Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 16 U 2370/00
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 224/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 4/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren mit Rücknahme der Berufung durch den Kläger am 9. Juli 2015 beendet worden ist.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger und Berufungskläger erlitt am 7. November 1997 einen Wegeunfall. Im streitigen Verfahren wendet er sich gegen Bescheide der Beklagten vom 21. Mai 1999 und vom 27. August 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2000, mit denen diese Verletztengeldbescheide aufgehoben und bereits (unter Vorbehalt) gezahltes Verletztengeld in Höhe von insgesamt 82.745,46 DM zurückgefordert hatte.
Mit seiner Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) ist der Kläger teilweise erfolgreich gewesen. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. Januar 2003 die Rückforderungsbescheide geändert und einen Anspruch des Klägers auf Leistungen (Verletztengeld) bis zum 31. Juli 1998 anerkannt. Im Übrigen hat das Sozialgericht den Rücknahme- und Rückforderungsanspruch der Beklagten für rechtmäßig angesehen und die Klage abgewiesen.
In dem anschließenden Berufungsverfahren bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt hat der Senat ein orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. C. vom 26. Februar 2008 eingeholt und das Verfahren sodann zum Ruhen gebracht, um der Beklagen Gelegenheit zu geben, ein Löschungsverfahren nach § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialdatenschutz und Verwaltungsverfahren - SGB X durchzuführen.
Nach Wiederaufruf der Streitsache hat der seinerzeit zuständige Berichterstatter bei dem Kläger mit einem Schreiben vom 8. Januar 2015 "angefragt", ob dieser das Berufungsverfahren im Hinblick auf das Gutachten von Prof. Dr. C. überhaupt fortsetzen wolle. Falls nicht, solle er die anliegende Erklärung unterschrieben zurücksenden. Der beigefügte Erklärungsvordruck hat den Inhalt:
"Ich nehme die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main zurück. Der Rechtsstreit soll ohne weitere Kosten für mich beendet sein."
Der Kläger hat mit Schreiben vom 29. Mai 2015 den Senat um folgende Auskunft zu dem Erklärungsvordruck gebeten: "Der Rechtsstreit soll für mich beendet sein" – was schließt das ein?
Der seinerzeit zuständige Berichterstatter hat dem Kläger mit Schreiben vom 3. Juni 2015 daraufhin mitgeteilt, "Sie verzichten durch Rücknahme nicht auf zukünftig eventuell erwachsende Ansprüche. Kosten würden Ihnen im Falle der Rücknahme von Seiten des Gerichts nicht entstehen." Ein entsprechender Erklärungsvordruck für eine Berufungsrücknahme war nochmals beigefügt. Nach einem Vermerk des Berichterstatters vom 2. Juli 2015 sind dem Kläger die in dem Schreiben vom 3. Juni 2015 "skizzierten Rechtsfolgen" nochmals am Telefon erläutert worden.
Der Rücknahmevordruck wurde von dem Kläger mit Datum vom 9. Juli 2015 unterschrieben und an den Senat zurückgesandt.
Mit Schreiben vom 17. September 2015 hat der Kläger dem Senat mitgeteilt, er werde nun von der Beklagten aufgefordert, Kosten in Höhe vom 41.539,49 EUR zu erstatten. Nach "tel. Erläuterung" der Passage "Der Rechtsstreit soll für mich beendet sein" habe er diese so verstanden, dass eine solche Forderung auf ihn nicht mehr zukäme.
In dem beigefügten Schreiben vom 8. September 2015 hat die Beklagte ausgeführt, auf Grund der Rücknahme der Berufung durch den Kläger sei das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig. Danach sei der Rückforderungsbescheid vom 27. August 1999 wirksam und lediglich um die darin geforderten Kosten für die Verletztengeldzahlung bis zum 31. Juli 1998 zu reduzieren.
