L 5 R 256/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 270/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 256/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 8/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei einem Anspruch auf Übergangsgeld beim (alleinigen) Vorbezug von Arbeitslosgengeld II besteht wegen § 25 SGB II jedenfalls dann kein Zahlungsanspruch gegen die Rentenversicherungsträger, wenn der SGB II-Träger bereits Leistungen erbracht hat. Im Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und der Rentenversicherung ist es unerheblich, ob die Leistungen des SGB II-Trägers als originäre Leistungen nach dem SGB II oder als 'Vorschuss' auf das Übergangsgeld (§ 25 Satz 1 SGB II) erbracht worden sind.

2. Zum Begriff der Unmittelbarkeit i.S.v. § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI i.d.F. vom 24. April 2006, § 21 Abs. 4 SGB VI i.d.F. vom 20. Dezember 2011 bei Vorbezug von Arbeitslosengeld nach § 136 SGB III und Arbeitslosengeld II.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 29. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 24. Juli 2014 bis 5. November 2014.

Der 1973 geborene, verheiratete Kläger arbeitete zuletzt als Lagerist. Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung aufgrund abhängiger Beschäftigung hat er u.a. vom 16. November 2011 bis 4. Juli 2012 zurückgelegt. Vom 5. Juli 2012 bis 17. September 2013 sind dem Versicherungsverlauf des Klägers Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitsunfähigkeit zu entnehmen. Ausweislich des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 7. November 2013 bestand ein Arbeitslosengeldanspruch des Klägers nach § 136 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Dauer von 300 Tagen vom 19. September 2013 bis zum 18. Juli 2014. Der tägliche Leistungsbetrag belief sich auf 16,13 Euro. Die Ehefrau des Klägers bezog ab 13. November 2013 aufgrund der ihr gewährten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Übergangsgeld in Höhe von 41,70 Euro kalendertäglich.

Die Beklagte hatte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt. In diesem Verfahren teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 28. Mai 2014 mit, dass nach den ärztlichen Feststellungen aufgrund eines Alkoholrückfalls vor weiteren Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine Entwöhnungsbehandlung angezeigt sei. Mit dieser erklärte sich der Kläger einverstanden und beantragte am 4. Juni 2014 die entsprechende medizinische Rehabilitationsleistung bei der Beklagten. Diese bewilligte ihm mit Bescheid vom 10. Juli 2014 eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Paracelsus-Wiehengebirgsklinik in Bad Essen. Der Kläger hielt sich dort vom 24. Juli 2014 bis 5. November 2014 zur Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme auf und wurde arbeitsfähig entlassen.

Im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf Übergangsgeld teilte die Ehefrau des Klägers in dessen Auftrag auf Anfrage der Beklagten mit, dass der Kläger nach dem Bezug von Arbeitslosengeld bis 18. Juli 2014 am 19. Juli 2014 einen Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bei dem Jobcenter Limburg-Weilburg gestellt habe, über den noch nicht entschieden worden sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne er nicht vorlegen.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2014 lehnte die Beklagte die Zahlung von Übergangsgeld während der Dauer der bewilligten Leistungen zur Rehabilitation ab. Die Voraussetzungen lägen nicht vor, weil der Kläger nicht bis unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Leistung zur Rehabilitation eine Sozialleistung bezogen habe.

Hiergegen erhob der Kläger am 12. November 2014 Widerspruch. Selbst wenn das Jobcenter nicht verpflichtet sei, ihm Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, habe er bis zum 18. Juli 2014 Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit bezogen und habe einen Anspruch auf Übergangsgeld. Der Begriff der "Unmittelbarkeit" könne nicht dazu führen, dass wegen fehlender sechs Kalendertage die Leistungen versagt würden.

Auf nochmalige Nachfrage der Beklagten teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 2. April 2015 mit, dass das Jobcenter zwischenzeitlich über den Leistungsanspruch des Klägers nach dem SGB II entschieden habe. Ausweislich der beigezogenen Leistungsakte des Jobcenters lehnte dieses mit Bescheiden vom 12. März 2015 die Leistungsgewährung für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 31. Juli 2014 mangels Hilfebedürftigkeit des Klägers ab. Für August bis November 2014 bewilligte das Jobcenter dem Kläger mit weiterem Bescheid vom 12. März 2015 Leistungen nach dem SGB II. In der Zeit vom 1. August 2014 bis 31. August 2014 betrug der monatlich dem Kläger gewährte Gesamtleistungsbetrag 137,53 Euro, in der Zeit vom 1. September 2014 bis 31. Oktober 2014 monatlich 172,90 Euro und für die Zeit vom 1. November 2014 bis 30. November 2014 39,70 Euro. Auf den Bedarf des Klägers rechnete das Jobcenter den monatlich überschießenden Anteil des Übergangsgelds der Ehefrau (monatlicher Auszahlungsbetrag 1.286,10 Euro) nach dessen Bereinigung sowie im Monat Juli 2014 das dem Kläger bis 18. Juli 2014 gewährte Arbeitslosengeld und im Monat November 2014 Erwerbseinkommen des Klägers aus einer geringfügigen Beschäftigung jeweils bereinigt an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2014 zurück. Der Kläger habe vor Beginn der Leistung zur medizinischen Rehabilitation nicht unmittelbar vorher Leistungen (Arbeitslosgengeld II) bezogen. Der Arbeitslosgengeldbezug habe am 18. Juli 2014 geendet und vom 19. Juli 2014 bis 23. Juli 2015 habe der Kläger keine Leistungen bezogen. Das Übergangsgeld habe Entgeltersatzfunktion. Für die Anspruchsprüfung des Übergangsgeldes seien nur die zuletzt vor Beginn der Leistung bzw. Arbeitsunfähigkeit maßgebenden Verhältnisse zugrunde zu legen. Zu beurteilen sei nicht der zurückliegende Monat, sondern nur noch der letzte Tag vor Beginn der Leistung bzw. Arbeitsunfähigkeit. Dies gelte auch für Bezieher von Entgeltersatzleistungen.

