L 5 R 195/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 17 R 313/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 195/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 4/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Rentenversicherungsträger kann einen einmal ergangenen Bescheid, mit dem die Erstattung von nach dem Tod des Versicherten überzahlten Rentenleistungen verlangt wird, zu Lasten des Empfängers bzw. Verfügenden nur nach Maßgabe des § 45 SGB X korrigieren.

2. Das Bestehen von Hinterbliebenenansprüchen beeinflusst nicht die Höhe der überzahlten Rentenleistungen und wirkt sich somit auf die Erstattungspflicht nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI nicht aus.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. April 2015 abgeändert und die Bescheide der Beklagten vom 13. August 2013 und 18. November 2013 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 8/9 und die Beklagte 1/9.

III. Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 78.310,53 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung überzahlter Rentenleistungen in Höhe von 78.310,53 EUR.

Der Kläger ist eines der leiblichen Kinder des 1926 geborenen Versicherten C. A., der von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen als Rechtsvorgängerin der Beklagten ab 1. April 1980 zunächst eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezog (Rentenbescheid vom 18. Juli 1980), die mit Wirkung zum 1. November 1991 in Altersruhegeld umgewandelt wurde (Rentenbescheid vom 4. Mai 1994). Das Altersruhegeld wurde auf das Konto des Versicherten bei der EX. Bank Privat- und Geschäftskunden E-Stadt (EX.) überwiesen.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2011 teilte das Bundeszentralamt für Steuern der Beklagten mit, dass der von ihr in Bezug auf den Versicherten übermittelte und am 16. April 2011 erstellte Datensatz zurückgewiesen worden sei. Es habe insoweit keine eindeutige Zuordnung zu einer Identifikationsnummer vorgenommen werden können, weil für Versicherte, die vor dem 1. Januar 2007 verstorben seien, keine solche Nummer vergeben werde.

Auf ihre Anfrage hin erhielt die Beklagte vom Standesamt A-Stadt die Auskunft, dass der Versicherte am xx. Juli 1994 in D./Türkei verstorben sei, eine Sterbeurkunde allerdings nicht erhältlich sei (Mitteilung vom 17. August 2011). Daraufhin wurden die Rentenzahlungen an den Versicherten mit Ablauf des Monats September 2011 eingestellt (Mitteilung des H. Rentenservice vom 1. September 2011).

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 forderte die Beklagte von der E. Bank EX. überzahlte Rentenleistungen in Höhe von 69.934,49 EUR zurück. Außerdem bat sie um Auskunft über Name und Anschrift der Kontoverfügungsberechtigten sowie Erben und Angehörigen des Versicherten.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 teilte die E. Bank EX. der Beklagten mit, dass der Kläger und F. A., seine Schwester, über das Konto des Versicherten verfügungsberechtigt seien. Außerdem übersandte sie die Kontoumsätze für den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 30. September 2011. Die Umsätze für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 lägen ihr nicht mehr vor.

Ausweislich des Vermerks der Beklagten vom 31. Januar 2012 ergab die Auswertung der Kontoumsätze unter anderem, dass das Geldinstitut zur Deckung der Kosten für den Kontoabschluss insgesamt 1.542,32 EUR verwendet und der Kläger zusammengerechnet Zahlungen in Höhe von 60.655,94 EUR empfangen habe. Die überzahlten Rentenleistungen beliefen sich auf 69.946,35 EUR.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2012 hörte die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht an, von ihm 69.946,35 EUR erstattet zu verlangen. Von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme machte der Kläger mit Schriftsatz vom 22. Februar 2012 Gebrauch, indem er seine Kontoverfügungsbefugnis einräumte, aber vorbrachte, die Gelder nicht vereinnahmt zu haben. Er habe die Rente zunächst an seinen in der Türkei lebenden Vater überwiesen. Nach dessen Tod sei er davon ausgegangen, dass es sich bei den Rentenzahlungen um die Witwenrente seiner heute noch in der Türkei lebenden Mutter handele. Er sei nicht bereichert.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2012 stellte die Beklagte eine vom Kläger zu erstattende Überzahlung von 69.946,35 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus, dass der Versicherte am xx. Juli 1994 verstorben sei. Die über den Sterbemonat hinaus überwiesenen Rentenleistungen seien daher zu Unrecht erbracht worden. Über diese Rentenleistungen habe der Kläger verfügt.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 19. März 2012 Widerspruch. Eine Überzahlung in Höhe von 69.946,35 EUR könne schon deshalb nicht vorliegen, weil die seiner Mutter zustehende Witwenrente zu berücksichtigen und in Abzug zu bringen sei.

Mit Schreiben vom 19. März 2012, am 4. Mai 2012 bei der Beklagten eingegangen, stellte die Mutter des Klägers, G. A., vorsorglich Antrag auf Witwenrente, deren monatliche Zahlungen mit der Rückforderung verrechnet werden sollten. Diesen Vorgang gab die Beklagte an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Nordbayern als zuständige Verbindungsstelle für das deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen ab, die schließlich ihrerseits die Unterlagen an die DRV Knappschaft-Bahn-See weiterleitete.

Mit Schreiben vom 11. Juni 2012 forderte die Beklagte die E. Bank EX. auf, 1.542,32 EUR zurückzuzahlen. Daraufhin teilte das Geldinstitut mit, dass das Konto des Versicherten am 19. Juni 2012 geschlossen und der Saldo zu ihren Lasten ausgeglichen worden sei. Die Beklagte möge sich daher an den Verfügungsberechtigten wenden (Schreiben vom 20. Juni 2012).

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung heißt es, dass der Anspruch auf Rente nur bis zum 31. Juli 1994 bestanden habe. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Rentenzahlungen über diesen Zeitpunkt hinaus zu Recht erfolgt seien. Es sei allgemein bekannt, dass mit dem Tode eines Rentenberechtigten kein Rentenanspruch mehr bestehe. Der Kläger habe den Angaben des Geldinstituts zufolge erwiesenermaßen über die nach dem Tod des Versicherten ausgezahlten Rentenbeträge verfügt und sei somit verpflichtet, als Empfänger und Verfügender den überzahlten Rentenbetrag zurückzuzahlen. Dem Kläger hätte bewusst sein müssen, dass die Witwenrente für seine Mutter zunächst hätte beantragt werden müssen. Auch sei allgemein bekannt, dass Witwenrente nicht in Höhe der Versichertenrente weitergewährt werde. Eine etwaige Witwenrentengewährung lasse den Rückzahlungsanspruch in Höhe von 69.946,35 EUR unberührt. Dieser Betrag werde allerdings herabgesetzt, sofern das Geldinstitut vorrangig zur Rückzahlung verpflichtet sein sollte. Diese Rückzahlungspflicht bestehe in Höhe von maximal 1.542,32 EUR.

