Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 266/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 161/17 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Bindungswirkung des § 170 Abs. 5 SGG erstreckt sich im Fall der Zurückverweisung neben den tragenden Gründen der Entscheidung des Bundessozialgerichts auch auf die durch das Bundessozialgericht nicht aufgehobenen tatsächlichen Feststellungen. Das gilt nur, soweit die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts dem nicht entgegensteht und keine neuen Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen sind.
I. Die Berufung der Beklagten wird bezüglich der im Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. Mai 2009 ausgesprochenen Anerkennung des Zustands nach Oberlappenresektion links am 7. September 2004 wegen nicht kleinzelligem Lungenkarzinom des linken Lungenoberlappens im Stadium II a als BK Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist nach Abschluss eines Unterwerfungsvergleichs in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 28. Januar 2020 die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) wegen Chrombelastung (BK 1103). Die Klägerin ist die Witwe des Versicherten B.A., der 1952 geboren wurde und während des Berufungsverfahrens zum Aktenzeichen L 3 U 150/09 verstarb. Sie lebte mit dem Versicherten im Jahr vor seinem Tode in häuslicher Gemeinschaft.
Der Versicherte hatte ab 1966 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser absolviert und war als solcher bis 1972 in den D. Eisenwerken in D-Stadt tätig gewesen. Nach Ableistung des Wehrdienstes arbeitete er ein halbes Jahr als LKW-Fahrer bei einer Spedition und sodann von Juni 1974 bis Juni 1976 in der Montage von Aluminiumfenstern bei der Firma E. Metallbau in A-Stadt. Anschließend war er bis Februar 1977 bei der Firma F. in F-Stadt im Apparatebau tätig, bevor er von März 1977 bis Ende 1985 beim Stahlwerk der Firma G. in D-Stadt beschäftigt war. Von Januar 1986 an arbeitete er bei der Firma H., J.werke, in J-Stadt als Meister im Bereich der Endmontage beim Zusammenbau von Stahlschränken. Über 30 Jahre rauchte er täglich 20 bis 30 Zigaretten.
Im Juli 2004 suchte er nach einer Erkältung und einem seit 4 Wochen andauernden Husten den Internisten und Lungenfacharzt Dr. K. auf, der neben einer Raucherbronchitis eine obstruktive Lungenerkrankung beim Versicherten feststellte und auf dem Röntgenbild einen tumorverdächtigen gut haselnussgroßen Herd im linken Oberfeld beschrieb. Nachdem sich der Tumorverdacht bestätigt hatte, wurde der Versicherte ab 1. September 2004 stationär aufgenommen. Am 7. September 2004 wurde eine Thorakotomie mit erweiterter Lungenoberlappenresektion und Entfernung von Lymphknoten durchgeführt, bei der der Lungentumor entfernt wurde. Histologisch handelte es sich um ein peripher großzelliges, neuroendokrines Karzinom im Stadium II a. Als weitere Diagnose gab die Klinik eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung bei Zustand nach Nikotinmissbrauch an.
Am 15. April 2007 nahm der Versicherte die Arbeit bei der Firma H. wieder auf. Im November 2009 wurde ihm gekündigt. Nachdem die weitere Nachsorge zunächst unauffällig verlief, wurde im November 2012 beim Versicherten der Verdacht auf eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse erhoben, die unter der Diagnose B-Zell-Lymphom mit Befall von Bauchspeicheldrüse und Zwölffingerdarm im Klinikum Wetzlar bestätigt wurde und an der der Versicherte am 5. März 2013 verstarb.
Bereits am 31. April 2005 hatte sich der Versicherte an die Beklagte gewandt mit dem Begehren, seine Bronchialkrebserkrankung als BK anzuerkennen. Er führte die Erkrankung auf seine Tätigkeit im Stahlwerk der Firma G. zurück, wo er ständig Chrom sowie Chrom-Nickel-Stäuben ausgesetzt gewesen sei. Er habe oft hoch legierte Stähle mit Elektroden und Schutzgas schweißen müssen und habe auch Asbestkontakt gehabt. Nach arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen lehnte die Beklagte mit zwei Bescheiden vom 25. August 2005 die Anerkennung einer BK 1103 und einer BK 4104 ab. Die Widersprüche wies sie mit Widerspruchsbescheiden vom 8. Dezember 2005 zurück.
Am 20. Dezember 2005 erhob der Versicherte vor dem Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) zwei Klagen (Az. S 3 U 266/05 wegen der BK 1103 und Az. S 3 U 267/05 wegen der BK 4104), die das Sozialgericht mit Beschluss vom 24. März 2008 verband. Nach weiteren arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen Ermittlungen (u.a. Einholung eines Gutachtens und einer ergänzenden Stellungnahme bei dem Arbeitsmediziner und Internisten Prof. Dr. L., vgl. Bl. 151 – 212 und 229 – 236 der Gerichtsakten) verurteilte das Sozialgericht die Beklagte am 28. Mai 2009 dazu, die Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK 1103 anzuerkennen und nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu entschädigen. Im Übrigen (BK 4104) wies es die Klage ab.
Gegen das am 1. Juli 2009 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 3. Juli 2009 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht (Landessozialgericht) ein (Az. L 3 U 150/09). Nach Abschluss der Ermittlungen hob das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts vom 28. Mai 2009 mit Urteil vom 14. Oktober 2014 auf die Berufung der Beklagten hin auf und wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass beim Versicherten ein peripheres nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom des linken Lungenoberlappens im Stadium II a vorgelegen habe. Die Schweißrauchbelastung des Versicherten habe 307,51 Chrom-VI-Jahre erreicht. Außerdem habe eine Nickelbelastung im Umfang von 196,04 Nickeljahren und eine Asbestfaserbelastung von 12,66 Faserjahren bestanden. Von 1972 bis 2004 habe der Versicherte kumulativ 30 Packungsjahre Zigarettenrauch inhaliert. Sowohl die beruflichen Chrom-VI-, Asbest- und Nickelbelastungen, als auch der Zigarettenkonsum seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Mitursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn für die Entstehung des Lungenkrebses. Die beruflichen Chrom-VI-, Asbest- und Nickelbelastungen stellten jedoch neben dem Zigarettenkonsum keine wesentliche Mitursache dar. Die haftungsbegründende Kausalität, d.h. ob eine berufliche Schadstoffeinwirkung die Lungenkrebserkrankung des Versicherten verursacht habe, erfolge nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Hiernach sei zunächst nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Erfolg entfiele. Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie seien aber nur solche Ursachen rechtserheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg wesentlich mitgewirkt hätten. "Wesentlich" sei nicht mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" gleichzusetzen. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache könne für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung hätten. Es habe eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Trotz der Ausrichtung am individuellen Versicherten sei bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Einwirkungen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Bei der BK 1103 handele es sich um eine sog. "stochastische BK", die mit Chrom einen konkreten Schadstoff, aber keine definierte Erkrankung und noch nicht einmal eine Mindestdosis enthalte. Da eine exakte Beweisführung bei offenen BKen nicht möglich sei, müsse eine "Indizienkette" aufgebaut werden und nach Abwägung aller Glieder der Kette entschieden werden, ob mehr Gründe für als gegen den ursächlichen Zusammenhang sprächen. Als Kriterien für die Indizienkette würden – ohne Unterscheidung in die Prüfungsstufen 1 und 2 im Rahmen der Theorie der wesentlichen Bedingung – in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur 13 Einzelpunkte genannt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 1092 f.). Bei Prüfung dieser Kriterien, mit Ausnahme der Ziffern 4, 12 und 13, die auf der 2. Stufe zu prüfen seien, ergäbe sich, dass die Indizien jeweils für eine Mitursächlichkeit der Chrom-VI-, Asbest- und Nickelbelastungen des Zigarettenkonsums überwögen. Die Entscheidung, ob die naturwissenschaftlich-philosophisch festgestellten Ursachen für den eingetretenen Erfolg wesentlich seien, treffe der Jurist unter Berücksichtigung der aufgrund der aktuellen medizinischen Erkenntnisse gewonnenen Tatsachen. Hierbei ergebe sich, dass die versicherte Chrom-VI-Einwirkung neben dem unversichert einwirkenden Zigarettenrauch von derart untergeordneter Bedeutung sei, dass sie als wesentliche Mitursache nicht in Betracht komme. Der Vergleich der Expositionsrisiken ergäbe auch bei nur 20 Zigaretten täglich, ein mehr als sechsfach erhöhtes Erkrankungsrisiko aufgrund von Zigarettenkonsum, während hinsichtlich der Chrom-VI-Exposition allenfalls eine zu 30% bestehende Risikoverdoppelung bestehe. Eine andere Sichtweise folge auch nicht bei Berücksichtigung der Belastungen durch Asbest und Nickel im Rahmen einer synkanzerogenen Wirkungsweise.
