S 1 U 129/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 129/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Der Bescheid vom 08.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2009 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 17.441,50 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte die Klägerin für rückständige Unfallversicherungsbeiträge der Firma T GmbH in Haftung nimmt.

Die Firma T GmbH war seit dem 04.07.2001 Mitglied der Beklagten.

Mit Beschluss vom 07.03.2005 lehnte das Amtsgericht Bielefeld einen Antrag auf Eröff-nung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der T GmbH mangels Masse ab.

Am 22.06.2005 erteilte die Beklagte für die Firma T GmbH drei Beitragsbescheide für die Jahr 2001, 2002 und 2003. Dabei verlangte die Beklagte von der Firma T GmbH für das Jahr 2001 einen Gesamtbeitrag in Höhe von 8.302,84 EUR, für das Jahr 2002 in Höhe von 18.482,27 EUR und für das Jahr 2003 in Höhe von 25.442,53 EUR. Diese Beiträge wurden von der Firma T GmbH nicht gezahlt.

Mit Schreiben vom 06.11.2007 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und teilte ihr mit, seit dem 01.08.2002 haftet derjenige Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftrage, für die Erfüllung der Zah¬lungspflicht dieses Unternehmers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Nach Kenntnis der Beklagten habe die Firma T GmbH im Auftrag der Klägerin auf den Baustellen Altenheim T1 in N, A AG & Co in X, C in I Bauleistungen im Sinne des § 175 Abs. 2 SGB III erbracht. Die Firma T GmbH sei ihren Zahlungsverpflichtungen der Beklagten gegenüber trotz Mahnung und Zwangsvollstreckung nicht nachgekommen. Das Amtsgericht Bielefeld habe ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma T GmbH mangels Masse abgelehnt. Damit bestehe Zahlungsunfähigkeit. Daher werde ein Haftungsanspruch aus dem Auftragsverhältnis dem Grunde nach geltend gemacht. Es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30.11.2007.

Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 08.11.2007 mit, eine Inan-spruchnahme aufgrund von § 150 Abs. 3 SGB VII werde abgelehnt. Das Landessozialge¬richt Baden-Württemberg habe mit Urteil vom 18.06.2007 entschieden, dass die fehlende Verweisung in § 150 Abs. 3 SGB VII auf die Exkulpationsmöglichkeiten des § 28 e Abs. 3 b - f SGB IV auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruhe und dass diese Ex-kulpationsmöglichkeiten bei der Anwendung des § 150 Abs. 3 SGB VII heranzuziehen sei¬en. Es werde davon ausgegangen, dass diese Rechtssprechung durch das Bundessozial¬gericht bestätigt werde. Da die Beklagte der Firma T GmbH in der Zeit vom 04.07.2001 bis zum 13.11.2003 nicht weniger als fünf Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausgestellt habe und diese auf Nachfrage der Klägerin von der Firma T zur Verfügung gestellt worden seien, habe die Klägerin sich im ausreichenden Maße vergewissert, dass die Firma T ihren Verpflichtungen gegenüber der Beklagten nachgekommen sei. Die Regelung des § 28 e Abs. 3b SGB IV sei daher vorliegend anwendbar und eine Inanspruchnahme der Klägerin komme nicht in Betracht.

Mit Schreiben vom 30.01.2008 wandte sich die Beklagte erneut an die Klägerin. Sie vertrat darin die Auffassung, die in den § 28 e Abs. 3b ff. SGB IV aufgeführten Entlastungsmög¬lichkeiten beträfen nicht den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Firma T sei ihren Zahlungsverpflichtungen der Beklagten gegenüber trotz Mahnung und Vollstreckung nicht nachgekommen und für das Jahr 2003 einen Beitrag in Höhe von 35.345,65 EUR schuldig geblieben. Die Firma T habe im Jahr 2003 Bauleistungen im Auftrag der Klägerin ausgeführt. Es sei daher beabsichtigt, die Klägerin nach § 150 Abs. 3 SGB VII für den nicht gezahlten Beitragsanteil in Höhe von 17.441,50 EUR haftbar zu machen und einen entsprechenden Bescheid zu erteilen. Es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von vier Wochen.