Der seinerzeit zuständige Berichterstatter hat mit Schreiben vom 17. September 2015 dem Kläger mitgeteilt, der von diesem unterschriebene Vordruck sei so zu verstehen, wie dem Wortlaut zu entnehmen sei. Durch die Rücknahme der Berufung sollte der Kläger mit keinen weiteren Kosten des Verfahrens belastet werden. Die vorformulierte Erklärung enthalte keine Aussage über Entstehen/Nichtentstehen weiterer Forderungen in dem Verhältnis des Klägers zur Beklagten und auch nicht zur Begründetheit/Unbegründetheit dieser Forderungen.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" beantragt, "um das Berufungsverfahren mit anwaltlicher Hilfe fortsetzen zu können". Die Erklärung "Rücknahme der Berufung" habe er telefonisch mit dem früheren Berichterstatter auch hinsichtlich der finanziellen Folgen "ausgewählt" diskutiert. Er habe die Berufung nur zurückgenommen, weil er den früheren Berichterstatter dabei so verstanden habe, dass mit der Rücknahme auch "die allseits bekannten Regressforderungen der Beklagten vom Tisch seien". In einem weiteren Schreiben vom 29. September 2016 hat er ausgeführt, der betreffende Berichterstatter habe nach telefonischer Rücksprache bestätigt, dass es nicht zu "irgendwelchen Abflüssen kommen würde" und ihm kein Vermögensschaden entstehen würde.
Der seinerzeit zuständige Berichterstatter hat daraufhin in einem Schreiben vom 4. Oktober 2016 entgegnet, über "irgendwelche weiteren Abflüsse" sei weder in den gerichtlichen Schreiben die Rede gewesen noch seien diese Gegenstand von Telefonaten gewesen. Der Kläger solle mitteilen, ob das Verfahren nun insgesamt als beendet angesehen werden könne.
Der Kläger beantragt,
das Berufungsverfahren fortzusetzen, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2003 zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 21. Mai 1999 und 27. August 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2000 insgesamt aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass das Verfahren durch Rücknahme beendet ist, hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Berufungsverfahren sei durch Rücknahme des Klägers beendet worden. Das erstinstanzliche Urteil, das dem Kläger bekannt sei, sei damit rechtskräftig geworden und der Kläger habe damit rechnen müssen, dass die Beklagte die Rückforderung des unter Vorbehalt geleisteten Verletztengeldes verfolgen würde.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten (Band I-IV) sowie die Verwaltungsakten (Band I-VII) verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Senat hatte nicht in der Sache über die Berufung zu entscheiden, denn das Verfahren ist durch die Rücknahmeerklärung des Klägers vom 9. Juli 2015 beendet worden.
Nach § 156 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann der Kläger die Berufung bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die wirksame Berufungsrücknahme bewirkt nach § 156 Abs. 3 Satz 1 SGG den Verlust des Rechtsmittels. Der Rechtsmittelführer verliert sein Recht auf Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung, diese wird sofort rechtskräftig. Die Anschlussberufung der Beklagten vom 9. April 2003 hat damit kraft Gesetzes auch ihre Wirkung verloren (§ 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – i. V. m. § 524 Abs. 4 Zivilprozessordnung – ZPO).
Die von dem Kläger mit Datum vom 9. Juli 2015 unterschriebene und an das Gericht übersandte Erklärung ist eine wirksame Berufungsrücknahme. Eine solche Erklärung ist einseitige Prozesshandlung, die wie hier geschehen auch schriftlich gegenüber dem Gericht erklärt werden kann. Sie setzt Prozessfähigkeit des Klägers voraus und muss zudem eindeutig, klar, unmissverständlich und bedingungslos ausgesprochen werden (BSG, Urt. v. 29.05.1980 - 9 RV 8/80 – juris; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 156 Rn. 1a). An der Prozessfähigkeit des Klägers bestehen keine Zweifel. Er hat nach dem Wortlaut der von ihm unterschriebenen Erklärung unmissverständlich erklärt, dass er die Berufung zurücknimmt.
