Diese, meist kurzzeitigen Beschwerden seien Ausdruck einer chronischen Speiseröhrenentzündung, welche als Eintrittspforte für den nachgewiesenen Keim Streptococcus bovis geeignet sei. Aufgrund der nur geringen Beschwerden erfolge üblicherweise auch keine weitergehende diagnostische Abklärung. Diese erfolge erst dann, wenn sich ein Dauerschmerz eingestellt habe. Insgesamt empfahl der Beratungsarzt L. der Beklagten, an ihrer Entscheidung festzuhalten, da aufgrund der Drittgradigkeit der Refluxösophagitis der tatsächliche Zeitpunkt des Keimübertritts unaufklärbar bleiben müsse.

Den Widerspruch wies die Beklagte daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2013 zurück. Nach Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK und der tatbestandlichen Voraussetzungen der BK Nr. 3101 führte sie an, dass aufgrund der von dem Kläger angegebenen Tätigkeit bei der Firma E. AG und EX Schlauch-GmbH schon nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger in ähnlichem Maße einer Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen sei, die abstrakt in Art und Grad der Gefährdung derjenigen in den in der BK Nr. 3101 bezeichneten Einrichtungen im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium - vergleichbar sei. Eine Spondylodiszitis sei eine Entzündung, die Grund- und Deckplatten der Wirbel sowie die zugehörige Bandscheibe befalle und häufig von einer Spondylitis (Entzündung des Wirbelkörpers) ausgehe. Sie träte in einer Häufigkeit von 1:250.000 in der Bevölkerung auf, wobei die meisten Patienten über 50 Jahre alt seien und das männliche Geschlecht etwa doppelt so häufig betroffen sei wie das weibliche. Als Risikogruppe gelten Diabetiker, Patienten mit einer reduzierten Immunabwehr oder Patienten nach medizinischen Eingriffen wie Injektionen, Operationen an der Wirbelsäule, endoskopischen Eingriffen oder Behandlungen im Mund-Rachen-Bereich. Bakterien, die für z. B. eitrige Lungen- oder Harnwegsentzündungen ursächlich seien, könnten infolge von Keimverschleppung vom primären Entzündungsherd über die Blut- oder Lymphbahnen auch die Wirbelsäule besiedeln. Die Feststellungen ihres beratenden Arztes L. wiedergebend führte die Beklagte weiter an, dass der zeitliche Ablauf der Diagnosestellung für den Kausalitätsaspekt ohne Bedeutung sei, da nur eine "Speiseröhrenentzündung" nach der Spondylodiszitis diagnostiziert worden sei, die eigentliche Grunderkrankung, nämlich der unvollständige Verschluss des Magens zur Speiseröhre und die aus dem Übertritt von Magensäure in die Speiseröhre resultierende drittgradige und damit schon über sehr lange Zeit bestehende, chronische Speiseröhrenentzündung die Ursache des Keimübertritts darstelle. Im Ergebnis sei der Keimübertritt weder örtlich noch zeitlich bestimmbar. Die Durchführung weiterer Ermittlungen in medizinischer Hinsicht sei daher entbehrlich, da diese angesichts des völlig ungeklärten Infektionszeitpunkts zur Feststellung der tatsächlichen Infektionsquelle nicht beitragen könnten.

Seinen Anspruch hat der Kläger mit Klage vor dem Sozialgericht Marburg vom 28. März 2013 weiterverfolgt. Dabei hat er u. a. auch die mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch die Beklagte sowohl in arbeitstechnischer als auch in medizinischer Hinsicht gerügt. Im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen hat das Sozialgericht die Kliniken, in denen der Kläger behandelt worden ist, ergänzend schriftlich befragt. Die Asklepios Kliniken Bad Wildungen haben unter dem 5. Juni 2014 gestützt auf den Arztbrief des Klinikums Kassel vom 14. Juni 2011 ausgeführt, davon auszugehen, dass bei dem Kläger der Erreger Streptococcus bovis nachgewiesen worden sei. Dieser Erreger könne als Keim im menschlichen Darm nachgewiesen werden, in der Regel verhalte er sich dort apathogen, d. h. er verursache keine Erkrankungen, wenn auch in der Literatur der letzten Jahre eine Assoziation mit Colon-Krebserkrankungen zu finden sei, die sich allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen bestimmten Subtyp des Erregers bezöge. Üblicherweise handele es sich um einen für den Menschen harmlosen Darmkeim, in welchem Prozentsatz dieser im Darm anzutreffen sei, sei dem berichterstattenden Chefarzt Dr. M. nicht bekannt. Spondylodiszitien könnten durch ein breites Spektrum von Erregern verursacht werden, am häufigsten durch Staphylococcus aureus und Enterococcen, so dass der Streptococcus bovis jedenfalls kein typischer, aber möglicher Erreger der Erkrankung sei. Wenn durch Streptococcus bovis Infektionen verursacht würden, handele es sich üblicherweise um Endokarditiden, Meningitiden oder Bakteriämien. Streptococcus bovis könne aber offensichtlich vom Darmlumen in die Blutbahn gestreut werden, durch eine solche Streuung wiederum könne es denkbar zu einer Besiedelung von Wirbelkörpern und/oder Bandscheiben kommen, so dass hierdurch die Entstehung einer Spondylodiszitis ohne weiteres plausibel sei. Wenn der Erreger in einem entsprechenden beispielsweise intraoperativen Abstrich nachgewiesen würde, sei für den zur Diskussion stehenden Einzelfall von einer solchen Infektion auszugehen. In diesem Fall handele es sich um eine sog. endogen verursachte Spondylodiszitis, d. h., dass der Erreger nicht von außen in den Körper eingewandert sei, sondern die immunologische Barriere der Darmschleimhaut überwunden habe, dann über eine bakteriell chemische Streuung zur Spondylodiszitis geführt habe. Das Klinikum Nordhessen, Fachdisziplin Neurochirurgie, Dr. N., hat unter dem 26. September 2011 die Behandlungsdokumentation des Klägers aus dem Jahre 2011 vorgelegt, im Januar 2016 auf weitere Nachfrage der Kammer zudem noch den zu dem während der Operation am 24. Mai 2011 entnommenen Abstrich vom Institut für Labormedizin des Klinikums Kassel erhobenen Mikrobiologiebefund übersandt.