Am 10. März 2015 legte die Klägerin gegen das ihr am 20. Februar 2015 zugestellte Urteil die Revision ein. Sie machte geltend, dass ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII i.V.m. Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV vorliege. Das Landessozialgericht führe bei der Prüfung des Vorliegens der BK 1103 über das Kriterium der Risikoverdoppelung einen Grenzwert ein, der bei einer offenen BK nicht anzuwenden sei. Außerdem werde aufgrund eines rein statistischen Wertes ein Rückschluss auf den Einzelfall gezogen. Dieser werde an einem über ein Kollektiv bestimmtes Risiko gemessen. Hiermit könne nicht bestimmt werden, ob, wie und mit welcher Wahrscheinlichkeit im Einzelfall die Exposition zur Erkrankung beigetragen habe. Der Senat beziehe sich bzgl. der Chrombelastung nur auf den TAD-Bericht, der lediglich auf einer Einschätzung beruhe, da es den Arbeitsplatz nicht mehr gebe. Prof. Dr. L. berücksichtige hingegen auch das Ergebnis der Analyse des veraschten Lungengewebes des Versicherten und komme zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhang hinreichend wahrscheinlich sei. Die Messwerte lägen beim Versicherten signifikant höher als die Belastung der Normalbevölkerung und auch höher als die Messergebnisse, die er bei mehr als 300 Lungengewebsanalysen bisher festgestellt habe. Es liege ein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG vor. Das Landessozialgericht stütze sich bei der Ablehnung der Wesentlichkeit der Chromeinwirkung darauf, dass es die Expositionsrisiken zueinander ins Verhältnis setze. Es lasse aber an keinem Punkt erkennen, wie es zu dem für das Rauchen herangezogenen Risikowert gelangt sei. Eine eigene Sachkunde sei nicht vorgetragen.
Die Beklagte hat u.a. vorgetragen, dass das Landessozialgericht den Anspruch abgelehnt habe, weil das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken durch unversicherte Einwirkungen so hoch sei, dass die versicherte Exposition gegenüber Chrom-VI demgegenüber nicht ins Gewicht falle. Der Senat stütze sich zur Bewertung des Lungenkrebsrisikos auf die wissenschaftliche Literatur und das Gutachten von Prof. Dr. L ... Die Lungenstaubanalyse unterscheide nicht zwischen den unterschiedlichen Chromverbindungen. Lediglich Chrom-VI stelle jedoch ein Problem dar. Ein Rückschluss auf das Ausmaß der Belastung mit Chrom-VI sei deshalb nicht möglich. Allein die Bejahung der naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalität begegne rechtlichen Bedenken. Aufgrund der unversicherten Einwirkung durch das Rauchen liege schon diese nicht vor.
Mit Urteil vom 30. März 2017 hob das Bundessozialgericht das Urteil des Landessozialgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Das Landessozialgericht habe das Urteil des Sozialgerichts zu Unrecht aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit das Sozialgericht die Beklagte zur Anerkennung der BK 1103 verurteilt habe. Die Ablehnung der Anerkennung dieser BK im Bescheid vom 25. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2005 sei rechtswidrig. Bei dem Versicherten habe ein Zustand nach Oberlappenresektion links wegen nicht kleinzelligem Lungenkarzinoms des linken Lungenoberlappens als Folge einer BK 1103 vorgelegen. Das Landessozialgericht habe aufgrund seiner Rechtsansicht keine Feststellungen zur Höhe der MdE getroffen. Das Bundessozialgericht habe deshalb nicht entscheiden können, ob das Sozialgericht die Beklagte zu Recht zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. verurteilt habe, der Rechtsstreit habe insoweit an das Landessozialgericht zurückverwiesen werden müssen. Streitgegenstand des Verfahrens seien die Anerkennung der BK 1103 und die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. Nur insoweit habe der Senat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 1103 lägen vor. Die BK 1103 enthalte weder normative Vorgaben in Form einer Mindestdosis oder Mindestdauer der Einwirkung noch eine inhaltliche Eingrenzung der möglichen Krankheitsbilder. Der Versicherte habe während seiner versicherten Tätigkeit den im Tatbestand der BK 1103 genannten Einwirkungen "Chrom und seinen Verbindungen" durch Chrom-VI mit einer Dosis von 307,51 Chromatjahren unterlegen. Nach den Feststellungen des Senats seien Chrom-VI-Einwirkungen geeignet, Bronchialkarzinome zu verursachen. Zwischen den festgestellten Einwirkungen von Chrom-VI und der Lungenkrebserkrankung des Versicherten habe nach den Feststellungen des Landessozialgerichts ein ursächlicher Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne bestanden. Es gelte die Theorie der wesentlichen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruhe, nach der jedes Ereignis Ursache des Erfolges sei, das nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Erfolg entfiele. Erst wenn auf dieser ersten Stufe feststehe, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache der Krankheit sei, stelle sich auf der zweiten Stufe die Frage, ob die Einwirkung auch rechtlich die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sei. Das Landessozialgericht habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhang sowohl hinsichtlich der arbeitstechnischen als auch der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen festgestellt. Entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts hätten die naturwissenschaftlich-kausalen Chromateinwirkungen die Lungenkrebserkrankung allerdings auch rechtlich wesentlich verursacht. Das jeweilige Erkrankungsrisiko könne nicht rein mathematisch gegenübergestellt und ziffernmäßig abgewogen werden. Die nummerischen Verursachungsbeiträge durch Chrom und Nikotin hätten bereits auf der ersten Stufe festgestellt und abgewogen werden müssen. Der Rechtsstreit sei gem. § 170 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - an den Senat zurückzuverweisen gewesen, da für eine abschließende Entscheidung darüber, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe ein Anspruch auf Rente bestehe, die getroffenen Feststellungen nicht ausreichten. Der Senat habe nach der Zurückverweisung die Feststellungen zum Umfang der MdE nachzuholen und über den Anspruch auf Rente unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zum Vorliegen einer BK 1103 zu entscheiden.