Als Prozesshandlung kann die Berufungsrücknahme grundsätzlich nicht wieder beseitigt werden. Ihr Widerruf ist nur unter den engen Voraussetzungen der Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§§ 579, 580 Zivilprozessordnung - ZPO -) möglich (BSG Urteil vom 14.06.1978 - 9/10 RV 31/77 - juris). Deren Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt. Dies macht der Kläger auch nicht geltend. Er beruft sich vielmehr darauf, er habe die Berufung zurückgenommen, weil er geglaubt bzw. den seinerzeit zuständigen Berichterstatter so verstanden habe, mit der Rücknahme seien auch die "Regressforderungen" der Beklagten vom Tisch. Ein solcher Irrtum über die Rückforderung des Verletztengeldes durch die Beklagte berechtigt indes nicht zur Anfechtung der Rücknahmeerklärung. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Anfechtung sind nach allgemeiner Meinung für Prozesshandlungen nicht anwendbar (vgl. Keller, a. a. O., § 60 Rn. 12, § 156 Rn. 2a und § 102 Rn. 7c m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
Auch der sehr enge Ausnahmefall einer Korrektur unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben greift hier nicht (vgl. dazu grundsätzlich Keller, a. a. O., § 156 Rn. 2a sowie vor § 60 Rn. 12a und 14; Binder in: Lüdtke/Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 5. Auflage § 156 Rn. 4). Nach Aktenlage hat der Berichterstatter im Hinblick auf eine Berufungsrücknahme keinen Druck auf den Kläger ausgeübt, was der Kläger im Übrigen auch nicht behauptet. Aber auch unter dem Gesichtspunkt einer fehlerhaften Belehrung durch den Richter kann die Rücknahme nicht beseitigt werden. Eine solche fehlerhafte Beratung hat der Kläger nicht nachgewiesen. Er trägt nur vor, er habe den Richter so verstanden, dass keinerlei Regressforderungen der Beklagten nach der Rücknahme auf ihn zukämen. Nach Aktenlage (gerichtliches Schreiben vom 3. Juni 2015) hat der Berichterstatter indes auf Nachfrage des Klägers den Inhalt der vorformulierten Erklärung – insbesondere die Passage zu den Kosten – nur zutreffend dahingehend erläutert, der Kläger verzichte im Falle einer Rücknahme nicht auf zukünftig eventuell erwachsende Ansprüche und Kosten "von Seiten des Gerichts" würden ihm nicht entstehen. "Irgendwelche weiteren Abflüsse" sind nach dem Schreiben des Berichterstatters vom 4. Oktober 2016 auch nicht Gegenstand von Telefonaten mit dem Kläger gewesen.
Sofern man das Schreiben des Klägers vom 6. Oktober 2015 ("Wiedereinsetzung") als erneute Berufungseinlegung auslegt, wäre diese nach der wirksamen Rücknahme des Rechtsmittels unzulässig (hM; vgl. dazu Keller, a. a.O., § 156 Rn. 5a) und darüber hinaus auch nicht fristgerecht und von daher ebenfalls unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger und Berufungskläger erlitt am 7. November 1997 einen Wegeunfall. Im streitigen Verfahren wendet er sich gegen Bescheide der Beklagten vom 21. Mai 1999 und vom 27. August 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2000, mit denen diese Verletztengeldbescheide aufgehoben und bereits (unter Vorbehalt) gezahltes Verletztengeld in Höhe von insgesamt 82.745,46 DM zurückgefordert hatte.
Mit seiner Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) ist der Kläger teilweise erfolgreich gewesen. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. Januar 2003 die Rückforderungsbescheide geändert und einen Anspruch des Klägers auf Leistungen (Verletztengeld) bis zum 31. Juli 1998 anerkannt. Im Übrigen hat das Sozialgericht den Rücknahme- und Rückforderungsanspruch der Beklagten für rechtmäßig angesehen und die Klage abgewiesen.
In dem anschließenden Berufungsverfahren bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt hat der Senat ein orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. C. vom 26. Februar 2008 eingeholt und das Verfahren sodann zum Ruhen gebracht, um der Beklagen Gelegenheit zu geben, ein Löschungsverfahren nach § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialdatenschutz und Verwaltungsverfahren - SGB X durchzuführen.
Nach Wiederaufruf der Streitsache hat der seinerzeit zuständige Berichterstatter bei dem Kläger mit einem Schreiben vom 8. Januar 2015 "angefragt", ob dieser das Berufungsverfahren im Hinblick auf das Gutachten von Prof. Dr. C. überhaupt fortsetzen wolle. Falls nicht, solle er die anliegende Erklärung unterschrieben zurücksenden. Der beigefügte Erklärungsvordruck hat den Inhalt:
"Ich nehme die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main zurück. Der Rechtsstreit soll ohne weitere Kosten für mich beendet sein."
Der Kläger hat mit Schreiben vom 29. Mai 2015 den Senat um folgende Auskunft zu dem Erklärungsvordruck gebeten: "Der Rechtsstreit soll für mich beendet sein" – was schließt das ein?