Das Sozialgericht Marburg hat die Klage durch Urteil vom 3. Juni 2016 abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer bestehe im Falle des Klägers keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine berufliche Ursache. Vielmehr überwögen nach Abwägung aller wesentlichen Umstände die Argumente für eine endogene Verursachung der Erkrankung erheblich. Der Kläger habe seine Klage im Wesentlichen damit begründet, dass der hoch aggressive Erreger Streptococcus aureus bei seiner beruflichen Tätigkeit in den Organismus gelangt sei. Nachdem jedoch durch den Histologiebefund eindeutig nachgewiesen worden sei, dass Streptococcus bovis in den Abstrichen enthalten sei, lasse sich diese Argumentation nicht mehr nachvollziehen. Aufgrund der Ausführungen von Dr. M. sei das Gericht vollumfänglich überzeugt, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine endogene Infektion ursächlich für die Spondylodiszitis des Klägers gewesen sei, so wie dies vorher auch der Beratungsarzt der Beklagten L. vermutet gehabt habe. Dabei sei unerheblich, ob der Übertritt des Keims in die Blutbahn aufgrund einer drittgradigen Refluxösophagitis erfolgt sei, deren Existenz im Vorfeld der Operation der Kläger vehement bestreite. Das Gericht gehe jedoch mit dem Beratungsarzt L. davon aus, dass der gefundene schwerwiegende und auch unstreitige Befund sich nicht erst anlässlich des Krankenhausaufenthalts entwickelt haben könne, so dass die drittgradige Refluxösophagitis ein mögliches, wenn nicht sogar sehr wahrscheinliches Erklärungsmodell für den Keimübertritt liefere. Jedenfalls sei hier eine erhebliche konkurrierende Ursache im privaten Bereich des Klägers zu sehen, da mit dem Beratungsarzt L. nicht davon auszugehen sei, dass die schwere Speiseröhrenentzündung mit starken Beschwerden einhergehen müsse, die der Kläger zwangsläufig hätte bemerken oder beklagen müssen. Mit Dr. M. stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass Streptococcus bovis als grundsätzlich harmloser Keim im menschlichen Körper nachgewiesen werden könne, der sich dort in aller Regel apathogen verhalte. Spondylodisziten könnten durch ein breites Spektrum von Erregern verursacht werden. Streptococcus bovis sei kein typischer, aber plausibler Erreger für diese Erkrankung, wenn der Erreger vom Darmlumen in die Blutbahn gestreut werde. Werde der Erreger in einem intraoperativen Abstrich nachgewiesen, was vorliegend der Fall sei, sei für den Einzelfall von einer solchen Infektion auszugehen. Für Spekulationen hinsichtlich anderer Übertragungswege oder anderer Erreger bleibe vor dem Hintergrund dieser Feststellungen kein Raum. Dem noch im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag habe die Kammer nicht nachkommen müssen, da die Kammer von den Tatsachen, die nach dem Antrag des Prozessbevollmächtigten durch ein Gutachten bewiesen werden sollten, bereits überzeugt sei. Die durchgeführten weiteren Ermittlungen hätten zweifelsfrei ergeben, dass am ersten Operationstag am 24. Mai 2011 Abstriche entnommen worden seien, bei denen Streptococcus bovis nachgewiesen worden sei. Sämtliche weiteren Ermittlungen diesbezüglich seien damit entbehrlich. Es sei nach menschlichem Ermessen auszuschließen, dass rückwirkend noch andere Erreger festgestellt werden könnten. Da Streptococcus bovis in jedem menschlichen Körper vorkomme, stehe zur Überzeugung der Kammer ebenso fest, dass die Frage nach einer endogenen oder exogenen Infektion nicht mehr beantwortet werden müsse. Auf welchem Weg der Keim in den Körper gelangt sei, sei bereits durch die Tatsache, dass es sich um Streptococcus bovis handele, bewiesen. Der Keim sei in jedem menschlichen Körper vorhanden. Nicht zuletzt sei durch den Histologiebefund dokumentiert, dass die Abstriche am Tag der Notoperation entnommen worden seien, so dass eine Antibiotikawirkung vier Tage nach diesem Operationstag nicht streitentscheidend sein könnte.

Gegen die ihm am 10. Juni 2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 7. Juli 2016 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht angebracht.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens bereits aus dem Verwaltungs- und auch erstinstanzlichen Verfahren rügt er weiterhin die mangelnden Sachverhaltsermittlungen der Beklagten und auch des Sozialgerichts von Amts wegen in Bezug auf die berufliche Tätigkeit des Klägers in Bezug auf Arbeitsorte, etwaige infektiöse Einwirkungen und deren Dauer sowie in Bezug auf die medizinische Befundung. Es sei keiner der behandelnden Ärzte, auch zu etwaigen Vorerkrankungen, gehört worden. Lediglich Dr. M. seien gerichtliche Fragen zum Krankheitsbild und zur Verursachung gestellt worden, der jedoch kein Facharzt für Mikrobiologie sei. Ebenfalls sei nicht geklärt, wie konkret der Untersuchungsauftrag für das klinikeigene Institut für Labormedizin des Klinikums Kassel gelautet habe und warum ausdrücklich in dem dortigen Bericht vermerkt worden sei, dass es sich um einen ungewöhnlichen Befund handeln würde, weshalb eine Rücksprache mit Dr. O. erforderlich sei. Auch sei nicht die Frage geklärt, warum gerade Sprosspilze in den Abstrichen nicht hätten nachgewiesen werden können, die immer mit dem Erreger Streptococcus bovis gleichzeitig aufträten. Die in dem Merkblatt zur BK Nr. 3101 aufgeführten Untersuchungen seien nicht vollumfänglich durchgeführt worden, um Diagnose und Erregernachweis zu sichern. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten sei nicht mit der Ermittlung von Inkubationszeiten befasst worden. Eine Begutachtung nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei trotz vorheriger Ankündigung des Sozialgerichts unterblieben; der nach § 109 SGG gestellte Antrag sei abgelehnt worden.

