L 1 KR 663/18

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 562/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 663/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 56/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. August 2018 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2017 aufgehoben.

Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin 1/3 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte einen mit der Klägerin im Rahmen des Persönlichen Budgets abgeschlossenen Vertrag ("Zielvereinbarung") über die Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege wirksam gekündigt hat.

Die 2007 geborene Klägerin leidet unter einer kongenitalen Muskeldystrophie (sog. merosin-defiziente Myopathie) einhergehend u.a. mit respiratorischer Partialinsuffizienz; sie wird über eine PEG-Sonde versorgt. Die Klägerin ist über ihren Vater im Rahmen der Familienversicherung bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Die Klägerin erhält seitens der AOK Hessen - Pflegekasse seit 1. Juli 2010 Leistungen der Pflegeversicherung in Form des Pflegegeldes nach Stufe III, das mit Wirkung zum 1. Januar 2017 in den Pflegegrad 4 umgewandelt wurde. Die häusliche Pflege der Klägerin ist über die Eltern der Klägerin sichergestellt. Die Klägerin sowie ihre Eltern bezogen vom 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2016 und sodann wieder ab 1. August 2017 bis 31. Oktober 2018 Leistungen nach dem SGB II.

Die Fa. D. E. aus E-Stadt beantragte mit Schreiben vom 2. August 2016 für die Klägerin unter Vorlage einer Vollmacht des Vaters der Klägerin vom 27. Juli 2016 - ein Persönliches Budget gemäß § 17 Sozialgesetzbuch Band 9 (SGB IX; a.F.) für Leistungen häuslicher Krankenpflege gemäß Verordnung vom 28. Juni 2016. Dem Antrag war die Verordnung des Kinder- und Jugendarztes Dr. med. F. vom 28. Juni 2016 über häusliche Krankenpflege beigefügt, wonach die Klägerin aufgrund Muskeldystrophie und respiratorischer Partialinsuffizienz in der Zeit vom 1. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016 an insgesamt 184 Tagen (handschriftlich ergänzt: jede Nacht) Anleitung zur Behandlungspflege "KO, Maske/Beatmung, Nahrungszufuhr, Absaugen, Inhalieren" und ergänzt - "Entlüften des Magens, Umlagern, Krankenbeobachtung" sowie Grundpflege jede Nacht bei "Ausscheidungen, Ernährung und Körperpflege" benötige. Zur Begründung des Antrages auf ein Persönliches Budget wurde angeführt, dass die Behandlungspflege mit einem Bedarf täglich von 8 Stunden pro Nacht nicht von einem Intensivpflegedienst übernommen werden solle, sondern mit eigens angestellten Assistenzkräften im Rahmen des Persönlichen Budgets. Die Assistenzkräfte müssten natürlich die entsprechenden Schulungen an der Atemmaske erhalten, welche direkt vom Hersteller erfolgen könne. Dabei sei die anliegende Kostenkalkulation (monatlich 6.811,89 EUR) in Absprache mit dem zukünftigen Budgetnehmer verfasst worden. Die beigefügte Kostenkalkulation berücksichtigte den Tariflohn für eine/n Kinderkrankenschwester/-pfleger (Entgeltgruppe 7a) und für eine/n Pflegehelfer/in (Entgeltgruppe 4a). In der ärztlichen Verordnung wurde als zugelassener Pflegedienst die Fa. D. angegeben.

Nach Auswertung des Pflegegutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK Hessen) vom 28. September 2016 (Bl. 25 der Gerichtsakte) übersandte die Beklagte der Fa. D. per Mail vom 2. November 2016 einen Entwurf einer Zielvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten mit der Bitte um Durchsicht und Vervollständigung (Bankdaten, Beschäftigte). Sobald der Vertrag vervollständigt sei, wolle die Beklagte der Fa. D. Ausfertigungen im Original zukommen lassen (Bl. 28 der Verwaltungsakte).