Am 16. August 2012 erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Gießen Klage.

Nachdem die E. Bank EX. einen Betrag von 1.542,32 EUR gezahlt und sie von der DRV Knappschaft-Bahn-See die Mitteilung erhalten hatte, dass der Versicherte laut Auskunft des türkischen Einwohnermeldeamtes und des türkischen Versicherungsträgers bereits am xx. Juli 1991 verstorben sei, stellte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 13. August 2013 eine vom Kläger zu erstattende Überzahlung von 89.320,89 EUR fest. Aufgrund des ihr nunmehr bekannt gewordenen Sterbedatums des Versicherten seien sämtliche seit Rentenbeginn am 1. November 1991 geleisteten Altersruhegeldbeträge zu Unrecht erbracht worden und daher zu erstatten. Die Höhe der Erstattungsforderung ergebe sich aus der anliegenden Berechnung. Nachdem der Kläger hiergegen mit Schriftsatz vom 13. September 2013 Widerspruch erhoben bzw. im Klageverfahren vorgebracht hatte, dass eine Erweiterung der Forderung um 19.374,54 EUR nicht gerechtfertigt sei, weil die Beklagte DM- mit Euro-Beträgen verwechselt habe und daher allenfalls weitere 9.906,05 EUR verlangen könne, stellte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 18. November 2013 die vom Kläger zu erstattende Überzahlung mit nunmehr 78.310,53 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus, die überzahlten Rentenbeträge fehlerhaft berechnet zu haben und dass die Teilzahlung der E. Bank EX. unberücksichtigt geblieben sei. Für den Zeitraum vom 1. August 1991 bis 31. Oktober 1991 verzichtete die Beklagte hingegen auf die Feststellung überzahlter Rentenbeträge.

Zur Begründung seiner Klage machte der Kläger geltend, der Erstattungsanspruch könne nicht allein darauf gestützt werden, dass er Verfügungsberechtigter des Kontos gewesen sei, auf das die Rentenzahlungen geleistet worden seien. Die Zahlungen seien seinem Vermögen nicht zugeflossen und er hierdurch nicht bereichert. Er sei nicht Verfügender, weil er nur beauftragt gewesen sei, die eingehenden Rentenzahlungen in die Türkei weiterzuleiten. Zu anderen Verfügungen sei er dagegen nicht befugt gewesen. Die Beklagte sei nicht auf sein schutzwürdiges Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Zahlungen eingegangen, das wegen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auch in Erstattungsstreitigkeiten wie der vorliegenden angemessen berücksichtigt werden müsse. Er sei nicht bösgläubig gewesen. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, die Ansprüche seiner Mutter auf Witwenrente mit der Erstattungsforderung der Beklagten zu verrechnen. Seine Mutter habe ihre Ansprüche auf Witwenrente zwischenzeitlich an ihn abgetreten (Vorlage der Abtretungserklärung vom 15. bzw. 30. Juli 2012). Insoweit erkläre er die Aufrechnung.

Demgegenüber erwiderte die Beklagte, dass der Kläger als Empfänger bzw. Verfügender über die nach dem Sterbemonat zu Unrecht geleisteten Zahlungen zur Rückzahlung verpflichtet sei. Auf etwaige Vertrauensschutzgesichtspunkte komme es nicht an.

Im Anschluss an den am 12. November 2014 durchgeführten Erörterungstermin trug der Kläger weiter vor, dass die Erstattungsforderung aufgrund der von der DRV Knappschaft-Bahn-See vorgenommenen Einbehalte von 5.534,83 EUR aus der Rentennachzahlung und monatlich 101,01 EUR von den laufenden Rentenzahlungen ab 1. September 2013 zu reduzieren sei. Hierauf entgegnete die Beklagte, die von der E. Bank EX. erhaltene Zahlung über 1.542,32 EUR zwischenzeitlich in Abzug gebracht zu haben. Weitere Zahlungen habe sie nicht erhalten. Das Konto des Versicherten sei mit einem Saldo geschlossen worden. Offenkundig hätten keine weiteren Beträge zur Verfügung gestanden, die ihr hätten erstattet werden können.

Durch Urteil vom 28. April 2015 wies das Sozialgericht die Klage ab, weil die Beklagte vom Kläger zu Recht für den Zeitraum von November 1991 bis September 2011 überzahlte Rentenleistungen zurückfordere. Der Vater des Klägers habe ab November 1991 zu Unrecht Altersruhegeld erhalten. Hierüber habe der Kläger auch verfügt. Seine Mutter dagegen habe nicht auf das Konto zugegriffen. Mit den Überweisungen an sie habe der Kläger ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen. Die Beklagte habe die von dem Geldinstitut zurückzuzahlenden Beträge als vorrangig in Abzug gebracht. Weitere Guthaben seien nicht vorhanden gewesen. Vertrauensschutzgesichtspunkte seien im Rahmen von Erstattungsstreitigkeiten wie der vorliegenden nicht heranzuziehen. Ebenso sei es dem Kläger verwehrt, mit dem an ihn abgetretenen Anspruch seiner Mutter auf Witwenrente gegen den Erstattungsanspruch der Beklagten aufzurechnen. Abgesehen davon, dass eine Abtretung von Sozialleistungen gesetzlich nur begrenzt möglich sei, bestünde vorliegend schon keine Aufrechnungslage, weil es an der Gegenseitigkeit der Forderungen fehle. Schließlich habe auch der ursprüngliche Erstattungsbescheid durch den Bescheid vom 13. August 2013 geändert werden können, weil insofern nicht der zurückzuzahlende Betrag für den gleichen Zeitraum zu Lasten des Klägers erhöht, sondern ausschließlich ein weiterer Zeitraum berücksichtigt worden sei, für den der ursprüngliche Bescheid keine Regelung getroffen habe.

Gegen das ihm am 27. Mai 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Juni 2015 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung verweist er auf sein erstinstanzliches Vorbringen und macht ergänzend die Einrede der Verjährung geltend. Außerdem sei nicht nachgewiesen, dass er sämtliche Verfügungen vorgenommen habe. Er habe zwar die meisten Überweisungen getätigt. Allerdings komme als weitere Verfügende auch seine Schwester, F. A., in Betracht, die sich teilweise in Deutschland aufgehalten habe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. April 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2012 und die Bescheide vom 13. August 2013 und 18. November 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, ihr Erstattungsanspruch sei nicht verjährt. Kenntnis von der Überzahlung und von dem Erstattungspflichtigen habe sie erst durch das Schreiben der E. Bank EX. vom 23. Januar 2012 erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogene Versichertenakte des C. A., deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie hat aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. April 2015 ist rechtsfehlerhaft ergangen, soweit es die Klage auch abgewiesen hat, als die Beklagte vom Kläger die Erstattung von mehr als 69.946,35 EUR verlangt. Insoweit sind die beiden Bescheide der Beklagten vom 13. August 2013 und 18. November 2013 rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Demgegenüber ist der Bescheid vom 28. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2012 (§ 95 SGG) rechtmäßig ergangen.