Der Kläger beantragt noch,
1. das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 3. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2013 zu verurteilen, bei ihm die BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen,
hilfsweise,
2. ein Gutachten nach § 109 SGG bei Prof. Dr. P., Institut für Mikrobiologie/Immunologie und Hygiene der Universität Q-Stadt, Q-Straße, Q-Stadt, zu den mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22. Mai 2017 übermittelten Beweisfragen einzuholen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Einholung einer arbeitstechnischen Stellungnahme durch den Präventionsdienst sei nach derzeitiger Aktenlage nicht geboten.

Der Senat hat im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen ein Gutachten von Prof. Dr. Dr. C. vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene der Universitätsmedizin C-Stadt vom 7. April 2017 eingeholt. Bei Streptococcus bovis handele es sich hiernach um einen typischen Keim der natürlichen menschlichen (und tierischen) Flora des Magen-Darm-Trakts, aber nicht der menschlichen Hautflora. Hier werde er gelegentlich als "Anschmutzungskeim" (durch Kontakt mit und Verschmieren von Darmflora) beobachtet. Auf unbelebten Flächen in der menschlichen Umgebung könne Streptococcus bovis einige Tage überleben, so dass auch mit Darmflora kontaminierte Flächen eine EA. für eine Keimübertragung sein könnten. Selbstverständlich komme der Erreger auch in ungeklärten, sprich fäkalienhaltigen Abwässern vor, so dass der Kläger während seiner Arbeit mit Sicherheit auch Kontakt mit der Spezies gehabt habe, wenn er denn mit ungeklärten Abwässern in Kontakt gekommen sei. Dass in der Literatur bisher nur eine berufsassoziierte Streptococcus bovis-Übertragung bei einem Bauern beschrieben worden sei, spreche keinesfalls gegen diese Möglichkeit. Streptococcus bovis sei ein eher seltener, aber sehr wohl etablierter Erreger von Spondylodisziten, wobei diese Spezies zur Infektionsauslösung und unterhaltung keiner Anwesenheit weiterer Keime bedürfe. Der Nachweis des Keimes sei im konkreten Fall aus zwei unter der Operation aus dem betroffenen Gebiet entnommenen Abstrichen erfolgt. Da keine anderen Keime aus den Proben nachgewiesen worden seien, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der kausalen Relevanz von Streptococcus bovis für die Erkrankung des Klägers auszugehen. Vom menschlichen Magen-Darm-Trakt aus könne Streptococcus bovis translozieren und hämatogen gestreut werden. Im Rahmen dessen sei es naheliegend, dass eine Virulenzänderung bei den Bakterien einträte, die die eigentlich am natürlichen Standort harmlosen Bakterien zur Auslösung einer Infektion befähige. Diese Virulenzänderung träte, soweit für definierte Bakterienarten erforscht, für jeden Stamm einer Spezies unterschiedlich schnell ein, so dass dadurch unterschiedlich rasche Krankheitsverläufe erklärbar seien. Die Literatur zu diesem Phänomen zeige, dass die Translokation kein seltenes Geschehen sei. Die Translokation aus dem Darm finde besonders häufig im Zusammenhang mit Dickdarmtumoren statt, so dass Streptococcus bovis unter Mikrobiologen als biologischer Indikator auch für das Vorliegen solcher Tumore gelte. Auf diese Tatsache hebe seines Erachtens auch der Kommentar in dem Befund des mikrobiologischen Labors vom 27. Mai 2011 ab ("ungewöhnlicher Befund. Bitte Rücksprache mit Dr. O."); der Mikrobiologe weise den klinischen Kollegen bei einem systemischen Streptococcus bovis Nachweis darauf hin, nach einem Dickdarmtumor zu suchen, wenn dies nicht schon geschehen sei. Eine weitere EA. für Streptococcus bovis als Ursache einer Spondylodiszitis sei eine Streptococcus bovis bedingte Endokarditis, sprich die Infektion einer durch andere Ursachen vorgeschädigten Herzinnenhaut. Insgesamt seien Streptococcus bovis-Infektionen auf exogenem Wege zwar möglich, aber sehr unwahrscheinlich, weil dazu eine Verletzung durch eine Streptococcus bovis-Hautkontamination hindurch oder mit einem Streptococcus bovis-kontaminierten Instrument stattgefunden haben müsse. Diese Vorgänge ergäben sich im Falle des Klägers aus der Aktenlage nicht. Soweit die Kausalität generell ergründbar sei, sei die endogene EA. als Ausgangspunkt für ein systemisches Vorkommen von Streptococcen bovis in einem Menschen und damit für die Erzeugung von Infektionen um Größenordnungen häufiger als die exogene EA. Im Falle des Klägers gäbe es zumindest Hinweise, dass der Eintritt der Erreger durch eine ge-/zerstörte Ösophagusschleimhaut habe stattfinden können, so dass im konkreten Fall zumindest die in den Akten enthaltenen Informationen deutlich für ein endogenes Geschehen sprächen. Die Aussage, wo die eigentliche EA. des Streptococcus bovis Isolats gelegen habe, also ob das später systemisch nachgewiesene Streptococcus bovis Isolat schon lange im Darmmikrobiom von dem Kläger residiert und daher als Bestandteil seiner natürlichen körpereigenen Flora gesehen werden müsse oder ob es erst kurz vor der Translokation aus der Umgebung des Klägers in seine Darmflora aufgenommen worden sei (z. B. im Rahmen einer von anwaltlicher Seite spekulierten beruflichen Exposition), hätte nur theoretisch unter experimentellen Bedingungen getroffen werden können. Denn dazu wäre es notwendig gewesen, die Darmflora des Klägers sowie die Mikroflora seiner Umgebung kontinuierlich auch schon vor Eintritt der Spondylodiszitis mit molekularen Methoden zu untersuchen. Diese Frage sei konkret für den Kläger nicht zu beantworten. Die Frage nach der Inzidenz von Streptococcus bovis als Erreger von Spondylodisziten sei nicht mit einer genauen Zahl belegbar. In der Fachliteratur werde Staphylococcus aureus als der mit Abstand häufigste Erreger gelistet. Aus der Vielzahl weiterer möglicher Erreger einer Spondylodiszitis lasse sich folgern, dass die Streptococcus bovis assoziierten Fälle weniger als ein Prozent der Gesamtzahl der Spondylodiszitisfälle ausmachten. Ein fallbezogener Erregernachweis direkt aus dem Körper des betroffenen Patienten heraus könne per Kultur der Keime und per Nukleinsäure erfolgen. Der kulturelle Nachweis funktioniere in der Regel nur, solange die Infektion akut sei. Meist sei der Nachweis bereits nach einer Gabe eines Antibiotikums oder nach klinischem Abheilen der Infektion nicht mehr möglich. Der Nukleinsäurenachweis funktioniere auch für eine gewisse Zeit mit abgestorbenen Erregern, so dass sich das diagnostische Fenster um Wochen bis Monate erweitere. Ein Erregernachweis aus bereits aus dem Patienten gewonnenem und im Labor gelagertem Material könne durch adäquate Lagerung des Materials bezogen auf das diagnostische Fenster um wenige Tage bis Wochen (Kultur) bis mehrere Jahre (Nukleinsäurenachweis) erweitert werden. Allerdings vernichteten alle diagnostischen Labore Deutschlands ihre Proben aus Gründen eines restringierten Lagerplatzes insbesondere unter Kühlbedingungen innerhalb von ein bis zwei Wochen nach abschließender Befundung, es sei denn, es gäbe aufgrund der Besonderheiten der Keime oder der epidemiologischen Situation vor Ort Gründe für eine Ausnahmeregelung, den der Nachweis von Streptococcus bovis aus Spondylodiszitisproben in aller Regel nicht darstelle. Etablierte Prädispositionen für die Spondylodiszitis seien Mangelernährung, Alkoholismus, Drogenabusus, HIV-Infektion, Diabetes mellitus, natürliche oder ärztlich induzierte Immunsuppressionen, Autoimmunerkrankungen sowie eine Reihe von medizinischen Manipulationen und Eingriffen wie die Einbringung von Medizinprodukten in das Gefäßsystem und Operationen an der Wirbelsäule. Im Falle des Klägers sei die medizinische Vorgeschichte lückenhaft dokumentiert; aus den wenigen Informationen ergäbe sich kein Anhalt für spezifische Prädispositionen. Die Refluxösophagitis als Eintrittspforte für Streptococcen bovis in die Blutbahn sei eine sehr wohl denkbare Erklärung zum Ursprung des Geschehens. Allerdings sei der Zeitpunkt des Beginns der Refluxösophagitis nicht vollkommen klar, auch wenn die Schwere der Ausprägung der Schleimhautveränderungen bereits bei der ersten Gastroskopie am 3. Juni 2011 stark auf einen ggf. längere Zeit vor der Spondylodiszitis vorbestehenden Zustand hindeuteten. Insoweit wäre eine weitere Abklärung erforderlich. Legte man den Beginn der Erkrankung auf den Zeitpunkt des Eintretens der schmerzhaften Beschwerden der Halswirbelsäule auf den 5. Mai 2011 - so die Klageschrift -, sei von einem akuten Verlauf auszugehen, der aufgrund der Aktenlage als der wahrscheinlichere zu werten sei. Einen noch kürzeren Verlauf anzunehmen, verbleibe im Bereich der Spekulation. Legte man dagegen die Konsultation des niedergelassenen Neurologen H. am 16. August 2010 mit acht Wochen vorbestehender Symptomatik im Sinne von Schmerzen und Paresen in beiden Armen/Händen als Zeichen einer sich entwickelnden Spondylodiszitis zugrunde, wäre von einem deutlich weniger wahrscheinlichen chronischen Verlauf auszugehen. Letztlich seien beide Verlaufsmuster mit einem kausalverantwortlichen Erreger Streptococcus bovis vereinbar.