Die Beklagte trägt vor, dass der erkennende Senat aufgrund der vollständigen Aufhebung der Entscheidung vom 14. Oktober 2014 durch das Bundessozialgericht die Sache so zu behandeln habe, als wäre sie erstmals im Berufungsverfahren zu ihm gelangt. Der gerügte Fehler dürfe nicht wiederholt werden, der Senat sei im Übrigen aber bei der Entscheidung frei. Gebunden sei der Senat allein an die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts. Das seien die Ausführungen, die für die Aufhebung des angegriffenen Urteils ursächlich seien. Das Urteil des Bundessozialgerichts binde also nur, soweit es die rechtliche Wesentlichkeit, die zweite Stufe des Ursachenzusammenhangs feststelle. Nur darauf sei die Aufhebung des Urteils gestützt. Vor der Wesentlichkeit sei aber immer die tatsächliche Verursachung zu prüfen. Insofern habe das Bundessozialgericht keine rechtlich bindende Entscheidung getroffen. Das Bundessozialgericht habe sich vielmehr an die tatsächlichen Feststellungen in der Entscheidung vom 14. Oktober 2014 gebunden gesehen, weil es nicht habe feststellen können, dass der vom Landessozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Erfahrungssatz offenkundig falsch sei. Das Bundessozialgericht distanziere sich von der tatsächlichen Würdigung im Urteil vom 14. Oktober 2014. Es mache sie sich nicht zu eigen. Dass es die Beweiswürdigung für falsch halte, ergebe sich daraus, dass das Bundessozialgericht moniere, dass die Verursachungsbeiträge durch Chrom einerseits und Nikotinkonsum andererseits hätten bereits auf der ersten Prüfungsstufe festgestellt und abgewogen werden müssen. Weder das Urteil des Landessozialgerichts noch das Urteil des Bundessozialgerichts enthielten eine derartige Abwägung auf der ersten Prüfungsstufe. Der Senat habe deshalb eine Abwägung der Verursachungsbeiträge nachzuholen, die der Rechtsmeinung des Bundessozialgerichts folge und die Abwägung allein nach den Kriterien der ersten Stufe vornehme. Es sei zu klären, warum die Chromat-VI-Exposition nicht hinwegdenkbar sei. Nachdem die Chrombelastung der Lunge des Versicherten keinen Rückschluss auf die Chrom-VI-Belastung zulasse und andere medizinische Anknüpfungspunkte nicht ersichtlich seien, bleibe nur eine Bewertung der Risiken indem hieraus statistische Verursachungswahrscheinlichkeiten berechnet würden. Das Gesamtrisiko des Versicherten setze sich zusammen aus 1/12 allgemeinem Lebensrisiko, 1/12 beruflichem Risiko und 10/12 Raucherrisiko. Die erste Stufe sei rein tatsächlicher Natur, die zweite Stufe (Wesentlichkeit) sei eine reine Rechtsfrage. Die Unterscheidung beider Stufen und damit zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen sei vorliegend essentiell. Denn sie bilde die Grenze für die Kompetenzen von Tatsachengericht und Revisionsgericht. § 163 SGG binde das Bundessozialgericht an die tatsächlichen Feststellungen, nur bei Rechtsfragen habe das Bundessozialgericht das letzte Wort. Da der Senat keine offenkundig falschen tatsächlichen Feststellungen getroffen habe, habe das Bundessozialgericht nicht darüber entscheiden können, ob die tatsächliche Feststellung im Urteil vom 14. Oktober 2014, dass die Chrom-VI-Einwirkung Mitursache sei, richtig sei. Der Senat müsse neu verhandeln und in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht neu prüfen. Eine Bindungswirkung des Bundessozialgerichturteils stehe dem nicht entgegen. Sie beschränke sich auf die tragenden Gründe, also die Gründe, die der Aufhebung zugrunde lägen und für die Entscheidung kausal geworden seien. Die Ausführungen im Urteil vom 14. Oktober 2014 zur zweiten Stufe des Ursachenzusammenhangs seien der Grund, warum die Entscheidung aufgehoben worden sei. Tragend sei deshalb allein die Meinung des Bundessozialgerichts zur Rechtsanwendung bei der Frage der Wesentlichkeit.
Die Berufungsklägerin bzw. Beklagte (Beklagte) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. Mai 2009 hinsichtlich der dort festgestellten BK Nr. 1103 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Berufungsbeklagte bzw. Klägerin (Klägerin) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung auf der ersten Stufe eine die Revision bindende tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte nach § 163 SGG sei. Die Bindungswirkung entstehe nur dann nicht, wenn der Senat einen nicht existenten oder offenkundig falschen medizinischen Erfahrungssatz angewandt oder einen bestehenden Erfahrungssatz nicht angewandt habe. Dies sei hier nicht der Fall. Selbst wenn eine erneute Feststellung und Abwägung der Verursachungsbeiträge auf der ersten Stufe erfolgen müsse, ändere dies am Ergebnis nichts.
In der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2020 haben sich die Beteiligten dahingehend verglichen, dass die Beklagte bei rechtskräftiger Verpflichtung zur Anerkennung der BK 1103 der Klägerin für die Zeit nach Ende der Krankengeldzahlung im Jahr 2007 bis zum 31. August 2009 eine Rente aufgrund einer MdE von 100 v.H. und für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 31. März 2013 von 40 v.H. gewährt und den Rechtsstreit bzgl. der Gewährung einer Rente an die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin übereinstimmend für erledigt erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig aber unbegründet.
Die Legitimation der Klägerin ergibt sich aus ihrer Stellung als Sonderrechtsnachfolgerin gem. §§ 59, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – SGB I des verstorbenen Versicherten.
Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 30. März 2017 das Vorliegen der BK 1103 auch ohne entsprechende Tenorierung für den erkennenden Senat gem. § 170 Abs. 2, 5 SGG bindend festgestellt. Es hat im Tenor das Urteil des Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2014 aufgehoben und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass es das Urteil des Sozialgerichts bezüglich der ausgesprochenen Verpflichtung die BK 1103 anzuerkennen, zu Unrecht aufgehoben habe und der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2005 bzgl. der Ablehnung der Anerkennung der BK 1103 rechtswidrig gewesen sei, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 1103 vorlägen.
Der erkennende Senat hält sich an diese Feststellungen des Bundessozialgerichts für gebunden.
Nach § 170 Abs. 2 SGG hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Revision begründet ist. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat. Gem. § 170 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.
Die Bindungswirkung des § 170 Abs. 5 SGG erstreckt sich auf die tragenden Gründe der Entscheidung des Bundessozialgerichts, d.h. die rechtliche Beurteilung, soweit sie der Aufhebung zugrunde liegt, für die aufhebende Entscheidung also kausal geworden ist. Darüber hinaus besteht eine Bindung an rechtliche Gesichtspunkte, die damit in einem denknotwendigen Zusammenhang stehen. Die Bindung erstreckt sich u.a. auf Rechtsausführungen, Auslegungen von Rechtsnormen und Ausführungen über das Bestehen oder Nichtbestehen von Erfahrungssätzen (Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 170, Rn. 10a m.w.N.). Ebenso nimmt die Forderung, in einem zurückverweisenden Urteil bestimmte tatsächliche Feststellungen zu treffen, an der Bindungswirkung teil (Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Auflage 2017, Rn. 16).
