L 8 KR 199/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 8 R 414/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 199/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 55/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers und der Beigeladenen zu 1) gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. Mai 2015 werden zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1). Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen. IV. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) zu allen Zweigen der Sozialversicherung im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2014 aufgrund ihrer Tätigkeit als psychologische Psychotherapeutin in der Praxis des Klägers streitig.

Der Kläger ist Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie und betreibt in A-Stadt sowie in B-Stadt eine Gemeinschaftspraxis für Psychotherapie.

Die Beigeladene zu 1) ist Dipl.-Psychologin und war in der Praxis des Klägers zunächst im Rahmen ihrer Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin (Bereich Verhaltenstherapie) sozialversicherungspflichtig tätig.

Der Kläger und die Beigeladene zu 1) schlossen am 29. Dezember 2011 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 einen unbefristeten Vertrag über eine freie Mitarbeit der Beigeladenen zu 1) (§ 1 Freier-Mitarbeiter-Vertrag) in der Praxis für integrative Psychotherapie und Psychosomatik (Gemeinschaftspraxis des Klägers). In dem Vertrag ist u.a. folgendes geregelt:

§ 2 Tätigkeit Die freie Mitarbeit umfasst die eigenständige Diagnostik und psychotherapeutische Behandlung von Patienten der Praxis. Die Assistentin arbeitet selbstständig und weisungsfrei. Die Inhalte der Betreuung der Patienten orientieren sich an den Verfahrens- und Arbeitsanweisungen der Leitlinien und der Qualitätssicherungsmaßnahmen des Fachgebietes, die im Qualitätsmanagementhandbuch der Praxis niedergelegt sind. Über grundsätzliche Abweichungen in ihrem selbständigen Vorgehen informiert sie den Praxisinhaber. Die Assistentin informiert den Praxisinhaber regelmäßig und auf Wunsch über den Stand der Behandlung. ( ...) Der Praxisinhaber stellt der Assistentin einen entsprechenden Arbeitsplatz und Arbeitsmaterialien zur Verfügung. Eigene Arbeitsmaterialien und -geräte dürfen benutzt werden. Die Assistentin benutzt ein eigenes Notebook/ihren eigenen PC zur Erstellung der Psychotherapieanträge. Die schriftlichen Arbeiten erledigt sie in ihren eigenen Räumlichkeiten. Für eine bessere Erreichbarkeit nutzt sie ein eigenes (Mobil-)Telefon und trägt die entsprechenden Kosten selbst. Für bestimmte Arbeitsschritte kann sie selbst Personal auf eigene Kosten einstellen/beauftragen.

§ 3 Patientenzuteilung, Arbeitszeit, Urlaub Der Praxisinhaber teilt der Assistentin Patienten zur selbständigen Behandlung zu. Die freie Arzt-/Psychotherapeutenwahl bleibt unberührt: Die Behandlungen dürfen von der Assistentin oder von den Patienten abgelehnt werden. Die Assistentin verpflichtet sich, eine durchschnittliche Wochenstundenzahl von 10 Therapieeinheiten bei 44 Arbeitswochen durchzuführen. Die Arbeitszeit ist frei einteilbar. Über geplante Urlaubszeiten wird der Praxisinhaber informiert. Verhinderungen bei Krankheit oder Unfall werden dem Praxisinhaber unverzüglich mitgeteilt. Die Terminabsage und -neuvereinbarung ihrer betreuten Patienten liegt in der Verantwortung der Assistentin.

§ 4 Honorar, Kostenbeteiligung, andere Auftraggeber Die Honorarhöhe richtet sich nach den erbrachten Leistungen, dem geltenden EBM und der Gebührenordnung der Ärzte (GOA). Als Honorar wird 80,- EUR bei Privatversicherten, 55,- EUR bei Selbstzahlern und 50,- EUR bei GKV-Patienten pro Therapiestunden vereinbart. Das Honorar kann vom Praxisinhaber jederzeit angepasst werden, wenn sich die Honorarberechnungsgrundlage des EBM und/oder der GOÄ und/oder die Betriebskosten ändern. Wenn bestimmte Leistungen vom Patienten nicht oder nur teilweise bezahlt werden, besteht kein oder nur anteiliger Anspruch auf Honorierung der von der Assistentin erbrachten Leistungen durch den Praxisinhaber. Dies gilt auch für eventuelle Regressforderungen an den Praxisinhaber, wenn diese Leistungen die Assistentin betreffen. In diesem Fall muss die Assistentin zu viel gezahlte Honorare an den Praxisinhaber zurückzahlen. Die Assistentin trägt damit das unternehmerische Risiko für ihre Leistungen. Die sich daraus ergebende Honorarsumme wird dem Praxisinhaber monatlich von der Assistentin in Rechnung gestellt und vom Praxisinhaber nach Erhalt der Rechnung bezahlt. Die Assistentin versteuert das Honorar nach geltenden Bestimmungen selbst. Die Assistentin darf auch für andere Auftraggeber tätig werden. Ausgenommen sind unmittelbare Konkurrenzpraxen. Eine Tätigkeit in eigener Praxis - auch in unmittelbarer Umgebung - ist ebenfalls erlaubt.