Auf Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen sieht der Kläger weiteren Ermittlungsbedarf, insbesondere zu etwaigen Prädispositionen für die Spondylodiszitis, zu den Untersuchungen und Untersuchungsbefunden des Klinikums Kassel und auch der Asklepios Klinik Bad Wildungen, schließlich auch in arbeitsmedizinischer Hinsicht.

Die Beklagte verbleibt dabei, dass der Nachweis einer beruflichen Verursachung nicht erbracht werden könne, weshalb die Anerkennung der BK ausscheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zu dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen, die sämtlichst Gegenstand der Beratungs- und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 143, 151 SGG). Sie ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 7. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erkrankung des Klägers eine Berufskrankheit (BK) nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV ist.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 3101 liegen bei dem Kläger nicht vor. Versicherungsfälle sind neben Arbeitsunfällen auch Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten solche Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet hat und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Keller in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer / Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 128 Rn. 3b m. w. N.). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).

Zur Anerkennung einer Berufskrankheit muss zudem ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. Einwirkungskausalität) und diese Einwirkung muss die als Berufskrankheit zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben (sog. haftungsbegründende Kausalität - dazu: Schwerdtfeger in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, Kommentar, Anm. 54 zu § 8 SGB VII). Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Recht der Berufskrankheit gilt dabei, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05). Die Theorie der wesentlichen Bedingung basiert auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. condicio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Als Beweismaßstab genügt für den Ursachenzusammenhang statt des Vollbeweises die Wahrscheinlichkeit, d. h., dass bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen müssen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO). Der Ursachenzusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).

