L 6 AS 605/19 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 AS 155/19 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 605/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es besteht trotz der Erhöhung der maßgeblichen Werte nach § 12 WoGG beziehungsweise der Tabelle hierzu weiterhin kein Anlass von einem zusätzlichen zehnprozentigen Sicherheitszuschlag abzusehen, wenn diese Werte zur Bemessung der angemessenen Bedarfe für die Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II herangezogen werden müssen, weil sich Zweifel an der Schlüssigkeit eines diesbezüglichen Konzepts im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht klären lassen.
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 10. Dezember 2019 abgeändert und die durch das Sozialgericht in Ziffer 1. des Beschlusses ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Erbringung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf die Zeit bis 31. Mai 2020, höchstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vor dem Sozialgericht Kassel zum Aktenzeichen S 3 AS 605/19, beschränkt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller zwei Drittel der zur Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren notwendigen Kosten zu erstatten. Für das erstinstanzliche Verfahren bleibt es bei der Kostenentscheidung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 10. Dezember 2019.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens über die Höhe der dem Antragsteller zustehenden laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), konkret über die Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

Der im Jahre 1977 geborene Antragsteller ist deutscher Staatsbürger. Er erhielt bis zu einer vorübergehenden Arbeitsaufnahme im Mai 2018 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von dem Antragsgegner. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses mietete er zum 1. April 2019 die auch aktuell von ihm bewohnte, gut 86 Quadratmeter große Mietwohnung in A-Stadt an. Hierfür fallen monatlich eine Grundmiete 580,- Euro, eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,- Euro sowie eine Heizkostenvorauszahlung von ebenfalls 85,- Euro an. Wegen der Einzelheiten wird auf den Mietvertrag vom 28. Januar 2019 (Bl. 132 ff. der zum Antragsteller geführten Leistungsakte des Antragsgegners – im Folgenden: LA –) sowie die Vermieterbescheinigung (LA Bl. 142) Bezug genommen.

Am 11. April 2019 beantragte der Antragsteller erneut Arbeitslosengeld II, nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch Schreiben vom 29. März 2019 mit Wirkung zum 3. Mai 2019 gekündigt hatte. Mit Schreiben vom 9. Mai 2019 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass die Aufwendungen für die von ihm bewohnte Wohnung die angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft von 348,- Euro monatlich überschritten, und forderte ihn zur Kostensenkung auf. Der Antragsgegner erklärte sich bereit, die tatsächlichen Unterkunftskosten für maximal sechs Monate zu berücksichtigen. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag wies er den Antragsteller darauf hin, dass Heizkosten lediglich für die angemessene Wohnfläche von 50 Quadratmetern berücksichtigt werden könnten. Aus dem zum Zeitpunkt der Erstellung der Kostensenkungsaufforderung geltenden Heizspiegel lasse sich ableiten, dass die danach angemessenen Heizkosten bei 66,25 Euro monatlich lägen. Auch insoweit erklärte der Antragsgegner sich bereit, die tatsächlichen Kosten für maximal sechs Monate zu übernehmen. Wegen der Einzelheiten wird auf LA Bl. 117 ff. (Bedarfe für Unterkunft) und LA Bl. 120 ff. (Bedarfe für Heizung) Bezug genommen.

Für die Zeit bis 31. Oktober 2019 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller dementsprechend mit Bescheid ebenfalls vom 9. Mai 2019, geändert durch Bescheide vom 7. Juni 2019 und 12. Juli 2019, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe.

Nach Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 21. September 2019 berücksichtigte der Antragsgegner dagegen im Rahmen der Bewilligung von Leistungen für den folgenden Bewilligungsabschnitt für die Zeit ab 1. Dezember 2019 Bedarfe für Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von 348,- Euro monatlich (für die Unterkunft einschließlich "kalter" Nebenkosten) und 66,25 Euro monatlich (für die Heizung). Konkret bewilligte er zunächst durch Bescheid vom 23. September 2019 (LA Bl. 334 ff.) – ohne Vorläufigkeitsvorbehalt – für November 2019 einen Betrag von 1.019,52 Euro, für Dezember 2019 und Januar 2020 einen Betrag von jeweils 737,31 Euro und für die Zeit von Februar bis Oktober 2020 einen Betrag von monatlich 838,25 Euro. Der Antragsteller teilte sodann am 25. September 2019 mit, dass er zum 1. Oktober 2019 eine Nebentätigkeit aufnehmen werde, und legte dazu einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Zeitungszusteller (LA Bl. 347 ff.) vor. Mit drei Bescheiden vom 26. September 2019 änderte der Antragsgegner daraufhin die Bewilligung für November 2019, hob den Bewilligungsbescheid vom 23. September 2019 ab 1. Dezember 2019 ganz auf (LA Bl. 371 ff.) und bewilligte dem Antragsteller zum anderen vorläufig Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2019 bis 31. Mai 2020 in Höhe von jeweils 427,31 Euro für Dezember 2019 und Januar 2020 sowie von 558,25 Euro monatlich für Februar bis Mai 2020 (LA Bl. 354 ff.). Mit Rücksicht auf eine Mitteilung des Antragstellers, das Einkommen werde voraussichtlich nur 180,- Euro im Monat betragen, erhöhte er die vorläufig bewilligten Leistungen schließlich durch Bescheid vom 1. Oktober 2019 (LA Bl. 385 ff.) auf jeweils 643,31 Euro für Dezember 2019 und Januar 2020 und 774,25 Euro monatlich für die Zeit von Februar bis Mai 2020. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Bescheide Bezug genommen.