Streitgegenständlich ist die Erstattung der nach dem Tod des Versicherten im Zeitraum vom 1. November 1991 bis 30. September 2011 überzahlten Rentenleistungen. Neben dem Bescheid vom 28. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2012 sind dabei auch die Bescheide der Beklagten vom 13. August 2013 und 18. November 2013 angefochten, die das ursprüngliche Erstattungsverlangen über 69.946,35 EUR im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG geändert haben, indem es zunächst auf 89.320,89 EUR erhöht und anschließend wieder auf 78.310,53 EUR reduziert worden ist. Insgesamt betrachtet ist also die Beschwer des Klägers in Bezug auf den Streitgegenstand bzw. das Prozessziel verstärkt worden, weshalb beide Bescheide kraft Gesetzes zum Gegenstand des erstinstanzlichen Klageverfahrens geworden sind. Gegen das Erstattungsverlangen der Beklagten wendet sich der Kläger mit der isolierten Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Klage ist begründet, soweit die Beklagte mehr als 69.946,35 EUR vom Kläger erstattet verlangt. Denn sie war nicht berechtigt, ihre ursprünglich mit Bescheid vom 28. Februar 2012 festgesetzte Erstattungsforderung zu Lasten des Klägers zu erhöhen.

An den Regelungsgehalt des Erstattungsbescheides vom 28. Februar 2012 war die Beklagte bereits im Zeitpunkt seiner Wirksamkeit (§ 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X)) gebunden (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2017, § 77 Rdnr. 5a m.w.N.). Anders als das Sozialgericht meint, erstreckt sich dieser Regelungsgehalt dabei nicht auf einen bestimmten Zeitraum mit der Folge, dass die Beklagte frei gewesen wäre, ihr Erstattungsverlangen nachträglich auch auf andere Zeiträume zu erweitern. Dass die Beklagte ursprünglich eine derartige, zeitraumbezogene Regelung getroffen hatte, lässt sich weder den beiden Verfügungssätzen des Bescheides vom 28. Februar 2012 noch der hierzu gegebenen Begründung (§ 35 SGB X) oder den sonstigen, mit dem Erstattungsverlangen zusammenhängenden Umständen entnehmen, die zur Auslegung des Regelungsgehalts eines Verwaltungsaktes nach dem Empfängerhorizont (vgl. hierzu grundlegend: BSG, Urteil vom 28. Juni 1990, 4 RA 57/89 - juris Rdnr. 31 m.w.N.) regelmäßig herangezogen werden können. Ausgehend hiervon durfte und musste der Kläger den Bescheid vom 28. Februar 2012 dahingehend verstehen, dass die Beklagte wegen der nach dem Tod seines Vaters überzahlten Rentenleistungen von ihm insgesamt 69.946,35 EUR erstattet verlangt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei nur um eine vorläufige Entscheidung gehandelt bzw. die Beklagte sich vorbehalten haben könnte, nachträglich eine höhere Erstattung gegenüber dem Kläger geltend zu machen, lassen sich dem Bescheid ebenfalls nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Beklagte irrtümlich von einem späteren Sterbedatum des Versicherten sowie deshalb von einem zu kurz bemessenen Erstattungszeitraum und infolgedessen von einer zu geringen Erstattungsforderung ausgegangen war, genügt hierfür nicht. Dies ändert nichts am Regelungsgehalt des Bescheides, sondern führt allein zu dessen anfänglicher Rechtswidrigkeit.

Aus § 39 Abs. 2 SGB X ergibt sich, dass die Beklagte an den Regelungsgehalt ihres Bescheides vom 28. Februar 2012 gebunden ist, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Damit nimmt diese Vorschrift im Wesentlichen Bezug auf die §§ 44 ff. SGB X. Zu einer Korrektur ihres ursprünglichen Erstattungsverlangens wäre die Beklagte also nur unter Beachtung der dort normierten Einschränkungen berechtigt gewesen.

Dies richtet sich vorliegend nach § 45 SGB X.

Nach Auffassung des Senats wird § 45 SGB X nicht durch § 118 Abs. 4 SGB VI verdrängt, aus dem sich nichts Abweichendes im Sinne von § 37 Satz 1, 1. Halbs. Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) ergibt.

Dem steht zunächst nicht entgegen, dass sich der Gesetzesbegründung zufolge für den sich aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ergebenden Anspruch die §§ 45 ff. SGB X keine Anwendung finden (vgl. BT-Drucks. 13/2590, S. 25). Diese Erläuterung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass sich der Erstattungsverpflichtete im Rahmen des § 118 Abs. 4 SGB VI nicht auf die Vertrauensschutzregelungen des § 50 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. §§ 45 ff. SGB X berufen kann (vgl. Kühn, in: Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl. 2017, § 118 Rdnr. 68). Allein im Verhältnis zu § 50 Abs. 2 SGB X ist deshalb § 118 Abs. 4 SGB VI als Spezialvorschrift anzusehen mit der Folge, dass die §§ 45 bzw. 48 SGB X nicht entsprechend anwendbar sind (vgl. Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, 3. Aufl., Stand: März 2017, § 118 SGB VI Rdnr. 32).

Darüber hinaus ist im Rahmen des § 118 Abs. 4 SGB VI dem Erstattungspflichtigen die Berufung auf den Vertrauensschutz der §§ 45 ff. SGB X auch nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, mithin bis zum Erlass des Erstattungsbescheides (vgl. § 8 SGB X), verwehrt. Die Korrektur eines bereits ergangenen Erstattungsbescheides im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 2 SGB VI richtet sich hingegen - wie auch bei anderen Verwaltungsakten - nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X. Eine derartige Korrektur erfolgt indessen stets in einem weiteren, eigenständigen Verwaltungsverfahren, zu dem sich § 118 Abs. 4 SGB VI jedoch gerade nicht verhält. Dass der Rentenversicherungsträger die einmal festgesetzte Erstattungsforderung jederzeit und ohne Weiteres zu Lasten des Verpflichteten abändern können soll, lässt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 118 Abs. 4 SGB VI ableiten. Denn § 118 Abs. 4 SGB VI trägt allein dem öffentlichen Interesse Rechnung, dass Rentenzahlungen, die von Dritten zu Unrecht empfangen oder über die Dritte gegenüber dem Rentenversicherungsträger zu Unrecht verfügt haben, von dem Empfänger oder Verfügenden zurückerstattet werden (vgl. Pflügler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand: 8. Februar 2018, § 118 SGB VI Rdnr. 39). Diesem öffentlichen Interesse ist aber schon dadurch Genüge getan, dass sich der Empfänger bzw. Verfügende anlässlich der Feststellung der Erstattungsforderung nicht auf Vertrauensschutz berufen können soll. Eines weitergehenden Vertrauensschutzausschlusses bedarf es insoweit nicht.