Unter Nr. 3101 sind in der Anlage 1 zur BKV "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war" erfasst. Da sich bei dieser BK der Ansteckungsvorgang im Nachhinein häufig nicht mehr feststellen lässt, tritt an die Stelle der "Einwirkungen" im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII eine erhöhte Infektionsgefahr, die im Vollbeweis vorliegen muss (BSG vom 2. April 2009 - B 2 U 33/07 R und vom 21. März 2006 - B 2 U 19/05 R). Die Voraussetzungen dieses Tatbestandes i. V. m. § 9 Abs. 1 SGB VII sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Der Kläger hat seine versicherte Tätigkeit als Gas- und Wasserinstallateur nicht im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium ausgeübt. Entscheidend ist daher, ob er im Sinne der 4. Alternative der BK Nr. 3101 "durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Abzustellen ist hier dabei nicht auf die Berufsgruppe selbst, sondern auf die von dem Kläger konkret verrichtete Tätigkeit (BSG vom 2. April 2009 - B 2 U 33/07 R), die er mit Reinigungs- und Instandsetzungarbeiten an Abwasseranlagen beschreibt.

Der Verordnungsgeber geht bei der BK Nr. 3101 typisierend davon aus, dass gerade im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege und in einem Laboratorium eine abstrakte Gefahrenlage und für die betroffenen Beschäftigten ein generell erhöhtes Infektionsrisiko besteht (generelle / abstrakte Gefahrenlage). Durch die mit der 7. BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721) beabsichtigte Erweiterung des Versicherungsschutzes auf außerhalb der bezeichneten Gefährdungsbereiche tätige Versicherte, die "der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt" sind, wird deutlich, dass die besondere Gefahrenlage im Sinne der 4. Regelungsalternative derjenigen entsprechen muss, die im Fall der anderen drei Regelungsalternativen (Gesundheitsdienst, Wohlfahrtspflege und Laboratorium) angenommen wird. Voraussetzung ist daher, dass die versicherte Tätigkeit eine abstrakte Gefahrenlage in sich birgt (vgl. BSG vom 2. April 2009 - B 2 U 33/07 R). Ist unter Berücksichtigung der Art der versicherten Tätigkeit und der Beschaffenheit des Tätigkeitsumfeldes eine generelle Gefährdung nicht denkbar, scheidet schon deshalb die BK Nr. 3101 aus. Liegt dagegen eine mit der versicherten Tätigkeit verbundene abstrakte Gefährdung vor, kommt es darüber hinaus darauf an, ob der Versicherte infolge seiner konkret ausgeübten Verrichtungen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt war (vgl. BSG vom 2. April 2009 - B 2 U 33/07 R).

Nach dem Operationsbericht des Klinikums Kassel vom 24. Mai 2011 und des Entlassungsberichtes von dort über den stationären Aufenthalt vom 24. Mai 2011 bis 14. Juni 2011 vom 14. Juni 2011 (Klinik für Neurochirurgie - Prof. Dr. F.) war der Kläger an einer Spondylodiszitis in Höhe HW 4/5 mit intraspinalem Abszess erkrankt. Bei der Spondylodiszitis handelt es sich um eine Infektion der Wirbelsäule, die die Bandscheiben und die angrenzenden Wirbel betrifft. Mögliche Erreger sind Bakterien, Pilze, selten zudem auch Parasiten. Diese können die Wirbelsäule durch direkte Kontamination (exogen) infizieren, z. B. als Folge eines chirurgischen Eingriffs an der Wirbelsäule. Häufiger geht jedoch eine wirbelkörperferne Infektion voraus, durch die es zur hämatogenen Streuung des Erregers mit Ansiedlung in einem oder mehreren Wirbelkörpern kommen kann. Selten entsteht die Wirbelsäuleninfektion über den lymphatischen Weg oder durch direkten Kontakt (Kontiguität) im Falle eines paravertrebralen Abszesses (Sobottke et al., Deutsches Ärzteblatt 2008, 105 ff.).

In den bei der Operation des Klägers am 24. Mai 2011 entnommenen Abstrichen war Streptococcus bovis als Keim nachgewiesen worden (Mikrobiologie Befund Klinikum Kassel, Institut für Labormedizin - PD Dr. R. vom 24./25. Mai 2011). Fest steht damit, dass der Kläger sich irgendwann in der Vergangenheit - auf exogenem oder endogenem Wege - mit Streptococcus bovis infiziert hat. Nach den Feststellungen von Prof. Dr. Dr. C. ist Streptococcus bovis zwar ein seltener, gleichwohl etablierter Erreger von Spondylodisziten, ohne dass es zur Infektionsauslösung und –unterhaltung der Anwesenheit weiterer Keimarten bedürfte. Mit dem Sachverständigen geht auch der Senat davon aus, dass dieser Keim letztlich wohl ursächlich für die von dem Kläger erlittene Spondylodiszitis war. Für einen anderen Erreger ergeben sich im Übrigen auch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte.

Der Senat vermochte sich jedoch nicht davon zu überzeugen, dass mit den vom Kläger verrichteten Arbeiten ihrer Art nach unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Arbeitsumfeldes Einwirkungen in Form einer besonders erhöhten Infektionsgefahr, wie sie die BK Nr. 3101 voraussetzt, d. h. mit einer konkret erhöhten Infektionsgefahr hinsichtlich einer Infektion mit Streptococcus bovis als Übertragungskeim für die Spondylodiszitis einhergingen.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass es bei der Wartung und Reparatur von Abwasseranlagen zu Kontakt mit verschiedenen Krankheitserregern und auch zur Übertragung von Infektionskrankheiten im Falle von unzureichender arbeitsmedizinischer Vorsorge kommen kann (vgl. u. a. DGUV Information 203-051 "Sicherheit und Gesundheitsschutz im Abwasserbereich - Unterweisungshilfen", Stand: Januar 2010, Seiten 17 ff.). Bei Nichteinhaltung der notwendigen Arbeits-/ Körperhygiene und Sauberkeit besteht in diesem Berufsfeld insoweit unzweifelhaft eine generell abstrakte Gefahr von Infektionen. Dabei sind die gefährlichsten Infektionskrankheiten für Mitarbeiter/innen von abwassertechnischen Anlagen die Hepatitis, hervorgerufen durch im Abwasser befindliche Viren und die sogenannte Weil´sche Krankheit als bakterielle Infektionskrankheit (vgl. die Musterdienst- und Betriebsanweisung für Abwassertechnische Anlagen im Zuständigkeitsbereich des Bundeswehr-Dienstleistungszentrums (BwDLZ), Seite 13).