Der Antragsteller erhob zunächst unter dem 29. September 2019 Widerspruch "gegen den Bewilligungsbescheid vom 23.09.2019 bzw. 26.09.2019" und unter dem 26. Oktober 2019 auch gegen den Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2019. Zur Begründung führte er im Wesentlichen übereinstimmend aus, die Wohnung habe er zu einem Zeitpunkt angemietet, zu dem er sich in einem festen Beschäftigungsverhältnis befunden habe. Der Wohnungswechsel sei zudem durch einen Räumungsrechtsstreit begründet gewesen. Ein neuerlicher Wohnungswechsel auf Grund der Kostensenkungsaufforderung vom 9. Mai 2019 sei ihm trotz intensiver Bemühungen nicht möglich gewesen. Es stünde kein freier Wohnraum zur Verfügung, zumindest kein Wohnraum, welcher der festgesetzten Mietobergrenze genüge, wobei noch zusätzliche Schwierigkeiten aufgrund seines Sozialleistungsbezuges bestünden. Eine Untervermietung seiner Wohnung komme aufgrund mietvertraglicher Beschränkungen nicht in Betracht. Er sei ständig und überall auf Wohnungssuche, allerdings vergebens. Der Antragsteller fügte seinem Schreiben eine Liste mit Bemühungen um Wohnraum bei, die acht Wohnungsangebote (fünf aus der Zeit bis 29. Juli 2019, je eines aus August und September 2019 und ein nicht datiertes) umfasste, und legte auf Aufforderung des Antragsgegners mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 weitere Unterlagen zu diesen Wohnungsangeboten vor. Auf LA Bl. 394 ff., LA Bl. 416 ff. und LA Bl. 456 ff. wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Der Antragsgegner wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. September 2019 durch Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2019 (LA Bl. 435 ff.) zurück, weil der Antragsteller durch diesen auf Grund von dessen Aufhebung durch den Bescheid vom 26. September 2019 nicht mehr beschwert sei. Mit Widerspruchsbescheid vom gleichen Tage (LA Bl. 439 ff.) wies er zudem den Widerspruch gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 26. September 2019 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. Oktober 2019 zurück, da weitere Bedarfe für Unterkunft und Heizung wegen ihrer Unangemessenheit nicht berücksichtigt werden könnten; auf die ausführliche Begründung wird Bezug genommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2019 (LA Bl. 462 ff.) schließlich verwarf er den Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2019 als unzulässig, da dieser zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 26. September 2019 geworden sei.

Der Antragsteller hat daraufhin am 12. November 2019 Klage zum Sozialgericht Kassel gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 26. September 2019, geändert durch den Bescheid vom 1. Oktober 2019, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2019 erhoben, die dort unter Aktenzeichen S 3 AS 605/19 geführt wird; gleichzeitig hat er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren: Es sei ihm trotz zahlreicher Bemühungen nicht gelungen, eine Wohnung im Umkreis von A-Stadt für die vom Antragsgegner für angemessen erachteten Kosten zu finden, wobei er wegen der notwendigen Unterstützung seiner in B-Stadt lebenden Mutter räumlich nicht ungebunden sei. In ganz Deutschland herrsche Wohnungsnot. Er habe sich frühzeitig mit dem Antragsgegner in Verbindung gesetzt, um die bei einem Umzug zu beachtenden Einzelheiten abzuklären, und sich bei allen großen Wohnungsbaugesellschaften gemeldet und dennoch keine Wohnung gefunden. Eine Kostensenkung durch Untervermietung sei ihm durch seinen Vermieter nicht gestattet worden und im Übrigen nicht zumutbar. Deswegen habe er weiterhin Anspruch auf die Erstattung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Das von dem Antragsgegner angewendete Konzept sei zudem nicht schlüssig. Es bestehe wegen der nur anteilig übernommenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung eine existenzbedrohende Lage.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten: Der Antragsteller habe keine ausreichenden Bemühungen zur Wohnungssuche dargelegt. Seit der Aufforderung, die Wohnungskosten zu senken, seien insgesamt nur sechs Mietangebote nachgewiesen worden. Zwei Angebote seien umgehend ausgeschieden, weil die Vermieter nur an Personen hätten vermieten wollen, die in einem festen Arbeitsverhältnis stünden. Eine weitere Wohnung sei nach den Richtlinien des Antragsgegners unangemessen gewesen. Zu den anderen Angeboten fehlten Informationen darüber, warum eine Anmietung gescheitert sei. Zudem sei entgegen seiner Behauptungen nicht belegt, dass er kurzfristig Arbeit finden könne und daher bald nicht mehr bedürftig sein werde, so dass die unangemessenen Kosten auch unter diesem Gesichtspunkt nicht vorübergehend weiter übernommen werden könnten.