§ 5 Verschwiegenheit ( )

§ 6 Kündigung, Geltungsdauer des Vertrags, Ausschlussklausel ( )

§ 7 Sonstiges Von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrages wurde in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst keinen Gebrauch gemacht. Die Umgehung von arbeitsrechtlichen und arbeitsgesetzlichen Schutzvorschriften ist nicht beabsichtigt. Vielmehr soll dem freien Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft belassen werden. Eine über den Umfang dieses Vertrages hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit wird nicht begründet. Änderungen und Ergänzungen bedürfen der Schriftform.

§ 8 Salvatorische Klausel ( )

Im Mai 2012 stellten der Kläger und die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten den Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1). Dabei gaben der Kläger bzw. die Beigeladene zu 1) an, die Beigeladene zu 1) sei bereits im Jahr 2011 für ihn tätig gewesen. Er habe dafür Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Da er informiert worden sei, dass dies nicht notwendig sei, sei ab dem 1. Januar 2012 der Vertrag über freie Mitarbeit geschlossen worden. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) umfasse die selbstständige Durchführung von psychotherapeutischen Behandlungen bei gesetzlich versicherten Patienten, die die Beigeladene zu 1) in eigener Regie organisiere. Feste Arbeitszeiten seien nicht vorgegeben. Eine inhaltliche Weisungsbefugnis bestehe aufgrund der Berufsordnung nicht. Die Therapie werde von der Beigeladenen zu 1) in seiner Praxis durchgeführt. Schreibarbeiten erledige die Beigeladene zu 1) in ihren eigenen Räumlichkeiten mit eigener EDV. Sie dürfe Patienten ohne Begründungspflicht ablehnen. Darüber hinaus behandle sie privatversicherte und selbstzahlende Patienten im Rahmen ihrer Privatpraxis. Die Höhe des Honorars der Beigeladenen zu 1) sei leistungsabhängig vereinbart, aber abhängig von den jeweiligen Gebührenordnungen. Mögliche Regresse und Honorarausfälle reiche er direkt an die Beigeladene zu 1) weiter, so dass sie ein unternehmerisches Risiko trage. Die Beigeladene zu 1) sei nicht für mehrere Auftraggeber tätig und müsse mindestens zehn Therapiesitzungen á 50 Minuten pro Woche durchführen. Mehr sei freigestellt. Die Beigeladene zu 1) erhalte keine Weisungen.

Die Beklagte hörte den Kläger und die Beigeladene zu 1) mit Schreiben vom 20. Juni 2012 zur beabsichtigten Feststellung an, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) seit dem 1. Januar 2012 sei eine abhängige Beschäftigung und es bestehe Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung, da die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwiegten.

Der Kläger führte daraufhin aus, die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung treffe jeden Arzt und Psychologen. Die Delegation psychotherapeutischer Leistungen sei nicht erlaubt. Auch sei keine Mindestarbeitszeit, sondern Mindestbehandlungseinheiten vereinbart. Es sei der Beigeladenen zu 1) überlassen, wie sie die vertraglich vereinbarten 440 Therapieeinheiten pro Jahr aufteile. Der Beigeladenen zu 1) würden die Patienten nicht zugewiesen. Er biete der Beigeladenen zu 1) vielmehr Patienten an. Sie könne frei entscheiden, ob sie die Patienten behandeln möchte oder nicht. Die Beigeladene zu 1) sei auch nicht verpflichtet, an Teambesprechungen teilzunehmen, auch wenn sie dies tatsächlich tue. Der Urlaub sei auch nicht mit ihm abzusprechen, sie habe ihn lediglich zu informieren. Die Beigeladene zu 1) müsse in der Praxis niemanden vertreten. Berufsrechtlich sei vorgegeben, dass die Tätigkeit in der Praxis auszuüben sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein Stundenhonorar für eine abhängige Beschäftigung sprechen solle. Auch stelle er nicht alle Arbeitsmaterialien zur Verfügung, die Beigeladene zu 1) nutze auch eigene Arbeitsmaterialien (PC, Arbeitsplatz außerhalb der Praxis, Telefon, Terminkalender, eigene Materialien). Zwar sei es tatsächlich so, dass er als Praxisinhaber die Behandlung der gesetzlich Versicherten abrechne. Selbstzahlende und privatversicherte Patienten rechne die Beigeladene zu 1) selbst ab und zahle der Praxis anteilige Betriebskosten. Dies könne jedoch nicht für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Im Qualitätsmanagementhandbuch der Praxis seien Leitlinien und Qualitätssicherungsmaßnahmen des Fachgebiets hinterlegt. Die Behandlung orientiere sich an diesen, da diese "State of Art" in der evidenzbasierten Medizin seien. Es seien Vorgaben des Berufsstands und des Gesetzgebers sowie letztlich wissenschaftlicher Standard. Er habe sich als Auftraggeber darüber zu informieren, dass diese eingehalten würden.

Mit zwei im Wesentlichen wortgleichen Bescheiden vom 17. August 2012 stellte die Beklagte fest, die Tätigkeit als Psychotherapeutin in der Praxis des Klägers seit dem 1. Januar 2012 werde im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche die vertragliche Vereinbarung über zu leistende wöchentliche Mindestarbeitseinheiten, die Tätigkeit an festen Arbeitstagen, die Zuweisung der Patienten durch den Kläger, die Teilnahme an Teambesprechungen, die vertraglich vereinbarte Informationspflicht gegenüber dem Kläger, die ausschließliche Tätigkeit am Betriebssitz des Klägers, die Vergütung auf Stundenbasis, die Zurverfügungstellung von Arbeitsplatz und Arbeitsmaterialien, das Forderungsmanagement des Klägers. Für die Beigeladene zu 1) bestünden keine unternehmerische Chancen und Risiken.