Selbst wenn auch die Spondylodiszitis als Infektionskrankheit hier ebenfalls in Betracht käme - wovon Prof. Dr. Dr. C. jedenfalls für den Fall ausgeht, dass der Kläger während seiner Arbeit in Kontakt mit ungeklärten fäkalienhaltigen Abwässern gekommen ist -, setzt die Feststellung der Erkrankung als Berufskrankheit noch weiter voraus, dass die Tätigkeit des Klägers als Gas-/Wasserinstallateur im Bereich von Abwasseranlagen mit besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Gefahren verbunden war, eine solche zu erleiden.

Die besondere, über das normale Maß hinausgehende Infektionsgefahr ist nicht Bestandteil eines Ursachenzusammenhanges zwischen versicherter Tätigkeit und Infektionskrankheit. Sie ersetzt vielmehr als eigenständiges Tatbestandsmerkmal die Einwirkungen und ist mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal "Verrichtung einer versicherten Tätigkeit" durch einen wesentlichen Kausalzusammenhang, hingegen mit der "Erkrankung" nur durch die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs, verbunden. Für die erhöhte Infektionsgefahr gelten damit hinsichtlich des Beweismaßstabes die Anforderungen, die ansonsten für das Tatbestandsmerkmal der Einwirkungen zu beachten sind. Sie muss im Vollbeweis vorliegen. Zwar setzt der Begriff der Gefahr eine Wahrscheinlichkeitsprognose voraus. Er charakterisiert einen Zustand, bei dem nach den objektiven Umständen der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich gelten kann. Allerdings ist zwischen der tatsächlichen Ebene, auf die sich die Wahrscheinlichkeitsprognose beziehen muss, und der rechtlichen Wertung, ob aufgrund der nachgewiesenen Tatsachen eine Schädigung möglich ist, zu unterscheiden (BSG vom 2. April 2009 - B 2 U 30/07 R).

Eine erhöhte Infektionsgefahr ist bei Versicherten anzunehmen, die aufgrund ihrer Tätigkeit oder ihres Arbeitsumfeldes einer Infektionsgefahr in besonderem Maße ausgesetzt sind. Die besondere Infektionsgefahr kann sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben. Der Grad der Durchseuchung ist hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen (BSG vom 2. April 2009 B 2 U 30/07 R).

Die Übertragungsgefahr ist nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen zu beurteilen. Ebenfalls zu beachten sind die individuellen Arbeitsvorgänge. Da für die Anerkennung der BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV nicht eine schlichte Infektionsgefahr genügt, sondern eine (z. T. typisierend nach Tätigkeitsbereichen) besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 SGB VII), kommt es darauf an, welche einzelnen Arbeitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind (BSG vom 2. April 2009 B 2 U 30/07 R).

Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes als versicherter Tätigkeitsbereich, also der Verbreitungsgrad der Infektionskrankheit, auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite, stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Allerdings muss zumindest die Möglichkeit einer Infektion bestehen. Ist das nicht der Fall, weil z. B. trotz eines hohen Durchseuchungsgrades die Art der konkret ausgeübten Tätigkeit einen Infektionsvorgang ausschließt, ist für die Annahme einer Gefahr von vornherein kein Raum. Kommt indes eine Infektion in Betracht, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist, sondern in besonderem Maße über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liegt. Dabei legt der Nachweis einer infizierten Kontaktperson bei gleichzeitiger übertragungsgefährdender Tätigkeit das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr nahe. Zwingend ist dieser Schluss aber nicht (BSG vom 2. April 2009 - B 2 U 30/07 R). Das Erfordernis einer erheblichen Erhöhung des Infektionsrisikos gegenüber der Normalbevölkerung ist dem Umstand geschuldet, dass bereits nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nur solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (Hessisches Landessozialgericht, Urteile vom 13. Juli 2010 - L 3 U 5/03 und vom 25. August 2015 - L 3 U 54/11).

Der Kläger war keiner besonders erhöhten Infektionsrisiko in diesem Sinne ausgesetzt. Der hierfür erforderliche volle Nachweis ist nicht zu führen.

Streptococcus bovis ist als natürlicher Bestandteil der Darmflora ein häufig vorkommendes Bakterium, das sich bei Menschen ohne geschwächtem Immunsystem apathogen verhält, d. h. in der Regel keine Erkrankungen auslöst. Dies haben die in diesem Verfahren gehörten Ärzte (L., Dr. M., Prof. Dr. Dr. C.), zum Teil unter Verweis auf die medizinische Fachliteratur, übereinstimmend ausgeführt. Das Bakterium konnte unter anderem aus dem Kot von Rindern, Pferden und auch dem Menschen isoliert werden. Entsprechend ist die Haupteintrittspforte für die menschliche Infektion mit Streptococcus bovis der Magen-Darm-Trakt, in einigen Fällen wird der Eintritt aber auch über die Harnwege, den Leber-Gallen-Raum oder den Mund-Rachen-Raum beschrieben.

Streptococcus bovis kann bei gesunden Personen in 10 bis 16% nachgewiesen werden, bei Patienten mit Malignomen des Gastrointestinaltrakts oder bei engem Tierkontakt (Veterinär, Schlachthofpersonal, Metzger) mit bis zu 56% sehr viel häufiger (Zeitschrift für Chemotherapie, "Wichtige Erreger in Klinik und Praxis", Ausgabe September/Oktober 2013, S. 43).