Am 14. November 2016 bevollmächtigte der Vater der Klägerin C. A. die Fa. D. - E. mit der Eröffnung eines Treuhandkontos (Bl. 163 der Gerichtsakte). Am 18. November 2016 schlossen der Vater der Klägerin und die Fa. D. - E. mit Wirkung ab 1. Januar 2017 einen Anstellungsvertrag als Pflegeassistent im Umfang von 40 Wochenstunden bei einem Stundenlohn von 10,00 EUR und Nachtzuschlägen in Höhe von 25% bzw. 40% (Bl. 155 – 157 der Gerichtsakte). Ebenfalls am 18. November 2016 vereinbarten die Klägerin - vertreten durch ihren Vater – und die Fa. D. - E. einen "Pflege- und Betreuungsvertrag" mit Wirkung ab 1. Januar 2017. Als Vergütung für Leistungen des Pflegedienstes - die Fa. D. - wurde ein Stundenlohn von 24,00 EUR vereinbart (Bl. 158 – 161 der Gerichtsakte).

Mit Schreiben vom 25. November 2016 übersandte die Fa. D. der Beklagten die "Zielvereinbarung" und teilte mit, der Budgetzeitraum solle bereits am 1. Dezember 2016 beginnen; die einzusetzenden Mitarbeiter würden noch mitgeteilt (Bl. 136 der Gerichtsakte S 10 KR 378/17 ER).

Am 15. Dezember 2016 telefonierten eine Mitarbeiterin der Fa. D. und ein Mitarbeiter der Beklagten. Gegenstand des Telefonats war u.a. die ausstehende Benennung der Mitarbeiter der Fa. D., die für die Klägerin tätig werden sollten. Bestätigt wurde dieses Telefonat in einer Mail der Fa. D. vom 20. Dezember 2016; darin wurde unter Bezugnahme auf das Telefonat nachgefragt, welche Daten der zukünftigen Arbeitnehmer benötigt würden (Bl. 29 der Verwaltungsakte). Die Beklagte teilte mit, man brauche Namen und Berufsurkunden mit der jeweiligen Qualifikation von allen Pflegekräften, die in die Versorgung der Klägerin eingebunden seien (Mail vom 20. Dezember 2016, Bl. 29 der Gerichtsakte). Die Fa. D. legte sodann per Mail vom 22. Dezember 2016 das Zeugnis der G. G. von 1996 über die Prüfung als Altenpflegerin, deren "Zertifikat Pflegemanagement/Pflegedienstleitung" aus 2010 sowie die "Urkunde - Staatl. anerkannter Heilerziehungspfleger" des H. H. vom 3. Juli 2014 vor (Bl. 30 - 33 der Verwaltungsakte). Da es sich bei den vorgelegten Qualifikationsnachweisen um andere Berufsgruppen handelte, als der ursprünglichen Kalkulation zugrunde gelegt, bat die Beklagte um Vorlage einer neuen Kalkulation (Mail vom 22. Dezember 2016, Bl. 32 der Verwaltungsakte). Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 27. Dezember 2016 die hinsichtlich der Vergütung angepasste (6.611,89 EUR statt ursprünglich 6.811,89 EUR) sowie um Bankverbindung und Daten des Personals (G. G. und H. H.) ergänzte "Zielvereinbarung" an die Fa. D. (Bl. 41 der Gerichtsakte).

Durch Unterzeichnung am 2. Januar bzw. am 5. Januar 2017 schlossen die Klägerin, vertreten durch ihren Vater und die Beklagte rückwirkend zum 1. Dezember 2016 die "Zielvereinbarung nach § 4 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX (BudgetV)" über die Erbringung von Leistungen der speziellen Krankenbeobachtung im Rahmen von häuslicher Krankenpflege gemäß § 37 SGB V, die – auszugsweise - folgende Reglungen umfasste:

"§ 1 Rechtsgrundlage/Grundsätzlicher Anspruch auf Spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen Häuslicher Krankenpflege (1) Bei der Zielvereinbarung handelt es sich um eine Vereinbarung zur Ausführung von Spezieller Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege in Form eines Persönlichen Budgets nach § 17 Abs. 2 SGB IX, näher bestimmt durch § 4 der Budgetverordnung auf Grundlage von § 21 a SGB IX.