Dagegen legten der Kläger und die Beigeladene zu 1) Widerspruch ein. Die Einschätzung der Beklagten sei willkürlich und entspreche nicht den Tatsachen.

Die Beklagte wies mit zwei im Wesentlichen inhaltsgleichen Widerspruchsbescheiden vom 22. November 2012 die Widersprüche zurück. Durch die organisatorischen Weisungen sei die Beigeladene zu 1) in der Ausübung ihrer Tätigkeit als Psychotherapeutin in die Arbeitsorganisation der Praxis des Klägers eingegliedert. Ihre Dispositionsmöglichkeiten hinsichtlich Zeit, Art und Weise der auszuführenden Tätigkeit stellten lediglich Freiräume eines abhängigen Beschäftigten dar. Sie sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig. Ein wesentliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, der Einsatz eigenen Kapitals verbunden mit einem erheblichen unternehmerischen Risiko, liege nicht vor. Die Beigeladene zu 1) setze überwiegend die eigene Arbeitskraft ein. Da ihr die benötigten Betriebsmittel zur Verfügung stünden, fehle es am erheblichen Risiko eines Verlustes. Auch setze die Beigeladene zu 1) die eigene Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg ein, da ihre Vergütung nach Leistung der Arbeit erfolge und nicht erfolgsabhängig sei. Die Möglichkeit, länger oder mehr zu arbeiten um ein höheres Entgelt zu erzielen, habe auch ein abhängig Beschäftigter und stelle keine spezielle unternehmerische Chance dar. Die Möglichkeit, bestimmte Aufträge abzulehnen, sei kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Bei Annahme der Aufträge erfolge eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers. Der Wille der vertragsschließenden Parteien sei nicht entscheidend dafür, ob eine Tätigkeit als Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit zu definieren ist. Die Abgrenzung erfolge anhand der tatsächlichen Umstände.

Dagegen hat der Kläger am 21. Dezember 2012 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben.

Der Kläger hat eine Übersicht der Zahlungen an die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum Januar 2012 bis August 2014 vorgelegt. Zur Klagebegründung hat er weiterhin die Auffassung vertreten, die Beigeladene zu 1) sei als Selbstständige zu betrachten. Die Arbeit des Therapeuten bestehe aus einer umfassenden Diagnostik, auch mittels Auswertungen von Testungen, der Analyse, der Entwicklung einer Therapiestrategie sowie der Umsetzung der Verlaufskontrolle, die wiederum verbunden sei mit Testungen und Analysen. Die Beigeladene zu 1) erbringe nur einen Teil dieser Leistungen in seiner Praxis, nämlich diagnostische und therapeutische Sitzungen, bei denen der Patientenkontakt erforderlich sei. Alle übrigen Leistungen könne die Beigeladene zu 1) bei sich zu Hause erledigen, was sie auch überwiegend tue. Dabei sei ihr freigestellt, bestimmte Arbeiten von anderen ausführen zu lassen, wie z.B. Erhebung der Anamnese, Tippen von Therapieberichten oder Gutachten. Dass sie selbst keine eigenen Beschäftigten habe liege daran, dass sie sich dies noch nicht leisten könne. Die Beigeladene zu 1) benutze eigene Arbeitsmittel (Computer, Literatur, Kopierer und Fotoapparat). Unschädlich sei, dass die Beigeladene zu 1) für den Patientenkontakt seine Praxis benutze. Es bestehe keine Einbindung im Rahmen der Praxis. Die Beigeladene zu 1) müsse sich selbstverständlich an die Öffnungszeiten der Praxis und an die Besetzung der Behandlungsräume halten. Einen festen zeitlich exakt zu besetzenden Arbeitsplatz gebe es jedoch nicht. Die Beigeladene zu 1) entscheide selbstständig darüber, ob sie Patienten annehme oder nicht. Sie trage auch ihr eigenes Unternehmerrisiko. Sie erhalte Honorar nur, wenn sie die gesetzlich geregelten Leistungen erbringe und wenn er dieses Honorar erhalte. Würden die Krankenkassen das Honorar kürzen oder falle das Honorar aus, so erhalte auch die Beigeladene zu 1) weniger oder nichts. Zudem gelte der Wille der Parteien - also das Prinzip der Vertragsfreiheit - auch hier. Es sei sein Wille und der der Beigeladenen zu 1) gewesen, ein freies Dienstverhältnis zu begründen. Es verstoße gegen europäisches Recht, wenn die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als abhängige Beschäftigung betrachtet werde. Zudem sei nach dem Ergebnis eines ausgefüllten Fragebogens zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern, die Beigeladene zu 1) eine freie Mitarbeiterin.

Die Beklagte hat im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen.