Mit der am 8. Juli 2015 bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er vertrat weiterhin die Auffassung, dass es unschädlich sei, dass er letztmals am 18. Juli 2014 Arbeitslosgengeld bezogen habe, da es nicht auf eine lückenlose Gewährung ohne einen Tag Unterbrechung ankäme, sondern auf den letzten Leistungsbereich, aus dem er Leistungen bezogen habe. Er teilte überdies mit, dass über die Frage, ob ihm im Juli 2014 ein Leistungsanspruch nach dem SGB II zugestanden habe, ein Verfahren bei dem Sozialgericht Wiesbaden unter dem Aktenzeichen S 16 AS 735/15 anhängig sei. Die jeweils erhobenen Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide des Jobcenters vom 12. März 2015 hatte dieses mit Widerspruchsbescheiden vom 18. Juni 2015 zurückgewiesen. Der Kläger machte im Verfahren S 16 AS 735/15 im Wesentlichen geltend, dass er im Monat Juli 2014 von seiner Ehefrau innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt gelebt habe. Die Ehefrau des Klägers sei nicht verpflichtet gewesen, aus ihrem Einkommen Leistungen an den Kläger zu erbringen. Da der Kläger über kein eigenes Einkommen verfügt habe, sei ihm Arbeitslosgengeld II zu zahlen gewesen.

Im Hinblick auf dieses laufende Verfahren stellte das Sozialgericht im Einverständnis der Beteiligten mit Beschluss vom 4. Februar 2016 das Klageverfahren den vorliegenden Streitgegenstand betreffend (S 4 R 270/15) ruhend.

Nachdem die Ehefrau des Klägers im Erörterungstermin am 29. April 2016 bei dem Sozialgericht Wiesbaden angegeben hatte, dass die seit Mai 2014 bestehende Ehekrise nach erfolgreicher Entzugsbehandlung beigelegt sei und die Ehe hätte fortgesetzt werden können, schlossen die Beteiligten in dem Verfahren S 16 AS 735/15 sowie in weiteren Verfahren, die im gleichen Termin verhandelt wurden, einen gerichtlichen Vergleich. Hiernach gewährte das beklagte Jobcenter dem Kläger für den Monat Juli 2014 Leistungen in Höhe von 150,00 Euro ohne weitere Erteilung eines Bewilligungsbescheides. Die Beteiligten des dortigen Verfahrens waren sich im Übrigen einig, dass die Verfahren S 16 AS 436/15, S 16 AS 734/15 und S 16 AS 735/15 damit ihre Erledigung fanden.

Der Kläger ging davon aus, dass damit die Leistungslücke vom 19. Juli 2014 bis zum 23. Juli 2014 geschlossen sei und die Beklagte dem Kläger Übergangsgeld zu zahlen habe. Dieses bezifferte er mit monatlich 680,50 Euro. Der Betrag setzte sich aus der Regelleistung nach dem SGB II in Höhe von 353,00 Euro zuzüglich der anteiligen, auf den Kläger entfallenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 327,50 Euro zusammen.