Das Sozialgericht hat den Antragsgegner durch Beschluss vom 10. Dezember 2019 verpflichtet, dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung ab 1. Dezember 2019 Kosten der Unterkunft bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens für die Zeit bis 31. Dezember 2019 in Höhe eines monatlichen Betrages von 386,- Euro und für die Zeit ab 1. Januar 2020 in Höhe eines monatlichen Betrages von 419,- Euro zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es unter ausführlicher Darlegung der Maßstäbe für den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) namentlich ausgeführt, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch im Sinne der tenorierten Entscheidung glaubhaft gemacht.

Er habe zunächst den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II beschränkt, da es sich bei den Ansprüchen auf Leistungen für Unterkunft und Heizung um abtrennbare selbständige Ansprüche handele (Hinweis auf BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 70/08 R –, juris, Rn. 10; BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R –, juris, Rn. 11).

Er habe einen Leistungsanspruch auf die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II. Angemessen sei eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspreche und keinen gehobenen Wohnstandard aufweise, wobei es genüge, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlage, angemessen sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 210/06 R –, BSGE 97, 231, Rn. 24). Die von dem Antragsteller bewohnte Wohnung sei unangemessen groß, da sie eine Wohnfläche von 87 Quadratmetern aufweise, während bei einem Ein-Personen-Haushalt eine Wohnungsgröße von 50 Quadratmetern angemessen sei.

Die von dem Antragsgegner zugrunde gelegte Angemessenheitsobergrenze könne indessen nach summarischer Prüfung nicht herangezogen werden. Das von ihm verwendete Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten entspreche nach der im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht den durch das Bundessozialgericht aufgestellten Vorgaben für die Festlegung einer Mietobergrenze. In diesem Rahmen sei zu klären, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab abzustellen sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 9/14 R –, BSGE 117, 250, Rn. 24). Der Vergleichsraum sei ein, ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person, bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilde (Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, Rn. 22). Die ordnungsgemäße Bestimmung des Vergleichsraumes sei, wie das Sozialgericht unter Verweis auf dessen Funktionen näher dargelegt hat, logische Voraussetzung für die Entwicklung eines schlüssigen Konzeptes (Hinweis auf BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 67, Rn. 31). Ein für die Bildung des Vergleichsraumes prägendes Kriterium sei die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stets besonders herausgestellte Forderung, dass es dem Hilfebedürftigen ermöglicht werden müsse, sein soziales Umfeld zu erhalten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R –, BSGE 97, 254, Rn. 21). Nach dem Bundessozialgericht sei als räumlicher Vergleichsmaßstab in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein müsse (nochmals Hinweis auf BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R –, BSGE 97, 254, Rn. 21; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Juli 2017 – L 10 AS 333/16 –, juris, Rn. 45).

Ausgehend hiervon vermöge das Gericht nicht zu erkennen, inwieweit es sich bei dem vom Antragsgegner in seinem "Schlüssigen Konzept zur Ermittlung der angemessenen Richtwerte der Kosten für die Unterkunft nach § 22 SGB II und § 35 SGB XII für den Landkreis Kassel" von April 2019 benannten Vergleichsraum "Baunatal" mit Baunatal, Fuldabrück, Helsa, Kaufungen, A-Stadt, Nieste, Niestetal und Söhrewald um einen homogenen Lebens- und Wohnbereich mit räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handeln solle. Eine Begründung hierfür enthalte das Konzept nicht, ebenso wenig beispielsweise eine verkehrstechnische Analyse, die diese Vergleichsraumbildung verifiziere. Genau das seien indessen die Anforderungen, die die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an die Bildung von Vergleichsräumen stelle. Das erkennende Gericht dürfe eine eigenständige Vergleichsraumbildung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht anstelle des Vergleichsraumes setzen, den der kommunale Träger zugrunde lege (Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 101, Rn. 29). Im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens könne das erkennende Gericht aufgrund der Eilbedürftigkeit den Träger aber auch nicht auffordern, das Konzept nachzubessern.

Dies mache den Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetzes (WoGG) zuzüglich eines "Sicherheitszuschlages" erforderlich (Hinweis auf BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 85, Rn. 25). Im konkreten Fall ergebe sich unter Berücksichtigung der für A-Stadt maßgeblichen Mietstufe II eine Angemessenheitsobergrenze für die Bruttokaltmiete für den Ein-Personen-Haushalt des Antragstellers von 386,- Euro (351,- Euro zuzüglich eines zehnprozentigen Sicherheitszuschlages) bis 31. Dezember 2019 und von 419,- Euro (381,- Euro zuzüglich eines zehnprozentigen Sicherheitszuschlages) ab 1. Januar 2020.

Darüber hinausgehende Kosten der Unterkunft habe der Antragsgegner nicht zu tragen, weil der Antragsteller insoweit nicht glaubhaft gemacht habe, sich nach der Kostensenkungsaufforderung des Antragsgegners in gebotenem Maße um Wohnungen mit angemessenen Wohnkosten bemüht zu haben. Gleiches gelte für die über den Betrag von 66,25 Euro hinausgehenden Kosten der Heizung.