Eine berufsassoziierte Übertragung von Streptococcus bovis ist in der Literatur - soweit ersichtlich - bezogen auf Beschäftigte, die im Bereich von Abwasseranlagen tätig sind, bisher nicht beschrieben (siehe hierzu auch das Gutachten von Prof. Dr. Dr. C., S. 10). Ebenso ist dessen Prävalenz bei Spondylodiszitiden nicht bekannt. Ein besonders hohes Infektionsrisiko ist - wie bereits ausgeführt - lediglich bezogen auf Hepatitis und die sog. Weil´sche Krankheit (Leptospirose) als bakterielle Infektionskrankheit, die durch Infektion mit Leptospira interrogans über kontaminiertes Wasser hervorgerufen wird, bekannt. Mangels Aufklärbarkeit des Ausmaßes der Durchseuchung ist der oben zitierten Rechtsprechung des BSG folgend für den vorliegenden Fall von einem - geringen - Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen.

Die erforderliche besondere Infektionsgefahr lässt sich auch nicht auf die Übertragungsgefahr bei den von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten zurückführen. Ins Wasser gelangt Streptococcus bovis u. a. über Fäkalien infizierter Tiere und Menschen, die über das Abwassersystem ins Grundwassernetz eingespeist werden. Die Übertragung des Erregers erfolgt hier fäkal-oral oder durch Schmierinfektion, z. B. Handkontakt mit kontaminierten Flächen. Eine Übertragungsgefahr besteht allerdings auch bei Alltagskontakten jeder Art. Zu denken ist insoweit an die Nutzung der eigenen wie auch einer öffentlichen Toilette, zudem an den körperlichen Kontakt mit anderen infizierten Menschen oder kontaminierten Flächen. Zwar ist die Infektionsgefahr des Klägers bei seiner eigenen beruflichen Tätigkeit erhöht. Gleichwohl ist in Ansehung der bestehenden Übertragungsmöglichkeiten bei Alltagskontakten und der Tatsache, dass ein signifikant erhöhter Durchseuchungsrad im Berufsfeld des Klägers nicht belegt ist, eine Infektionsgefahr, die in besonderem Maße über diejenige in der Gesamtbevölkerung hinausgeht, nicht begründbar. Eine nur geringfügig erhöhte Infektionsgefahr würde nach der Rechtsprechung des BSG ohnehin nicht ausreichen (s. o.).

Ein spezielles Infektionsereignis, also ein spezieller Zeitpunkt, zu dem die Infektion mit Streptococcus bovis erfolgt ist, konnte der Kläger nicht benennen. Weitere Ermittlungen am konkreten Arbeitsplatz des Klägers zu den speziellen Arbeitsbedingungen sind entbehrlich. Die Qualität respektive die Kontamination des Abwassers ist wechselnd und höchst unterschiedlich, wobei die Gefahr einer Belastung des Wassers durch äußere Umstände wie z. B. Hochwasser und dementsprechend überflutete Kläranlagen sowie bei undichten Rohren in der Hausinstallation, steigt. Selbst wenn sich Streptococcus bovis bei einer Untersuchung der Abwassersituation an dem oder den konkreten Arbeitsorten des Klägers heute nachweisen ließe, wären hieraus keine Rückschlüsse auf die Abwasserbeschaffenheit im Jahre 2010/11 möglich. Die eigentliche EA. des bei dem Kläger nachgewiesenen Streptococcus bovis Isolats - konkret, ob es schon lange in seinem Darmmikrobiom residiert hat und daher als Bestandteil seiner natürlichen körpereigenen Darmflora angesehen werden muss oder ob es erst kurz vor der Translokation z.B. im Rahmen einer beruflichen Exposition aus der Umgebung in seiner Darmflora aufgenommen wurde - ist nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. C., an denen der Senat keinen Anlass zu Zweifeln hat, heute schließlich auch durch molekular- oder mikrobiologische Untersuchung nicht mehr aufklärbar. Denn dazu wäre es notwendig gewesen, die Darmflora des Klägers sowie die Mikroflora seiner Umgebung kontinuierlich auch schon vor der Spondylosiszitis zu untersuchen. Selbst ausgehend von einem insgesamt wahrscheinlicheren endogenen Geschehen ist es daher im Ergebnis nicht (mehr) aufklärbar, wann - und wie - das Bakterium in den Darm des Klägers, aus dem es später dann translosziert ist, gelangt ist.

Da mithin generelle, insbesondere statistische Erkenntnisse über ein erhöhtes Infektionspotenzial im abstrakten Arbeitsumfeld des Klägers nicht vorliegen und sich auch solche nicht aus seinem konkreten Arbeitsumfeld ergeben, verbleibt es hinsichtlich der Wahrscheinlichkeitsprognose einer Infektionsgefahr mit Streptococcus bovis bei der schlichten Möglichkeit. Auch in diesem Punkt folgt der Senat Prof. Dr. Dr. C. Für den im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der "erhöhten Infektionsgefahr" erforderlichen Beweismaßstab ist dies nicht ausreichend.

Aber auch selbst wenn man im vorliegenden Fall eine durch die versicherte Tätigkeit bedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr annehmen würde, wäre der Tatbestand der BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV nicht erfüllt. Liegen eine durch die versicherte Tätigkeit bedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr und die Infektionskrankheit vor, nimmt der Verordnungsgeber zwar typisierend an, dass die Infektion während und wegen der Gefahrenlage erfolgte und die Krankheit wesentlich verursacht hat. Für diese Typisierung ist allerdings u. a. dann kein Raum, wenn ein anderes, dem privaten Lebensbereich zuzuordnendes Infektionsrisiko die Erkrankung verursacht hat (BSG vom 2. April 2009 - B 2 U 30/07 R). Kommen sowohl berufliche als auch außerberufliche Verrichtungen als Ansteckungsquelle in Betracht, von denen aber nur eine allein die Krankheit auslösen kann, muss entschieden werden, ob sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine der unter Versicherungsschutz stehenden Handlungen als Krankheitsursache identifizieren lässt. Eine im Rechtssinne hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür ist gegeben, wenn der Möglichkeit einer beruflichen Verursachung nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber den anderen in Frage kommenden Möglichkeiten ein deutliches Übergewicht zukommt, sodass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann (BSG vom 21. März 2006 - B 2 U 19/05 R; Bayerisches Landessozialgericht vom 13. August 2013 - L 3 U 262/12; Hessisches Landessozialgericht vom 25. August 2015 – L 3 U 54/11).