Mit Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2017 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zwar hätten Versicherte, die unmittelbar vor dem Beginn einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation Arbeitslosengeld II bezogen hätten, Anspruch auf Übergangsgeld. Der Höhe nach entspreche das Übergangsgeld dem Betrag des Arbeitslosgengeldes II. Beim Vorbezug von SGB II-Leistungen enthalte § 25 SGB II eine Sonderzuständigkeit für die Gewährung von Übergangsgeld. Dieses werde durch den SGB II-Träger weiter als Vorschuss auf die Leistungen der Rentenversicherung erbracht. Zwar sei im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides die Voraussetzung eines unmittelbaren Vorbezuges einer Leistung nicht erfüllt gewesen. Da es bei einer Leistungsklage grundsätzlich aber auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankäme, sei durch den gerichtlichen Vergleich vom 29. April 2016 in dem Verfahren S 16 AS 735/15 das Kriterium des unmittelbaren Vorbezugs zwischenzeitlich als erfüllt anzusehen, da der Kläger nach diesem Vergleich im Juli 2014 Arbeitslosengeld und aufstockend Leistungen nach dem SGB II bezogen habe. Es bestehe aber kein Anspruch gegenüber der Beklagten, da der SGB II-Träger alleine für die Zahlung von Übergangsgeld zuständig gewesen sei. Es fehle bereits an einer Passivlegitimation der Beklagten. Der Kläger habe seine Ansprüche bereits in gesonderten Verfahren gegenüber dem SGB II-Träger verfolgt. Diese seien in dem gerichtlichen Vergleich abschließend geregelt. Selbst wenn man von einer Passivlegitimation der Beklagten für eine rückwirkende Leistungsgewährung ausgehen wolle, sei aber der Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld jedenfalls in voller Höhe erfüllt worden. Nach § 107 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erlösche der Anspruch der leistungsberechtigten Person gegen den zuständigen Träger durch Erfüllung, wenn ein eigentlich unzuständiger Träger die Leistungen erbracht habe. Selbst wenn man die Beklagte anstelle des SGB II-Trägers als zuständig ansehe, würden die SGB II-Leistungen, die der Kläger vom dann unzuständigen SGB II-Träger während der Rehabilitation und nachträglich aus dem Vergleich erhalten habe, als Erfüllung des Anspruchs auf Übergangsgeld gelten. Denn das Übergangsgeld sei nur so hoch, wie der (fiktive) SGB II-Anspruch, den es ersetze. Der Kläger könne von der Beklagten nicht mehr verlangen, als er vom SGB II-Träger während der Rehabilitation erhalten habe.

Gegen den dem Bevollmächtigten des Klägers am 5. Juli 2017 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25. Juli 2017 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Er ist der Ansicht, dass ausweislich des gerichtlichen Vergleichs im Verfahren S 16 AS 735/15 des Sozialgerichts Wiesbaden Leistungen zwischen dem 19. Juli 2014 und 23. Juli 2014 erbracht worden seien. Das Jobcenter hätte die Auffassung vertreten, dass während des Zeitraums der stationären Entwöhnungsbehandlung Leistungen nach dem SGB II nicht zu gewähren seien. Aufgrund des Vergleichs seien nur Leistungen für wenige Tage im Juli 2014 gewährt worden, nicht aber für die Zeit der Rehabilitationsmaßnahme. Jedenfalls sei festzustellen, dass der Kläger bei Antritt der Rehabilitationsmaßnahme im Leistungsbezug nach dem SGB II gestanden habe und somit grundsätzlich berechtigt war, Übergangsgeld zu erhalten. Soweit das Sozialgericht des Weiteren auf § 25 SGB II abgestellt habe, habe es ausgeführt, dass die Begrifflichkeit (wohl gemeint: des Vorschusses) im Gesetzestext untechnisch zu verstehen sei. Dem trete er entgegen. Offensichtlich gebe es noch keine Entscheidung des Bundessozialgerichts hierzu. Er sei der Auffassung, dass der SGB II-Träger die Leistungen für die Beklagte erbracht habe. Dieser sei zum Verfahren beizuladen. Letztendlich müsse aber die Beklagte für die Leistungen monetär einstehen, daher sei sie auch vorliegend der Ansprechpartner. Das Übergangsgeld errechne sich nach dem Einkommen, über das der jeweilige Antragsteller im zurückliegenden Zeitpunkt verfüge. In seinem Fall ergäben sich für ihn erhebliche Nachteile, da er nur wenige Tage im Leistungsbezug nach dem SGB II gestanden habe. Er sei jedenfalls aktiv legitimiert und die Beklagte passiv legitimiert. Mit dem gerichtlichen Vergleich (in dem Verfahren S 16 AS 735/15) sei keine abschließende Regelung getroffen worden und der Anspruch sei insbesondere auch nicht nach § 107 SGB X erloschen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 29. Juni 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Übergangsgeld für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme vom 24. Juli 2014 bis 5. November 2014 in gesetzlicher Höhe zu zahlen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides für zutreffend. Des Weiteren sei der gerichtliche Vergleich im Verfahren S 16 AS 735/15 entgegen den Ausführungen des Klägers nicht derart geschlossen worden, dass für den Zeitraum vom 19. Juli 2014 bis 23. Juli 2014 Leistungen nach dem SGB II erbracht würden, sondern dergestalt, dass für den Monat Juli 2014 eine pauschale Zahlung von 150,00 Euro ohne Erteilung eines Bewilligungsbescheides erfolgte. Daher sei auch weiterhin kein lückenloser Arbeitslosengeld II-Bezug bis zum Antritt der Rehabilitationsmaßnahme am 24. Juli 2014 gegeben.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 20. Juni 2018 bzw. 25. Juni 2018 ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Wiesbaden S 16 AS 735/15 sowie der Verwaltungsakten des Jobcenters Limburg-Weilburg (BG 15410, Bl. 1-614; BG 10392, Bl. 1-89), die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung des Klägers konnte der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG). Insbesondere bedurfte es keiner vorherigen Zulassung der Berufung durch das Sozialgericht, da die Beschwer des Klägers die Berufungssumme von 750,00 Euro übersteigt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Ermittlung des Werts des Beschwerdegegenstandes des Berufungsverfahrens nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG richtet sich danach, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt, wobei es nicht auf die Rechtsansicht des Berufungsgerichts auf die materiell-rechtliche Begründetheit des Verlangens ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2017, B 13 R 20/14 R, SozR 4-3250 § 48 Nr. 1, m.w.N.). Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht, dass seinem Anspruch auf Übergangsgeld der vorherige Bezug von Arbeitslosengeld zugrunde zu legen bzw. bei Zugrundelegung eines dem Übergangsgeld vorausgegangenen SGB II-Bezugs der monatliche Bedarf von 680,50 Euro maßgeblich sei. Diesem Begehren hat das Sozialgericht nicht entsprochen. Bezogen auf die über dreimonatige Dauer der Rehabilitationsmaßnahme übersteigt das mit der Berufung weiter verfolgte Begehren des Klägers selbst unter Anrechnung der bereits gewährten SGB II-Leistungen für die Monate Juli bis November 2014 die maßgebliche Berufungssumme bei Weitem.

Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist aber unbegründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 29. Juni 2017 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 20. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2015 (§ 95 SGG) beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da er keinen Anspruch auf die Gewährung von Übergangsgeld für die medizinische Rehabilitationsmaßnahme vom 24. Juli 2014 bis 5. November 2014 gegenüber der Beklagten hat.

Dem zutreffend mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) geltend gemachten Begehren steht nicht die fehlende Aktiv- bzw. Passivlegitimation der Beteiligten entgegen. Der Kläger begehrt die Gewährung von Übergangsgeld aus eigenem Recht und die Beklagte kommt als Verpflichtete in Betracht. Auf die Gewährung von Übergangsgeld besteht beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch, der sich grundsätzlich gegen den Rentenversicherungsträger, der die Rehabilitationsleistung durchführt, richtet (vgl. BSG, Urteil vom 12 September 1978, 5 RJ 6/77, BSGE 47, 47 = SozR 2200 § 1237 Nr. 9; Kater in KassKomm, Stand: Mai 2018, SGB VI, § 20 Rn. 6).

Auch wenn vorliegend eine Betroffenheit des nach § 25 Satz 1 SGB II zur Leistung Verpflichteten SGB II-Trägers durch den ihm gegebenenfalls entsprechend § 102 SGB X zustehenden Erstattungsanspruch in Betracht kommt, war der Grundsicherungsträger nicht notwendig nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG zum Verfahren beizuladen. Nach dieser Vorschrift sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, zu dem Verfahren beizuladen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung stets dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über das strittige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird (BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1). Notwendig ist die Identität des Streitgegenstands im Verhältnis beider Hauptbeteiligter zu dem Dritten; nicht ausreichend ist hingegen, wenn lediglich die tatsächlichen Verhältnisse eine einheitliche Entscheidung erfordern (BSG, Urteil vom 24. Oktober 2013, B 13 R 35/12 R, SozR 4-2600 § 118 Nr. 12). Wie das BSG bereits entschieden hat, besteht eine Identität des Streitgegenstands jedenfalls dann nicht, wenn einerseits ein Leistungsanspruch des Versicherten gegen den vorrangig verpflichteten Rentenversicherungsträger und andererseits – bei Bejahung dieses Anspruchs – ein Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Grundsicherungsträgers gegen den Rentenversicherungsträger im Raum steht. Die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X sind nicht von der Rechtsposition des Versicherten abgeleitete, sondern eigenständige Ansprüche (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1986, 8 RK 12/85, BSGE 61, 66, 68 = SozR 2200 § 182 Nr. 104, juris Rn. 10). Daran ändert auch die Erfüllungsfiktion in § 107 Abs. 1 SGB X nichts. Sie macht das tatsächliche Bestehen eines Erstattungsanspruchs im Verhältnis zwischen Grundsicherungsträger und Rentenversicherungsträger lediglich zur materiell-rechtlichen Vorfrage im Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger (vgl. insgesamt BSG, Urteil vom 6. September 2017, B 13 R 20/14 R, SozR 4-3250 § 48 Nr. 1, juris Rn. 24 f., m.w.N.). Nichts anderes kann aber gelten, wenn ein Leistungsanspruch des Klägers gegenüber dem SGB II-Träger nach § 25 Satz 1 SGB II bestanden hat und ein Erstattungsanspruch entsprechend § 25 Satz 3 SGB II i.V.m. § 102 SGB X im Raum steht.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsgeld für die Dauer der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 24. Juli 2014 bis 5. November 2014 liegen vorliegend zwar dem Grunde nach vor. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Zahlung von (weiterem) Übergangsgeld gegen die Beklagte.