Die Beigeladene zu 1) hat ausgeführt, die Leistungen in der Praxis des Klägers seien nur ein Teil ihrer gesamten Dienstleistung. Es sei ihr freigestellt, wann sie ihre Leistung in den allgemeinen Praxiszeiten erbringe. Sie trage unternehmerisches Risiko, insbesondere ein Ausfallrisiko hinsichtlich ihrer Honoraransprüche und setze eigenes Betriebsvermögen (Büroausstattung, EDV, Literatur, etc.) ein. Die freie Mitarbeit sei von ihr und dem Kläger gewollt gewesen. Im Übrigen sei sie seit dem 1. Juli 2014 nicht mehr in der Praxis des Klägers tätig, da sie seit diesem Zeitpunkt ihre eigene Niederlassung in C-Stadt habe.

Das Sozialgericht hat den Kläger und die Beigeladene zu 1) im Erörterungstermin vom 29. September 2014 gehört und nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2015 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit als Psychotherapeutin in der Praxis des Klägers in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe und daher Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe. Die Beigeladene zu 1) sei in erheblicher Weise in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert gewesen. Die Beigeladene zu 1) sei im Aufgabenbereich des Klägers und auch mit dessen Betriebsmitteln tätig geworden. Auch nach § 2 Freier-Mitarbeiter-Vertrag sei die Beigeladene zu 1) verpflichtet, die "Patienten der Praxis" des Klägers zu behandeln. Der Kläger und die Beigeladene zu 1) könnten dem nicht entgegen halten, dass — entgegen der vertraglichen Abrede – die Beigeladene zu 1) privatversicherte und selbstzahlende Patienten in eigenem Namen abgerechnet habe und an den Kläger anteilige Praxiskosten gezahlt habe. Dieser Vortrag überzeuge nicht. Dies betreffe nur eine Minderheit der Patienten und sei nach den vertraglichen Regelungen in keiner Weise nachvollziehbar. Dem stehe auch der Wille des Klägers und der Beigeladenen zu 1) nicht entgegen, ab dem 1. Januar 2012 eine selbstständige Tätigkeit zu vereinbaren. Denn im Gegensatz zum von der Vertragsfreiheit geprägten Privatrecht stehe dies im Sozialversicherungsrecht nicht zur Disposition der Beteiligten. Typische Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) sprechen könnten, seien eher schwach ausgeprägt bzw. lägen nicht vor. Die Beigeladene zu 1) habe eigene Betriebsmittel nicht im nennenswerten Umfang für ihre Tätigkeit eingesetzt. Soweit dem entgegen gehalten werde, die Beigeladenen zu 1) habe das Risiko betragen, keine oder nur eine reduzierte Vergütung zu erhalten, wenn die Leistungen nicht bezahlt werde bzw. im Falle von Regressforderungen an den Praxisinhaber, reiche dies für ein Unternehmerrisiko im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV nicht aus. Auch ein vermeintlicher Ausfall der Lohnzahlung oder der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall stelle kein hinreichendes unternehmerisches Risiko dar. Das Verfahren sei nicht zur Vorlage einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV auszusetzen. Vorliegend bestünde kein Anlass, um eine Vorabentscheidung zu ersuchen.

Der Kläger und die Beigeladene zu 1) haben am 30. Juni 2015 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor, das Sozialgericht habe seinen Vortrag nicht vollständig in seiner Würdigung einbezogen. Ergänzend weist er darauf hin, dass zwischen ihm und der Beigeladenen zu 1) keine Gemeinschaftspraxis betrieben wurde und legt einen Vertrag vom 21. Oktober 2011 vor, geschlossen zwischen der Gemeinschaftspraxis D. und Dr. A. und der Beigeladenen zu 1). Darin verpflichtete sich die Gemeinschaftspraxis gegenüber der Beigeladenen zu 1) ihr Räumlichkeiten und Infrastruktur gegen Beteiligung an den Betriebskosten in Höhe einer Pauschale von 25 % ihres in der Praxis erzielten Umsatzes zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. Mai 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2012 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für ihn in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2014 als psychologische Psychotherapeutin nicht als abhängigen Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beigeladene zu 1) vertritt ergänzend die Auffassung, es liege ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG vor. Sie legt an Privatpersonen gerichtete Rechnungen für Behandlungen ab 19. April 2013 bis zum 13. August 2014 vor. Diese Rechnungen tragen den Namen der Beigeladenen zu 1) mit der Anschrift der Praxis des Klägers. Dazu führt die Beigeladene zu 1) aus, es habe sich hierbei um privatversicherte bzw. selbstzahlende Patienten gehandelt, deren Behandlung sie in den Praxisräumen des Klägers durchgeführt habe. Des Weiteren legte die Beigeladene zu 1) ihre an den Kläger in Rechnung gestellten Leistungen für den Zeitraum Oktober 2010 bis 30. Juni 2014 vor.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. Mai 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 17. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2012 aufzuheben und festzustellen, dass ihre Tätigkeit für den Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2014 als psychologische Psychotherapeutin nicht als abhängige Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2015 zutreffend entschieden.

Die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben sich zur Sache nicht geäußert und stellen keine Anträge.

Der Senat hat den Kläger und die Beigeladene zu 1) im Erörterungstermin am 14. Juli 2016 gehört. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG).