Aus der Systematik des Gesetzes ergibt sich schließlich ebenfalls nichts anderes, wie sich anhand des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB X zeigt. Dort ist geregelt, dass ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 SGB X durch den Erstattungsanspruch gegen den Empfänger bzw. Verfügenden im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI unberührt bleibt. Da die Bewilligung über die überzahlte Geldleistung mit dem Tode des Versicherten nach § 39 Abs. 2 SGB X unwirksam wird, ist insoweit § 50 Abs. 2 SGB X einschlägig, wobei allerdings die Vertrauensschutzregeln des § 45 Abs. 2 SGB X und die Einjahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gelten, sodass für den Rentenversicherungsträger - sofern er die Wahl haben sollte - die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI gegenüber der Inanspruchnahme eines Erben nach § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i. V. m. § 50 Abs. 2 SGB X von Vorteil ist (vgl. Körner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 99. Erg.-Lfg. 2018, § 118 SGB VI Rdnr. 31 m.w.N.).

Der Anwendungsbereich des § 45 SGB X ist vorliegend eröffnet, weil der Bescheid vom 28. Februar 2012 auch zugunsten des Klägers einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet hat. Insoweit handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X.

Der Bescheid vom 28. Februar 2012 hat für den Kläger Doppelwirkung. Auf den ersten Blick enthält er zwar eine Belastung, mithin einen Eingriff in die Rechtsposition des Klägers dergestalt, dass er an die Beklagte einen Betrag von 69.946,35 EUR zu erstatten hat. Andererseits regelt der Bescheid aber zugleich, dass der Kläger auch keinen höheren als eben jenen Betrag erstatten muss. Soweit später diese Begünstigung - nach zutreffender Feststellung der bereits ab einem früheren Zeitpunkt überzahlten Rentenleistungen - zu seinen Lasten revidiert werden soll, geht es folglich ausschließlich darum, diesen rechtlichen Vorteil des ursprünglichen Erstattungsbescheides zu beseitigen, mithin einen anfänglich rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne von § 45 SGB X zurückzunehmen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X für die Rücknahme eines anfänglich rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes ohne Dauerwirkung mit Wirkung nur für die Zukunft sind zweifelsohne erfüllt, weil für den Kläger aus der mit dem Bescheid vom 28. Februar 2012 gegebenen Begründung klar erkennbar und ganz offenkundig ein späteres und damit unzutreffendes Sterbedatum seines Vaters hervorgeht, sodass er die Rechtswidrigkeit des Erstattungsverlangens über 69.946,35 EUR gekannt bzw. jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hatte mit der Folge, dass er sich von vornherein nicht auf Vertrauensschutz berufen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).

Als Rechtsfolge ordnet § 45 Abs. 1 SGB X jedoch an, dass die Rücknahme der Begünstigung im Ermessen des Leistungsträgers steht, sofern sich - wie hier - aus den besonderen Teilen des Sozialgesetzbuches (vgl. § 37 SGB I) nichts Abweichendes ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur: BSG, Urteil vom 15. Februar 1990, 7 RAr 28/88 = BSGE 66, 204 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 1; BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990, 11 RAr 3/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 5; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, B 13 R 9/11 R = SozR 4-2600 § 77 Nr. 10; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012, B 10 LW 2/11 R = SozR 4-5868 § 12 Nr. 1; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2012, B 12 R 14/11 R = BSG SozR 4-1300 § 45 Nr. 15). Dabei ist auch bei einer sogenannten Ermessensreduzierung auf Null - wenn also nach dem festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen ist, dass Umstände vorliegen, die eine anderweitige, den Betroffenen ganz oder teilweise begünstigende Entscheidung rechtsfehlerfrei zulassen - eine Ermessensentscheidung der Behörde erforderlich, die jedoch nicht schriftlich begründet werden muss (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1997, 4 RA 71/96 - juris).

Dass die Beklagte vorliegend eine derartige Ermessensentscheidung getroffen hat, kann ihren Bescheiden vom 13. August 2013 und 18. November 2013 nicht entnommen werden. Die Beklagte hat erkennbar von dem ihr durch § 45 SGB X eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht (Ermessensnichtgebrauch), sondern hat den vom Kläger zu erstattenden Betrag schlichtweg erhöht, offenkundig in der rechtsirrigen Annahme, hierzu ohne weiteres berechtigt zu sein. Sie hat mithin das ihr eingeräumte Ermessen nicht nach außen, für den Kläger erkennbar betätigt und demnach auch keine entsprechende Begründung (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X) abgegeben, sodass sich ihre Rücknahmeentscheidung in Form der Erhöhung des Erstattungsbetrags von 69.946,35 EUR auf schließlich 78.310,53 EUR allein aus diesem Grund als rechtswidrig erweist.

Der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2012 dagegen ist rechtmäßig ergangen. Er stützt sich auf § 118 Abs. 4 SGB VI. Erstattungsansprüche wie den hier streitigen hat der Rentenversicherungsträger gemäß § 118 Abs. 4 Satz 2 SGB VI durch Verwaltungsakt geltend zu machen.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig ergangen, insbesondere ist der Kläger vor dessen Erlass mit Schreiben der Beklagten vom 6. Februar 2012 ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 SGB X).

Auch aus materiell-rechtlicher Sicht ist der Bescheid nicht zu beanstanden. Die Beklagte war berechtigt, den Kläger auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zur Erstattung von überzahlten Rentenleistungen in Höhe von 69.946,35 EUR heranzuziehen.

Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI trägt dabei - wie bereits dargelegt - dem öffentlichen Interesse Rechnung, dass Rentenzahlungen, die von Dritten zu Unrecht empfangen oder über die Dritte gegenüber dem Rentenversicherungsträger zu Unrecht verfügt haben, von dem Empfänger oder Verfügenden zurückerstattet werden. Dieser Gesetzeszweck gebietet eine möglichst weitgehende Auslegung der Begriffe "Empfänger" und "Verfügender" im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. Februar 2016, L 5 R 152/13 - juris Rdnr. 27). § 118 Abs. 4 SGB VI findet dabei auch dann Anwendung, wenn die Überzahlung vor seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1996 (vgl. Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995, BGBl. I, S. 1824) liegende Bezugszeiträume betrifft (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001, B 4 RA 64/99 R - juris Rdnr. 22).

Die Voraussetzungen des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sind vorliegend erfüllt.