Der Antragsgegner hat nach Zustellung des Beschlusses am 13. Dezember 2019 mit Eingang am 23. Dezember 2019 Beschwerde eingelegt.

Bereits zuvor hatte er den Beschluss durch Bescheid vom 19. Dezember 2019 umgesetzt und dem Antragsteller – weiterhin vorläufig – für Dezember 2019 Leistungen in Höhe von 996,11 Euro, für Januar 2020 in Höhe von 722,31 Euro und für Februar bis Mai 2020 in Höhe von monatlich je 853,25 Euro bewilligt. Im Rahmen der Begründung hat er darauf verwiesen, mit dem Bescheid würden die Unterkunftskosten entsprechend dem Beschluss des Sozialgerichts vom 11. Dezember 2019 angepasst. Wegen der Einzelheiten wird auf GA Bl. 202 ff. Bezug genommen.

Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Antragsgegner sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft und im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe sich nicht ausreichend um günstigeren Wohnraum bemüht. Auch anhand der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen könne nicht nachvollzogen werden, warum Mietverträge hinsichtlich der Wohnungen, zu denen der Antragsteller Unterlagen vorgelegt habe, nicht zustande gekommen seien. Die tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung hätten daher nach Ablauf eines Zeitraumes von sechs Monaten nicht mehr übernommen werden können. Dies sei auch nicht mit Blick auf die vom Antragsteller behaupteten Aussichten möglich, dass er in nächster Zeit wieder bedarfsdeckendes Einkommen erzielen könne, nachdem er selbst eingeräumt habe, dass insofern gewisse Hemmnisse bestünden und die angebotenen Arbeitsverträge nicht zustande gekommen seien.

Das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das von ihm, dem Antragsgegner, angewendete Konzept zur Bestimmung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei. Nach den ab 1. Mai 2017 geltenden Weisungen des kommunalen Trägers des Antragsgegners gelte für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich das im Jahr 2016/2017 durch eine Erhebung der Mietwertdaten mit anschließender wissenschaftlicher Auswertung durch die Firma "Analyse und Konzepte" in Auftrag gegebene schlüssige Konzept. Das Konzept habe im April 2019 aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –) eine Korrektur hinsichtlich der im Landkreis zu bildenden Vergleichsräume und der sich daraus ergebenden abstrakt angemessenen Unterkunftskosten erfahren. Da seit der Inkraftsetzung des Konzepts zwei Jahre vergangen seien, sei das schlüssige Konzept zudem fortgeschrieben worden.

Der Wohnort des Antragstellers, A-Stadt, gehöre nun zum Vergleichsraum Baunatal, dort seien als Bedarf für eine Person monatliche Kosten der Unterkunft von maximal 348,- Euro (Kaltmiete inklusive Vorauszahlung auf die Betriebskosten) anzuerkennen. Nach Auffassung des Antragsgegners seien die vier Vergleichsräume, die im schlüssigen Konzept der Firma Analyse und Konzepte beschrieben würden, und so auch der vorliegend zugrunde gelegte Vergleichsraum Baunatal entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestimmt. So halte es das Bundessozialgericht für zulässig, den sich aus einem Zuständigkeitsbereich eines Jobcenters ergebenden Raum in mehrere Vergleichsräume zu unterteilen, für die jeweils eigene Angemessenheitsgrenzen bestimmt werden könnten. Die Fortschreibung auf der Basis eines Indexes der Verbraucherpreise sei gegenwärtig noch zulässig. Er, der Antragsgegner, werde im Verlauf des Jahres eine neue Datenerhebung in Auftrag geben. Zur weiteren Begründung verweist der Antragsgegner auf den von der Firma Analyse & Konzepte im April 2017 erstellten Bericht "Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung" sowie auf den von der genannten Firma erstellten Korrekturbericht vom 3. April 2019 und den Bericht zur Fortschreibung des Konzepts. Diesbezüglich wird auf Bl. 154 ff. der Gerichtsakte (im Folgenden: GA) beziehungsweise Bl. 78 ff. GA und Bl. 88 ff. GA verwiesen. Die Angemessenheitsgrenze für die Heizkosten ergebe sich aus dem bundesweiten Heizkostenspiegel.

Schließlich sei, selbst wenn man von einer Unschlüssigkeit des Konzepts ausginge, angesichts der Erhöhung der nach dem Wohngeldgesetz zu gewährenden Beträge nicht mehr nachvollziehbar, dass hierauf noch ein Sicherheitszuschlag von zehn Prozent aufgeschlagen werden müsse, wenn diese zur Bemessung der angemessenen Kosten nach § 22 Abs. 1 SGB II herangezogen würden.