Nach § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI in der maßgeblichen Fassung vom 24. April 2006, gültig vom 1. Januar 2007 bis 13. Dezember 2016, haben Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld, die von einem Träger der Rentenversicherung u.a. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistung zur medizinischen Rehabilitation Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld II zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind.

§ 21 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung vom 20. Dezember 2011, gültig vom 1. April 2012 bis 31. Dezember 2017, lautet: Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der medizinischen Leistungen Arbeitslosengeld bezogen und die zuvor Pflichtbeiträge gezahlt haben, erhalten Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen in Höhe des bei Krankheit zu erbringenden Krankengeldes (§ 47b Fünftes Buch); Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der medizinischen Leistungen Arbeitslosengeld II bezogen und die zuvor Pflichtbeiträge gezahlt haben, erhalten Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II. Dies gilt nach § 21 Abs. 4 Satz 2 SGB VI in der vorgenannten Fassung aber nicht für Empfänger der Leistung, die Arbeitslosengeld II nur darlehensweise oder die nur Leistungen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II bezogen haben. Diese der Anwendung des § 21 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI entgegenstehenden Tatbestände des § 21 Abs. 4 Satz 2 SGB VI liegen hier nicht vor.

Diese Maßgaben zugrunde gelegt, gewährte die Beklagte dem Kläger als Versicherten im Zeitraum vom 24. Juli 2014 bis 5. November 2014 unstreitig Leistungen zur medizinischen Rehabilitation i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI in der Fassung vom 19. Februar 2002. Er erfüllt zudem die dargestellten gesetzlichen Anforderungen, die beim Vorbezug von Sozialleistungen gelten. Der Kläger war vor dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme nicht arbeitsunfähig erkrankt, so dass maßgeblich darauf abzustellen ist, mit welchen Mitteln er unmittelbar vor dem Beginn der Maßnahme seinen Lebensunterhalt sichergestellt hat.

Unmittelbar vor dem Beginn der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme hat der Kläger ausschließlich Arbeitslosengeld II bezogen. Auch hat er i.S.v. § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI ‚zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt‘. Nicht maßgeblich für den Anspruch auf die Gewährung von Übergangsgeld ist dagegen vorliegend der Bezug von Arbeitslosengeld bis zum 18. Juli 2014.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer Anfechtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (BSG, u.a. Urteil vom 23. Juli 2002, B 3 KR 63/01 R, BSGE 89, 294, m.w.N., st. Rspr.). Auch wenn vorliegend im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung der Leistungsanspruch nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis 31. Juli 2014 durch das Jobcenter abgelehnt worden war, steht zwischenzeitlich und für die vorzunehmende Beurteilung maßgeblich fest, dass der Kläger aufgrund des gerichtlichen Vergleichs im Verfahren S 16 AS 735/15 vom 29. April 2016 Arbeitslosengeld II für den Monat Juli 2014 bezogen hat. Eine nachträgliche Leistungsbewilligung ist insoweit ausreichend (vgl. Jüttner in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand: Februar 2018, § 20 Rn. 24). Den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hatte der Kläger am 19. Juli 2014 nach der Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld am 18. Juli 2014 und vor dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme gestellt.

Es kann vorliegend dahinstehen, ob – wie vom Kläger zuletzt vorgetragen – die vergleichsweise gewährten Leistungen nach dem SGB II nur für den Zeitraum vom 19. Juli 2014 bis 23. Juli 2014 oder ob sie pauschal für den kompletten Monat Juli 2014 erbracht worden sind. Denn jedenfalls stand der Kläger nach beiden Varianten bei Beginn der Rehabilitationsmaßnahme im Leistungsbezug nach dem SGB II und hat als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger – in Abgrenzung zum Bezug von Sozialgeld – Arbeitslosengeld II bezogen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II). Angemerkt sei nur, dass sich für die Sichtweise des Klägers weder in der Formulierung des Vergleichs, der keine zeitliche Konkretisierung während des Monats Juli 2014 vornimmt, noch in den gesetzlichen Bestimmungen Anhaltspunkte finden lassen. Denn nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 7. Mai 2013, gültig vom 1. August 2013 bis 31. Juli 2016, werden Leistungen nach dem SGB II auf Antrag erbracht. Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der angegeben Fassung wirkt der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurück. Der Kläger hat am 19. Juli 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 ff. SGB II) beantragt. Den Antrag hatte der Grundsicherungsträger mit Bescheid vom 12. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2015 für den Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis 31. Juli 2014 mangels Hilfebedürftigkeit zunächst abgelehnt. Der grundsicherungsrechtlich streitgegenständliche Zeitraum des sich anschließenden Klageverfahrens S 16 AS 735/15 als auch der Wortlaut des Vergleichs vom 29. April 2016, wonach für den Monat Juli 2014 Leistungen erbracht werden, sprechen für eine monatsbezogene Leistungsgewährung. Auf die Rechtsansichten und Motive der vergleichsschließenden Beteiligten kommt es insoweit nicht an.