Darüber hinaus sind neben der Bindung an die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts die nicht aufgehobenen tatsächlichen Feststellungen zu berücksichtigen (Zeihe/Hauck, SGG, § 170, Rn. 30a). Wird ein Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben, so bedeutet dies nicht zwingend, dass auch seine Feststellungen aufgehoben werden müssten. Das ist nur insoweit der Fall, als das Verfahren durch einen Mangel betroffen wird. Das Bundessozialgericht macht bei seiner Tenorierung allerdings keine Aussage dazu, ob und in welchem Umfang es tatsächliche Feststellungen aufhebt. Deswegen können nur diejenigen aufgehoben sein, die mit der zugrunde zu legenden rechtlichen Beurteilung unvereinbar sind (Zeihe/Hauck, SGG, § 170, Rn. 13a).
Im Ergebnis erfolgt eine erneute Verhandlung und Entscheidung durch den erkennenden Senat deshalb nur, soweit das Bundessozialgericht die dem angefochtenen Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben hat bzw. soweit bislang überhaupt noch keine Feststellungen getroffen worden sind und die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts dem nicht entgegensteht (so wohl auch Zeihe/Hauck, SGG, § 170, Rn. 13a, 14). Weiterhin ist trotz der Regelungen in § 170 SGG ein neues Vorbringen, also neue Tatsachen und Beweismittel, zu berücksichtigen. Der erkennende Senat ist hinsichtlich neu bekanntgewordener Tatsachen nicht an die rechtliche Würdigung durch das zurückverweisende Gericht gebunden. Neue Tatsachen, die eine andere rechtliche Beurteilung erfordern, müssen zu einer anderen Würdigung führen, weil sonst eine Diskrepanz zwischen den festgestellten Tatsachen und Entscheidungsgründen unvermeidbar wäre (Zeihe/Hauck, SGG, § 170, Rn. 30b).
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen hat das Bundessozialgericht insbesondere die Kausalität zwischen den gefährdenden Einwirkungen im Sinne der BK 1103 und der Lungenkrebserkrankung bejaht. Diese teilt sich in zwei Prüfungsschritte auf: Zunächst ist die Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn festzustellen. Liegt diese vor, folgt in einem zweiten Prüfungsschritt, ob die festgestellten naturwissenschaftlich-kausalen beruflichen Einwirkungen die Erkrankung auch rechtlich wesentlich verursacht haben.
Anders als der Senat in seinem Urteil vom 14. Oktober 2014 hat das Bundessozialgericht die Wesentlichkeit der Chrom-VI-Einwirkungen für den Lungenkrebs, d.h. die zweite Prüfungsstufe, rechtlich beurteilt und im Ergebnis die Wesentlichkeit bejaht. Es hat hierzu u.a. ausgeführt, dass die nummerischen Verursachungsbeiträge durch Chrom und Nikotin bereits auf der rein tatsächlichen ersten Prüfungsstufe der Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn hätten festgestellt und abgewogen werden müssen. Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich sei, müsse nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs vom Rechtsanwender wertend entschieden werden. Die rechtliche Wesentlichkeit sei zu bejahen, wenn die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sei. Sie sei zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen. Die Einwirkung durch den Nikotinkonsum habe unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der BK 1103 das Erkrankungsgeschehen rechtlich nicht derart geprägt, dass die Erkrankung nicht mehr dem Schutzbereich des Versicherungstatbestandes unterfalle. Diese andere rechtliche Beurteilung hat - wie die Beklagte richtig feststellt - zur Aufhebung des Urteils des Senats geführt, so dass es sich um einen die Entscheidung des BSG tragenden Grund handelt.
Darüber hinaus erfasst die Bindungswirkung auch das vom Bundessozialgericht unter Punkt 3.) der Entscheidung festgestellte Vorliegen des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs (erste Prüfungsstufe) zwischen den beruflichen Einwirkungen durch Chrom-VI und der Entstehung des Lungenkrebses.
Die erste Stufe setzt sich im vorliegenden Fall grundsätzlich ebenfalls aus zwei Prüfungsschritten zusammen: Einer Feststellung der beruflichen und privaten Ursachen und – bei mehreren Ursachen – einer Abwägung dieser Ursachen. Den zweiten Schritt der Prüfung, d.h. die Abwägung der unterschiedlichen Ursachen, nimmt das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung nicht vor. Hieraus zieht die Beklagte den Schluss, dass der erkennende Senat die erste Prüfungsstufe der Kausalität neu festzustellen und insbesondere die fehlende Abwägung vorzunehmen hat. Dem kann rechtlich nicht gefolgt werden.
Wie oben ausgeführt, würde eine Bindung des erkennenden Senats an die im Urteil vom 14. Oktober 2014 festgestellten Tatsachen nur dann entfallen, wenn das Bundessozialgericht diese aufgehoben hätte und die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts dem nicht entgegenstünde oder wenn neue Tatsachen zu berücksichtigen wären. Beides ist nicht der Fall.
Eine Aufhebung der tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgerichts durch das Bundessozialgericht zur Frage des naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalzusammenhangs ist gerade nicht erfolgt. Vielmehr führt das Bundessozialgericht hierzu unter Verweis auf § 163 SGG und vor dem Hintergrund seiner ständigen Rechtsprechung hierzu (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R - juris; BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 6/13 R – juris) aus, dass das Landessozialgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat, dass die gefährdende Einwirkung durch Chrom-VI die Lungenkrebserkrankung verursacht hat und hierbei auch nicht von einem nicht existierenden oder offenkundig falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen ist oder einen bestehenden Erfahrungssatz nicht angewandt hat und damit den naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhang hinsichtlich der arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen Voraussetzungen bejaht hat.
Diese Ausführungen stellen die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts zur Frage der Bindung an die tatsächlichen Feststellungen nach § 163 SGG dar und sind, ebenso wie die Bejahung der Wesentlichkeit Grundlage für die Aufhebung der Entscheidung des Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2014.
Neue Tatsachen, die die Bindungswirkung entfallen lassen könnten, sind nicht ersichtlich und auch nicht von der Beklagten oder der Klägerin vorgetragen worden. Insbesondere handelt es sich bei den Ausführungen der Beklagten zu der Berücksichtigung des Raucherrisikos im Rahmen der ersten Stufe der Kausalität nicht um neue Erkenntnisse, die zu einer geänderten Tatsachengrundlage führen. Vielmehr sollen hier, wie von der Beklagten auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 29. November 2017 selbst vorgetragen, die Tatsachen in anderer Weise gewürdigt werden.
Trotz dessen, dass eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht keine neue Instanz eröffnet, sondern nur eine Fortsetzung des Verfahrens vor dem Berufungsgericht anordnet, das in Wirklichkeit für diese Instanz noch nicht abgeschlossen war, war es dem Senat deshalb verwehrt, in eine erneute Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der BK 1103 einzusteigen.