Er beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 10. Dezember 2019 aufzuheben, soweit er durch diesen zur Erbringung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende verpflichtet worden ist, und den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz in vollem Umfang abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Zur Begründung vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Er hat dazu weitere Unterlagen zur Wohnungssuche vorgelegt (GA Bl. 116 ff.) und namentlich darauf verwiesen, dass (auch) die großen Wohnungsbaugesellschaften Anforderungen an die Einkommenssituation der Wohnungsbewerber stellten, die für Bezieher von Grundsicherungsleistungen nicht erfüllbar seien. Auf die Aufforderung des Berichterstatters zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und wie eine Sicherung des Wohnraums trotz der erheblichen Differenz zwischen den tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und den vom Sozialgericht vorläufig zugesprochenen Beträgen möglich sei, hat der Antragsteller auf seine Nebentätigkeit verwiesen. Der Freibetrag des Minijobs betrage 140,- Euro und decke einen Teil der ungedeckten Kosten, den Rest zahle er aus dem Regelbetrag. Mietrückstände seien bislang nicht aufgelaufen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber nur insoweit begründet, als seine vom Sozialgericht im Wege der einstweiligen Anordnung ausgesprochene Verpflichtung zeitlich zu beschränken war. Im Übrigen ist die Beschwerde zurückzuweisen, weil der Antragsteller Anspruch auf die vorläufige Erbringung von Leistungen unter Berücksichtigung von Bedarfen für die Unterkunft in der vom Sozialgericht zu Grunde gelegten Höhe hat.

1. Gegenstand des Verfahrens ist die Beschwerde des Antragsgegners mit dem Ziel, die volle Abweisung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz zu erreichen, wobei das Sozialgericht nachvollziehbar und von den Beteiligten unangegriffen davon ausgegangen ist, dass dieser nur auf Leistungen wegen der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II gerichtet war (vgl. Bl. 5 der angegriffenen Entscheidung, GA Bl. 59).

Über eine Anschlussbeschwerde hat der Senat nicht, jedenfalls nicht mehr zu entscheiden. Zwar geht der in der Beschwerdeerwiderung des Antragstellers vom 14. Januar 2020 unter Ziffer 4 formulierte Antrag über die Abwehr des vom Antragsgegner erhobenen Rechtsmittels hinaus und zielt zumindest seinem Wortlaut nach darauf, das erstinstanzliche und auf die vorläufige Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in voller Höhe zielende Begehren unverändert weiterzuverfolgen. Seine Bevollmächtigte hat jedoch mit Schriftsatz vom 27. Februar 2020 ausdrücklich mitgeteilt, dass der Antragsteller mit dem Schreiben vom 14. Januar 2020 keine Anschlussbeschwerde habe erheben wollen.

Es kann offenbleiben, ob es sich insoweit tatsächlich um eine reine Klarstellung handelt. Wenn nicht, wäre diese Erklärung als Rücknahme der vom Antragsteller zuvor erhobenen Anschlussbeschwerde zu werten. Die (teilweise) Rücknahme eines Rechtsmittels ist auch konkludent möglich und kann sich namentlich daraus ergeben, dass ein zur Entscheidung des Gerichts gestellter Antrag nicht weiterverfolgt wird. Das setzt eine hinreichende klare Erklärung voraus; die Rücknahme eines Rechtsmittels muss unmissverständlich, eindeutig und unzweifelhaft erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 11 AL 2/16 R –, juris Rn. 15). Eine derartige Erklärung liegt mit dem Schriftsatz der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 27. Februar 2020 (GA Bl. 232) nunmehr zweifellos vor, so dass offenbleiben kann, ob schon die entsprechend beschränkte Antragstellung aus ihrem Schriftsatz vom 3. Februar 2020 (GA Bl. 220) entsprechend auszulegen gewesen wäre.

2. Die Beschwerde des Antragsgegners ist mit diesem Inhalt statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Ihre Statthaftigkeit ergibt sich allerdings (nur) auf Grund der fehlenden zeitlichen Begrenzung der vom Sozialgericht zukunftsoffen erlassenen (beziehungsweise nur auf die Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens beschränkten) einstweiligen Anordnung. Damit steht eine Verpflichtung des Antragsgegners für einen Zeitraum von über einem Jahr im Raum, so dass in der Hauptsache die Berufung nach § 143, § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG und dementsprechend die Beschwerde nach § 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 SGG statthaft ist.

Sonstige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit bestehen nicht, namentlich ist sie den Anforderungen aus § 173 SGG genügend form- und fristgerecht erhoben.

3. Die Beschwerde ist nur im Hinblick auf die (weitgehend) fehlende zeitliche Begrenzung der vom Sozialgericht erlassenen einstweiligen Anordnung begründet. Im Übrigen kann sie keinen Erfolg haben, vielmehr lagen und liegen die Voraussetzungen für die vom Sozialgericht erlassene einstweilige Anordnung grundsäztlich vor.

a) Statthaft ist eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, nachdem der Antragsteller eine Ausweitung seiner Rechtsposition, konkret die (vorläufige) Gewährung höherer Leistungen, erstrebt. Wegen des Maßstabs für deren Erlass kann auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts (Bl. 4 f. der angegriffenen Entscheidung; GA Bl. 58 f.) hierzu verwiesen werden.

b) Das Sozialgericht hat zunächst das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zu Recht bejaht.

aa) Der Senat hat keine Zweifel, dass der Antragsteller auf der Grundlage von §§ 7 ff. SGB II dem Grunde nach Anspruch auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt hat; dies wird vom Antragsgegner auch nicht in Frage gestellt, so dass weitere Ausführungen hierzu im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entbehrlich erscheinen.

bb) Das Sozialgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Antragsgegner höhere Leistungen zu erbringen und dabei den Unterkunftsbedarf anhand der Werte aus § 12 WoGG (bis 31. Dezember 2019) beziehungsweise der zugehörigen Tabelle in Anlage 1 des Wohngeldgesetzes (ab 1. Januar 2020) zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von zehn Prozent zu bemessen hat.

Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen wiederum zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts (Bl. 5 ff. der angegriffenen Entscheidung; GA Bl. 59 ff.). Das Beschwerdevorbringen vermag die Richtigkeit dieser Ausführungen letztlich nicht in Frage zu stellen. Es verbleiben auch nach Auffassung des Senats eine Reihe von Fragen, namentlich im Hinblick auf die Schlüssigkeit des Konzepts zur Bemessung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft, die im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens nicht abschließend geklärt werden können, so dass von nicht unerheblichen Erfolgschancen des Antragstellers hinsichtlich der vom Sozialgericht Kassel zugrunde gelegten Leistungshöhe auszugehen ist.

(1.) Zunächst hat das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass erhebliche Bedenken bestehen müssen, ob von einem einheitlichen Vergleichsraum Baunatal ausgegangen werden kann. In dem vom Antragsgegner vorgelegten Korrekturbericht finden sich zwar Ausführungen zu den Verkehrsverbindungen im Vergleichsraum (vgl. S. 8 des Korrekturberichts vom 3. April 2019, GA Bl. 82), allerdings nur recht punktuell, nämlich für zwei Referenzverbindungen.

Ähnliche Fragen verbinden sich mit der Homogenität des Vergleichsraumes: So liegen einige der dem Vergleichsraum zugeordneten Gemeinden – so auch der Wohnort des Klägers, A-Stadt-C-Stadt – unmittelbar an der Stadtgrenze zum Oberzentrum B-Stadt und sind mit diesem verkehrstechnisch sehr eng verbunden, so dass davon auszugehen ist, dass sich das Mietenniveau des Oberzentrums in starkem Maße auf den lokalen Wohnungsmarkt auswirkt. Für andere Gemeinden wie etwa Söhrewald oder Helsa und deren Ortsteile, die ebenfalls dem Vergleichsraum zugeordnet sind, gilt das nicht oder jedenfalls in deutlich geringerem Maße. Der Senat verkennt nicht, dass sich in diesem Zusammenhang die praktisch schwierig zu bewältigende Frage stellt, dass Gemeinden wie das genannte Helsa als solche einerseits zu klein sein könnten, um einen eigenen Vergleichsraum zu bilden, und andererseits eine Zuordnung, welche die angesprochene Problematik der Inhomogenität bei ihrer Zuordnung zu einem gemeinsamen Vergleichsraum mit Gemeinden wie Baunatal oder A-Stadt vermeidet, geographisch schwierig bis unmöglich ist. Welche Konsequenzen hieraus zu ziehen sind und wie daher konzeptuell mit dieser Situation umzugehen ist, muss aber der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Im Hauptsacheverfahren werden überdies Fragen nach der ausreichenden Validität der zugrunde liegenden Daten und den darauf beruhenden Ergebnisse zu klären sein. Das gilt namentlich für die vergleichsweise geringe Zahl von Angebotsmieten: Für den Vergleichsraum Baunatal sind in der für den Kläger relevanten Kategorie der Wohnungen mit einer Größe von bis zu 50 Quadratmetern nur 44 Angebotsmieten in das Konzept eingegangen (vgl. S. 14 des Korrekturberichts, GA Bl. 85). Namentlich angesichts der fraglichen Homogenität des Vergleichsraums hat der Senat Zweifel, ob dies ausreichend ist, um die Preissituation bei einer Kostensenkung durch Umzug, was die Neuanmietung einer Wohnung voraussetzt, valide abzubilden.

Schließlich stellt sich die Frage, ob das Konzept hinreichend aktuell beziehungsweise der Fortschreibung ein zulässiges Konzept zugrunde gelegt worden ist: Der Antragsgegner hat die Notwendigkeit der Fortschreibung angesichts der aus dem Jahre 2016 stammenden Daten durchaus gesehen und sein Konzept daher fortgeschrieben. Der zugehörige Fortschreibungsbericht ist nicht auf eine Neuerhebung von Daten gestützt, was grundsätzlich – zumindest einmalig – bei Ablauf des Zwei-Jahres-Zeitraumes, den das Bundessozialgericht als Höchstgrenze für die Aktualität eines unveränderten Konzepts zugrunde legt, zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 – B 4 AS 33/16 R –, BSGE 125, 29). Das Bundessozialgericht hat bei einer in diesem Falle möglichen Indexfortschreibung dem Leistungsträger – auch hierfür – Methodenfreiheit eingeräumt, so dass die Fortschreibung anhand des Jahresverbraucherindexes, auf den das Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung zurückgegriffen hat, nicht zwingend ist. Im konkreten Fall hat der Antragsgegner auf die Verbraucherpreisindices für Wohnungsmieten einerseits und Wohnungsnebenkosten andererseits zurückgegriffen (wobei der Senat zu Gunsten des Antragsgegners davon ausgeht, dass es sich um einen Schreibfehler handelt, insoweit im Korrekturbericht – dort S. 2, GA Bl. 89R – auf die Indices für Nordrhein-Westfalen abgestellt wird). Das erscheint dem Senat im Ausgangspunkt durchaus plausibel, weil diese Indices im Hinblick auf die hier in Frage stehende Erhöhung der Wohnungsmarktdaten differenzierter und sachnäher sein dürften als der allgemeine Verbraucherpreisindex. Allerdings ist im Fortschreibungsbericht ausdrücklich vermerkt, dass der Index ohne regionale Differenzierungen hessenweit gebildet ist (vgl. S. 2 des Fortschreibungsberichts, GA Bl. 89R). Die Klärung der damit zusammenhängenden Fragen nach der Validität der Ergebnisse sind ebenfalls dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

