L 5 R 76/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 17 R 939/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 76/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RS 1/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des AAÜG nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 1 ist nicht nur die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, sondern auch der Erwerb einer entsprechenden Versorgungsberechtigung (Versorgungsanspruchs oder Versorgungsanwartschaft).

2. Eine Versorgungsanwartschaft in diesem Sinne liegt für das freiwillige Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 des AAÜG (freiwilligen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates) nur dann vor, wenn ein tatsächlicher Beitritt durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung des Mitarbeiters gegenüber dem Staatsorgan erfolgt ist.

3. Zu 2.: Entgegen LSG Berlin-Potsdam, Urteil vom 26. Februar 2015 - L 2 R 224/13; Anschluss an LSG Sachsen, Urteil vom 7. Juni 2016 - L 5 RS 640/14.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 11. März 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob aus einer Tätigkeit des Klägers im Zeitraum vom 1. Juni 1990 bis zum 30. Juni 1990 eine Versorgungsberechtigung nach dem Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG), insbesondere nach der Anlage 1 Nr. 19 (freiwillige zusätzliche Altersversorgung der Mitarbeiter des Staatsapparates - FZASt -) resultiert.

Der Kläger, geboren 1949, beantragte am 9. Januar 2007 bei der Beklagten eine Kontenklärung, insbesondere die Prüfung von AAÜG-Anwartschaften. Er gab an, in der Zeit vom 15. August 1974 bis 31. Mai 1990 dem Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) angehört zu haben. Die Ausbildung und Erwerbsbiographie des Klägers in der ehemaligen DDR stellt sich wie folgt dar:

Zeitraum Arbeitgeber/Ausbildungsstelle Tätigkeit
1955 - 1965 C-Oberschule C-Stadt Schüler
1. September 1965 - 30. Juli 1967 D. Getriebewerk C-Stadt Ausbildung zum Dreher
1. August 1967 - 26. April 1968 D. Getriebewerk C-Stadt Dreher
2. Mai 1968 - 30. Oktober 1969 NVA, E-Stadt Grundwehrdienst
6. November 1969 - 14. August 1974 F. F-Stadt Einrichter/Schichtleiter für Drehautomaten
26. Juli 1974 Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik Magdeburg Ingenieurprüfung in der Fachrichtung Konstruktion der metallverarbeitenden Industrie; Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur
15. August 1974 - 22. Februar 1980 D. G-Stadt Konstrukteur
3. März 1980 - 31. Mai 1990 D. Südthüringisches H. G-Stadt, Fachbereich Wissenschaft und Technik Gruppenleiter für Rationalisierung
1. Juni 1990 - 30. September 1990 Staatliche Versicherung der DDR, Kreisdirektion I-Stadt Inspektor

Der Kläger trat nicht der freiwilligen Zusatzversicherung (FZR) der DDR bei.

Die Beklagte forderte zunächst die Einheitsakte an und lehnte sodann mit Bescheid vom 20. März 2007 den Antrag des Klägers ab, weil das AAÜG für ihn nicht anwendbar sei. Er habe bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes gehabt. Eine tatsächliche Einbeziehung in ein Versorgungssystem sei nicht erfolgt. Ebenso liege kein Fall der nachträglichen Rehabilitierung vor. Schließlich habe auch kein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage nach Maßgabe der vom Bundessozialgericht (BSG, Urteile vom 8. Juni 2004; Az. B 4 RA 56/03 R, vom 29. Juli 2004, Az. B 4 RA 4/04 R und B 4 RA 12/04 R) aufgestellten Grundsätze bestanden, da die betrieblichen Voraussetzungen dafür nicht vorlägen. Am maßgeblichen Stichtag 30. Juni 1990 habe er nicht einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens (betriebliche Voraussetzung) angehört. Vielmehr sei er am 30. Juni 1990 bei der staatlichen Versicherungs-AG I-Stadt und somit nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers, der Beklagten zugegangen am 19. April 2007, mit dem er geltend machte, dass die Stichtagsregelung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geprüft werde.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2007 zurück und wiederholte die Begründung aus dem Ausgangsbescheid.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die beim Sozialgericht Gießen am 30. Juli 2007 erhobene Klage, die der Kläger damit begründete, dass er in der gesamten geltend gemachten Zeit eine Beschäftigung innegehabt habe, aufgrund welcher ihm zwingend eine Versorgungszusage zu erteilen gewesen wäre. Er sei insoweit vom Anwendungsbereich des Zusatzversorgungssystems der AVItech (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und des Zusatzversorgungssystems der hauptamtlichen Mitarbeiter des Staatsapparates (Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG) erfasst gewesen. Die Staatliche Versicherung der DDR habe zu letzterem Zusatzversorgungssystem gehört. Auch wenn er in dieses nicht einbezogen worden sei, so habe doch ein entsprechender Einbeziehungsanspruch bestanden. Das BSG (Urteil vom 4. August 1999, Az. B 4 RA 1/99 R) habe bereits entschieden, dass es nicht auf die formale Mitgliedschaft in oder der förmlich festgestellten "Zugehörigkeit" zu einem bestimmten System bedurft habe, sondern die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit, die ihrer Art nach in den sachlichen Geltungsbereich bestimmter Systeme falle, maßgebend sei. Zudem habe das BSG bereits hinsichtlich des Zusatzversorgungssystems der hauptamtlichen Mitarbeiter des Staatsapparates festgestellt (Urteil vom 23. Juni 1998, Az. B 4 RA 61/97 R), dass es für die Annahme einer Zugehörigkeit zu diesem System keiner Beitragszahlung bedurft habe und eine Zugehörigkeit auch im Falle einer erfolgten Beitragserstattung bestehe, wenn also das Versorgungsverhältnis bereits vor dem 30. Juni 1990 geendet habe. Auf eine Beitrittserklärung komme es nicht an. Wenn auf eine solche Beitrittserklärung abgestellt würde, so würde dies dem Versicherten eröffnen, den belastenden Folgen, die mit einer solchen Beschäftigung verbunden gewesen seien, nämlich den Begrenzungen des § 6 Abs. 2 und 4 i.V.m. § 7 AAÜG allein dadurch zu entgehen und die zurückgelegten systemnahen Beschäftigungen damit ungeschehen machen zu können, dass er einen Beitritt schlicht nicht erklärte.