An der Bindung des erkennenden Senats an die Feststellungen des Bundessozialgerichts zur 1. Prüfungsstufe der Kausalität ändert sich selbst dann nichts, wenn man die Auffassung des Bundessozialgerichts im konkreten Fall für fehlerhaft hält. Eine Bindung besteht auch, wenn die Rechtsauffassung des Revisionsgerichts irrig sein sollte oder wenn das Berufungsgericht verfassungsrechtliche Bedenken hat (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 170, Rn. 10a m.w.N.; Zeihe/Hauck, SGG, 14. Auflage 2017, Rn. 32a).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG und erfolgt aufgrund der Frage des Umfangs der Bindung des erkennenden Senats an die Entscheidung des Bundessozialgerichts.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist nach Abschluss eines Unterwerfungsvergleichs in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 28. Januar 2020 die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) wegen Chrombelastung (BK 1103). Die Klägerin ist die Witwe des Versicherten B.A., der 1952 geboren wurde und während des Berufungsverfahrens zum Aktenzeichen L 3 U 150/09 verstarb. Sie lebte mit dem Versicherten im Jahr vor seinem Tode in häuslicher Gemeinschaft.
Der Versicherte hatte ab 1966 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser absolviert und war als solcher bis 1972 in den D. Eisenwerken in D-Stadt tätig gewesen. Nach Ableistung des Wehrdienstes arbeitete er ein halbes Jahr als LKW-Fahrer bei einer Spedition und sodann von Juni 1974 bis Juni 1976 in der Montage von Aluminiumfenstern bei der Firma E. Metallbau in A-Stadt. Anschließend war er bis Februar 1977 bei der Firma F. in F-Stadt im Apparatebau tätig, bevor er von März 1977 bis Ende 1985 beim Stahlwerk der Firma G. in D-Stadt beschäftigt war. Von Januar 1986 an arbeitete er bei der Firma H., J.werke, in J-Stadt als Meister im Bereich der Endmontage beim Zusammenbau von Stahlschränken. Über 30 Jahre rauchte er täglich 20 bis 30 Zigaretten.
Im Juli 2004 suchte er nach einer Erkältung und einem seit 4 Wochen andauernden Husten den Internisten und Lungenfacharzt Dr. K. auf, der neben einer Raucherbronchitis eine obstruktive Lungenerkrankung beim Versicherten feststellte und auf dem Röntgenbild einen tumorverdächtigen gut haselnussgroßen Herd im linken Oberfeld beschrieb. Nachdem sich der Tumorverdacht bestätigt hatte, wurde der Versicherte ab 1. September 2004 stationär aufgenommen. Am 7. September 2004 wurde eine Thorakotomie mit erweiterter Lungenoberlappenresektion und Entfernung von Lymphknoten durchgeführt, bei der der Lungentumor entfernt wurde. Histologisch handelte es sich um ein peripher großzelliges, neuroendokrines Karzinom im Stadium II a. Als weitere Diagnose gab die Klinik eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung bei Zustand nach Nikotinmissbrauch an.
Am 15. April 2007 nahm der Versicherte die Arbeit bei der Firma H. wieder auf. Im November 2009 wurde ihm gekündigt. Nachdem die weitere Nachsorge zunächst unauffällig verlief, wurde im November 2012 beim Versicherten der Verdacht auf eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse erhoben, die unter der Diagnose B-Zell-Lymphom mit Befall von Bauchspeicheldrüse und Zwölffingerdarm im Klinikum Wetzlar bestätigt wurde und an der der Versicherte am 5. März 2013 verstarb.
Bereits am 31. April 2005 hatte sich der Versicherte an die Beklagte gewandt mit dem Begehren, seine Bronchialkrebserkrankung als BK anzuerkennen. Er führte die Erkrankung auf seine Tätigkeit im Stahlwerk der Firma G. zurück, wo er ständig Chrom sowie Chrom-Nickel-Stäuben ausgesetzt gewesen sei. Er habe oft hoch legierte Stähle mit Elektroden und Schutzgas schweißen müssen und habe auch Asbestkontakt gehabt. Nach arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen lehnte die Beklagte mit zwei Bescheiden vom 25. August 2005 die Anerkennung einer BK 1103 und einer BK 4104 ab. Die Widersprüche wies sie mit Widerspruchsbescheiden vom 8. Dezember 2005 zurück.
Am 20. Dezember 2005 erhob der Versicherte vor dem Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) zwei Klagen (Az. S 3 U 266/05 wegen der BK 1103 und Az. S 3 U 267/05 wegen der BK 4104), die das Sozialgericht mit Beschluss vom 24. März 2008 verband. Nach weiteren arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen Ermittlungen (u.a. Einholung eines Gutachtens und einer ergänzenden Stellungnahme bei dem Arbeitsmediziner und Internisten Prof. Dr. L., vgl. Bl. 151 – 212 und 229 – 236 der Gerichtsakten) verurteilte das Sozialgericht die Beklagte am 28. Mai 2009 dazu, die Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK 1103 anzuerkennen und nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu entschädigen. Im Übrigen (BK 4104) wies es die Klage ab.
Gegen das am 1. Juli 2009 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 3. Juli 2009 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht (Landessozialgericht) ein (Az. L 3 U 150/09). Nach Abschluss der Ermittlungen hob das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts vom 28. Mai 2009 mit Urteil vom 14. Oktober 2014 auf die Berufung der Beklagten hin auf und wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass beim Versicherten ein peripheres nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom des linken Lungenoberlappens im Stadium II a vorgelegen habe. Die Schweißrauchbelastung des Versicherten habe 307,51 Chrom-VI-Jahre erreicht. Außerdem habe eine Nickelbelastung im Umfang von 196,04 Nickeljahren und eine Asbestfaserbelastung von 12,66 Faserjahren bestanden. Von 1972 bis 2004 habe der Versicherte kumulativ 30 Packungsjahre Zigarettenrauch inhaliert. Sowohl die beruflichen Chrom-VI-, Asbest- und Nickelbelastungen, als auch der Zigarettenkonsum seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Mitursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn für die Entstehung des Lungenkrebses. Die beruflichen Chrom-VI-, Asbest- und Nickelbelastungen stellten jedoch neben dem Zigarettenkonsum keine wesentliche Mitursache dar. Die haftungsbegründende Kausalität, d.h. ob eine berufliche Schadstoffeinwirkung die Lungenkrebserkrankung des Versicherten verursacht habe, erfolge nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Hiernach sei zunächst nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Erfolg entfiele. Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie seien aber nur solche Ursachen rechtserheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg wesentlich mitgewirkt hätten. "Wesentlich" sei nicht mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" gleichzusetzen. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache könne für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung hätten. Es habe eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Trotz der Ausrichtung am individuellen Versicherten sei bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Einwirkungen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Bei der BK 1103 handele es sich um eine sog. "stochastische BK", die mit Chrom einen konkreten Schadstoff, aber keine definierte Erkrankung und noch nicht einmal eine Mindestdosis enthalte. Da eine exakte Beweisführung bei offenen BKen nicht möglich sei, müsse eine "Indizienkette" aufgebaut werden und nach Abwägung aller Glieder der Kette entschieden werden, ob mehr Gründe für als gegen den ursächlichen Zusammenhang sprächen. Als Kriterien für die Indizienkette würden – ohne Unterscheidung in die Prüfungsstufen 1 und 2 im Rahmen der Theorie der wesentlichen Bedingung – in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur 13 Einzelpunkte genannt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 1092 f.). Bei Prüfung dieser Kriterien, mit Ausnahme der Ziffern 4, 12 und 13, die auf der 2. Stufe zu prüfen seien, ergäbe sich, dass die Indizien jeweils für eine Mitursächlichkeit der Chrom-VI-, Asbest- und Nickelbelastungen des Zigarettenkonsums überwögen. Die Entscheidung, ob die naturwissenschaftlich-philosophisch festgestellten Ursachen für den eingetretenen Erfolg wesentlich seien, treffe der Jurist unter Berücksichtigung der aufgrund der aktuellen medizinischen Erkenntnisse gewonnenen Tatsachen. Hierbei ergebe sich, dass die versicherte Chrom-VI-Einwirkung neben dem unversichert einwirkenden Zigarettenrauch von derart untergeordneter Bedeutung sei, dass sie als wesentliche Mitursache nicht in Betracht komme. Der Vergleich der Expositionsrisiken ergäbe auch bei nur 20 Zigaretten täglich, ein mehr als sechsfach erhöhtes Erkrankungsrisiko aufgrund von Zigarettenkonsum, während hinsichtlich der Chrom-VI-Exposition allenfalls eine zu 30% bestehende Risikoverdoppelung bestehe. Eine andere Sichtweise folge auch nicht bei Berücksichtigung der Belastungen durch Asbest und Nickel im Rahmen einer synkanzerogenen Wirkungsweise.