Es verbleiben danach erhebliche, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu klärende Zweifel, ob der Antragsgegner die angemessenen Bedarfe für die Unterkunft anhand seines von der Firma Analyse & Konzepte entwickelten Konzepts einschließlich Korrektur- und Fortschreibungsbericht bemessen durfte.

(2.) Vor diesem Hintergrund hat das Sozialgericht zutreffend vorläufig auf die Werte nach § 12 WoGG beziehungsweise der Tabelle hierzu zurückgegriffen: A-Stadt ist der Mietenstufe II nach dem Wohngeldgesetz zuzuordnen, so dass sich daraus bei einem zu berücksichtigenden Haushaltsmitglied Beträge von 351,- Euro bis 31. Dezember 2019 beziehungsweise 381,- Euro ab 1. Januar 2020 monatlich ergeben.

Der Senat sieht – wie das Sozialgericht – keinen Anlass wegen der Erhöhung der maßgeblichen Werte nach dem Wohngeldgesetz von einem zusätzlichen zehnprozentigen Sicherheitszuschlag abzusehen. Die demgegenüber erhobenen Einwände des Antragsgegners verkennen die Funktion des Sicherheitszuschlags, die sich nicht daraus ergibt, dass empirische Anhaltspunkte dafür beständen, dass die Werte nach dem Wohngeldgesetz regelmäßig unzureichend wären. Vielmehr gelten auch für die neuerliche Anhebung der Beträge nach dem Wohngeldgesetz die vom Bundessozialgericht anlässlich einer früheren Erhöhung angestellten Überlegungen, wonach die Anhebung nichts daran ändert, dass es sich bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand des Wohngeldgesetzes nur um eine abstrakte, allein der Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen dienende Begrenzung handelt, die unabhängig von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 73 = juris, Rn. 27). Denn über letztere fehlen jedenfalls nach der im hiesigen Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung gerade hinreichend sichere Erkenntnisse. Der Sicherheitszuschlag ist daher weiter erforderlich, da auch die angehobenen Werte nach dem Wohngeldgesetz nicht den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Der Sinn und Zweck des Wohngeldgesetzes liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen. Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum, weshalb die Leistung nach dem Wohngeldgesetz folgerichtig als (Miet- oder Lasten )Zuschuss (vgl. § 1 Abs. 1 bzw. Abs. 2 WoGG) bezeichnet wird. Dessen Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete (bzw. den zu berücksichtigenden Lasten), den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete den in § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist. Beide Regelungen verfolgen damit verschiedene Ziele; auf die Werte aus § 12 WoGG beziehungsweise der Tabelle hierzu ist daher nur (hilfsweise) als Grundlage zur Bemessung der angemessenen Miete abzustellen und der sich daraus ergebende Betrag dem anders gelagerten Sinn und Zweck von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II durch den "Sicherheitszuschlag" anzupassen. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung hat es für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach dem Recht der Grundsicherung der Arbeit damit keine wesentliche Bedeutung, dass die Werte nach dem Wohngeldgesetz in den letzten Jahren merklich angehoben wurden. Auf den Umstand, dass auch die Aufwendungen für das Wohnen in den letzten Jahren verbreitet deutlich angestiegen sind, kommt es dabei letztlich nicht einmal an.

Jedenfalls nach der im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ist das Sozialgericht daher zu Recht von Unterkunftsbedarfen in Höhe von 386,- Euro bis 31. Dezember 2019 und 419,- Euro ab 1. Januar 2020 ausgegangen.

c) Auch ein Anordnungsgrund ist ausreichend glaubhaft gemacht. Schon grundsätzlich kommt angesichts des jeweils nur aktuell zu sichernden Existenzminimums den über Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auch verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Leistungsberechtigten ganz erhebliches Gewicht zu, wenn – wie hier – existenzsichernde Leistungen in einem nicht nur geringfügigen Umfang im Streit stehen. Das gilt auch, wenn nicht sogar in besonderem Maße für Leistungen, die zum Erhalt der Unterkunft von Bedeutung sind, und zwar auch schon vor einer Kündigung oder gar der Erhebung einer Räumungsklage (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017 – 1 BvR 1910/12 –, juris). Die allein finanziellen Interessen der Behörde müssen in diesem Falle mit Blick auf die Wechselwirkung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bei einem hinreichend glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch regelmäßig zurücktreten.