Auf Anforderung der Beklagten überreichte der Kläger zahlreiche Unterlagen zur Dokumentation seines beruflichen Werdegangs.

Die Beklagte berief sich darauf, dass der Kläger keine Willenserklärung mit Verpflichtung zur Beitragszahlung im Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 2 AAÜG abgegeben habe, welches ihm die Anwendbarkeit des AAÜG und sodann auch die Anerkennung der weiteren Beschäftigungszeiten nach §§ 5 und 8 AAÜG eröffnet hätte. Mit den Urteilen vom 4. April 2002 (B 4 RA 36/01) und 9. April 2002 (B 4 RA 39/01) habe das BSG herausgestellt, dass der "Bewertung" nach §§ 5 bis 8 AAÜG die Prüfung der Anwendbarkeit des AAÜG nach § 1 Abs. 1 AAÜG vorangehe. Die Feststellung der Zugehörigkeit erfolge aus bundesrechtlicher Sicht, wobei es auf die Auslegung der Versorgungsordnungen durch die Staatsorgane der früheren DDR oder auf deren Verwaltungspraxis nicht ankomme.

Durch Beschluss vom 15. März 2010 wurde das Ruhen des Verfahrens wegen einer anhängigen Revision beim BSG angeordnet und am 8. Dezember 2011 wieder aufgerufen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung verpflichtete sich die Beklagte, nach rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens über den Antrag auf Kontenklärung vom 21. Dezember 2006 für den Zeitraum vom 26. Juli 1974 bis 31. Mai 1990 neu zu entscheiden. Darüber hinaus räumte die Beklagte ein, dass die Tätigkeit bei der Staatlichen Versicherung der DDR zum Zusatzversorgungssystem der hauptamtlichen Mitarbeiter Staatsapparat (Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG) gehört habe.

Mit Urteil vom 11. März 2014 wies das Sozialgericht Gießen die Klage ab. Zwar hätten die von 1974 bis zum 31. Mai 1990 ausgeübten Tätigkeiten den Anforderungen der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG entsprochen. Eine entsprechende Tätigkeit sei jedoch im Juni 1990 nicht mehr ausgeübt worden. Soweit der Kläger als am Stichtag bei der Staatlichen Versicherung tätiger Mitarbeiter in den sachlichen Anwendungsbereich der zweiten Richtlinie zur Durchführung der Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (abgedruckt in Aichberger II Nr. 208) vom 14. Juni 1975 falle, seien für ihn aus dieser Tätigkeit jedoch keine Ansprüche und Anwartschaften in diesem Zusatzversorgungssystem entstanden. Es handele sich nämlich um eine freiwillige zusätzliche Altersversorgung, die einen Beitritt zur Versorgung und ggf. eine Beitragszahlung zwingend vorgesehen habe. Der Kläger habe mangels Beitritt jedoch nicht damit rechnen können, dass ihm ein entsprechender Versorgungsanspruch zugebilligt würde. Im Gegensatz zu § 5 AAÜG differenziere § 1 AAÜG nicht nach der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem. Vielmehr setze diese Vorschrift voraus, dass aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem ein Anspruch oder eine Anwartschaft erworben worden sei. Maßgeblich sei somit nach § 1 AAÜG nicht allein die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, sondern die Entstehung eines Anspruchs oder einer Anwartschaft. Die Rechtsprechung des BSG zu § 5 AAÜG könne deshalb nicht auf den Anwendungsbereich von § 1 AAÜG übertragen werden.

Dieses Urteil ficht der Kläger mit seiner Berufung beim Hessischen Landessozialgericht vom 23. Mai 2014 an. Nach der Rechtsprechung des BSG, insbesondere mit den Urteilen vom 15. Juni 2010 (Az. B 5 RS 10/09 R u.a.), sei auch im Rahmen des § 1 Abs. 1 AAÜG auf eine "Zugehörigkeit" abzustellen und nicht an eine Einbeziehung durch Einzelfallentscheidung in der DDR anzuknüpfen. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund dem Begriff "Zugehörigkeit" in § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG – im identischen Gesetz – eine andere Bedeutung zukommen solle, als in § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Beide Vorschriften hätten erkennbar eine identische Zielsetzung, nämlich – nach der einschlägigen BSG-Rechtsprechung – alle Anspruchselemente auszusondern, die nicht auf volkswirtschaftlich sinnvoller Arbeit, sondern auf sachfremder politischer Begünstigung durch das Regime beruht hätten.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 11. März 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seine Versorgungsberechtigung zum 1. August 1991 und damit die Anwendung des AAÜG, sowie den Monat Juni 1990 als Beschäftigungszeit zum Zusatzversorgungssystem gemäß Anlage 1 Nr. 19 des AAÜG sowie des dabei erzielten Arbeitsentgelts festzustellen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und bestreitet nunmehr – entgegen ihrer Einlassung im Termin zur mündlichen Verhandlung –, dass der Kläger in einer Einrichtung beschäftigt gewesen sei, die überhaupt dem Geltungsbereich der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates unterfalle. Dies sei dem Beschluss des Ministerrates 17/8/90 vom 8. März 1990 – Beschluss zur Umstellung der Arbeit der "Staatlichen Versicherung der DDR" auf marktwirtschaftliche Prinzipien – zu entnehmen. Unabhängig davon erfordere das Zusatzversorgungssystem Nr. 19 eine Willenserklärung (Beitritt). Erfolge die Prüfung der Anwendbarkeit des AAÜG aufgrund einer Beschäftigung im Geltungsbereich dieses Systems, sei deshalb ohne Beitrittsnachweis § 1 AAÜG nicht erfüllt und das AAÜG nicht anwendbar. Die Zusatzversorgungssysteme seien in der Anlage 1 zum AAÜG aufgelistet. Dabei könne unterschieden werden
- zwischen "Pflichtsystemen"
- und "freiwilligen Systemen"
Zu den freiwilligen Systemen zählten unter anderem die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates nach Nr. 19.