Am 10. März 2015 legte die Klägerin gegen das ihr am 20. Februar 2015 zugestellte Urteil die Revision ein. Sie machte geltend, dass ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII i.V.m. Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV vorliege. Das Landessozialgericht führe bei der Prüfung des Vorliegens der BK 1103 über das Kriterium der Risikoverdoppelung einen Grenzwert ein, der bei einer offenen BK nicht anzuwenden sei. Außerdem werde aufgrund eines rein statistischen Wertes ein Rückschluss auf den Einzelfall gezogen. Dieser werde an einem über ein Kollektiv bestimmtes Risiko gemessen. Hiermit könne nicht bestimmt werden, ob, wie und mit welcher Wahrscheinlichkeit im Einzelfall die Exposition zur Erkrankung beigetragen habe. Der Senat beziehe sich bzgl. der Chrombelastung nur auf den TAD-Bericht, der lediglich auf einer Einschätzung beruhe, da es den Arbeitsplatz nicht mehr gebe. Prof. Dr. L. berücksichtige hingegen auch das Ergebnis der Analyse des veraschten Lungengewebes des Versicherten und komme zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhang hinreichend wahrscheinlich sei. Die Messwerte lägen beim Versicherten signifikant höher als die Belastung der Normalbevölkerung und auch höher als die Messergebnisse, die er bei mehr als 300 Lungengewebsanalysen bisher festgestellt habe. Es liege ein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG vor. Das Landessozialgericht stütze sich bei der Ablehnung der Wesentlichkeit der Chromeinwirkung darauf, dass es die Expositionsrisiken zueinander ins Verhältnis setze. Es lasse aber an keinem Punkt erkennen, wie es zu dem für das Rauchen herangezogenen Risikowert gelangt sei. Eine eigene Sachkunde sei nicht vorgetragen.
Die Beklagte hat u.a. vorgetragen, dass das Landessozialgericht den Anspruch abgelehnt habe, weil das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken durch unversicherte Einwirkungen so hoch sei, dass die versicherte Exposition gegenüber Chrom-VI demgegenüber nicht ins Gewicht falle. Der Senat stütze sich zur Bewertung des Lungenkrebsrisikos auf die wissenschaftliche Literatur und das Gutachten von Prof. Dr. L ... Die Lungenstaubanalyse unterscheide nicht zwischen den unterschiedlichen Chromverbindungen. Lediglich Chrom-VI stelle jedoch ein Problem dar. Ein Rückschluss auf das Ausmaß der Belastung mit Chrom-VI sei deshalb nicht möglich. Allein die Bejahung der naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalität begegne rechtlichen Bedenken. Aufgrund der unversicherten Einwirkung durch das Rauchen liege schon diese nicht vor.
Mit Urteil vom 30. März 2017 hob das Bundessozialgericht das Urteil des Landessozialgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Das Landessozialgericht habe das Urteil des Sozialgerichts zu Unrecht aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit das Sozialgericht die Beklagte zur Anerkennung der BK 1103 verurteilt habe. Die Ablehnung der Anerkennung dieser BK im Bescheid vom 25. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2005 sei rechtswidrig. Bei dem Versicherten habe ein Zustand nach Oberlappenresektion links wegen nicht kleinzelligem Lungenkarzinoms des linken Lungenoberlappens als Folge einer BK 1103 vorgelegen. Das Landessozialgericht habe aufgrund seiner Rechtsansicht keine Feststellungen zur Höhe der MdE getroffen. Das Bundessozialgericht habe deshalb nicht entscheiden können, ob das Sozialgericht die Beklagte zu Recht zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. verurteilt habe, der Rechtsstreit habe insoweit an das Landessozialgericht zurückverwiesen werden müssen. Streitgegenstand des Verfahrens seien die Anerkennung der BK 1103 und die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. Nur insoweit habe der Senat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 1103 lägen vor. Die BK 1103 enthalte weder normative Vorgaben in Form einer Mindestdosis oder Mindestdauer der Einwirkung noch eine inhaltliche Eingrenzung der möglichen Krankheitsbilder. Der Versicherte habe während seiner versicherten Tätigkeit den im Tatbestand der BK 1103 genannten Einwirkungen "Chrom und seinen Verbindungen" durch Chrom-VI mit einer Dosis von 307,51 Chromatjahren unterlegen. Nach den Feststellungen des Senats seien Chrom-VI-Einwirkungen geeignet, Bronchialkarzinome zu verursachen. Zwischen den festgestellten Einwirkungen von Chrom-VI und der Lungenkrebserkrankung des Versicherten habe nach den Feststellungen des Landessozialgerichts ein ursächlicher Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne bestanden. Es gelte die Theorie der wesentlichen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruhe, nach der jedes Ereignis Ursache des Erfolges sei, das nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass der Erfolg entfiele. Erst wenn auf dieser ersten Stufe feststehe, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache der Krankheit sei, stelle sich auf der zweiten Stufe die Frage, ob die Einwirkung auch rechtlich die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sei. Das Landessozialgericht habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhang sowohl hinsichtlich der arbeitstechnischen als auch der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen festgestellt. Entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts hätten die naturwissenschaftlich-kausalen Chromateinwirkungen die Lungenkrebserkrankung allerdings auch rechtlich wesentlich verursacht. Das jeweilige Erkrankungsrisiko könne nicht rein mathematisch gegenübergestellt und ziffernmäßig abgewogen werden. Die nummerischen Verursachungsbeiträge durch Chrom und Nikotin hätten bereits auf der ersten Stufe festgestellt und abgewogen werden müssen. Der Rechtsstreit sei gem. § 170 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - an den Senat zurückzuverweisen gewesen, da für eine abschließende Entscheidung darüber, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe ein Anspruch auf Rente bestehe, die getroffenen Feststellungen nicht ausreichten. Der Senat habe nach der Zurückverweisung die Feststellungen zum Umfang der MdE nachzuholen und über den Anspruch auf Rente unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zum Vorliegen einer BK 1103 zu entscheiden.