Am 08.05.2008 erteilte die Beklagte einen "Bescheid über Beitragshaftung als Auftragge-ber" nach § 150 Abs. 3 SGB VII in Verbindung mit § 28 e Abs. 3 a SGB IV, mit dem sie von der Klägerin 17.441,50 EUR forderte.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 28.05.2008 Widerspruch ein. Zur Begrün-dung trug sie im Wesentlichen vor, sie habe für die Jahre 1999 bis 2003 Unbedenklich-keitsbescheinigungen der Beklagten vorgelegt. Sie habe daher im Sinne von § 28 e SGB IV davon ausgehen können, dass die Firma T GmbH ihre Zahlungspflichten gegenüber der Beklagten erfülle. Auch habe die Klägerin die Abrechnungen der Firma T GmbH hinsichtlich der Höhe der abgerechneten Arbeitsleistungen daraufhin überprüft, ob der übliche Rahmen eingehalten worden sei, insbesondere ob bei Unterstellung eines üblichen Arbeitslohnes der Anteil für Sozialabgaben enthalten gewesen sei. Beides sei stets gewährleistet gewesen. Sie habe daher ohne eigenes Verschulden davon ausgehen können, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflicht erfülle. Daher entfalle eine Haftung. Darüber hinaus komme eine Haftung deshalb nicht in Betracht, weil die Wertgrenze des § 28 e Abs. 3b SGB IV von 500.000,00 EUR der in Auftrag gegebenen Bau¬leistungen nicht erreicht worden seien. Auch die Höhe der geltend gemachten Haftungs¬beiträge sei unzutreffend. Der von der Beklagten angenommene Lohnanteil sei unzutref¬fend. Der von der Beklagten angenommene Lohnanteil bei 50 % sei deutlich übersetzt.

Nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 27.05.2008 in den Verfahren B 2 U 11/07 R und B 2 U 21/07 R begründete die Klägerin ihren Widerspruch ergänzend damit, das BSG habe nunmehr bestätigt, dass auf den Haftungsanspruch nach § 28 e SGB IV nicht nur der Abs. 3 a, sondern auch die Absätze 3 b - 3 f Anwendung finden. Hieraus folge, dass die Beklagte zu prüfen habe, ob sie sich exkulpieren könne und ob die Wertgrenze des § 28 e Abs. 3 b Abs. 2 SGB IV überschritten worden sei. Dazu sei bereits ausführlich vorgetragen worden. Dazu überreichte die Klägerin die Firma T GmbH betreffende sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom 28.04.2003, 11.06.2002, 28.09.2001 und 04.07.2001. Später überreichte die Klägerin weitere die Firma T GmbH betreffende Un-bedenklichkeitsbescheinigungen der AOK Westfalen-Lippe vom 03.07.2001, 25.03.2002 sowie vom 20.03.2003.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2009 wurde der Widerspruch als unbegründet zu-rückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin sei grundsätzlich darin zuzustimmen, dass der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des § 28 e SGB IV eine Haftung des Generalunternehmers dann nicht begründen wollte, wenn der Generalunternehmer nachweise, dass er bei der Auswahl des Nachunternehmers die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmannes aufgewandt habe. Dieses Gebot habe die Klägerin allerdings nicht beachtet. Die Klägerin sei selbst beitragspflichtiges Mitglied der Beklagten und als solches mit den Gegebenheiten der Beitragserhebung vertraut. Der Klägerin sei bekannt, dass die Beklagte auf den zu erwartenen Beitrag des laufenden Kalenderjahres einen Gesamtbeitragsvorschuß, aufgeteilt auf mehrere Fälligkeiten, erhebe. Der Klägerin sei ferner bekannt, dass die Beklagte den Beitrag jeweils nachträglich im zweiten Quartal des Folgejahres feststelle und von Mitgliedsbetrieben nachträglich erhebe. Der Klägerin sei bekannt, dass auf den zu erwarteten Jahresbeitrag im laufenden Kalenderjahr lediglich Beitragsvorschüsse erhoben würden. Mit diesem Wissen könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Beklagten über das Ausstellungsdatum hinaus die Erfüllung einer Zahlungspflicht bescheinigen sollte, sondern sie sei gehalten gewesen, sich von der Erfüllung der Zahlungspflicht des Nachunternehmers durch die regelmäßige Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Beklagten zu unterrichten, insbesondere auch nach dem der Klägerin bekannten Zeitpunkt der Beitragsberechnung 2003. Dies habe die Klägerin fahrlässig unterlassen. Die Klägerin habe vielmehr darauf vertraut, dass der ihr offenbar seit Jahren bekannte Inhaber des Unternehmens seinen Verpflichtungen gegenüber der Beklagten schon nachkommen werde. Anders sei es nicht zu interpretieren, dass die Klägerin zu ihrer Entlastung Unbedenklichkeitsbescheinigungen präsentiert habe, die diese drei rechtlich selbstständigen Unternehmen ausgestellt habe. Auch die Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Finanzbehörden und der Krankenkassen sei nicht geeignet, auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Zahlungpflicht auch gegenüber der Beklagten schließen zu dürfen. Soweit die Klägerin vorgebe, die angebotenen Abrechnungen der Firma T GmbH hinsichtlich der Höhe der abgerechneten Arbeitsleistungen daraufhin überprüft zu haben, ob der übliche Rahmen eingehalten worden sei, insbesondere ob an der Stellung eines üblichen Arbeitslohnes der Anteil für Sozialabgaben enthalten gewesen sei, sei zur Über¬zeugung der Beklagten die Erfüllung dieser Parameter widerlegt. Das Hauptzollamt Biele¬feld habe im Laufe seiner Ermittlungen nachweisen können, dass die Firma T GmbH für die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer die Meldungen zur Sozialversicherung nicht, bzw. in unzutreffender Höhe angegeben habe. Gegenüber der Beklagten sei für das Jahr 2003 der Jahreslohnnachweis in unzutreffender Höhe abgegeben worden. Der Klägerin hätte bei ordnungsgemäßer Prüfung auffallen müssen, dass der ihr in Rechnung gestellte Stundenverrechnungssatz zwischen 24,00 und 25,00 EUR unter dem Selbstkostenpreis gelegen habe. Unter Berücksichtigung des Mindestlohns von 10,12 EUR/Std., den Beiträgen zur BG, zu den Sozialkassen, der Lohnfortzahlung und dem Urlaubsgeld etc. in Höhe von 80 vom Hundert, den baustellenbezogenen Kosten (15 vom Hundert) und den Gemeinkosten von 80 vom Hundert errechne sich der Selbstkostenpreis für die Lohnstunde in Höhe von 27,84 EUR, zuzüglich Gewinn und Wagnis 28,35 EUR. Hieraus hätte die Klägerin zwingend den Rückschluss zu ziehen gehabt, dass mit regulär angemeldeten Arbeitnehmern dieser Preis nicht zu halten gewesen sei. Die Kalkulation der Klägerin, die nach ihrem Vorbringen zu dem anderen Rückschluss gekommen sei, sei nicht dargelegt worden. Gem. § 28 e Abs. 3 d SGB IV gelte Abs. 3 a ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 500.000,00 EUR. Hierzu habe die Klä¬gerin angekündigt, auf Anforderung die Überschreitung der Wertgrenze zu belegen. Dazu seien jedoch keine entsprechenden Belege vorgelegt worden. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 27.05.2008 - B 2 U 21/07 R dargelegt, dass der Wert aller für das je¬weilige Bauwerk insgesamt in Auftrag gegebenen Bauleistungen bei der Ermittlung der Überschreitung der Wertgrenze zu berücksichtigen sei. Diese Wertgrenze von 500.000,00 EUR sei hier überschritten. Die Ermittlung des Bruttolohns bei reinen Lohnleistungen in Höhe von 2/3 des in Rech-nung gestellten Lohnes sei nicht überhöht sondern entspreche der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts. In Anbetracht dessen, dass der Stundenverrechnungssatz nicht ein¬mal die Selbstkosten decke, sei diese Einschätzung zu Gunsten der Klägerin erfolgt. Nach den Feststellungen des Hauptzollamtes Bielefeld habe die Firma T GmbH über keinen eigenen Maschinenpark verfügt.