Vorliegend steht ein Anordnungsgrund auch nicht etwa deswegen in Frage, weil trotz der einstweiligen Anordnung eine nicht unerhebliche Deckungslücke zwischen den vom Antragsgegner auf Grund der einstweiligen Anordnung zu berücksichtigenden Bedarfen für Unterkunft und Heizung und den tatsächlich vom Antragsteller hierfür aufzuwendenden Beträgen besteht. Der Antragsteller hat hinreichend plausibel gemacht, dass er – auch dauerhaft und jedenfalls bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache – in der Lage ist, die notwendigen Mittel aufzubringen. Im konkreten Fall beträgt die Differenz zwischen den aufgrund der vom Sozialgericht erlassenen einstweiligen Anordnung zu berücksichtigenden Beträgen (also von monatlich 386,- Euro beziehungsweise 419,- Euro für die Unterkunft und 66,25 Euro für die Heizung und somit insgesamt 452,25 Euro beziehungsweise 485,25 Euro) zu den von dem Antragsteller geschuldeten Aufwendungen (665,- Euro für die Unterkunft und 85,- Euro für die Heizung, somit insgesamt 750,- Euro) zwar monatlich 297,75 Euro beziehungsweise seit 1. Januar 2020 264,75 Euro und ist somit ganz erheblich. Der Antragsteller verfügt allerdings über ein Nebeneinkommen, aus dem ihm ein Freibetrag von deutlich über 100,- Euro monatlich verbleibt. Es erscheint vorstellbar, dass er bei äußerst sparsamer Lebensweise den Rest jedenfalls übergangsweise aus dem Regelbedarf aufbringen kann, ohne dass Schulden entstehen, die das Mietvertragsverhältnis gefährden würden.

Umgekehrt ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller ohne die zusätzlichen Mittel aus der einstweiligen Anordnung in der Lage wäre, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auch nur vorübergehend zu tragen. Ein Anordnungsgrund steht somit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Frage.

d) Allerdings ist die einstweilige Anordnung zeitlich zu beschränken. Der einstweilige Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG dient der Abwendung wesentlicher Nachteile, im Bereich des Existenzsicherungsrechts also regelmäßig der Überbrückung einer aktuellen Notlage. Dies verbietet nach Auffassung des Senats in aller Regel den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die über den gegenwärtig laufenden Bewilligungszeitraum (oder bei einer vollständigen Leistungsablehnung eines entsprechend langen Zeitraums) hinausreicht. Ausnahmen sind denkbar, wenn die einstweilige Anordnung erst kurz vor Ablauf des Bewilligungszeitraums ergeht. Im Regelfall erscheint es jedoch sachgerecht, die einstweilige Anordnung (höchstens) auf den laufenden Bewilligungszeitraum zu begrenzen und dem Leistungsträger damit die vom Gesetzgeber durch die Vorgabe einer jeweils nur Zeit abschnittsweisen Bewilligung (vgl. § 41 Abs. 3 SGB II) eingeräumte Möglichkeit zu erhalten, die Leistungsvoraussetzungen in regelmäßigen Abständen von neuem und dem Grunde nach ohne Bindung an eine vorherige Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung zu prüfen.

Vor diesem Hintergrund ist die vom Sozialgericht Kassel – abgesehen von dem Fall der Erledigung des Hauptsacheverfahrens – zukunftsoffen formulierte einstweilige Anordnung auf die Zeit bis zum Ablauf des gegenwärtigen Bewilligungszeitraums, also bis zum 31. Mai 2020, zu begrenzen. (Nur) insoweit kann die Beschwerde Erfolg haben.

e) Nachdem der Antragsteller Beschwerde nicht eingelegt oder diese jedenfalls nicht aufrechterhalten hat, besteht kein Anlass zu prüfen, ob diesem weitergehende Ansprüche zugestanden haben könnten. Nachdem er glaubhaft gemacht hat, die Deckungslücke jedenfalls vorübergehend aus eigenen Mitteln aufbringen zu können, liegt dies allerdings ohnehin fern.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass das Sozialgericht angesichts des deutlich weitergehenden erstinstanzlichen Antrags den Antragsgegner nachvollziehbar zur Erstattung von nur einem Fünftel der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten verpflichtet hat. Für das Beschwerdeverfahren stellt sich das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen allerdings – aus Sicht des Antragstellers – günstiger dar, nachdem der Antragsgegner mit seiner Beschwerde nur, aber immerhin mit Blick auf die zeitliche Begrenzung der einstweiligen Anordnung Erfolg hatte. Der Umstand, dass der Antragsteller jedenfalls zunächst einen Antrag formuliert hat, der als Anschlussbeschwerde zu verstehen gewesen sein könnte, fällt demgegenüber nach Auffassung des Senats nicht erheblich ins Gewicht, nachdem er vor einer Entscheidung über diesen Antrag durch seine Prozessbevollmächtigte klargestellt hat, dass eine Anschlussbeschwerde nicht gewollt war.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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