Die Beklagte trägt vor, dass der erkennende Senat aufgrund der vollständigen Aufhebung der Entscheidung vom 14. Oktober 2014 durch das Bundessozialgericht die Sache so zu behandeln habe, als wäre sie erstmals im Berufungsverfahren zu ihm gelangt. Der gerügte Fehler dürfe nicht wiederholt werden, der Senat sei im Übrigen aber bei der Entscheidung frei. Gebunden sei der Senat allein an die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts. Das seien die Ausführungen, die für die Aufhebung des angegriffenen Urteils ursächlich seien. Das Urteil des Bundessozialgerichts binde also nur, soweit es die rechtliche Wesentlichkeit, die zweite Stufe des Ursachenzusammenhangs feststelle. Nur darauf sei die Aufhebung des Urteils gestützt. Vor der Wesentlichkeit sei aber immer die tatsächliche Verursachung zu prüfen. Insofern habe das Bundessozialgericht keine rechtlich bindende Entscheidung getroffen. Das Bundessozialgericht habe sich vielmehr an die tatsächlichen Feststellungen in der Entscheidung vom 14. Oktober 2014 gebunden gesehen, weil es nicht habe feststellen können, dass der vom Landessozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Erfahrungssatz offenkundig falsch sei. Das Bundessozialgericht distanziere sich von der tatsächlichen Würdigung im Urteil vom 14. Oktober 2014. Es mache sie sich nicht zu eigen. Dass es die Beweiswürdigung für falsch halte, ergebe sich daraus, dass das Bundessozialgericht moniere, dass die Verursachungsbeiträge durch Chrom einerseits und Nikotinkonsum andererseits hätten bereits auf der ersten Prüfungsstufe festgestellt und abgewogen werden müssen. Weder das Urteil des Landessozialgerichts noch das Urteil des Bundessozialgerichts enthielten eine derartige Abwägung auf der ersten Prüfungsstufe. Der Senat habe deshalb eine Abwägung der Verursachungsbeiträge nachzuholen, die der Rechtsmeinung des Bundessozialgerichts folge und die Abwägung allein nach den Kriterien der ersten Stufe vornehme. Es sei zu klären, warum die Chromat-VI-Exposition nicht hinwegdenkbar sei. Nachdem die Chrombelastung der Lunge des Versicherten keinen Rückschluss auf die Chrom-VI-Belastung zulasse und andere medizinische Anknüpfungspunkte nicht ersichtlich seien, bleibe nur eine Bewertung der Risiken indem hieraus statistische Verursachungswahrscheinlichkeiten berechnet würden. Das Gesamtrisiko des Versicherten setze sich zusammen aus 1/12 allgemeinem Lebensrisiko, 1/12 beruflichem Risiko und 10/12 Raucherrisiko. Die erste Stufe sei rein tatsächlicher Natur, die zweite Stufe (Wesentlichkeit) sei eine reine Rechtsfrage. Die Unterscheidung beider Stufen und damit zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen sei vorliegend essentiell. Denn sie bilde die Grenze für die Kompetenzen von Tatsachengericht und Revisionsgericht. § 163 SGG binde das Bundessozialgericht an die tatsächlichen Feststellungen, nur bei Rechtsfragen habe das Bundessozialgericht das letzte Wort. Da der Senat keine offenkundig falschen tatsächlichen Feststellungen getroffen habe, habe das Bundessozialgericht nicht darüber entscheiden können, ob die tatsächliche Feststellung im Urteil vom 14. Oktober 2014, dass die Chrom-VI-Einwirkung Mitursache sei, richtig sei. Der Senat müsse neu verhandeln und in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht neu prüfen. Eine Bindungswirkung des Bundessozialgerichturteils stehe dem nicht entgegen. Sie beschränke sich auf die tragenden Gründe, also die Gründe, die der Aufhebung zugrunde lägen und für die Entscheidung kausal geworden seien. Die Ausführungen im Urteil vom 14. Oktober 2014 zur zweiten Stufe des Ursachenzusammenhangs seien der Grund, warum die Entscheidung aufgehoben worden sei. Tragend sei deshalb allein die Meinung des Bundessozialgerichts zur Rechtsanwendung bei der Frage der Wesentlichkeit.
Die Berufungsklägerin bzw. Beklagte (Beklagte) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. Mai 2009 hinsichtlich der dort festgestellten BK Nr. 1103 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Berufungsbeklagte bzw. Klägerin (Klägerin) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung auf der ersten Stufe eine die Revision bindende tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte nach § 163 SGG sei. Die Bindungswirkung entstehe nur dann nicht, wenn der Senat einen nicht existenten oder offenkundig falschen medizinischen Erfahrungssatz angewandt oder einen bestehenden Erfahrungssatz nicht angewandt habe. Dies sei hier nicht der Fall. Selbst wenn eine erneute Feststellung und Abwägung der Verursachungsbeiträge auf der ersten Stufe erfolgen müsse, ändere dies am Ergebnis nichts.
In der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2020 haben sich die Beteiligten dahingehend verglichen, dass die Beklagte bei rechtskräftiger Verpflichtung zur Anerkennung der BK 1103 der Klägerin für die Zeit nach Ende der Krankengeldzahlung im Jahr 2007 bis zum 31. August 2009 eine Rente aufgrund einer MdE von 100 v.H. und für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 31. März 2013 von 40 v.H. gewährt und den Rechtsstreit bzgl. der Gewährung einer Rente an die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin übereinstimmend für erledigt erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig aber unbegründet.
Die Legitimation der Klägerin ergibt sich aus ihrer Stellung als Sonderrechtsnachfolgerin gem. §§ 59, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – SGB I des verstorbenen Versicherten.
Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 30. März 2017 das Vorliegen der BK 1103 auch ohne entsprechende Tenorierung für den erkennenden Senat gem. § 170 Abs. 2, 5 SGG bindend festgestellt. Es hat im Tenor das Urteil des Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2014 aufgehoben und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass es das Urteil des Sozialgerichts bezüglich der ausgesprochenen Verpflichtung die BK 1103 anzuerkennen, zu Unrecht aufgehoben habe und der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2005 bzgl. der Ablehnung der Anerkennung der BK 1103 rechtswidrig gewesen sei, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 1103 vorlägen.
Der erkennende Senat hält sich an diese Feststellungen des Bundessozialgerichts für gebunden.
Nach § 170 Abs. 2 SGG hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Revision begründet ist. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat. Gem. § 170 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.
Die Bindungswirkung des § 170 Abs. 5 SGG erstreckt sich auf die tragenden Gründe der Entscheidung des Bundessozialgerichts, d.h. die rechtliche Beurteilung, soweit sie der Aufhebung zugrunde liegt, für die aufhebende Entscheidung also kausal geworden ist. Darüber hinaus besteht eine Bindung an rechtliche Gesichtspunkte, die damit in einem denknotwendigen Zusammenhang stehen. Die Bindung erstreckt sich u.a. auf Rechtsausführungen, Auslegungen von Rechtsnormen und Ausführungen über das Bestehen oder Nichtbestehen von Erfahrungssätzen (Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 170, Rn. 10a m.w.N.). Ebenso nimmt die Forderung, in einem zurückverweisenden Urteil bestimmte tatsächliche Feststellungen zu treffen, an der Bindungswirkung teil (Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Auflage 2017, Rn. 16).