Die Rentenleistungen, die für die Zeit ab 1. August 1991 - und damit freilich auch ab dem 1. November 1991 - dem Konto des Versicherten gutgeschrieben worden waren, sind zu Unrecht erbracht, weil der Rentenbezug des Versicherten infolge seines Todes am 28. Juli 1991 zum 31. Juli 1991 endete (§ 1294 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung von Art. 1 Nr. 37 des Gesetzes zur Neuregelung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeitengesetz - HEZG) vom 11. Juli 1985, BGBl. I, S. 1450). Mit dem Tod des Berechtigten erledigt sich der der Rentengewährung zugrunde liegende Verwaltungsakt kraft Gesetzes auf andere Weise nach § 39 Abs. 2 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001, B 4 RA 53/01 R = SozR 3-2600 § 118 Nr. 9; BSG, Urteil vom 5. Februar 2009, B 13 R 87/09 R = SozR 4-2600 § 118 Nr. 8; BSG, Urteil vom 3. Juni 2009, B 5 R 120/07 R = SozR 4-2600 § 118 Nr. 10). Insgesamt sind somit nach den Berechnungen der Beklagten im Zeitraum vom 1. November 1991 bis 30. September 2011 Rentenleistungen in Höhe von 79.852,85 EUR (1. November 1991 bis 31. Juli 1994: 19.374,54 DM (entspricht: 9.906,50 EUR); 1. August 1994 bis 30. September 2011: 69.946,35 EUR) überzahlt worden. Dass diese Rechenwerke der Beklagten unrichtig sein könnten, ist weder ersichtlich noch vom Kläger dargetan worden. Ihren Fehler, die vom 1. November 1991 bis 31. Juli 1994 überzahlten Rentenleistungen zunächst in Euro-Beträge ausgewiesen zu haben, hat die Beklagte entsprechend korrigiert.

Hinsichtlich der überzahlten Rentenleistungen ist der Kläger zumindest in einem Umfang von 69.946,35 EUR sowohl teilweise Empfänger wie zur Überzeugung des Senats auf jeden Fall auch Verfügender.

Der Kläger ist ausweislich der von der E. Bank EX. vorgelegten Kontoumsätze für die Zeit ab 1. Januar 1995 in Höhe von zusammen 59.571,39 EUR (47.475 DM (entspricht 24.273,58 EUR) und 35.297,81 EUR) ganz offenkundig Empfänger im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI der überzahlten Rentenleistungen. Er hatte zwar die Rentenleistungen des Versicherten nicht unmittelbar in Empfang genommen, sich diese aber von dessen Konto auf sein eigenes Konto überwiesen und sie somit durch sonstige übliche Bankgeschäfte an sich selber weitergeleitet.

Bezüglich der weiteren Überweisungen vom 5. November 2009 (650 EUR), 16. August 2010 (700 EUR), 3. September 2010 (350 EUR) und 6. Dezember 2010 (1.000 EUR), die nicht eindeutig zugunsten seines Kontos erfolgten und daher einer Erstattungspflicht als Empfänger entgegen stehen, ist der Kläger dagegen ebenso als Verfügender im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI anzusehen wie bezüglich der beiden Abbuchungen am Geldautomat (7.500 DM (entspricht 3.834,69 EUR) am 17. Juli 1995 und 1.100 EUR am 5. September 2011) und der sonstigen Auszahlungen von dem Konto des Versicherten in Höhe von zusammen 2.074,06 EUR (424,06 EUR und 250 EUR am 17. Februar 2011, 400 EUR am 9. März 2011 und 1.000 EUR am 16. Juni 2011). Insgesamt belaufen sich diese Verfügungen somit auf 9.708,75 EUR.

Als Verfügender kommt jede Person in Betracht, die dem Geldinstitut gegenüber wirksam zu Lasten des Kontos verfügt, also Rechtsgeschäfte vorgenommen hat, die unmittelbar darauf gerichtet waren, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben, also jeder berechtigte Dritte, der den Kontenstand unter einen der überzahlten Rentenleistungen entsprechenden Betrag gesenkt hat, sodass im Zeitpunkt der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers kein ausreichendes Guthaben vorhanden war (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2012, B 13 R 105/11 R - juris Rdnr. 29 m.w.N.). Diese Voraussetzungen müssen im Vollbeweis vorliegen, das heißt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Dezember 2015, L 8 R 935/11 - juris Rdnr. 131).

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger bezüglich der besagten Überweisungen, Abbuchungen am Geldautomaten und sonstigen Auszahlungen zu Lasten des Kontos der Versicherten über insgesamt 9.708,75 EUR als Verfügender anzusehen ist.

Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, deshalb nicht Verfügender zu sein, weil er lediglich die Rentenleistungen an seine in der Türkei lebende Mutter weiterleiten sollte und zu keinen anderen Verfügungen befugt gewesen sei. Abgesehen davon, dass eine solche Verfügungsbeschränkung dem kontoführenden Geldinstitut offenkundig nicht bekannt war, wie dem Schreiben der E. Bank EX. vom 23. Januar 2012 zu entnehmen ist, verkennt der Kläger in diesem Zusammenhang den Begriff des "Verfügungsberechtigten" im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Denn die Erstattungspflicht des Verfügenden besteht unabhängig davon, ob er materiell (uneingeschränkt) verfügungsberechtigt ist. § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI stellt gerade nicht auf eine materielle Berechtigung ab, sondern es genügt, wenn die dem Geldinstitut bekannten Umstände auf eine Kontoführungsbefugnis des Verfügenden schließen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2008, B 5a/4 R 79/06 R - juris Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 5. Februar 2009, B 13/4 R 91/06 R - juris), mithin eine Verfügungsberechtigung nur ihrem äußeren Anschein nach besteht, der das Geldinstitut zur Ausführung banküblicher Vorgänge ohne weitere Prüfung berechtigt. Das ist bei den vorbezeichneten Bankgeschäften zweifelsohne der Fall gewesen.