Neben den unmittelbar vor dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme bezogenen Arbeitslosengeld II hat der Kläger nicht auch das bis zum 18. Juli 2014 gewährte Arbeitslosengeld unmittelbar vor dem Beginn der Maßnahme i.S.v. § 20 Nr. 3 lit. b) i.V.m. § 21 Abs. 4 SGB VI bezogen. Zwar kommt in Betracht, dass bei aufstockenden Leistungen nach dem SGB II sowohl das Entgelt bzw. Einkommen oder die bezogene Sozialleistung als auch der aufstockende Anteil des Arbeitslosengeldes II maßgeblich für den Anspruch auf Übergangsgeld ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2017, B 13 R 14/16 R, SozR 4-4200 § 25 Nr. 2 für den Fall von Bezug von Arbeitslosengeld und ergänzendem Arbeitslosengeld II-Bezug). Da aber vorliegend der Arbeitslosengeldbezug wegen der Erschöpfung des Anspruchs am 18. Juli 2014 endete, hat der Kläger hier lediglich das (ergänzende) Arbeitslosengeld II unmittelbar vor dem Beginn der Maßnahme der medizinischen Rehabilitation bezogen. Zwar ergibt sich eine Diskrepanz durch den tageweisen Bezug des Arbeitslosengeldes einerseits und der grundsätzlich monatweisen Gewährung des Arbeitslosengeldes II andererseits. Wegen der Anspruchserschöpfung des Arbeitslosengeldes fünf Tage vor dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme ist jedoch einzig das Arbeitslosengeld II ausschlaggebend für die Frage, ob ein Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld besteht.

Dies ergibt sich bereits aus der Zweckbestimmung des Übergangsgeldes nach § 20 SGB VI. Diese liegt darin begründet, während einer Rehabilitationsmaßnahme die Entgelt- und Einkommensverhältnisse aufrechtzuerhalten, die dem bisherigen Lebensstandard des Versicherten zugrunde liegen ("Kontinuitätsauftrag"). Es soll den Entgelt- und Einkommensverlust - sei es den Ausfall von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder einer der in dieser Norm benannten Sozialleistungen - ausgleichen ("Entgeltersatz- bzw. Ausgleichsfunktion"), dem ein in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherter durch die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen ausgesetzt ist (BSG, a.a.O., juris Rn. 27 unter Verweis auf Kater in KassKomm, § 20 SGB VI Rn. 3, Stand: Mai 2014, jetzt: Mai 2018; Jüttner in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 20 Rn. 2, Stand: Februar 2016).

Entscheidend ist folglich im Falle des Klägers die zuletzt und unmittelbar vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme bezogene Sozialleistung. Dies war einzig das Arbeitslosengeld II. Auch wenn in Betracht kommt, dass für das Unmittelbarkeitserfordernis des § 20 Nr. 3 lit. b) i.V.m. § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB VI nicht zwingend eine Nahtlosigkeit mit Ausnahme von Wochenenden und Feiertagen zu fordern ist (vgl. Gemeinsames Rundschreiben der Rentenversicherungsträger zum Übergangsgeld, Stand: Januar 2018, S. 27; Zabre in Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl., § 20 Rn. 4), sondern ein enger zeitlicher Zusammenhang von einem Monat bzw. vier Wochen ausreichend sein soll (vgl. SG Augsburg, Urteil vom 11. Mai 2016, S 18 R 685/15, juris; SG Frankfurt/Oder, Urteil vom 27. Oktober 2016, S 1 R 350/15, juris; Haack in jurisPK-SGB VI, 2. Aufl., Stand: 17. Januar 2017, § 20 Rn. 6; Kater in KassKomm SGB VI, Stand: September 2015, § 20 Rn. 11), hat der Kläger das bis 18. Juli 2014 bezogene Arbeitslosengeld nicht unmittelbar vor dem Beginn der Reha-Maßnahme bezogen. Denn entscheidend kommt es auch für die Ansicht, dass eine Nahtlosigkeit nicht zu fordern ist, darauf an, ob sich der Versicherte aufgrund der Dauer der Unterbrechung des Leistungsbezugs zwischenzeitlich eine andere Lebensgrundlage gebildet hat (vgl. u.a. SG Augsburg, a.a.O., Rn. 41; Haack, a.a.O.). Dies war vorliegend der Fall, denn der Kläger hat dokumentiert durch den Antrag auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II am 19. Juli 2014 mangels Fortbestehens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zwischenzeitlich eine andere Lebensgrundlage gebildet. Nach der Zweckbestimmung des Übergangsgeldes soll auch nur dieses, unmittelbar vor der Rehabilitationsmaßnahme bestehende Niveau der Einkünfte des Versicherten abgesichert werden. Daher erfüllen alleine die Leistungen nach dem SGB II vorliegend das Unmittelbarkeitserfordernis i.S.v. § 20 Nr. 3 lit. b) i.V.m. § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB VI, da sie – auch wenn sie im Monat Juli 2014 wohl ergänzend erbracht wurden – das Arbeitslosengeld nach dem 18. Juli 2014 abgelöst und die Lebensgrundlage des Klägers unmittelbar vor der Reha-Maßnahme ausschließlich bestimmt haben.