Die Berufungen des Klägers und der Beigeladenen zu 1) sind zulässig, aber nicht begründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Mai 2015 ist nicht zu beanstanden. Die Bescheide der Beklagten vom 18. August 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide 22. November 2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger und die Beigeladene zu 1) nicht in ihren Rechten. Die Feststellungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden sind zutreffend. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für den Kläger als Praxisassistentin und Psychotherapeutin in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2014 unterliegt als abhängiges Beschäftigungsverhältnis der Sozialversicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Dabei ist zunächst klarzustellen, dass der Regelungsgehalt dieser Bescheide allein die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im streitigen Zeitrahmen hinsichtlich der Behandlung der gesetzlich krankenversicherten Patienten der Gemeinschaftspraxis betrifft. Denn nach dem übereinstimmenden Vortrag des Klägers und der Beigeladenen zu 1) als auch nach dem Ergebnis der Anhörung beider sowohl vor dem Sozialgericht als auch vor dem erkennenden Senat ist festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) für die Gemeinschaftspraxis ausschließlich diese Patienten behandelt hat, während sie privatversicherte und selbstzahlende Patienten in eigenem Namen behandelt hat. Dies wird auch durch den Vertrag vom 21. Oktober 2011, geschlossen zwischen der Gemeinschaftspraxis und der Beigeladenen zu 1), bestätigt. Danach verpflichtete sich die Gemeinschaftspraxis gegenüber der Beigeladenen zu 1), ihr Räumlichkeiten und Infrastruktur gegen Kostenbeteiligung zu überlassen. Zudem kann sich die vertragliche Vereinbarung vom 21. Oktober 2011 nur auf privatversicherte Patienten und Selbstzahler beziehen. Denn wegen der fehlenden Kassenzulassung im streitigen Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 30. Juni 2014 war die Beigeladene zu 1) nicht berechtigt, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen der psychologischen Behandlung zu erbringen.

Die Beigeladene zu 1) war im streitigen Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 30. Juni 2014 aufgrund ihrer Tätigkeit als psychologische Psychotherapeutin in der Praxis des Klägers versicherungspflichtig zu allen Zweigen der Sozialversicherung.

Im vorliegend streitigen Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 30. Juni 2014 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V), sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch SGB XI) und gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in der bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV); Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr.; BSG, Urteil vom 24.03.2016, Az. B 12 KR 20/14 R, Rn. 13, zitt. nach Juris unter Hinweis zum Ganzen z.B. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 21 Rdnr. 13 m.w.N.; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, Rdnr. 15 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. insoweit insbesondere: BSG in SozR 4-2400 § 7 Nr. 15 Rdnr. 25).

Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat ist seiner Rechtsprechung angeschlossen hat, zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteile vom 29. August 2012, Az. B 12 KR 25/10 R, Rn. 16, zitt. nach juris und vom 28. Mai 2008, Az. B 12 KR 13/07, Rn. 17 zitt. nach juris).

Das Sozialgericht ist nach diesen Grundsätzen zutreffend unter Abwägung aller Indizien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit in der Praxis des Kläger im Rahmen eines (abhängigen) Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat, auch wenn einige Indizien für eine selbständige Tätigkeit sprechen.

Entscheidend ist die Einbindung der Beigeladenen zu 1) in den Praxisbetrieb, die Organisationsstruktur und die Arbeitsabläufe des Klägers und das fehlende unternehmerische Risiko.

Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Psychotherapeutin in den Praxisräumen des Klägers war im Wesentlichen fremdbestimmt organisiert und diente dem Zweck der vom Kläger betriebenen Gemeinschaftspraxis für Psychotherapie. Die Beigeladene zu 1) behandelte dort die Patienten, deren Behandlung ihr durch die Organisation der Praxis des Klägers angetragen wurden. Der erste Kontakt dieser Patienten erfolgte ausschließlich über die Praxis des Klägers. Der Kläger hat angegeben, dass die Patienten, die in seiner Praxis anriefen, auf eine Liste kamen. Die Beigeladene zu 1) habe sich von dieser Liste Patienten aussuchen können, mit denen sie ein Erstgespräch vereinbart habe.

Der Einordnung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) steht nicht entgegen, dass sie gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 Freier-Mitarbeiter-Vertrag "selbständig und weisungsfrei" arbeitete. Dies zeigt sich im weiteren Wortlaut des Vertrages. Danach war die Beigeladene zu 1) verpflichtet, sich bei der Betreuung der Patienten "an den Verfahrens- und Arbeitsweisen der Leitlinien und der Qualitätssicherungsmaßnahmen des Fachgebiets zu orientieren, die im Qualitätsmanagementhandbuch der Praxis hinterlegt sind" (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Freier-Mitarbeiter-Vertrag). Auch wenn jeder auf dem Fachgebiet tätige Therapeut diesem Standard unterliegt, unterlag die Beigeladene zu 1) einer im Vertrag zusätzlich geregelten Kontrolle durch den Kläger. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 4 Freier-Mitarbeiter-Vertrag war die Beigeladene zu 1) nicht nur verpflichtet, den Kläger über grundsätzliche Abweichungen in ihrem selbständigen Vorgehen zu informieren, sondern gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Freier-Mitarbeiter-Vertrag auch den Kläger als Praxisinhaber "regelmäßig und auf Wunsch über den Stand der Behandlung" zu informieren. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger mit diesen Kontrollmechanismen den "Standard" seiner Praxis sichern wollte. Gerade dies zeigt aber zugleich, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit an dem Standard der Praxis des Klägers ausrichten musste.