Der seinerzeit zuständige Berichterstatter hat dem Kläger mit Schreiben vom 3. Juni 2015 daraufhin mitgeteilt, "Sie verzichten durch Rücknahme nicht auf zukünftig eventuell erwachsende Ansprüche. Kosten würden Ihnen im Falle der Rücknahme von Seiten des Gerichts nicht entstehen." Ein entsprechender Erklärungsvordruck für eine Berufungsrücknahme war nochmals beigefügt. Nach einem Vermerk des Berichterstatters vom 2. Juli 2015 sind dem Kläger die in dem Schreiben vom 3. Juni 2015 "skizzierten Rechtsfolgen" nochmals am Telefon erläutert worden.
Der Rücknahmevordruck wurde von dem Kläger mit Datum vom 9. Juli 2015 unterschrieben und an den Senat zurückgesandt.
Mit Schreiben vom 17. September 2015 hat der Kläger dem Senat mitgeteilt, er werde nun von der Beklagten aufgefordert, Kosten in Höhe vom 41.539,49 EUR zu erstatten. Nach "tel. Erläuterung" der Passage "Der Rechtsstreit soll für mich beendet sein" habe er diese so verstanden, dass eine solche Forderung auf ihn nicht mehr zukäme.
In dem beigefügten Schreiben vom 8. September 2015 hat die Beklagte ausgeführt, auf Grund der Rücknahme der Berufung durch den Kläger sei das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig. Danach sei der Rückforderungsbescheid vom 27. August 1999 wirksam und lediglich um die darin geforderten Kosten für die Verletztengeldzahlung bis zum 31. Juli 1998 zu reduzieren.
Der seinerzeit zuständige Berichterstatter hat mit Schreiben vom 17. September 2015 dem Kläger mitgeteilt, der von diesem unterschriebene Vordruck sei so zu verstehen, wie dem Wortlaut zu entnehmen sei. Durch die Rücknahme der Berufung sollte der Kläger mit keinen weiteren Kosten des Verfahrens belastet werden. Die vorformulierte Erklärung enthalte keine Aussage über Entstehen/Nichtentstehen weiterer Forderungen in dem Verhältnis des Klägers zur Beklagten und auch nicht zur Begründetheit/Unbegründetheit dieser Forderungen.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" beantragt, "um das Berufungsverfahren mit anwaltlicher Hilfe fortsetzen zu können". Die Erklärung "Rücknahme der Berufung" habe er telefonisch mit dem früheren Berichterstatter auch hinsichtlich der finanziellen Folgen "ausgewählt" diskutiert. Er habe die Berufung nur zurückgenommen, weil er den früheren Berichterstatter dabei so verstanden habe, dass mit der Rücknahme auch "die allseits bekannten Regressforderungen der Beklagten vom Tisch seien". In einem weiteren Schreiben vom 29. September 2016 hat er ausgeführt, der betreffende Berichterstatter habe nach telefonischer Rücksprache bestätigt, dass es nicht zu "irgendwelchen Abflüssen kommen würde" und ihm kein Vermögensschaden entstehen würde.
Der seinerzeit zuständige Berichterstatter hat daraufhin in einem Schreiben vom 4. Oktober 2016 entgegnet, über "irgendwelche weiteren Abflüsse" sei weder in den gerichtlichen Schreiben die Rede gewesen noch seien diese Gegenstand von Telefonaten gewesen. Der Kläger solle mitteilen, ob das Verfahren nun insgesamt als beendet angesehen werden könne.
Der Kläger beantragt,
das Berufungsverfahren fortzusetzen, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2003 zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 21. Mai 1999 und 27. August 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2000 insgesamt aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass das Verfahren durch Rücknahme beendet ist, hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Berufungsverfahren sei durch Rücknahme des Klägers beendet worden. Das erstinstanzliche Urteil, das dem Kläger bekannt sei, sei damit rechtskräftig geworden und der Kläger habe damit rechnen müssen, dass die Beklagte die Rückforderung des unter Vorbehalt geleisteten Verletztengeldes verfolgen würde.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten (Band I-IV) sowie die Verwaltungsakten (Band I-VII) verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Senat hatte nicht in der Sache über die Berufung zu entscheiden, denn das Verfahren ist durch die Rücknahmeerklärung des Klägers vom 9. Juli 2015 beendet worden.