Hiergegen hat die Klägerin am 28.092009 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im We¬sentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und ergänzend aus¬geführt, ein Sorgfaltspflichtsverstoß könne ihr nicht vorgeworfen werden. Sie habe sich in Bezug auf die Nachunternehmerin über Jahre hinweg sowohl die Unbedenklichkeitsbe¬scheinigungen der Beklagten als auch der Krankenkassen vorlegen lassen. Weiterhin habe sie die Angebote der T GmbH stets auf deren Schlüssigkeit sowie auf die Marktüblichkeit und -fähigkeit der Preise unter Berücksichtigung von Sozialabgaben überprüft. Die Angebote und Abrechnungen der T GmbH hätten hinsichtlich der dort enthaltenen Berechnungen für die Arbeitsleistungen den damals üblichen Tarifen entsprochen und wären ohne Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge deutlich zu hoch ausgefallen. Auf Grund dieser Tatsachen habe sie von einer ordnungsgemäßen Abführung der Sozialversicherungsbeiträge ausgehen dürfen. Die Marktüblichkeit der von der T GmbH angebotenen Preise ergebe sich aus einem Vergleich zu ähnlichen Verträgen, die die Klägerin im Jahr 2003 mit anderen Subunternehmern abgeschlossen habe wie aus entsprechenden Informationsbroschüren des Verbandes der Bauindustrie bzw. des Baugewerbes. Bei vergleichbaren Verträgen mit Subunternehmern hätten die dort vereinbarten Stundenverrechnungssätze bei 25,00 EUR bzw. bei 24,75 EUR gelegen. Der von der Firma T GmbH veranlagte Stundensatz "zwischen 24,00 und 25,00 EUR" habe also den in 2003 der Klägerin angebotenen üblichen Stundensätzen in jeder Hinsicht entsprochen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

den Bescheid vom 08.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist bei ihrer Auffassung geblieben, die angefochtene Verwaltungsentscheidung ent-spreche der Sach- und Rechtslage und sei nicht zu beanstanden. Ergänzend hat sie vor-getragen, die Klägerin habe unter anderem eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Beklagten vom 28.04.2003 mit einer Gültigkeit bis zum 14.08.2003 vorgelegt. Weitere, über dieses Datum hinausgehende Bescheinigungen seien nicht vorgelegt worden. Dies sei jedoch erforderlich gewesen. Die von der Klägerin vorgelegten Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Krankenkasse sei nicht geeignet nachzuweisen, dass keine Rückstände zur Berufsgenossenschaft bestünden. Weiterhin liege unverändert nur eine Kopie einer Unbedenklichkeitsbescheinigung vor, obwohl inhaltlich unmissverständlich darauf hingewiesen werde, dass nur ein Original anzuerkennen sei. Aus der täglichen Praxis könne die Beklagte dazu vortragen, dass durch die Anfertigung von qualitativ hochwertigen Kopien wiederholt Fälschungen zur Erlangung von Aufträgen missbräuchlich zum Einsatz gekommen seien. Nur eine Originalunbedenklichkeitsbescheinigung könne die notwendige Authentizität gewähr-leisten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen In-halt der Gerichtsakte sowie der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da der Sachver¬halt geklärt war und die Streitsache auch keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 08.05.2008 in der Gestalt des Wi¬derspruchsbescheides vom 21.08.2009 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn dieser Bescheid ist rechtswidrig.