Bei dem Vorbezug von Leistungen nach dem SGB II tritt nach § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI als weitere Voraussetzung hinzu, dass ‚zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind‘. Anspruch auf Übergangsgeld hat somit nur derjenige Bezieher von Arbeitslosengeld II, der bereits ‚beitragsbelastete‘ Vorversicherungszeiten in der Rentenversicherung aufgrund pflichtversicherter Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit aufweist (BSG, a.a.O., juris Rn. 22 unter Verweis auf Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 25 Rn. 12, Stand: 11/2014).

Die Formulierung ‚zuvor‘ in § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI meint zwar unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks des Übergangsgeldes keinen nahtlosen Übergang zwischen vorheriger Beitragsleistung zur Rentenversicherung aus Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen und dem Arbeitslosengeld II-Bezug, an den sich die Rehabilitationsmaßnahme anschließt (vgl. BSG, a.a.O.; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Februar 2011, L 16 R 1366/07, juris Rn. 16). Die Voraussetzung, dass auch beim Bezug von Arbeitslosengeld II ‚zuvor‘ Beitragsleistungen zur Rentenversicherung erbracht worden sein müssen, ist jedoch dahingehend zu konkretisieren, dass die in § 11 SGB VI normierten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für medizinische Rehabilitationsleistungen als maßgeblicher Zeitrahmen heranzuziehen sind (BSG, a.a.O., juris Rn. 28). Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI genügt es jedenfalls für die notwendigen Beitragsvorleistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, dass in den letzten zwei Jahren vor der Beantragung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation aus dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit für zumindest sechs Kalendermonate Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden sind. § 55 Abs. 2 SGB VI ist nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB VI entsprechend anzuwenden, woraus folgt, dass auch Beiträge für gleichgestellte Beitragszeiten geeignet sind, die Voraussetzungen von § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VI zu erfüllen. Hierzu zählen beispielsweise Zeiten, für die der Versicherte von einem Leistungsträger Krankengeld oder Arbeitslosengeld bezogen hat, wenn er im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig war (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 3 Nr. 3 SGB VI).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger vorliegend. Ausweislich der aus dem Kontospiegel vom 20. Januar 2015 ersichtlichen Vorversicherungszeiten (die sich im Übrigen nicht von den aus dem Kontospiegel vom 24. August 2018 – der am selben Tag erst nach der Beratung und Entscheidungsfindung des Senates eingegangen ist – ersichtlichen Vorversicherungszeiten unterscheiden) hat der Kläger vor dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme zwar letztmals Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund abhängiger Beschäftigung vom 16. November 2011 bis 4. Juli 2012 zurückgelegt. Danach schlossen sich vom 5. Juli 2012 bis 17. September 2013 jedoch Pflichtbeitragszeiten aufgrund von Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitsunfähigkeit und vom 19. September 2013 bis 18. Juli 2014 wegen Arbeitslosigkeit an. Damit waren im entsprechend anzuwendenden Zeitraum i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausgehend von einer Antragstellung auf die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am 4. Juni 2014 im Zeitraum vom 4. Juni 2012 bis 3. Juni 2014 mehr als sechs Monate mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bzw. für gleichgestellte Zeiten nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGB VI i.V.m. § 55 Abs. 2, § 3 Nr. 3 SGB VI belegt und es bestand im letzten Jahr vor Beginn der Ersatzleistungen auch Versicherungspflicht.

Damit hatte der Kläger zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Übergangsgeld für die ab 24. Juli 2014 durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte bestand jedoch zu keinem Zeitpunkt.

Gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI bemisst sich für Versicherte, die - wie der Kläger - unmittelbar vor Beginn der medizinischen Rehabilitationsleistungen Arbeitslosengeld II bezogen und entsprechende Vorleistungen erbracht haben, das Übergangsgeld nach der Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II. Damit orientiert sich das Übergangsgeld bei einem Vorbezug von Arbeitslosendgeld II folgerichtig und systemgerecht im Rahmen des (auch insoweit bestehenden) ‚Kontinuitätsauftrags‘ am aktuellen (Grundsicherungs-)Bedarf des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Auf diese Weise wird zugleich der ‚Ausgleichsfunktion‘ des Übergangsgeldes folgend eine von Zufälligkeiten freie und den bisherigen Lebensstandard des hilfebedürftigen erwerbsfähigen Versicherten ausreichend widerspiegelnde (bedarfsgerechte) Bemessung (auch) dieser ‚Ersatzleistung‘ während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme gewährleistet (BSG, a.a.O., juris Rn. 30).