Wie ausgeführt kommen im vorliegenden Fall auch außerberufliche Verrichtungen als endogene Infektionsquellen in Betracht, die zudem aufgrund der als generell anzunehmenden Durchseuchung der Gesamtbevölkerung auch nicht unwahrscheinlich sind. Da sich zudem eine konkrete unter Versicherungsschutz stehende Handlung als Infektionsquelle nicht identifizieren lässt, kommt der Möglichkeit einer beruflichen Verursachung der bei dem Kläger erfolgten Streptococcus bovis Bakteriämie kein deutliches Übergewicht gegenüber anderen in Frage kommenden Infektionsmöglichkeiten zu.

Nur am Rande und der Vollständigkeit halber ist zudem in Bezug auf den erforderlichen Kausalzusammenhang was den Krankheitsausbruch der Spondylodiszitis anbelangt auf eine wahrscheinlich konkurrierende innere Ursache hinzuweisen.

Streptococcus bovis ist im Normalfall nicht krankheitsauslösend. Nur wenn das Bakterium durch ungünstige Bedingungen oder ein schwaches Immunsystem die Gelegenheit bekommt, sich auszubreiten, kann es bei Menschen zu Erkrankungen, wie zum Auftreten von Septikämien (Blutvergiftungen), Meningitis (Hirnhautentzündung), Wundinfektionen, Peritonitis (Bauchfellentzündung), Endokarditis (Entzündung der Herzinnenhaut), Pharyngitis (Rachenentzündung), möglicherweise auch zu Darmkrebs oder auch der hier in Rede stehenden Spondylodiszitis, kommen. Dies hat folgenden Hintergrund, auf den auch Prof. Dr. Dr. C. auf Seite 7 seiner Expertise hinweist: Bei der Entstehung einer Infektionskrankheit stehen sich auf der einen Seite das körpereigene Immunsystem, das die Funktion der Abwehr körperschädigender Substanzen einnimmt, auf der anderen Seite eine Vielzahl von Krankheitserregern mit dem Versuch in den fremden Organismus einzudringen und sich dort zu vermehren, gegenüber. Ist das Immunsystem nicht mehr in der Lage, das Eindringen der Krankheitserreger in den Körper zu verhindern bzw. die Ausbreitung dieser zu unterdrücken, können sich die Krankheitserreger ungehindert vermehren und so eine Infektionskrankheit hervorrufen. Letztlich führt also ein Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen körpereigener Abwehr und Erregern zur Entstehung einer Infektion. Je stärker das intakte Immunsystem des Wirtsorganismus geschwächt wird, umso leichter haben es die Krankheitserreger in den fremden Organismus einzudringen, sich ohne bzw. bei geringerem Wiederstand zu vermehren und somit eine Infektion hervorzurufen (zum Ganzen siehe Hilal, "Die bakterielle Spondylodiszitis - Eine retrospektive Analyse von 183 Patienten", Dissertation, Bonn 2012, S. 13, m. W. N.). Als wahrscheinliche Ursache für die Translokation und hämatogene Streuung von Streptococcus bovis haben sowohl der Beratungsarzt der Beklagten L. als auch Prof. Dr. Dr. C. auf die bei dem Kläger bekannte Refluxösophagitis dritten Grades hingewiesen. Ohne dass es für die Entscheidung des Streitfalles hierauf noch ankäme, dürfte auch dies letztlich der Anerkennung der BK Nr. 3101 entgegenstehen. Letztlich braucht jedoch weder in dieser Hinsicht noch zu den von dem Kläger mit Schriftsatz vom 22. Mai 2017 aufgeworfenen ergänzenden medizinischen Fragen weiter ermittelt zu werden. Zutreffend ist zwar, dass auch nach der Expertise von Prof. Dr. Dr. C. noch Fragen offengeblieben sind. Indes sind diese nicht klärungsbedürftig, weil es bereits an der tatbestandlichen Voraussetzung einer durch die versicherte Tätigkeit bedingten besonders erhöhten Infektionsgefahr fehlt. Weitere Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen, wie von dem Kläger mit Schriftsatz vom 22. Mai 2017 angeregt und durch den noch in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nach § 109 SGG konkretisiert, waren daher entbehrlich. Auf die Beantwortung der von dem Kläger aufgeworfenen Fragen kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an; auch im Rahmen des Antragsrechts nach § 109 SGG gilt der allgemeine prozessrechtliche Grundsatz, dass nur über solche Tatsachen Beweis zu erheben ist, die für die Entscheidung erheblich sind (BSG vom 20. April 2010 - B 1/3 KR 22/08 R m. w. N.; Keller in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer / Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 109 Rn. 10a). Dem Antrag auf Anhörung des Arztes Prof. Dr. P. brauchte der Senat daher nicht nachzukommen.

Aus alledem ergibt sich zusammenfassend, dass der Kläger nicht in einem besonders erhöhten Ausmaß gegenüber der Normalbevölkerung dem Risiko ausgesetzt gewesen war, sich mit Streptococcus bovis zu infizieren. Zudem ist weder auszuschließen, dass der Kläger sich während seiner versicherten Tätigkeit infiziert hat noch dass dies in seinem unversicherten Lebensbereich geschehen ist. Die Anerkennung der Spondylodiszitis als Berufskrankheit nach Nr. 3101 Anlage zur BKV scheidet daher aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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