Rechtsgrundlage für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkver¬trages im Baugewerbe ist § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII in der hier maßgeblichen, bis zum 01.10.2009 geltenden Fassung, der § 28 e Abs. 3 a SGB IV entsprechend anwendbar er¬klärt. Nach § 28 e Abs. 3 a SGB IV haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 175 Abs. 2 SGB III beauftragt, für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Auf den Haftungsanspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin findet aber nicht nur der Absatz 3 a sondern finden auch die Absätze 3 b - 3 f des § 28 e SGB IV Anwendung. Denn die Gesetz gewordene Fassung des § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII in der bis zum 01.10.2009 geltenden Fassung beinhaltete eine Gesetzeslücke in Form eines Redaktions¬versehens des Gesetzgebers, der im Rahmen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung durch eine Erweiterung der Verweisung des § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII auf die Absätze 3 a - 3 f des § 28 i SGB IV zu schließen war (vergleiche BSG, Urteil vom 27.05.2008 - B 2 U 11/07 R). Nach dem somit anwendbaren § 28 e Abs. 3 b SGB IV in der hier maßgeblichen bis zum 01.10.2009 geltenden Fassung entfällt die Haftung nach § 28 e Abs. 3 a SGB IV, "wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt". Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/8221,15) besteht eine Haftung nicht, wenn der Generalunternehmer nachweist, dass er bei der Auswahl des Nachunterneh¬mers die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns angewandt hat. Nach Auffassung des Gerichts hat die Klägerin hier nachgewiesen, dass sie bei der Aus-wahl des Nachunternehmers T GmbH die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns aufgewandt hat, sodass eine Haftung nach § 150 Abs. 3 SGB VII nicht besteht. Dieser Nachweis ist der Klägerin insbesondere durch die Vorlage der von der Beklagten ausgestellten Unbedenklichkeitsbescheinigungen für die Firma T GmbH gelungen, die den Zeitraum vom 11.06.2002 bis zum 14.08.2003 betroffen haben. Derartige Unbedenklichkeitsbescheinigungen werden von der Beklagten grundsätzlich nur dann ausgestellt, wenn das Beitragskonto des Mitgliedsunternehmens ausgeglichen ist. Kommt ein Unternehmer seinen Beitragsverpflichtungen nicht oder nur teilweise nach, werden ihm die angeforderten Unbedenklichkeitsbescheinigungen versagt. Die Klägerin konnte dementsprechend auf Grund der von der Beklagten ausgestellten Un¬bedenklichkeitsbescheinigungen davon ausgehen, dass zum Zeitpunkt der Auftragsertei¬lungen für die hier in Rede stehenden vier Bauprojekte, die sämtlich im Zeitraum vom Juni 2002 bis zum 14.08.2003 lagen, die Firma T GmbH ihren Beitragsverpflichtungen in vollem Umfang nachgekommen ist und ihr Beitragskonto bei der Beklagten ausgeglichen war. Auch wenn die letzte von der Beklagten für die Firma T ausgestellte Unbedenklich-keitsbescheinigung am 14.08.2003 ungültig geworden ist, war die Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mehr verpflichtet, sich weitere, über dieses Datum hinaus¬gehende Bescheinigungen vorzulegen. Wie bereits dargelegt, muss der Generalunterneh¬mer nach der Gesetzesbegründung "bei der Auswahl des Nachunternehmers" nachwei¬sen, dass er die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns aufgewandt hat. Bei der Auswahl der Firma T GmbH, d.h. bei der Auftragserteilung, hat die Klägerin - wie dargelegt - diese Sorgfaltspflicht aufgewandt. Nach der Auftragserteilung war die Klägerin zu einer weiteren Überwachung ihres Subunternehmers hinsichtlich der Beitragszahlung nicht mehr verpflichtet. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass - worauf auch die Beklagte hingewiesen hat - , die Art und Weise der Entlastung des Generalunternehmers bis zum 01.10.2009 durch das Gesetz nicht konkretisiert war und auch höchstrichterlich nicht entschieden war. Dies war der Beklagten offenbar selbst nicht klar. So hat die Beklagte die Klägerin im Verwal¬tungsverfahren zunächst aufgefordert, auch Unbedenklichkeitsbescheinigungen weiterer Sozialversicherungsträger und Behörden vorzulegen, und - als dies dann geschehen ist - die Auffassung vertreten, die Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Finanzbehörden und der Krankenkassen sei nicht geeignet, auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Zahlungspflicht auch gegenüber der BG Bau schließen zu dürfen. Dieser Vortrag der Beklagten belegt zugleich, dass es hier entscheidend auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Beitragspflichten gegenüber der Beklagten ankommt. Die ordnungsgemäße Erfüllung der Beitragspflichten durch die Firma T GmbH hat die Klägerin durch die Vorlage der von der Beklagten ausgestellten Unbedenklichkeitsbescheinigungen aber gerade nachgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts dürfen aufgrund der bis zum 01.10.2009 weitgehend unge¬klärten Rechtslage auch keine zu hohen Anforderungen an die Exkulpationsmöglichkeit des Generalunternehmers gestellt werden. Diese Exkulpation ist nach Auffassung des Ge¬richts erfolgt, wenn der Generalunternehmer - wie hier - zum Zeitpunkt der Auswahl des Nachunternehmers von der Beklagten ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorlegen konnte. Dieses Ergebnis wird auch durch die ab dem 01.10.2009 geltende Rechtslage bestätigt: Nach § 150 Abs. 3 Satz 2 SGB VII in der ab dem 01.10.2009 geltenden Fassung hat der Nachunternehmer oder der von diesem beauftragte Verleiher als Nachweis nach § 28 e Abs. 3 f des Vierten Buches eine qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Unfallversicherungsträgers vorzulegen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/12596, S 12) ist gemäß § 28 e Abs. 3 b Satz 2 des Vierten Buches, der im Bereich der Unfallversicherung entsprechend anzuwenden ist, künftig eine Entlastung des Generalunternehmers allein über die Präqualifikation des Auftragnehmers möglich. Bis auf weiteres sollen jedoch - wie in der übrigen Sozialversicherung - auch in der Unfallversicherung Unbedenklichkeitsbescheinigungen als zweite Entlastungsmöglichkeit genutzt werden dürfen. Wenn dementsprechend ab dem 01.10.2009 auch in der Unfallversicherung Unbedenklichkeitsbescheinigungen als zweite Entlastungsmöglichkeit genutzt werden dürfen, besteht kein Anlass, dies für die vor dem 01.10.2009 geltende Rechtslage anders zu beurteilen.