Nach der Rechtsprechung des BSG könne nur innerhalb der "Pflichtsysteme" bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht einbezogen gewesen und auch nicht durch eine Rehabilitierungsentscheidung (Artikel 17 Einigungsvertrag) einbezogen worden seien, aufgrund einer erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG geprüft werden, ob die Nichteinbezogenen aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten. Maßgeblich sei der zu Bundesrecht gewordene Versorgungstext. Anders sei es bei den "freiwilligen Systemen": Nach Meinung des BSG könnten nur solche Personen, die zu DDR-Zeiten tatsächlich einem "freiwilligen System" durch eine Willenserklärung auch tatsächlich beigetreten seien, über dieses System eine Anwendung des AAÜG für sich in Anspruch nehmen. Eine "fiktive Einbeziehung" auf der Ebene des § 1 Abs. 1 AAÜG finde hier nicht statt, denn es sei nicht Aufgabe des Bundesrechts, in der DDR nicht vollzogene Beitritte von Beschäftigten zu diesem Versorgungssystem nachzuholen. Anders verhalte es sich hingegen bei der (generellen Frage nach der Anwendbarkeit des AAÜG) "rechtslogisch" nachgelagerten Frage, ob eine Person, die von § 1 Abs. 1 AAÜG erfasst werde, eine Berücksichtigung bestimmter Beschäftigungszeiten nach § 5 Abs. 1 AAÜG (und eine – beitragsunabhängige – Honorierung der in diesen Zeiten erzielten Entgelte) verlangen könne. Hier und nur für diese Fälle sei der 5. Senat des BSG am 19. Juli 2011 entschiedene Fall zum Az. B 5 RS 7/09 R aufschlussreich. Verfolge man die Rechtsdogmatik des BSG zum AAÜG, so sei in einer Vielzahl von Entscheidungen zu erkennen, dass die Prüfung der §§ 1 und 5 dieses Gesetzes unter unterschiedlichen Vorgaben zu erfolgen habe. Im Rahmen der Prüfung von § 5 Abs. 1 AAÜG seien die abstrakt-generellen Regelungen der anzuwendenden Versorgungsordnungen nicht mehr – wie bei der Rechtsprüfung im Rahmen des § 1 Abs. 1 AAÜG – im Sinne von (sekundär) bundesrechtlichen Normen anzuwenden, sondern fänden nur als "generelle Anknüpfungstatsachen" Berücksichtigung (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007, B 4 RS 28/07 R). § 5 AAÜG sei eine spezielle rentenrechtliche Vorschrift. Es sei darüber hinaus kein Grund ersichtlich, warum nach Bundesrecht eine Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG fingiert werden solle, wenn doch den Leitern und Mitarbeitern im Staatsapparat zur Absicherung für das Alter und den Folgen der Invalidität nur die Möglichkeit einer freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung geboten werde. Würde man die Rechtsauffassung der Klägerseite zu Grunde legen, so hätte dies im Ergebnis einer "Zwangsmitgliedschaft" in einem Versorgungssystem zur Folge, das gerade nicht auf eine obligatorische Zugehörigkeit ausgerichtet gewesen sei, sondern auf persönliche Initiative setze.

Mit Beschluss vom 11. Mai 2015 hat der Senat das Berufungsverfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Revision beim Bundessozialgericht zum Az.: B 5 RS 1/15 R zum Ruhen gebracht und am 14. März 2016 wieder aufgerufen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere auch statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG).

Streitgegenstand ist nach dem Antrag des Klägers ausschließlich die Frage, ob seine Tätigkeit für die Staatliche Versicherung der DDR am 30. Juni 1990 die Anwendbarkeit des AAÜG nach § 1 Abs. 1 grundsätzlich auslöst und er damit für seine Tätigkeit im Monat Juni 1990 dem Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 des AAÜG vom 25. Juli 1991 (BGBl. I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I 3024) unterfiel. Es handelt sich insoweit um einen zulässigerweise abgetrennten Streitgegenstand. Der Streitgegenstand wird durch das vom Kläger aufgrund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck kommende Begehren sowie den Klagegrund, aus dem die Rechtsfolge sich ergeben soll, bestimmt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2004, Az. B 5 RJ 62/02 R; Urteil vom 17. Dezember 2013, Az. B 1 KR 70/12 R). Das SGG gibt selbst nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsaktes teilbar und damit der teilweisen Bestandskraft zugänglich sind. Vielmehr knüpft es an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit an (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 131 Abs. 1 Satz 1 SGG und BSG, Urteil vom 13. November 1985, Az. 6 RKa 15/84; Urteil vom 1. März 2011, Az. B 1 KR 10/10 R). Streitgegenstand ist bei der mit der Anfechtungsklage kombinierten Verpflichtungsklage der aus einem bestimmten Sachverhalt abgeleitete Anspruch des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsaktes. Er entspricht dem auch im Zivilprozessrecht herrschenden Streitgegenstandsbegriff (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 1979, Az. 12 RAr 15/78). Teilbarkeit liegt insbesondere dann vor, wenn eine entsprechende Begrenzung auch im Rahmen einer Bewilligung vorgenommen werden könnte. So verhält es sich z.B. hinsichtlich einzelner Zeitabschnitte (BSG, Urteil vom 26. März 2014, Az. B 10 EG 2/13 R). Soweit die Beklagte sich im erstinstanzlichen Termin zur mündlichen Verhandlung verpflichtet hat, über den Antrag auf Kontenklärung vom 21. Dezember 2006 für den vorausgegangenen Zeitraum vom 26. Juli 1974 bis 31. Mai 1990 neu zu entscheiden, so handelt es sich insoweit um eine Entscheidung, ob diese Zeiten nach § 5 AAÜG ebenfalls in die Bewertung einbezogen werden können. Diese Entscheidung kann materiell-rechtlich losgelöst von der Frage bewertet werden, ob die Anspruchsvoraussetzungen für eine Einbeziehung in den Geltungsbereich des § 1 AAÜG als vorgelagerte Frage überhaupt vorliegen.

Die Berufung bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Das Sozialgericht Gießen hat die Klage mit Urteil vom 11. März 2014 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 8 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 1 AAÜG. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nrn. 1 bis 27 (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs. 2 bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten: Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG; vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 31/01 R). Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG überhaupt anwendbar ist. Den Anwendungsbereich des AAÜG regelt dessen § 1 Abs. 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme im Sinne der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) erworben worden sind (Satz 1).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Anwendbarkeit des AAÜG nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 1 ist der Stichtag 30. Juni 1990.