Gegen eine Einbindung der Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Praxis für Psychotherapie des Klägers spricht nicht, dass die Beigeladene zu 1) als psychologische Psychotherapeutin mit den Patienten selbst ein Erstgespräch vereinbarte und die Therapie selbständig durchführte. Denn nach außen trat allein die Praxis des Klägers in Erscheinung. Damit beschränkte sich das Verhältnis zwischen dem Kläger und Beigeladener zu 1) nicht auf die bloße Abrechnung der Leistungen gegenüber den Krankenkassen, sondern umfasste weitergehende organisatorische Aspekte. Die Leistung der Beigeladenen zu 1) entsprach dem, was ein entsprechend behandlungsbedürftiger Patient in einer Praxis für Psychotherapie erwartet. Die Beigeladene zu 1) hat nach außen erkennbar im Auftrag und im Namen des Klägers behandelt und sie verfügte im streitigen Zeitraum nicht über eigene Praxisräume.

Gegen eine Einbindung der Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Praxis für Psychotherapie des Klägers spricht auch nicht, dass sie Tests zu Hause auswertete bzw. Berichte über die von ihr durchgeführte Behandlung zu Hause anfertigte oder Therapiemaßnahmen außerhalb der Praxis im Milieu des Patenten stattfanden. Denn Tätigkeiten außerhalb der Betriebsstätte – wie hier außerhalb der Praxis des Klägers – stehen einer Einbindung in deren Organisationsstruktur nicht entgegen, soweit diese Tätigkeiten den üblichen Arbeitsabläufen entsprechen (so auch: BSG, Urteil vom 24. März 2016, Az. B 12 KR 20/14 R, Rn. 23, zitt. nach Juris für die Hausbesuche einer Physiotherapeutin).

Die vertraglich eingeräumte Möglichkeit der Beigeladenen zu 1) (§ 4 Abs. 5 Freier-Mitarbeiter-Vertrag), neben ihrer Tätigkeit für den Kläger auch noch für andere Auftraggeber tätig zu werden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch bei Beschäftigten ist es nicht ungewöhnlich, dass sie noch für einen weiteren Arbeitgeber erwerbstätig sind (z.B. in Form einer Nebenbeschäftigung), ohne dass sich der sozialversicherungsrechtliche Charakter der ersten Tätigkeit deshalb abweichend beurteilen müsste (BSG, Urteil vom 24. März 2016, Az. B 12 KR 20/14 R, Rn. 24, zitt. nach Juris).

Auch die Rechtsprechung zur Frage des sozialversicherungsrechtlichen Status von Volkshochschuldozenten (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, Az. B 12 KR 26/02 R, veröff. in juris) ist vorliegend nicht einschlägig. Denn wie ausgeführt unterlag die Beigeladene zu 1) der Kontrolle des Klägers als Praxisinhaber. Demgegenüber wird den Volkshochschuldozenten lediglich der äußere Rahmen vorgegeben, während sie in der Durchführung der Kurse keinen Vorgaben unterworfen sind.

Das der Beigeladenen zu 1) in § 4 Abs. 2 Freier-Mitarbeiter-Vertrag auferlegte "unternehmerische Risiko" ist vorliegend nicht entscheidungserheblich für die Bestimmung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Dem stand eine unternehmerische Freiheit nicht gegenüber, denn die Beigeladene zu 1) trat im Zusammenhang mit der allein vorliegend zu beurteilenden Tätigkeit für den Kläger bei der Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten im streitbefangenen Zeitraum (1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2014) nicht unternehmerisch am Markt auf. Vielmehr erbrachte sie ihre Leistungen an diesen Patienten in diesem Zeitraum ausschließlich im Namen und im Auftrag des Klägers. Erst zum 1. Juli 2014 war die Beigeladene zu 1) in eigener Praxis tätig. Zuvor war es für die Patienten der Praxis des Klägers nicht erkennbar, dass die Beigeladene zu 1) als selbstständige Psychotherapeutin tätig gewesen wäre. Sie war auch am wirtschaftlichen Erfolg der Praxis des Klägers nicht beteiligt. Der Kläger und die Beigeladene zu 1) führten keine Gemeinschaftspraxis.

Allein der Umstand, dass einem abhängig Beschäftigten kein für Beschäftigte typischer sozialer Schutz gewährt wird (z. B. Lohnfortzahlung in Krankheitsfall, Anspruch auf bezahlten Urlaub) – wie im vorliegenden Fall -, führt noch nicht zur Annahme eines unternehmerischen Risikos; einem solchen Risiko müssen vielmehr - um sozialversicherungsrechtliche Folgen auslösen zu können - auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen; auch aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko (vgl. zum Ganzen die stRspr. des BSG, zuletzt: BSG, Urteil vom 24. März 2016, Az. B 12 KR 20/14 R, Rn. 21, m.w.N., zitt. nach juris).