Nach Auffassung des Gerichts war es schließlich - im Gegensatz zur Auffassung der Be-klagten - auch nicht erforderlich, dass die Klägerin eine Originalunbedenklichkeitsbeschei¬nigung vorgelegt hat. Die Vorlage einer Originalunbedenklichkeitsbescheinigung ist nach Auffassung des Gerichts nur dann erforderlich, wenn im konkreten Fall der Verdacht einer Fälschung besteht. Dass die für die Firma T GmbH ausgestellten Unbedenk¬lichkeitsbescheinigungen der Beklagten vom 11.06.2002 bzw. vom 28.04.2003 gefälscht worden sind, hat die Beklagte jedoch - soweit ersichtlich - nicht vorgetragen. Darüber hinaus gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Unbedenklichkeitsbe¬scheinigungen vom 11.06.2002 bzw. vom 28.04.2003 gefälscht worden sind.

Nach Auffassung des Gerichts kommt es hier auch nicht entscheidend darauf an, dass die Firma T GmbH für die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer die Meldungen zur Sozialversicherung nicht, bzw. in unzutreffender Höhe abgegeben hatte und der Klägerin bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte auffallen müssen, dass der ihr von der Firma T GmbH in Rechnung gestellte Stundenverrechnungssatz zwischen 24,00 und 25,00 EUR unter dem Selbstkostenpreis gelegen hat. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin hierzu - von der Beklagten unwidersprochen - vorgetragen hat, der von der Firma T GmbH veranlagte Stundensatz habe im Jahr 2003 in jeder Hinsicht den der Klägerin angebotenen und üblichen Stundensätzen von anderen Unternehmen entsprochen. Darüber hinaus kommt es nach Auffassung des Gerichts auf die Frage, ob das Angebot der Firma T auffallend zu niedrig war hier auch nicht an. Wie bereits dargelegt, ist entscheidend die Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Beklagten.

Die Klage musste nach alledem Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1, 3.HS SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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