Der Einigungsvertrag (EinigVtr; Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anl. II Kap. VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a; Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8) hat ab dem 3. Oktober 1990 Neueinbeziehungen in einem noch nicht geschlossenen Versorgungssystem ausdrücklich untersagt (EinigVtr Nr. 9 Buchst. a Satz 1 Halbsatz 2) und durch EinigVtr Nr. 8 i.V.m. § 22 Rentenangleichungsgesetz (RAnglG) vom 28. Juni 1990 (GBl DDR I 495), in Kraft getreten am 1. Juli 1990 (§ 36 RAnglG), bekräftigt, dass Neueinbeziehungen bereits seit dem Beginn der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli 1990 nicht wirksam werden können. Die originäre bundesrechtliche Prüfung der Zugehörigkeit zum 1. August 1991 nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG übernimmt damit den 30. Juni 1990 als Endzeitpunkt der Einbeziehung, obwohl § 22 RAnglG erst ab 3. Oktober 1990 als sekundäres und partielles Bundesrecht (EinigVtr Nr. 8) galt. Zwar konnte die Norm damit nicht etwa rückwirkend Rechtsfolgen nach Bundesrecht bewirken, doch konnte sich die erstmalige Begründung von Anwartschaften im Sinne des am 1. August 1991 geltenden Bundesrechts tatbestandlich darauf beschränken, rückschauend grundsätzlich nur solche in der DDR erworbenen Positionen zu berücksichtigen, die bereits vor dem 1. Juli 1990 bestanden hatten. Das AAÜG knüpft damit im Anschluss an den Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 18. Mai 1990 (BGBl. II 537; im Folgenden: Staatsvertrag (StV)) und an den EinigVtr sowie im Interesse einer schnellen Herbeiführung der Rechtseinheit verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. Oktober 2005, Az. 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05) an das noch von der DDR ausgesprochene und in die gesamtdeutsche Rechtsordnung übernommene Verbot der Neueinbeziehung an. Dies schließt es zunächst für den Zeitraum vom 1. Juli bis 2. Oktober 1990 aus, bundesrechtlich auch auf hierin noch erfolgte Einbeziehungen abzustellen, weil andernfalls das Neueinbeziehungsverbot des § 22 Abs. 1 Satz 2 RAnglG unterlaufen würde (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, Az. B 4 RA 23/04 R; Urteil vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 31/01 R, Urteil vom 8. Juni 2004, Az. B 4 RA 56/03 R; Urteil vom 10. Februar 2005, Az. B 4 RA 48/04 R). Auch darüber hinaus kann jedoch nicht in Betracht kommen, auf die gesamte Zeitachse der DDR-Geschichte vom 7. Oktober 1949 (Gründung der DDR) bis zum 30. Juni 1990 (Schließung der Versorgungssysteme) abzustellen. Wie u.a. gerade der sonst überflüssige § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG zeigt, kommt dem genannten Zeitpunkt eine Funktion nicht nur als Endzeitpunkt der bundesrechtlichen Berücksichtigungsfähigkeit von Anwartschaften, sondern gerade als maßgeblicher Stichtag zu. Nur so kann im Sinne seiner inneren Folgerichtigkeit gewährleistet werden, dass das Bundesrecht grundsätzlich allein und gerade auf die Verhältnisse zu dem Zeitpunkt abstellt, zu dem die demokratisierte DDR vor dem Hintergrund des StV und des RAnglG grundsätzlich letztmals die Möglichkeit der Einbeziehung eröffnet hatte. Auf bloße Chancen oder Aussichten im Rahmen zu beliebigen Zeitpunkten vorher bestehender Verhältnisse kommt es dagegen nicht an. Dieses Vorgehen ist auch vor dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ((GG)) gerechtfertigt. Die Festlegung eines Stichtags ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und - ungeachtet der mit ihr verbundenen erheblichen Härten - vorliegend auch sachgerecht. Soweit damit die Überführung teilweise von Umständen abhängt, auf die die Betroffenen keinen Einfluss hatten, handelt es sich nicht um Rechtsakte oder Vorgänge, die der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnen sind. Hieraus erwachsende Nachteile sind daher von ihr auch nicht auszugleichen. Maßgeblich als Grundregel für den gesamten Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist folglich die Sachlage am 30. Juni 1990.

Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger unstreitig nicht dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz zugehörig und ist auch nicht fiktiv in dieses Zusatzversorgungssystem einbezogen. Ein solcher fiktiver Anspruch hängt im Bereich der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl. I Nr. 93 S. 844) und der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. I Nr. 62 S. 487) von drei Voraussetzungen ab, nämlich von
1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar
3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Alle drei Voraussetzungen müssen kumulativ am 30. Juni 1990 vorgelegen haben, was vorliegend nicht der Fall ist, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Ingenieur tätig war, sondern bereits seine Tätigkeit bei der Staatlichen Versicherung der DDR aufgenommen hatte.

Es bestand auch keine Versorgungsberechtigung nach dem Versorgungssystem der FZASt. Unstreitig hat der Kläger keine Beiträge zu diesem Zusatzversorgungssystem geleistet. Darauf kommt es jedoch nicht an (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011, Az. B 5 RS 7/09 R). Dass insbesondere der Beitragsleistung zu einem Versorgungssystem bundesrechtlich keine Bedeutung zukommt, ist durch die bisherige Rechtsprechung bereits umfassend geklärt. Der früher für das Überleitungsrecht zuständige 4. Senat des BSG, dem auch der 5. Senat folgt, hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass den Berechtigten durch das AAÜG im Sinne der hiermit erstrebten vollständigen Erfassung, Überführung und Bewertung aller einschlägigen Zeiten nach seinen Maßgaben spezialgesetzlich beitragsunabhängige Rangstellenwerte (Entgeltpunkte) zugewiesen werden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1998, Az. B 4 RA 61/97 R).

Dahinstehen kann die von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht zunächst bejahte, im Rahmen des Berufungsverfahrens dann jedoch wieder verneinte Frage, ob die Tätigkeit des Klägers zum Stichtag überhaupt als Tätigkeit eines Mitarbeiters im Staatsapparat eingestuft werden kann.

Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen für eine Einbeziehung des Klägers in das Versorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht vor. Es fehlt hierfür an der notwendigen Beitrittserklärung. Diese war für den Erwerb einer fiktiven Anwartschaft entgegen der Auffassung des Klägers zwingend notwendig. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der Auslegung der maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG.

Die historische Entwicklung des AAÜG legt bereits nahe, dass der Begriff der Zugehörigkeit in § 1 Abs. 1 Satz 1 nicht nur im Sinne von tatsächlicher "Einbeziehung" verstanden werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 15. Juni 2010, Az. B 5 RS 17/09 R).

Das Rentenrecht der DDR kannte - neben der Sozialpflichtversicherung in ihrer Funktion als gesetzliche Rentenversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) - zahlreiche Sonder- und Zusatzversorgungssysteme. Diese standen nur bestimmten Personengruppen offen. Wer in ein solches Versorgungssystem einbezogen war, erhielt im Leistungsfall zusätzliche Rentenleistungen. Die Aufnahme in das Versorgungssystem hing von vielfältigen Voraussetzungen ab und erfolgte grundsätzlich durch einen individuellen Einzelakt in Form konkreter Einzelzusagen (Versorgungszusagen), sonstiger Einzelentscheidungen oder Einzelverträgen (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Urteil vom 28. April 1999, Az. 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. August 2004, Az. 1 BvR 1557/01). Derartige individuelle Zusagen bestehen im vorliegenden Einzelfall unstreitig nicht.

Nach der Wende in der DDR änderte sich die Rechtslage. Der StV sah eine schrittweise Angleichung des Sozialversicherungsrechts der DDR an das bundesdeutsche Recht vor. Die bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme sollten grundsätzlich zum 1. Juli 1990 geschlossen und die Ansprüche und Anwartschaften in die Rentenversicherung überführt werden. Leistungen auf Grund von Sonderregelungen sollten mit dem Ziel überprüft werden, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und 3 StV). Diese Festlegungen des Staatsvertrages setzte die DDR im Wesentlichen mit dem RAnglG um. § 22 Abs. 1 RAnglG schloss die bestehenden Zusatzversorgungssysteme mit Wirkung zum 30. Juni 1990 (Satz 1) und verbot Neueinbeziehungen (Satz 2). Außerdem sah das RAnglG vor, ein Rentenversicherungsrecht der DDR zu schaffen, das den Strukturvorgaben des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) entsprechen sollte. Hierzu kam es wegen der Dynamik des Einigungsprozesses aber nicht mehr. Stattdessen regelt der EinigVtr, das materielle Rentenrecht zum 1. Januar 1992 auf der Grundlage des bereits 1989 verkündeten SGB VI zu harmonisieren, dessen bundesweites Inkrafttreten für diesen Zeitpunkt vorgesehen war. Folgerichtig blieb das RAnglG über den 2. Oktober 1990 hinaus in Kraft, soweit es mit dem GG unter Berücksichtigung des EinigVtr sowie mit dem unmittelbar geltenden Recht der Europäischen Gemeinschaften vereinbar war (EinigVtr Nr. 8). Die im RAnglG enthaltene Frist für die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften auf Versorgungsleistungen verlängerte der EinigVtr bis zum 31. Dezember 1991 (EinigVtr Nr. 9 Buchst. b Satz 1).

Auf Grund des Neueinbeziehungsverbots in § 22 Abs. 1 Satz 2 RAnglG erfasst der EinigVtr im Kern nur Personen, die die zuständigen Stellen der DDR vor dem 1. Juli 1990 in ein Versorgungssystem einbezogen hatten. Nach Art. 19 Satz 1 EinigVtr bleiben diese Entscheidungen, soweit sie nicht nach Satz 2 aufgehoben werden, als Verwaltungsakte im bundesrechtlichen Sinn wirksam. Dies gilt selbst dann, wenn die abstrakt-generellen Voraussetzungen des Zusatzversorgungssystems im Einzelfall nicht erfüllt waren. Bereits der EinigVtr, der noch den hergebrachten Begriff der Einbeziehung zu Grunde legt, enthielt allerdings der Sache nach eine Modifikation des Neueinbeziehungsverbotes in § 22 Abs. 1 Satz 2 RAnglG (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 3/02 R). Art. 17 Satz 1 dieses Vertrages sah nämlich die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage vor, damit alle Personen rehabilitiert werden können, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind. Eine derartige Rehabilitation kann neben einer Entschädigung in Geld (Art. 17 Satz 2 EinigVtr) insbesondere darin bestehen, dass Personen, die wegen einer Verfolgungsmaßnahme u.a. aus einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem ausgeschieden sind, bundesrechtlich im Ergebnis so behandelt werden, als wären sie weiter einbezogen gewesen (vgl. § 13 Abs. 3 des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet vom 1. Juli 1997, BGBl. I 1625 - Berufliches Rehabilitierungsgesetz - BerRehaG). Art. 19 Satz 2 EinigVtr ermöglicht es, Aufhebungsakte der DDR zu beseitigen, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder den Regelungen des EinigVtr unvereinbar sind, sodass einmal erteilte, aber untergegangene Versorgungszusagen wieder aufleben können. Auch dies wäre für die Betroffenen letztlich fruchtlos, würden sie nicht im Blick auf die bundesrechtliche Aufhebung bundesrechtlich im Ergebnis so behandelt, als habe der Aufhebungsakt der DDR bereits zum Stichtag keinen Bestand mehr gehabt. In beiden Fällen waren die Betroffenen daher zwar historisch betrachtet am 30. Juni 1990 nicht durch einen konkreten Akt der DDR "einbezogen". Dennoch umfasst der entsprechende Begriff des EinigVtr neben der Anknüpfung an den zum Stichtag vorgefundenen Bestand an konkreten Einbeziehungen notwendig auch diejenigen Fallgestaltungen, die auf Grund seiner eigenen Vorgaben im Ergebnis gleich zu behandeln sind. Insofern wird auf der Grundlage nachträglicher bundesrechtlicher Entscheidungen und hierzu ergangener bundesrechtlicher Anordnungen im Sinne der Herstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse zum Stichtag jeweils tatbestandlich partiell an fiktive Verhältnisse angeknüpft. Unter anderem dieser bereits im EinigVtr angelegten bundesrechtlichen Modifikation des Verbots der Neueinbeziehung bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung dieses Verbots trägt § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch sprachlich Rechnung, indem er den umfassenden Begriff der "Zugehörigkeit" an Stelle des engeren Begriffs der "Einbeziehung" verwendet (BSG, Urteil vom 15. Juni 2010, Az. B 5 RS 17/09 R).