Auf eine materielle Berechtigung des Verfügenden kann es schon deshalb nicht ankommen, weil § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI ausdrücklich bestimmt, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto eines Geldinstituts überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten. Mit dem Tod des Berechtigten kann der Zweck der Überweisung des Rentenversicherungsträgers an das Geldinstitut, nämlich die Erfüllung (§ 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog) des gegen ihn gerichteten Zahlungsanspruchs aus einem sozialen Recht der Alterssicherung (§ 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 und § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB I), nicht mehr erreicht werden, sodass eine bereits erfolgte Überweisung rechtsgrundlos und damit fehlgeschlagen ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2009, B 13 R 59/08 R = SozR 4-2600 § 118 Nr. 7). Ab diesem Zeitpunkt hat objektiv kein anderes Rechtssubjekt als der überweisende Rentenversicherungsträger einen Anspruch auf den zu Unrecht als Rente auf das Konto des verstorbenen Versicherten überwiesenen Betrag (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 2007, B 4 R 89/06 R - juris Rdnr. 70). Die Durchsetzung dieses Anspruchs ist dabei besonders geschützt durch den in § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI geregelten Vorbehalt, der gegenüber der Bank, den Erben als neuen Kontoinhabern und auch gegenüber Dritten wirkt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2016, B 13 R 22/15 R - juris Rdnr. 19). Jener Vorbehalt entsteht unabhängig davon, ob diese Personen von ihm Kenntnis haben, und schließt zugunsten des Rentenversicherungsträgers aus, dass ein rechtlich schutzwürdiges Vertrauen auf die Wirksamkeit von Verfügungen und Rechtshandlungen des Geldinstituts über den Betrag der fehlgeschlagenen Rentengutschrift entstehen kann, soweit das Überweisungskonto kein zur Erstattung ausreichendes Guthaben (mehr) aufweist (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2008, B 13 R 48/07 R = SozR 4-2600 § 118 Nr. 9). Der Vorbehalt bewirkt also, dass alle zivilrechtlichen Verfügungen, die nach dem Tod des Versicherten und nach einer nach § 118 SGB VI erlaubten und wirksamen Gutschrift getroffen wurden, gegenüber dem Rentenversicherungsträger unwirksam sind (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 2006, a.a.O., Rdnr. 73). Das bedeutet aber, dass letztlich jede Verfügung über die nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbrachten Rentenleistungen im Widerspruch zur materiellen Rechtslage steht, sofern sie nicht zugunsten des Rentenversicherungsträgers vorgenommen wird. Vor diesem Hintergrund ist es ausgeschlossen, dass § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI auf eine materiell-rechtliche Verfügungsberechtigung abstellt.

Soweit sich der Kläger mit Blick auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung auf ein schutzwürdiges Vertrauen beruft, folgt dem der Senat ebenfalls nicht. Denn anders als insbesondere § 50 Abs. 1 i. V. m. § 45, § 48 SGB X und § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X beinhaltet § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI gerade keine Vertrauensschutzregelung, sodass sich Empfänger und Verfügende im Sinne dieser Vorschrift nicht darauf berufen können, sie hätten auf ein "Behaltendürfen" des zu Unrecht erlangten Betrages vertraut (vgl. Pflüger, a.a.O., Rdnr. 152). Dies folgt im Übrigen - wie soeben dargelegt - auch aus dem in § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI geregelten Vorbehalt.

Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung greift auch sein Entreicherungseinwand nicht durch. Es ist unerheblich, dass er die Rentenleistungen nicht vereinnahmt, sondern an seine in der Türkei lebende Mutter weitergeleitet haben und deshalb nicht bereichert sein will, weil diese Leistungen nicht seinem Vermögen zugeflossen sind. Die Erstattungspflicht nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI besteht unabhängig davon, ob der Empfänger oder Verfügende bereichert ist (vgl. Körner, a.a.O., Rdnr. 28a). In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass es sich bei § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI um eine besondere öffentlich-rechtliche Grundlage einer verschärften bereicherungsrechtlichen Haftung der Anspruchsadressaten handelt. Diese verschärfte Haftung rechtfertigt sich allein durch das besondere Interesse des Versicherungsträgers als treuhänderischer Sachwalter der Mittel, die ihm seine Mitglieder durch ihre Beiträge zur Finanzierung (auch) der rentenversicherungsrechtlichen Geldleistungen zur Verfügung gestellt haben, fehlgegangene Zahlungen rückabzuwickeln (vgl. BSG, Urteil vom 4. August 1998, B 4 RA 72/97 R - juris Rdnr. 25). Diesem Schutzzweck entsprechend wird die Anwendbarkeit der Norm zugleich begrenzt. Sie kann daher als einschlägig nur dann und insoweit in Betracht kommen, als es gerade darum geht, einen der fehlgeschlagenen Rentenzahlung zuzuordnenden Geldzufluss rückabzuwickeln. In welchen Fällen von einem insofern ausreichenden Bezug ausgegangen werden kann, hat das Gesetz für den Erstattungsanspruch gegen den Verfügenden selbst ausdrücklich geregelt. Dieser kann gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 3 SGB VI nämlich nur dann und insoweit in Anspruch genommen werden, als er ein vorhandenes Guthaben unter einen dem Wert der Geldleistung (oder Gutschrift) entsprechenden Betrag (Schutzbetrag) gesenkt hat und das Konto bei Eingang der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers kein ausreichendes Guthaben aufweist, die Erstattung zu finanzieren. Erst Recht muss dies für denjenigen Empfänger einer Geldleistung gelten, dessen Begünstigung sich erst aus einem notwendig vorangegangenen Tun des Verfügenden ableitet. Nur dann ist er von beliebigen Personen unterscheidbar, denen ebenfalls ein Geldbetrag von dem Konto zugeflossen ist, auf das unter anderem auch die Rente des verstorbenen Versicherten überwiesen wurde, deren Begünstigung aber jedes rechtlich relevanten inneren Zusammenhangs mit dem Rentenbetrag entbehrt (vgl. zum Vorstehenden: BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011, B 4 RA 53/01 R - juris Rdnr. 30). Mit diesem Verständnis begegnet die verschärfte bereicherungsrechtliche Haftung der Empfänger und Verfügenden gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002, B 5 RJ 42/01 R = SozR 3-2600 § 118 Nr. 11).

Auch ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass eine andere Person die Überweisungen, Abbuchungen am Geldautomaten und sonstigen Auszahlungen zu Lasten des Kontos der Versicherten über insgesamt 9.708,75 EUR vorgenommen haben könnte. Namentlich die Schwester des Klägers, F. A., hatte zur Überzeugung des Senats nicht über das Konto des Versicherten nach dessen Tod verfügt.

Das ergibt sich schon aus den Einlassungen des Klägers im erstinstanzlich durchgeführten Erörterungstermin am 12. November 2014. Denn insoweit gab er bereitwillig an, dass die beiden anderen Kontoverfügungsberechtigten, seine Mutter und seine Schwester F., in der Türkei gewesen seien. Mangels Aufenthalts in Deutschland war es beiden daher denknotwendig unmöglich, von hier aus tatsächlich Verfügungen zu Lasten des Kontos vorgenommen zu haben. Mehr als ihre bloße Verfügungsberechtigung, die allerdings nicht für eine Inanspruchnahme durch den Rentenversicherungsträger gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ausreicht (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 10. Juli 2012, B 13 R 105/11 R - juris Rdnr. 29, 30) und die damit den Kläger auch nicht aus seiner eigenen Erstattungspflicht zumindest anteilig entlassen würde, ist vorliegend deshalb nicht nachgewiesen. Dass die Bankgeschäfte von der Türkei aus geführt worden sein könnten, lässt sich den vorgelegten Kontoumsätzen nicht entnehmen und wird auch vom Kläger nicht geltend gemacht.