Allerdings wird die Leistung des Übergangsgeldes im Falle des Vorbezugs von Arbeitslosgengeld II nicht durch die Beklagte erbracht. Denn § 25 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II sieht vor, dass die Träger der Leistungen nach diesem Buch (also die SGB II-Träger) die bisherigen Leistungen als Vorschuss auf die Leistungen der Rentenversicherung weiter erbringen, wenn Leistungsberechtigte dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Aus dem Empfängerhorizont des Leistungsberechtigten wird bei einer zu Lasten der Rentenversicherung durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme Arbeitslosengeld II unverändert weitergezahlt. Der Unterschied besteht nur darin, dass an Stelle des Rentenversicherungsträgers der Grundsicherungsträger für diesen vorschussweise das Übergangsgeld erbringt. Diese Leistungen, die der Träger der Grundsicherung in Form und in Höhe von Arbeitslosengeld II als ‚Vorschuss‘ auf Leistungen der Rentenversicherung während der medizinischen Rehabilitation weiterzahlt, korrespondieren mit der Höhe des Übergangsgeldes nach § 20 Nr. 3 lit. b) i.V.m. § 21 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI. Eine gesonderte Berechnung des Übergangsgeldes ist hier nicht erforderlich (BSG, a.a.O., juris Rn. 31 unter Verweis auf Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 25 Rn. 14, Stand: November 2014). Auch wenn § 25 Satz 1 SGB II an die ‚bisherigen Leistungen‘ anknüpft, meint dies keine statische Festlegung auf die zum Beginn der Reha-Maßnahme maßgebliche Leistungshöhe des Arbeitslosgengelds II. Vielmehr orientiert sich die Höhe am jeweiligen und aktuellen Grundsicherungsbedarf (vgl. Jüttner in Hauck/Nofzt SGB VI, Stand: August 2018, K § 21 Rn. 71).

Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung von Übergangsgeld gegen die Beklagte. Denn der Anspruch auf Übergangsgeld beschränkt sich seiner Höhe nach auf die Höhe des gewährten und zwischenzeitlich auch bestandskräftig festgestellten Arbeitslosengeldes II, welches nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II den Regelbedarf nach § 20 SGB II, etwaige Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II umfasst. Einen darüber hinausgehenden Anspruch sieht § 21 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI nicht vor. Das ihm zustehende Übergangsgeld hat der Kläger bereits von dem Grundsicherungsträger erhalten, der dieses für den Rentenversicherungsträger ‚vorschussweise‘ erbracht hat (vgl. Radüge in jurisPK-SGB II, 4. Aufl., Stand: 10. März 2015, § 25 Rn. 31). Im Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten ist es ohne Bedeutung, ob der Kläger das Arbeitslosengeld II vom SGB II-Träger als originär zuständigem Träger erhalten hat oder ob der Anspruch nach § 107 SGB X durch die Leistung erloschen ist. Aufgrund der Regelung des § 25 Satz 1 SGB II ist der Grundsicherungsträger gegenüber dem Kläger die zuständige Stelle, welche wiederum in entsprechender Anwendung des § 102 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger haben kann. Dass der Kläger unter Umständen irrig davon ausgegangen ist, gegenüber dem Grundsicherungsträger Arbeitslosengeld II und nicht einen Vorschuss auf das Übergangsgeld i.S.v. § 25 Satz 1 SGB II geltend zu machen, ist schon deshalb unschädlich, weil der Kläger keinen über seinen Arbeitslosengeld II-Anspruch hinausgehenden Übergangsgeldanspruch haben kann.

Die Beschränkung der Höhe des Übergangsgeldes auf die Höhe des Arbeitslosengeld II-Anspruchs ist auch sachgerecht. Die Ausführungen des Klägers, er sei erheblich benachteiligt, weil er vor Beginn der Maßnahme nur wenige Tage im Leistungsbezug des SGB II-Trägers gestanden habe, greifen nicht durch. Da sich das Übergangsgeld an dem während der Maßnahme bestehenden Bedarfs nach dem SGB II bemisst und nicht anhand der vorherigen Leistungshöhe in einem bestimmten vorangegangenen Bezugszeitraum, kommt es für die Höhe der Leistungen gerade nicht auf etwaige Vorbezugszeiten an. Vielmehr decken die Leistungen nach § 25 Satz 1 SGB II das Grundsicherungsniveau, was die Lebensgrundlage des Klägers unmittelbar vor dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme gebildet hat, ab.

Nach dem Vorgesagten hat der Kläger keinen Anspruch auf Übergangsgeld gegen die Beklagte. Seine Berufung war folglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Obwohl der Kläger entgegen der ursprünglichen Begründung der Beklagten in den streitgegenständlichen Bescheiden dem Grunde nach doch einen Anspruch auf Übergangsgeld hat, waren der Beklagten für beide Instanzen keine Kosten aufzuerlegen. Abgesehen von der Tatsache, dass dem Kläger dennoch kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zusteht, ist der dem Grunde nach anspruchsbegründende Bezug von Arbeitslosengeld II erst während des gerichtlichen Verfahrens und damit nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens rückwirkend festgestellt worden.

Die Revision war zuzulassen. Der Senat misst insbesondere der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein unmittelbarer Vorbezug i.S.v. § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI, § 21 Abs. 4 SGB VI anzunehmen ist, grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG bei.
Rechtskraft
Aus
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