Auch die grammatikalische Auslegung stützt ein eher weites Verständnis des Begriffs der Zugehörigkeit (vgl. auch insoweit BSG, Urteil vom 15. Juni 2010, Az. B 5 RS 17/09 R).

Zwar ist bei isolierter Betrachtung des Wortlauts auch von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ein Verständnis der Norm denkbar, das grundsätzlich an die Einbeziehung durch Einzelentscheidung der DDR anknüpft, nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen eine Modifikation toleriert und darüber hinausgehenden Erweiterungen entgegensteht. Dies ist indessen nicht das einzig mögliche Verständnis des Begriffs der "Zugehörigkeit". Weder der spezifische Sprachgebrauch des AAÜG oder das SGB noch die juristische Fachsprache versehen das Wort "Zugehörigkeit" mit einem bestimmten Bedeutungsgehalt. Maßgebend ist daher zunächst der allgemeine Sprachgebrauch (vgl. dazu nur Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 2. Auflage 2001, § 5 I 1, S 50). In der Zusammensetzung zugehören bezeichnet das Wort vor allem die Beziehung zu einer Gemeinschaft.

In diesem Kontext betont der Partikel "zu" die persönliche und/oder innerliche Verbindung zu der jeweiligen (Personen-)Gruppe. Denn nach den grammatikalischen Grundsätzen der deutschen Sprache bestimmt der erste Teil einer Zusammensetzung in der Regel den zweiten Teil näher (Duden, Die Grammatik, 8. Auflage 2009, Randnummer 1002). In deutschen Wörterbüchern, die auf den aktuellen, allgemeinen Sprachgebrauch schließen lassen, wird das Wort "Zugehörigkeit" wie folgt umschrieben: Das Dazugehören zu etwas oder jemandem als Glied oder Bestandteil; die "Mitgliedschaft" zu einer bestimmten Gruppe, Organisation, Konfession, Körperschaft, Partei oder einem Verein; die (innere) "Verbundenheit"; einer bestimmten Gruppe als Mitglied verbunden sein; "aufgrund besonderer Beschaffenheit oder Verhältnisse (ordnungsgemäß) einer bestimmten Gruppe zugerechnet werden". Der allgemeine Sprachgebrauch beschränkt den Begriff der "Zugehörigkeit" also nicht nur auf die formale (rechtliche) Mitgliedschaft in einer Körperschaft oder die verbindliche Aufnahme in eine Organisation, sondern lässt bereits die mehr oder weniger starke "Verbundenheit" zu einer bestimmten Gruppe genügen (BSG, Urteil vom 15. Juni 2010, Az. B 5 RS 17/09 R m.w.N.).

Der offene Wortlaut lässt damit ein weites ("ausdehnendes"/"erweiterndes") Verständnis von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG zu, das sich nicht allein auf Personen beschränkt, die am 30. Juni 1990 von der DDR konkret einbezogen waren bzw. auf Grund einer nachträglichen Entscheidung auf Grund von Bundesrecht wieder als solche zu behandeln sind. Denn über eine hinreichend enge Verbundenheit zu einem Versorgungssystem verfügen auch solche Personen, die nach den leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Systems - mit Ausnahme des Versorgungsfalls - am 30. Juni 1990 alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zusatzversorgungsrente erfüllten.

Auch in systematischer Hinsicht spricht – wie die Klägerseite völlig zu Recht vorträgt – einiges dafür, die Begriffe der Zugehörigkeit in § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG und § 5 Abs. 1 AAÜG – in einem identischen Gesetz – auch in gleicher Weise zu verstehen (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Februar 2015, Az. L 2 R 224/13). Das BSG hat zum Begriff der Zugehörigkeit in § 5 Abs. 1 AAÜG in einem Verfahren, in dem die Anwendbarkeit des AAÜG nach § 1 unstreitig zu bejahen war, wie folgt entschieden (Urteil vom 19. Juli 2011, Az. B 5 RS 7/09 R): Fehle es an einer Versorgungszusage mit deklaratorischer oder konstitutiver Wirkung, die bundesrechtlich nach Art. 19 EinigVtr auch nach dem Beitritt der DDR wirksam geblieben sei, dürfe nicht etwa allein deshalb davon ausgegangen werden, dass eine "Zeit der Zugehörigkeit" i.S. von § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht vorgelegen habe. In derartigen Fällen sei allein entscheidend, ob eine konkret in Frage stehende entgeltliche Beschäftigung oder Tätigkeit nach den Texten der in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten Versorgungsordnungen, an die § 5 Abs. 1 AAÜG als relevante Fakten - nicht normativ - anknüpfe, zu denjenigen gehöre, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen sei. Hiernach bestimme sich beim Fehlen einer Versorgungszusage ohne das Erfordernis einer getrennten Prüfung einheitlich und gleichzeitig, ob bundesrechtlich von einer Zeit der Zugehörigkeit zum jeweiligen Versorgungssystem auszugehen sei und eine in dieser Zeit ausgeübte Erwerbstätigkeit diesem System zuzuordnen sei. Für die vorzunehmende Zuordnung von Beschäftigungszeiten zu einem bestimmten Versorgungssystem komme es weder auf die frühere Auslegung der Versorgungsordnungen durch die Staatsorgane der DDR oder auf deren Verwaltungspraxis an, noch seien die früheren "Ansprüche und Anwartschaften" unter Anwendung des DDR-Rechts (hier Versorgungsrechts) zu prüfen. Zugehörigkeitszeiten i.S. des § 5 AAÜG lägen immer - nur - dann vor, wenn konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden sei, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen gewesen sei, das in der Anlage 1 und 2 des AAÜG aufgelistet wurde. Für die FZASt gälten insofern keine Besonderheiten. Insbesondere sei es unerheblich, ob ein Beitritt tatsächlich erklärt und Beiträge zum System der FZASt tatsächlich entrichtet worden seien.