Dass der Kläger erstmals im Berufungsverfahren vorträgt, seine Schwester F. komme ebenfalls als Verfügende in Betracht, weil sie sich teilweise in Deutschland aufgehalten und ebenfalls Geldbeträge für die Mutter in der Türkei abgehoben habe, rechtfertigt keine andere Sicht der Dinge. Ungeachtet dessen, dass sich der Kläger hiermit offensichtlich selbst widerspricht, ohne dass hierfür - außer der Annahme eines zielgerichteten Prozessverhaltens - nachvollziehbare Gründe erkennbar sind, ist sein dahingehender Vortrag letztlich zu unkonkret gehalten, um den Senat zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen (§ 103 SGG) zu veranlassen. Dies gilt umso mehr, als vorliegend eine Erstattung überzahlter Rentenleistungen für einen Zeitraum von beinahe 20 Jahren im Streit steht, in dem die einzelnen Bankgeschäfte mehreren Verfügenden zugeordnet werden müssten. Eine derartige Zuordnung setzt aber zunächst voraus, dass zumindest die jeweiligen Aufenthalte der Schwester des Klägers in Deutschland bekannt sind. Hierzu hat der Kläger indes nichts vorgetragen, weshalb es letztlich an substantiierten Anknüpfungspunkten für weitere Sachverhaltsermittlungen des Senats fehlt. Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte ("ins Blaue hinein") besteht auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Februar 2018, B 13 R 279/16 B - juris Rdnr. 21 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 14. Januar 2018, B 13 R 377/15 B - juris Rdnr. 12 m.w.N.).

Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten, dass der Kläger ab dem 1. Januar 1995 überzahlte Rentenleistungen in Höhe von insgesamt 69.280,14 EUR (59.571,39 EUR + 9.708,75 EUR) empfangen bzw. hierüber verfügt hat.

Darüber hinaus ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger auch die weiteren, vor dem 1. Januar 1995 überzahlten Rentenleistungen, die sich allein im Zeitraum vom 1. November 1991 bis 31. Juli 1994 auf zusammen 9.906,05 EUR belaufen, empfangen bzw. hierüber verfügt hat. Dass für den Zeitraum vor dem 1. Januar 1995 keine Kontoumsätze vorliegen, ist hierbei ohne Belang. Denn der Kläger hat selbst eingeräumt, auch jene Rentenleistungen empfangen bzw. hierüber verfügt zu haben, indem er angegeben hat, nach dem Tod seines Vaters die Rentenleistungen an seine in der Türkei lebende Mutter weitergeleitet zu haben. Hinweise dafür, dass Rentenleistungen nicht weitergeleitet worden sein könnten, ergeben sich für den Senat nicht. Das gilt vor allem auch deshalb, weil das Konto des Versicherten dann zum 30. Januar 1995 mehr als nur ein Guthaben in Höhe von 6.681,47 DM hätte aufweisen müssen. Auch insoweit musste sich der Senat somit nicht zu weiteren Sachverhaltsermittlungen gedrängt fühlen, zumal die von der Beklagten mit Bescheid vom 28. Februar 2012 geltend gemachte Erstattungsforderung von 69.946,35 EUR sich schon dann als rechtmäßig erweist, sofern der Kläger in der Zeit vor dem 1. Januar 1995 nur einen Betrag von 666,21 EUR empfangen bzw. hierüber verfügt hatte. Vor diesem Hintergrund ist es letztlich auch nicht entscheidungsrelevant und bedarf daher keiner weiteren Aufklärung, in welcher Höhe von den vom 1. November 1991 bis 31. Dezember 1994 überzahlten Rentenleistungen Kontoführungsgebühren beglichen worden waren, die vorrangig nach § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI von der E. Bank EX. zu erstatten wären (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 64/01 R = SozR 4-2600 § 118 Nr. 10). Diese Gebühren waren ganz offenkundig nicht so hoch, um damit eine vorrangige Erstattungspflicht des Geldinstituts zu begründen, infolge derer die nachrangige Erstattungspflicht des Klägers weniger als 666,21 EUR betragen würde.

Der Erstattungspflicht des Klägers aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI steht schließlich auch nicht ein weitergehender vorrangiger Erstattungsanspruch des Geldinstituts gemäß § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI entgegen. Denn in diesem Zusammenhang hat die E. Bank EX. mit Schreiben vom 20. Juni 2012 mitgeteilt, dass das Konto des Versicherten am 19. Juni 2012 geschlossen und der Saldo zu ihren Lasten ausgebucht worden ist. Mit ihrem abschließenden Hinweis, die Beklagte möge sich daher an die Verfügungsberechtigten wenden, hat die E. Bank EX. somit zu Recht geltend gemacht, gemäß § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI entreichert zu sein. Dies ist für den Senat anhand der von ihr vorgelegten Kontoumsätze auch durchaus nachvollziehbar. Denn bereits zum 5. September 2011, nachdem also die letzte Rentenleistung auf dem Konto eingegangen war und sich der Kläger 1.100 EUR hatte auszahlen lassen, wies das Konto lediglich noch ein Guthaben von 1,97 EUR aus, das allein wegen der weiterhin zu zahlenden Kontoführungsgebühren bis zum 19. Juni 2012 vollständig aufgebraucht gewesen sein musste.

Zu Unrecht wendet der Kläger gegen seine Erstattungspflicht über 69.946,35 EUR ein, dass hiervon die seiner Mutter G. A. zustehende Witwenrentenansprüche in Abzug gebracht werden müssen. Das folgt schon daraus, dass es sich bei den Renten wegen Alters (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) SGB I; § 33 Abs. 2 SGB VI; § 1245 Nr. 2 RVO) und Renten wegen Todes (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) SGB I; § 33 Abs. 4 SGB VI; § 1263 Abs. 1 RVO) um eigenständige Sozialleistungsansprüche im Sinne von § 11 SGB I handelt, die unabhängig voneinander gewährt werden. Die dem Konto des Versicherten nach dessen Tod gutgeschriebenen Rentenleistungen sind also nicht etwa deshalb nicht zu Unrecht im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI erbracht worden, weil seiner Witwe für denselben Zeitraum Witwenrente zugestanden hätte. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, dass jener Witwenrentenanspruch im Übrigen erst durch den Antrag vom 4. Mai 2012 für die Zeit ab 1. Mai 2011 zahlbar gemacht worden ist (§ 99 Abs. 2 SGB VI).

Der Erstattungsanspruch der Beklagten ist außerdem nicht durch Aufrechnung erloschen. Die vom Kläger erklärte Aufrechnung mit den an ihn abgetretenen Witwenrentenansprüchen seiner Mutter G. A. berührt die Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides vom 28. Februar 2012 nicht.