Entsprechendes gilt für die vertragliche Vereinbarung in § 4 Abs. 2 Freier-Mitarbeiter-Vertrag. Danach wurde der Beigeladenen zu 1) das Honorarrisiko für den Fall übertragen, dass bestimmte Leistungen vom Patienten nicht oder nur teilweise bezahlt werden bzw. dass Regressforderungen an den Kläger gestellt werden, die die Leistungen der Beigeladenen zu 1) betreffen. In diesem Fall wurde ein Anspruch gegen den Kläger auf Zahlung von Honorar ausgeschlossen bzw. die Beigeladene zu 1) verpflichtet, gezahlte Honorare an den Kläger zurückzuzahlen. Soweit damit auf die Behandlung von Selbstzahlern abgestellt wird, ist dies bei der vorliegend allein zu beurteilenden Behandlung von gesetzlich Versicherten, bei denen die Abrechnung über die Kassenärztliche Vereinigung erfolgte, unerheblich. Für die Behandlung von Kassenpatienten haben weder der Kläger noch die Beigeladene zu 1) vorgetragen, dass diese Regelung jemals zum Tragen gekommen ist. Im Übrigen beinhaltete diese Regelung in Anbetracht der Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in den Praxisbetrieb des Klägers wie vergleichbar tätige psychologische Psychotherapeutinnen in Festanstellung letztlich nicht mehr als eine unzulässige Abwälzung von Risiken. Denn das Risiko der Verwirklichung von Honoraransprüchen der Gemeinschaftspraxis für die Behandlung von gesetzlich krankenversicherten Patienten gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung betraf allein die zur kassenärztlichen Versorgung zugelassene Gemeinschaftspraxis, da die Behandlung dieser Patienten ausschließlich im Namen der Gemeinschaftspraxis durchgeführt wurde. Die Beigeladene zu 1) hatte ihre Behandlungen entsprechend den im Qualitätsmanagementhandbuch festgelegten Standards durchzuführen und unterlag insoweit der Kontrolle des Klägers als Praxisinhabers. Hierfür wurde sie auf der Basis vereinbarter fester Stundensätze vergütet. Dies entspricht einer Tätigkeit im Rahmen eines (abhängigen) Beschäftigungsverhältnisses. Wenn ihr gleichwohl vertraglich (§ 4 Abs. 2 Freier-Mitarbeiter-Vertrag) das Risiko der Bezahlung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) übertragen wurde, begründet dies keine Stellung als Unternehmerin, insbesondere weil die Beigeladene zu 1) damit nicht an den wirtschaftlichen Chancen der Gemeinschaftspraxis teilnahm.

Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als psychologische Psychotherapeutin in der Praxis des Klägers im streitigen Zeitraum ist aber auch aus zulassungsrechtlicher Sicht als abhängige Beschäftigung einzuordnen.

Nach § 95 Abs. 2, 3 SGB V i.V.m. der ÄrztezulassungsVO wird unterschieden zwischen zugelassenen Ärzten bzw. zugelassenen Psychotherapeuten in freier Praxis – die dann selbständig tätig sind – und angestellten Ärzten und Psychotherapeuten nach § 95 Abs. 9 SGB V. Der Unterschied betrifft insbesondere auch die Abrechnung der erbrachten Leistungen. Die Zulassung eines Arztes in freier Praxis bedingt, dass dieser selbst gegenüber der KV abrechnen kann und ein eigenes Budget für die Behandlung der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Patienten erhält.

Nach der Rechtsprechung des BSG setzt eine Tätigkeit in freier Praxis voraus, dass die berufliche und persönliche Selbständigkeit gesichert ist. Erhebliche Einflussnahmen Dritter müssen ausgeschlossen sein; insbesondere darf kein verstecktes Angestelltenverhältnis vorliegen. Zur erforderlichen eigenverantwortlichen Gestaltung der ärztlichen Tätigkeit gehört, dass der Arzt einerseits ein wirtschaftliches Risiko trägt und andererseits am wirtschaftlichen Erfolg der Praxis beteiligt ist (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015, Az. B 6 KA 19/15 R, Rn. 19, zitt. nach juris, SozR 4-5520 § 20 Nr. 4; Pawlita in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. § 95 SGB V, Rn. 167.2).

Die Anstellung eines Arztes bzw. eine psychologischen Psychotherapeuten bedeutet dagegen die Begründung eines arbeitsvertraglichen Beschäftigungsverhältnisses. Es handelt sich um ein Recht des zugelassenen Vertragsarztes, nicht des anzustellenden Arztes/Psychotherapeuten (Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95 SGB V, Rn. 568).

D.h. zulassungsrechtlich ist der Status als "freier Mitarbeiter" in einer anderen Praxis nicht vorgesehen (BSG, Urteil vom 23. Juni 2010, Az. B 6 KA 7/09 R) mit der Folge, dass entweder der Arzt/Psychotherapeut selbst eine Zulassung besitzt oder angestellt ist auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags.