Soweit sich die Klägerseite auf diese Rechtsprechung beruft und daraus folgert, dass auch im Geltungsbereich von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG allein maßgeblich die tatsächliche Ausübung einer entsprechenden Beschäftigung sei, so verkennt sie dabei die unterschiedliche Zielsetzung beider Vorschriften.

Juristisch ungenau ist die Verkürzung der entscheidungserheblichen Frage auf die reine Definition des Begriffs der Zugehörigkeit. Soweit der Kläger meint, dass man zwangläufig – sofern man den Begriff der Zugehörigkeit wie nach der BSG-Rechtsprechung zu § 5 AAÜG verstehe – zu einem für ihn positiven Ergebnis käme, geht diese Annahme fehl. Vielmehr kann man den Begriff der Zugehörigkeit in beiden Vorschriften identisch verstehen und dennoch zu einem differenzierten Anwendungsbereich gelangen. Denn im Rahmen der Prüfung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG kommt es nicht wie bei § 5 AAÜG nur auf die Frage der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem an, sondern nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist darüber hinaus auch das Bestehen eines Anspruchs oder einer Anwartschaft notwendig. Genau daran fehlt es jedoch vorliegend – unabhängig von der Frage der Zugehörigkeit, die man im Falle des Klägers durchaus bejahen könnte.

Die Erkenntnis der unterschiedlichen Funktion von § 1 und § 5 AAÜG beruht auf der Judikatur des BSG (Urteil vom 20. Dezember 2001, Az. B 4 RA 6/01 R; Urteil vom 10. April 2002, Az. B 4 RA 34/01 R). Der Geltungsbereich des § 5 AAÜG geht danach weit über den des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hinaus. Die §§ 5 bis 7 AAÜG enthalten ein gegenüber dem SGB VI spezielles Rentenversicherungsrecht (kein Versorgungsrecht). Sie sind nur zu prüfen und anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AAÜG erfüllt sind, wenn also zum 1. August 1991 ein Versorgungsanspruch oder eine Versorgungsanwartschaft nach den oben skizzierten Kriterien vorlag oder fingiert wird.

Unstreitig hat der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-) Recht auf Versorgung, wie die in § 194 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen (BSG, Urteil vom 15. Juni 2010, Az. B 5 RS 17/09 R).

Beim Kläger ist bis zum Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1. August 1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und er diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte.

Eine im Sinne von Artikel 19 des Einigungsvertrages bundesrechtlich bindende Einzelfallregelung, durch welche dem Kläger eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden sein könnte (Versorgungszusage, Einzelfallentscheidung, Einzelvertrag), lag nicht vor.

Auch eine "Anwartschaft" auf die Einbeziehung in ein Versorgungssystem im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besteht bei dem Kläger nicht.

Der Begriff "Anwartschaft" umschreibt entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw. Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG, Urteil vom 15. Juni 2010, Az. B 5 RS 17/09 R). Eine "Versorgungsanwartschaft" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG liegt folglich nur vor, wenn eine Position bestand, bei der nur noch der Versorgungsfall eintreten musste, damit sie zum Vollrecht erstarkte.

Dies ergibt sich nach dem Sinn und Zweck von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG vor dem Hintergrund der oben beschriebenen historischen Entwicklung. Im Rahmen von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sind die einzelnen Versorgungsordnungen als sekundäres und partielles Bundesrecht und in bundesrechtlicher Auslegung der Prüfung zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 15. Juni 2010, Az. B 5 RS 17/09 R).

Bei der Prüfung, ob das AAÜG wegen Bestehens einer Versorgungsanwartschaft am 1. August 1991 überhaupt anzuwenden ist (§ 1 Abs. 1 AAÜG), ist rechtlich auf das im Zeitpunkt seines Inkrafttretens geltende Bundesrecht abzustellen (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 3/02 R). Wird danach der Betroffene vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG erfasst, überführt das Gesetz durch § 4 Abs. 5 AAÜG – sozusagen in einem zweiten Prüfungsschritt – diese Anwartschaft in die Rentenversicherung und bestimmt insoweit, dass die speziell rentenversicherungsrechtlichen §§ 5 bis 8 AAÜG anzuwenden sind.

Bei der dann folgenden rentenversicherungsrechtlichen Prüfung der Voraussetzungen gleichgestellter Pflichtbeitragszeiten nach § 5 AAÜG haben die abstrakt-generellen Regelungen der jeweiligen Versorgungssysteme keine rechtsmaßstäbliche Bedeutung. Bei § 5 AAÜG geht es nur um die Frage, ob ein i.S. von § 1 AAÜG Versorgungsberechtigter früher entgeltliche Beschäftigungen oder selbstständige Tätigkeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach (also nach abstrakt-generellen Merkmalen) von einem (grundsätzlich) am 30. Juni 1990 in der DDR bestehenden Versorgungssystem erfasst waren. Insofern kommt es nur darauf an, ob die von ihm ausgeübte Beschäftigung ihrer Art nach, d.h. in abstrakt-genereller Sicht zu dem Ausschnitt der Arbeitswelt gehörte, für welchen die DDR am 30. Juni 1990 ein besonderes, im AAÜG aufgelistetes Versorgungssystem eingerichtet hatte. Insoweit (§ 5 AAÜG) haben die Versorgungsregelungen nicht die Bedeutung von maßstäblichem Bundesrecht, sondern sind als rechtshistorische Tatsachen zur Beantwortung nur dieser vom Bundesrecht aufgeworfenen Frage heranzuziehen (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 3/02 R).

Für die Prüfung eines Anwartschaftsrechts nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sind dementsprechend die Bestimmungen der in der DDR geltenden Versorgungsordnungen maßgeblich, soweit sie Teil des Bundesrechts geworden sind. Das unter Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch zumindest auch mögliche und oben dargelegte weite Verständnis des Begriffs der Zugehörigkeit erfährt rechtlich im Kontext des bundesrechtlich grundsätzlich fortgeführten und durch den EinigVtr sowie das AAÜG nur modifizierten Verbots der Neueinbeziehung zwingend eine Begrenzung (BSG, Urteil vom 15. Juni 2010, Az. B 5 RS 17/09 R). Die Versorgungsordnungen sind im Sinne verbindlicher Handlungsanweisungen für die Verwaltung als Tatbestände einer ohne Entscheidungsspielraum zwingend zu gewährenden Vergünstigung zu verstehen und sind auch nur insoweit Bundesrecht geworden. Maßgeblich sind, soweit originäre bundesrechtliche Regelungen nicht eingreifen, die in der DDR grundsätzlich am 30. Juni 1990 geltenden "letzten Fassungen" des Teils der Versorgungsregelungen, der am 3. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden ist (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 3/02 R). Soweit originäres Bundesrecht das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat, ist dem auch in § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG in vollem Umfang Rechnung zu tragen.