§ 2 Leistungsumfang/-ziel (1) Die AOK stellt dem Budgetnehmer (A. A.) ab dem 01.12.2016 ein Persönliches Budget in Form einer laufenden monatlichen Geldleistung zur Verfügung. Förder- und Leistungsziel ist es, dem Leistungsberechtigten die Sicherstellung der Speziellen Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege eigenverantwortlich zu ermöglichen. Das Pflegegeld ist nicht Gegenstand dieses Persönlichen Budgets. Es wird separat bezahlt.

(2) Das Budget ist so bemessen, dass es den für die Anspruchsdauer von durchschnittlich 8 Stunden täglich festgestellten Bedarf an Spezieller Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege unter Berücksichtigung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit deckt. Beide Parteien sind übereingekommen, für den oben genannten täglichen Versorgungsumfang ein Persönliches Budget, vom 01.12.2016 bis zum 31.05.2017, in Höhe von monatlich 6.611,89 EUR und ab dem 01.06.2017 in Höhe von monatlich 6.311,89 EUR anzusetzen. ( ...)

(3) Die Sicherstellung der Speziellen Krankenbeobachtung im Rahmen Häuslicher Krankenpflege erfolgt durch Arbeitnehmer, die von dem Budgetnehmer in ausreichender Anzahl eingestellt und beschäftigt werden. Der Budgetnehmer verpflichtet sich, nur Arbeitnehmer zu beschäftigen, die die fachliche Befähigung zur Erbringung der Speziellen Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege besitzen und eine entsprechende berufliche Qualifikationsurkunde (Krankenschwester, Krankenpfleger, etc.) nachweisen können. ( ...)

(4) Bei der Festsetzung des Persönlichen Budgets bestand Übereinstimmung, dass der Budgetnehmer (oder die von ihm beauftragte Budgetassistenz) für die Erbringung der Speziellen Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege in seinem Privathaushalt alle Arbeitgeberpflichten (Anmeldung zu den entsprechenden Sozialversicherungszweigen, Abführung der Beiträge, usw.) übernimmt. (5) Die AOK verpflichtet sich, für den oben genannten täglichen Versorgungsumfang anstelle der Sach-/Dienstleistung "Spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege" i.S. des § 37 Abs. 2 SGB V für die Zeit ab 01.12.2016 den in § 2 Abs. 2 genannten Betrag an den Budgetnehmer mit befreiender Wirkung zu zahlen. ( ...)

§ 3 Verwendung des Persönlichen Budgets
(1) Der Leistungsberechtigte verpflichtet sich, für das im Rahmen des Persönlichen Budgets bereitgestellte Geld, die notwendigen Leistungen der Speziellen Krankenbeobachtung im Rahmen Häuslicher Krankenpflege bestmöglich in selbstbestimmter Form durch selbst organisiertes, geeignetes Personal sicherzustellen und das zur Verfügung gestellte Geld zweckgebunden zu verwenden. ( ...)

§ 4 Pflichten des Leistungsberechtigten
(1) Der Budgetnehmer schließt mit seinen Beschäftigten Arbeitsverträge. Die Beschäftigten sind:

a. Frau G. G., geb. 17.12.1961 (Altenpflegerin)
b. Herr H. H., geb. 01.07.1965 (Heilerziehungspfleger). ( ...)

(3) Mit dem Persönlichen Budget für die Leistung "Spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen Häuslicher Krankenpflege" übernimmt der Budgetnehmer gleichzeitig auch die Arbeitgeberpflichten, die sich u.a. auf a. Die Bezahlung von Löhnen/Gehältern b. Die ordnungsgemäße Anmeldung als Unternehmen beim Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern c. Die Tragung von Beiträgen zur Sozialversicherung (Arbeitgeberanteil) d. Der Entrichtung von Umlagebeiträgen (u.a. U1, U2, Umlage zur Unfallversicherung) und e. Eine Haftpflichtversicherung für die Beschäftigten erstrecken. ( ...)

§ 6 Vertragslaufzeit/Kündigung (1) Diese Vereinbarung tritt zum 01.12.2016 in Kraft. Sie endet mit dem 31.12.2017 und verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn die Vereinbarung nicht gemäß den Absätzen 2 bis 4 endet.