Die §§ 387 ff. BGB sind auf öffentlich-rechtliche Forderungen entsprechend anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juli 2004, B 3 KR 21/03 R - juris Rdnr. 14 m.w.N.), sodass sich auch die vom Kläger erklärte Aufrechnung an den Voraussetzungen dieser Vorschriften messen lassen muss.

Die Aufrechnung (§ 387 BGB) ist neben der Erfüllung (§ 362 BGB) und der Hinterlegung (§ 372 BGB) im Zivilrecht die dritte Möglichkeit, einseitig das Erlöschen eines Schuldverhältnisses zu bewirken. Sie führt zur wechselseitigen Tilgung zweier sich gegenüberstehenden Forderungen durch einseitiges Rechtsgeschäft und hat insoweit zwei Funktionen, indem sie einerseits die Tilgung der Hauptforderung bewirkt und andererseits dem Schuldner die Möglichkeit einräumt, eine Gegenforderung im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen. Die Aufrechnung hat damit auch Sicherungs- und Vollstreckungsfunktion (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 387 Rdnr. 1 m.w.N.).

Ausgehend hiervon kann die Behauptung, ein Erstattungsbescheid sei gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG rechtswidrig, grundsätzlich nicht mit einer Aufrechnungserklärung begründet werden, wenn mit dem Bescheid allein eine Erstattungsforderung festgestellt wird. Das beruht darauf, dass die Erstattungsfestsetzung lediglich den Rechtsgrund für die Leistung des Erstattungspflichtigen bildet, der nicht mit der Erfüllung des Erstattungsanspruchs und daher auch nicht mit dem Erfüllungsersatz einer etwaigen Aufrechnung entfällt. Auch nach der Erfüllung des Erstattungsanspruchs behält der die Erstattungsschuld festsetzende Bescheid seine Funktion, indem er zugunsten des Erstattungsberechtigten den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der erstatteten Leistung bildet. Daraus ergibt sich als Konsequenz, dass eine Aufrechnung die Rechtmäßigkeit der Erstattungsfestsetzung grundsätzlich unberührt lässt und allein deren Vollstreckbarkeit betrifft.

Eine Aufrechnung wirkt sich ausnahmsweise allerdings dann auf die Rechtmäßigkeit eines Bescheides aus, wenn dort (neben der Festsetzung des Erstattungsbetrags) eine Zahlungsaufforderung, mithin ein Leistungsgebot, enthalten ist. Dieses Leistungsgebot stellt einen anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X dar, weil damit eine Regelung über die Einzelheiten der Erstattungszahlung getroffen wird, nämlich wann und wohin der Schuldner die Zahlungen zu leisten hat. Diese Regelung ist bzw. wird bei einer wirksamen Aufrechnung auch dann rechtswidrig, wenn die Aufrechnungserklärung erst nach Erlass des Bescheides abgegeben wird. Das folgt daraus, dass eine Aufrechnung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage zurückwirkt (§ 389 BGB). Ein derartiges Leistungsgebot enthält der Bescheid vom 28. Februar 2012 indes nicht. Sein Regelungsgehalt erschöpft sich vielmehr darin, die Höhe der im Zeitraum vom 1. August 1994 bis 30. September 2011 überzahlten Rentenleistungen sowie die Erstattungspflicht des Klägers festzustellen. Vor diesem Hintergrund erübrigen sich weitergehende Erörterungen zur nur eingeschränkten Abtretbarkeit von Sozialleistungen (§ 53 SGB I) und zum Bestehen einer Aufrechnungslage.

Anders als der Kläger meint, ist der Erstattungsanspruch der Beklagten schließlich nicht verjährt. Die Verjährung des Erstattungsanspruchs ist in § 118 Abs. 4a SGB VI in der seit 1. Mai 2007 geltenden Fassung von Art. 1 Nr. 38 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Anpassungsgesetz) vom 20. April 2007 (BGBl. I, S. 554) geregelt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift verjähren die Ansprüche nach § 118 Abs. 4 SGB VI in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Träger der Rentenversicherung Kenntnis von der Überzahlung und von dem Erstattungspflichtigen erlangt hat. Diese Kenntnis hatte die Beklagte frühestens am 25. Januar 2012 mit dem Zugang des Schreibens der E. Bank EX. vom 23. Januar 2012. Folglich ist der Erstattungsbescheid vom 28. Februar 2012 ganz offenkundig noch innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist des § 118 Abs. 4a Satz 1 SGB VI ergangen, ohne dass es insoweit eines Rückgriffs auf die zivilrechtlichen Vorschriften über die Hemmung (§§ 203 ff. BGB), die Ablaufhemmung (§ 210 f. BGB) und den Neubeginn (§ 212 BGB) bedarf, die über § 118 Abs. 4a Satz 2 SGB VI sinngemäß anzuwenden sind.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und orientiert sich am Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache. Danach hat der Kläger 8/9 und die Beklagte 1/9 der Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine Kostenentscheidung auf der Grundlage von § 193 SGG scheidet hingegen aus, weil weder der Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Der Kläger ist insbesondere nicht Sonderrechtsnachfolger des verstorbenen Versicherten im Sinne von § 56 SGB I und streitet mit der Beklagten im Übrigen auch nicht über fällige Rentenansprüche. Deshalb war letztlich auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts zu Ungunsten der Beteiligten zu ändern, die auch zur Tragung von Gerichtskosten verpflichtet sind. Das Verbot der reformatio in peius gilt für Kostenentscheidungen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 1986, 10 RAr 10/86 = SozR 4100 § 141b Nr. 40).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. SGG i. V. m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der Höhe der Erstattungsforderung, welche die Beklagte zuletzt mit dem Bescheid vom 18. November 2013 festgesetzt hat. Den Streitwert hat der Senat dabei auch für das Klageverfahren festgesetzt. Die Befugnis hierzu ergibt sich aus einer erweiternden Auslegung von § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Jedenfalls bei betragsmäßig von vornherein feststehendem und in allen Instanzen offensichtlich gleich gebliebenem Streitwert - wie hier - darf das Rechtsmittelgericht aus Gründen der Prozessökonomie nicht nur von den Instanzgerichten getroffene Streitwertfestsetzungen ändern, sondern schon mangels entsprechender Kostengrundentscheidung - unterbliebene Streitwertfestsetzungen nachholen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006, B 10 LW 5/05 R - juris Rdnr. 23 m.w.N.).

Die Revision war zuzulassen. Der Senat misst der Rechtsfrage, ob der Rentenversicherungsträger einen auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ergangenen Erstattungsbescheid unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der § 45 und § 48 SGB X nachträglich korrigieren kann, grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG bei.
Rechtskraft
Aus
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