Nicht anders als § 22 RAnglG gelten auch inhaltlich die Versorgungsordnungen erst ab dem 3. Oktober 1990 als sekundäres und partielles Bundesrecht. Auch sie können daher nicht etwa rückwirkend Rechtsfolgen nach Bundesrecht bewirken, wohl aber bestimmen sie auf Grund ihrer begrenzten Fortgeltung auch noch am 1. August 1991 - und bis zur Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften in die Rentenversicherung des Beitrittsgebiets zum 31. Dezember 1991 - mittelbar diejenigen Sachverhalte, auf die das dann geltende Bundesrecht zum 30. Juni 1990 abstellt und an die es Rechtsfolgen knüpft. Einschlägig sind insofern bereits auf Grund des originären Bundesrechts in EinigVtr Nr. 9 allein diejenigen Teile der Versorgungsordnungen, die mit dem EinigVtr, dem GG und dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Nicht Teil des Bundesrechts geworden sind die Versorgungsordnungen demgemäß hinsichtlich der Regelungen über die Einbeziehung durch Entscheidung von Stellen der DDR, die nachträglich schlechthin nicht ersetzt werden kann. Entscheidend ist unter diesen Umständen allein, ob ausgehend von einer am Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierten Umsetzung des zu Bundesrecht gewordenen Teils der Versorgungsordnungen eine Anwartschaft auf eine Versorgung durch Einzelfallregelung im Rahmen gebundener Verwaltung hätte zuerkannt werden müssen, d.h. zum 1. Juli 1990, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, im (jetzt) rechtsstaatlichen Umfeld ("kraft Gesetzes") Leistungen aus dem Versorgungssystem hätten beansprucht werden können (vgl. BSG, Urteil vom 10. April 2002, Az. B 4 RA 34/01 R). Unter diesen Umständen hatte - bundesrechtlich - die noch ausstehende Versorgungszusage keine rechtsbegründende, sondern nur noch feststellende Bedeutung (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001, Az. B 4 RA 6/01 R).

Ein derartiges - neben den "Verwaltungsakten" der DDR auch die primäre materiell-rechtliche Ebene einbeziehendes - Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gewährleistet an Art. 3 Abs. 1 GG orientiert die Gleichwertigkeit der Rechtsquellen und vermeidet eine bundesrechtlich nicht gerechtfertigte Besserstellung der Inhaber von Einzelentscheidungen gegenüber unmittelbar Normbegünstigten. Es gewährleistet zudem, dass das Verbot der Neueinbeziehung unverändert nur insoweit modifiziert wird, als dies rechtsstaatlich geboten ist und das Bundesrecht umgekehrt nicht durch eine Beschränkung auf die bloße Hinnahme vorgefundener Einbeziehungsentscheidungen der DDR hinter dem Ziel der Anknüpfung an rechtsstaatlich geordnete Verhältnisse zurückbleibt, sondern diesen - unabhängig von "Rechtmäßigkeit" und Willkür zu beachtenden Einzelakten - das fiktive Ergebnis der Umsetzung des fortgeltenden Teils der Versorgungsordnungen gleichstellt.

Eine derartige Versorgungsanwartschaft liegt nicht vor, da der Kläger dem System der FZASt nicht beigetreten ist (in diesem Sinne und entgegen LSG Berlin-Brandenburg a.a.O. auch Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 7. Juni 2016, Az. L 5 RS 640/14; Urteil vom 1. Februar 2018, Az. L 33 R 351/16). Nach § 2 Abs. 2 der maßgeblichen Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29. Januar 1971 hat der Beitritt durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung gegenüber dem Staatsorgan zu erfolgen.

Die Beitrittserklärung ist folglich conditio sine qua non, damit der Versorgungsfall das Erstarken zum Vollrecht bewirken könnte. Nur so könnte die noch ausstehende Versorgungszusage keine rechtsbegründende, sondern nur noch feststellende Bedeutung haben.

Die Beklagte hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Anlage 1 zum AAÜG zwischen unterschiedlichen Systemen differenziert wird, nämlich zwischen "Pflichtsystemen" und "freiwilligen Systemen". Zu den freiwilligen Systemen zählt unter anderem die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Zusatzversorgungssystem Nr. 19 Anlage 1 AAÜG).

Rein denklogisch kommt eine fiktive Einbeziehung nur innerhalb der "Pflichtsysteme" aufgrund der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG in Betracht. In diesen Fällen kann geprüft werden, ob die Nichteinbezogenen aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten.

Anders liegt es bei den "freiwilligen Systemen". Schon der Begriff der Freiwilligkeit impliziert, dass ein Automatismus dergestalt, dass bereits die Ausübung einer Tätigkeit zwangsläufig den Anwendungsbereich des AAÜG eröffnen könnte, nicht bestehen kann. Eine "Zwangsmitgliedschaft" war in den freiwilligen Systemen gerade nicht vorgesehen.

Eine "fiktive Einbeziehung" ohne entsprechende Beitrittserklärung kommt auf der Ebene des § 1 Abs. 1 AAÜG deshalb nicht in Betracht. Wie die Beklagte zutreffend dargelegt hat, kann eine solche Beitrittserklärung nicht fingiert werden, denn es ist nicht Aufgabe des Bundesrechts, in der DDR nicht vollzogene Beitritte von Beschäftigten zu diesem Versorgungssystem nachzuholen und damit Neueinbeziehungen zu konstituieren.

Aus diesen Gründen konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Der Senat misst der Rechtsfrage, ob eine Versorgungsanwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG im Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 AAÜG nur dann vorliegt, wenn ein tatsächlicher Beitritt durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung des Mitarbeiters gegenüber dem Staatsorgan erfolgt ist, grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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