Nach § 156 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann der Kläger die Berufung bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die wirksame Berufungsrücknahme bewirkt nach § 156 Abs. 3 Satz 1 SGG den Verlust des Rechtsmittels. Der Rechtsmittelführer verliert sein Recht auf Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung, diese wird sofort rechtskräftig. Die Anschlussberufung der Beklagten vom 9. April 2003 hat damit kraft Gesetzes auch ihre Wirkung verloren (§ 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – i. V. m. § 524 Abs. 4 Zivilprozessordnung – ZPO).
Die von dem Kläger mit Datum vom 9. Juli 2015 unterschriebene und an das Gericht übersandte Erklärung ist eine wirksame Berufungsrücknahme. Eine solche Erklärung ist einseitige Prozesshandlung, die wie hier geschehen auch schriftlich gegenüber dem Gericht erklärt werden kann. Sie setzt Prozessfähigkeit des Klägers voraus und muss zudem eindeutig, klar, unmissverständlich und bedingungslos ausgesprochen werden (BSG, Urt. v. 29.05.1980 - 9 RV 8/80 – juris; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 156 Rn. 1a). An der Prozessfähigkeit des Klägers bestehen keine Zweifel. Er hat nach dem Wortlaut der von ihm unterschriebenen Erklärung unmissverständlich erklärt, dass er die Berufung zurücknimmt.
Als Prozesshandlung kann die Berufungsrücknahme grundsätzlich nicht wieder beseitigt werden. Ihr Widerruf ist nur unter den engen Voraussetzungen der Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§§ 579, 580 Zivilprozessordnung - ZPO -) möglich (BSG Urteil vom 14.06.1978 - 9/10 RV 31/77 - juris). Deren Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt. Dies macht der Kläger auch nicht geltend. Er beruft sich vielmehr darauf, er habe die Berufung zurückgenommen, weil er geglaubt bzw. den seinerzeit zuständigen Berichterstatter so verstanden habe, mit der Rücknahme seien auch die "Regressforderungen" der Beklagten vom Tisch. Ein solcher Irrtum über die Rückforderung des Verletztengeldes durch die Beklagte berechtigt indes nicht zur Anfechtung der Rücknahmeerklärung. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Anfechtung sind nach allgemeiner Meinung für Prozesshandlungen nicht anwendbar (vgl. Keller, a. a. O., § 60 Rn. 12, § 156 Rn. 2a und § 102 Rn. 7c m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
Auch der sehr enge Ausnahmefall einer Korrektur unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben greift hier nicht (vgl. dazu grundsätzlich Keller, a. a. O., § 156 Rn. 2a sowie vor § 60 Rn. 12a und 14; Binder in: Lüdtke/Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 5. Auflage § 156 Rn. 4). Nach Aktenlage hat der Berichterstatter im Hinblick auf eine Berufungsrücknahme keinen Druck auf den Kläger ausgeübt, was der Kläger im Übrigen auch nicht behauptet. Aber auch unter dem Gesichtspunkt einer fehlerhaften Belehrung durch den Richter kann die Rücknahme nicht beseitigt werden. Eine solche fehlerhafte Beratung hat der Kläger nicht nachgewiesen. Er trägt nur vor, er habe den Richter so verstanden, dass keinerlei Regressforderungen der Beklagten nach der Rücknahme auf ihn zukämen. Nach Aktenlage (gerichtliches Schreiben vom 3. Juni 2015) hat der Berichterstatter indes auf Nachfrage des Klägers den Inhalt der vorformulierten Erklärung – insbesondere die Passage zu den Kosten – nur zutreffend dahingehend erläutert, der Kläger verzichte im Falle einer Rücknahme nicht auf zukünftig eventuell erwachsende Ansprüche und Kosten "von Seiten des Gerichts" würden ihm nicht entstehen. "Irgendwelche weiteren Abflüsse" sind nach dem Schreiben des Berichterstatters vom 4. Oktober 2016 auch nicht Gegenstand von Telefonaten mit dem Kläger gewesen.
Sofern man das Schreiben des Klägers vom 6. Oktober 2015 ("Wiedereinsetzung") als erneute Berufungseinlegung auslegt, wäre diese nach der wirksamen Rücknahme des Rechtsmittels unzulässig (hM; vgl. dazu Keller, a. a.O., § 156 Rn. 5a) und darüber hinaus auch nicht fristgerecht und von daher ebenfalls unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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