Dazu hat das Hessische Landessozialgericht (Urteil vom 2. April 2014, Az. L 4 KA 26/13) ausgeführt: "Den Antrag des Klägers, die Umwandlung der Beschäftigungsverhältnisse der angestellten psychologischen Psychotherapeutinnen Frau M. Z. und Frau S. W. in eine freiberufliche Tätigkeit zu genehmigen, hat der Beklagte und das Sozialgericht mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Es bedeutete eine unzulässige Umgehung des Zulassungsrechts und der hierdurch festgeschriebenen Verpflichtungen der Vertragsärzte zur persönlichen Leistungserbringung, wenn selbständig tätige Leistungserbringer ohne eigene Zulassung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen könnten. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Berufung nochmals darauf hinzuweisen, dass die "Anstellung" von Ärzten durch einen Vertragsarzt in § 95 Abs. 9, § 98 Abs. 2 Nr. 13 und § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 sowie Abs. 3a SGB V nach Wortlaut und gesetzlicher Struktur der vertragsärztlichen Versorgung dahin auszulegen ist, dass hierdurch nur die Beschäftigung von Ärzten in abhängiger Beschäftigung und nicht als selbständig tätige Dienstnehmer ermöglicht wird. Der vertragsärztlichen Tätigkeit wird nach den Grundsätzen eines freien Berufes ausgeübt, d. h. als eigenverantwortliche, medizinisch unabhängige sowie nicht gewerbliche Berufstätigkeit (s. § 18 Abs. 2 S. 1 Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte &706;MBO-Ä&707;). Damit ist unvereinbar, dass ein Vertragsarzt weitere Ärzte ohne kassenärztliche Zulassung als selbständige Dienstleister/Leistungserbringer einsetzt, für die er nicht die persönliche Verantwortung übernehmen könnte. Zu den formellen Voraussetzungen für eine Beschäftigung angestellter Ärzte rechnet daher auch die Vorlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages unter Angabe der Arbeitszeiten und des Arbeitsortes (§ 95 Abs. 9 SGB V i.V.m. § 32b Ärzte ZV i.V.m. § 23 i Abs. 1 S.1 Nr. 3 BPRL-Ä)."

Vorliegend war die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als selbständige Psychotherapeutin in gemeinschaftlicher Praxis mit dem Kläger nicht möglich, da die Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum über keine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung verfügte. Damit scheidet gleichzeitig ihre Beschäftigung als "angestellte freie Mitarbeiterin" aus, da eine solche arztrechtlich zulässige Beschäftigung nach § 95 Abs. 9 SGB V nur im Angestelltenverhältnis möglich ist.

Soweit die Beigeladene zu 1) in der Annahme von Sozialversicherungspflicht für den vorliegend streitigen Zeitraum einen Verstoß gegen die durch Art. 2 GG geschützte Vertragsfreiheit sieht, kann der Senat dies nicht erkennen. Die Vertragsfreiheit ist als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit (BVerfGE 65, 210; 73, 270; 78, 244; 95, 303) geschützt. Allerdings ist auch die Freiheit des rechtsgeschäftlichen Handelns nur in den Schranken des zweiten Halbsatzes des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet; sie ist vor allem durch die "verfassungsmäßige Ordnung" begrenzt (BVerfGE 8, 328; 9, 11; 10, 99; 12, 347; 25, 407; 50, 366; 65, 210; 70, 123; 74, 152; 75, 154; 78, 244; 95, 303). Einschränkungen dieses Freiheitsbereichs unterliegen daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit sie den Grundentscheidungen des GG entsprechen, vornehmlich dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (BVerfGE 6, 41; 65, 210). Der Einzelne muss es hinnehmen, wenn der Gesetzgeber entsprechend dem Sozialstaatsprinzip aus überwiegenden gesamtwirtschaftlichen und sozialen Gründen die im Interesse des Gemeinwohls liegenden oder doch vertretbaren Maßnahmen trifft (BVerfGE 29, 267 unter Hinweis auf BVerfGE 15, 282; 18, 327; vgl. ferner BVerfGE 68, 218; 70, 26). Dazu gehören die Regelungen der Sozialversicherungspflicht.

Entsprechendes gilt für eine Aussetzung des Verfahrens für eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof gem. Art. 276 AEUV. Ein Verstoß gegen Art. 56, 54, 57, 62 AEUV ist auch dem Senat nicht ersichtlich. Der Senat macht sich die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochten Gerichtsbescheid zu eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 153 Abs. 2, § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG).

Vorliegend war eine getrennte Kostenentscheidung zu treffen. Denn nur die Beigeladene zu 1) unterfällt im Rahmen der von ihr eingelegten Berufung als "Versicherte" der Kostenprivilegierung nach § 183 SGG. Hingegen beurteilt sich die Kostenpflicht des Klägers – wie bereits erstinstanzlich – nach § 197a SGG. Zur Überzeugung des Senats besteht vorliegend kein einheitlicher Streitgegenstand, bei dem nur eine einheitliche Kostenentscheidung nach § 193 SGG möglich ist (hierzu BSG, Urteil vom 29. Mai 2006, B 2 U 391/05 B, juris). Vielmehr sind der Rechtsstreit des Klägers und der Beigeladenen zu 1) prozessrechtlich selbständig zu betrachten (so auch Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Dezember 2013, Az. L 6 R 152/12 B). Dies zeigt sich z. B. darin, dass die Prozessvoraussetzungen für jeden Beteiligten einzeln zu prüfen sind und zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Dementsprechend besteht kein Grund, die Kostenprivilegierung der Beigeladenen zu 1) auch auf den selbst nicht kostenprivilegierten Kläger zu erstrecken. In besonderer Weise hat dies in der vorliegenden Konstellation zu gelten, in der die Beigeladene zu 1) überhaupt erst im Rechtsmittelverfahren als Aktivpartei tätig geworden ist.

Die Kostenentscheidung in Bezug auf den Kläger beruht demzufolge auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGO).

Die Kostenentscheidung in Bezug auf die Beigeladene zu 1) beruht auf § 193 SGG.

Für die übrigen Beteiligten beruht die Kostenentscheidung auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO bzw. § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Der Streitwert war im Hinblick auf das Verfahren des Klägers nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen. Mangels näherer Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts war auf den Auffangstreitwert zurückzugreifen.
Rechtskraft
Aus
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