(2) Die Vereinbarung endet mit sofortiger Wirkung, sobald die rechtlichen oder medizinischen Voraussetzungen für die Spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen Häuslicher Krankenpflege nicht mehr vorliegen oder ein Verhinderungstatbestand für die häuslicher Versorgung eingetreten ist. ( ...)

(4) Die AOK kann dieser Vereinbarung mit einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendermonats kündigen, wenn sie feststellt, dass das Persönliche Budget ganz oder teilweise zweckentfremdet verwendet wurde, Nachweise der Verwendung auch nach Anforderung nicht beigebracht wurden, die Spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen Häuslicher Krankenpflege nicht mehr ausreichend sichergestellt wird, Maßnahmen nach § 4 Abs. 7 nicht umgehend umgesetzt wurden oder sonst gegen Bestimmungen dieser Vereinbarung verstoßen wurde. ( ...)

§ 7 Schlussbestimmungen ( ) (2) Diese Zielvereinbarung ist Bestandteil des gemäß § 3 Abs. 5 der BudgetV zu erlassenden Bescheids."

Die Auszahlung des monatlichen Persönlichen Budgets erfolgte vereinbarungsgemäß auf ein Konto der Fa. D. - E.

Unter Vorlage einer weiteren Verordnung des Dr. F. vom 26. Januar 2017 über häusliche Krankenpflege für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 bestätigte die Fa. D., dass die Leistungen im Haushalt der Klägerin von ihr als Pflegedienst durchgeführt würden (Bl. 57 - 61 der Verwaltungsakte).

Ab 1. Januar 2017 erbrachte der Vater der Klägerin als versicherungspflichtiger Beschäftigter der Fa. D. mit einem durchschnittlichen Bruttogehalt von ca. 2.300 EUR (Januar: 2.438,00 EUR brutto, Februar: 2.120,00 EUR brutto, März: 2.226,00 EUR brutto, April: 2.382,00 EUR brutto, Mai: 2.482,00 EUR brutto, Juni: 2.482,00 EUR brutto, Juli: 2.332,00 EUR brutto; Bl. 146 – 152 der Gerichtsakte) bis einschließlich Juli 2017 die Leistungen der nächtlichen Behandlungspflege zugunsten seiner Tochter, der Klägerin. Die Fa. D. stellte ihrerseits der Klägerin für "Assistenzleistungen aus dem Pflege- und Betreuungsvertrag" monatlich zwischen 5.000,- EUR und 5.900 EUR, für "Budgetassistenz" monatlich 600,- EUR sowie für die "Vorbereitung der Budgetassistenz" einmalig 750,- EUR in Rechnung (Rechnungen Bl. 171 – 185 der Gerichtsakte).

Die Beklagte wurde seitens des Rechtsanwalts der Altenpflegerin G. G. u.a. darüber informiert, dass diese nicht mehr bei der Fa. D. beschäftigt und zu keinem Zeitpunkt für die Klägerin in deren häuslicher Umgebung tätig geworden sei. Daraufhin veranlasste die Beklagte am 18. Mai 2017 einen Hausbesuch bei der Klägerin; dabei wurde festgestellt, dass die hier streitigen Leistungen der häuslichen Krankenpflege ausschließlich durch die Eltern der Klägerin erbracht worden waren.

Nachdem die Fa. D. vom Hausbesuch der Beklagten erfahren hatte, teilte sie der Beklagten unmittelbar mit Mail vom 22. Mai 2017 (Bl. 70 der Verwaltungsakte) mit, dass deren Mitarbeiterin, Frau G., die in dem Unternehmen zur Anleitung und Unterstützung der Angehörigen und die Einarbeitung des Assistenzpersonals in der praktischen Pflege sowie zur Überprüfung der Pflege angestellt gewesen wäre, nicht mehr im Einsatz sei. Eine abschließende Aussage zur Beschäftigung von Frau G. und eine Aussage, wie die entstandene Lücke geschlossen werde, könne erst ab 1. Juni 2017 gegeben werden; die Personalsuche gestalte sich aufgrund der speziellen Konstellation in der Familie sowie dem engen Personalmarkt mehr als schwierig.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2017 kündigte die Beklagte unter Bezugnahme auf § 6 Abs. 2 des Vertrages die Zielvereinbarung mit sofortiger Wirkung, unter Bezugnahme auf § 6 Abs. 4 des Vertrages hilfsweise zum 30. Juni 2017, da das persönliche Budget zweckentfremdet eingesetzt und gegen § 4 Abs. 1 und 2 der Zielvereinbarung verstoßen worden sei. Dem Schreiben war eine Rechtsmittelbelehrung angefügt. Die Beklagte stellte die Zahlungen aus dem Persönlichen Budget an die Klägerin zum 31. Mai 2017 ein.