Darüber hinaus sind neben der Bindung an die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts die nicht aufgehobenen tatsächlichen Feststellungen zu berücksichtigen (Zeihe/Hauck, SGG, § 170, Rn. 30a). Wird ein Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben, so bedeutet dies nicht zwingend, dass auch seine Feststellungen aufgehoben werden müssten. Das ist nur insoweit der Fall, als das Verfahren durch einen Mangel betroffen wird. Das Bundessozialgericht macht bei seiner Tenorierung allerdings keine Aussage dazu, ob und in welchem Umfang es tatsächliche Feststellungen aufhebt. Deswegen können nur diejenigen aufgehoben sein, die mit der zugrunde zu legenden rechtlichen Beurteilung unvereinbar sind (Zeihe/Hauck, SGG, § 170, Rn. 13a).
Im Ergebnis erfolgt eine erneute Verhandlung und Entscheidung durch den erkennenden Senat deshalb nur, soweit das Bundessozialgericht die dem angefochtenen Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben hat bzw. soweit bislang überhaupt noch keine Feststellungen getroffen worden sind und die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts dem nicht entgegensteht (so wohl auch Zeihe/Hauck, SGG, § 170, Rn. 13a, 14). Weiterhin ist trotz der Regelungen in § 170 SGG ein neues Vorbringen, also neue Tatsachen und Beweismittel, zu berücksichtigen. Der erkennende Senat ist hinsichtlich neu bekanntgewordener Tatsachen nicht an die rechtliche Würdigung durch das zurückverweisende Gericht gebunden. Neue Tatsachen, die eine andere rechtliche Beurteilung erfordern, müssen zu einer anderen Würdigung führen, weil sonst eine Diskrepanz zwischen den festgestellten Tatsachen und Entscheidungsgründen unvermeidbar wäre (Zeihe/Hauck, SGG, § 170, Rn. 30b).
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen hat das Bundessozialgericht insbesondere die Kausalität zwischen den gefährdenden Einwirkungen im Sinne der BK 1103 und der Lungenkrebserkrankung bejaht. Diese teilt sich in zwei Prüfungsschritte auf: Zunächst ist die Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn festzustellen. Liegt diese vor, folgt in einem zweiten Prüfungsschritt, ob die festgestellten naturwissenschaftlich-kausalen beruflichen Einwirkungen die Erkrankung auch rechtlich wesentlich verursacht haben.
Anders als der Senat in seinem Urteil vom 14. Oktober 2014 hat das Bundessozialgericht die Wesentlichkeit der Chrom-VI-Einwirkungen für den Lungenkrebs, d.h. die zweite Prüfungsstufe, rechtlich beurteilt und im Ergebnis die Wesentlichkeit bejaht. Es hat hierzu u.a. ausgeführt, dass die nummerischen Verursachungsbeiträge durch Chrom und Nikotin bereits auf der rein tatsächlichen ersten Prüfungsstufe der Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn hätten festgestellt und abgewogen werden müssen. Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich sei, müsse nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs vom Rechtsanwender wertend entschieden werden. Die rechtliche Wesentlichkeit sei zu bejahen, wenn die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sei. Sie sei zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen. Die Einwirkung durch den Nikotinkonsum habe unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der BK 1103 das Erkrankungsgeschehen rechtlich nicht derart geprägt, dass die Erkrankung nicht mehr dem Schutzbereich des Versicherungstatbestandes unterfalle. Diese andere rechtliche Beurteilung hat - wie die Beklagte richtig feststellt - zur Aufhebung des Urteils des Senats geführt, so dass es sich um einen die Entscheidung des BSG tragenden Grund handelt.
Darüber hinaus erfasst die Bindungswirkung auch das vom Bundessozialgericht unter Punkt 3.) der Entscheidung festgestellte Vorliegen des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs (erste Prüfungsstufe) zwischen den beruflichen Einwirkungen durch Chrom-VI und der Entstehung des Lungenkrebses.
Die erste Stufe setzt sich im vorliegenden Fall grundsätzlich ebenfalls aus zwei Prüfungsschritten zusammen: Einer Feststellung der beruflichen und privaten Ursachen und – bei mehreren Ursachen – einer Abwägung dieser Ursachen. Den zweiten Schritt der Prüfung, d.h. die Abwägung der unterschiedlichen Ursachen, nimmt das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung nicht vor. Hieraus zieht die Beklagte den Schluss, dass der erkennende Senat die erste Prüfungsstufe der Kausalität neu festzustellen und insbesondere die fehlende Abwägung vorzunehmen hat. Dem kann rechtlich nicht gefolgt werden.
Wie oben ausgeführt, würde eine Bindung des erkennenden Senats an die im Urteil vom 14. Oktober 2014 festgestellten Tatsachen nur dann entfallen, wenn das Bundessozialgericht diese aufgehoben hätte und die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts dem nicht entgegenstünde oder wenn neue Tatsachen zu berücksichtigen wären. Beides ist nicht der Fall.
Eine Aufhebung der tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgerichts durch das Bundessozialgericht zur Frage des naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalzusammenhangs ist gerade nicht erfolgt. Vielmehr führt das Bundessozialgericht hierzu unter Verweis auf § 163 SGG und vor dem Hintergrund seiner ständigen Rechtsprechung hierzu (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R - juris; BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 6/13 R – juris) aus, dass das Landessozialgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat, dass die gefährdende Einwirkung durch Chrom-VI die Lungenkrebserkrankung verursacht hat und hierbei auch nicht von einem nicht existierenden oder offenkundig falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen ist oder einen bestehenden Erfahrungssatz nicht angewandt hat und damit den naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhang hinsichtlich der arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen Voraussetzungen bejaht hat.
Diese Ausführungen stellen die rechtliche Beurteilung des Bundessozialgerichts zur Frage der Bindung an die tatsächlichen Feststellungen nach § 163 SGG dar und sind, ebenso wie die Bejahung der Wesentlichkeit Grundlage für die Aufhebung der Entscheidung des Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2014.
Neue Tatsachen, die die Bindungswirkung entfallen lassen könnten, sind nicht ersichtlich und auch nicht von der Beklagten oder der Klägerin vorgetragen worden. Insbesondere handelt es sich bei den Ausführungen der Beklagten zu der Berücksichtigung des Raucherrisikos im Rahmen der ersten Stufe der Kausalität nicht um neue Erkenntnisse, die zu einer geänderten Tatsachengrundlage führen. Vielmehr sollen hier, wie von der Beklagten auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 29. November 2017 selbst vorgetragen, die Tatsachen in anderer Weise gewürdigt werden.
Trotz dessen, dass eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht keine neue Instanz eröffnet, sondern nur eine Fortsetzung des Verfahrens vor dem Berufungsgericht anordnet, das in Wirklichkeit für diese Instanz noch nicht abgeschlossen war, war es dem Senat deshalb verwehrt, in eine erneute Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der BK 1103 einzusteigen.
An der Bindung des erkennenden Senats an die Feststellungen des Bundessozialgerichts zur 1. Prüfungsstufe der Kausalität ändert sich selbst dann nichts, wenn man die Auffassung des Bundessozialgerichts im konkreten Fall für fehlerhaft hält. Eine Bindung besteht auch, wenn die Rechtsauffassung des Revisionsgerichts irrig sein sollte oder wenn das Berufungsgericht verfassungsrechtliche Bedenken hat (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 170, Rn. 10a m.w.N.; Zeihe/Hauck, SGG, 14. Auflage 2017, Rn. 32a).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG und erfolgt aufgrund der Frage des Umfangs der Bindung des erkennenden Senats an die Entscheidung des Bundessozialgerichts.
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