Dagegen erhob die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 12. Juni 2017 Widerspruch, da der Bescheid sowohl aus formeller wie aus materiell-rechtlicher Sicht rechtswidrig sei. Insbesondere läge keine zweckfremde Verwendung des Persönlichen Budgets vor, da der Beklagten bekannt gewesen sei, dass die Klägerin auf die Pflege fremder Personen verängstigt reagiere und diese nicht zulasse. Dabei könne auch aufgrund des Alters der Klägerin nicht erwartet werden, dass sie diesbezüglich durch Argumentation zugänglicher würde. Derzeit lasse sie eine Pflege nur durch den Vater zu; andere Personen dulde sie nicht. Der Vater der Klägerin sei der Alleinverdiener der Familie und sorge für deren Familieneinkommen. Eine Vollzeitpflege sei ihm somit nicht möglich gewesen, sondern erst nach seiner regulären Arbeitszeit. Während seiner Arbeitszeit hätte eine fremde Person oder eine Intensivpflegedienst die Pflege übernehmen müssen, was jedoch durch die Klägerin nicht geduldet worden sei. Der Vater der Klägerin habe daher einen Wechsel seiner Tätigkeit vorgenommen: Seit dem 1. Januar 2017 sei er bei der Fa. D. und aufgrund des mit der Klägerin geschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrages als Pfleger für diese tätig. Damit lägen die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes nach § 37 Abs. 3 SGB V nicht vor. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2017 als unbegründet zurück (Bl. 161 – 167 der Gerichtsakte S 10 KR 378/17 ER).

Hiergegen hat die Klägerin am 24. Oktober 2017 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Bereits zuvor hatte die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigte am 2. August 2017 beim Sozialgericht Darmstadt einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel gestellt, die aufschiebende Wirkung des Bescheides vom 24. Mai 2017 anzuordnen und damit die Beklagte zur Weiterzahlung des Persönlichen Budgets zu verpflichten. In diesem Verfahren verwies die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf ein Schreiben der Fa. D. an die Beklagte vom 19. Dezember 2016 (Bl. 18 der Gerichtsakte S 10 KR 378/17 ER), aus dem hervorgehe, dass die sich Personalsuche schwierig gestalte und die Familie der Klägerin die Versorgung durch Pflegekräfte der Fa. D. sicherstellen wolle. Dieses Schreiben befindet sich nicht in der Verwaltungsakte. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2017 hatte das Sozialgericht diesen Antrag abgelehnt und zur Begründung unter anderem darauf verwiesen, dass die Kündigung der Zielvereinbarung und damit die Beendigung der Zahlung des Persönlichen Budgets rechtmäßig erfolgt sei (S 10 KR 378/17 ER). Mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 hatte das Hessische Landessozialgericht auf die Beschwerde der Klägerin hin den Beschluss des Sozialgerichts abgeändert und festgestellt, dass der Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2017 bis 23. Oktober 2017 sowie die Klage vom 24.10.2017 gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. September 2017 aufschiebende Wirkung habe, weil der Verwaltungsakt der Beklagten keine laufende Leistung herabgesetzt habe. Der erkennende Senat hatte jedoch die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen und dabei Insbesondere festgestellt, dass "eine Weiterzahlung des Persönlichen Budgets nach summarischer Prüfung nicht in Betracht komme, weil gewichtige Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Klägerin die der Gewährung des Persönlichen Budgets zugrundeliegende Zielvereinbarung zu keinem Zeitpunkt entsprechend den vereinbarten Vorgaben umgesetzt habe" (L 1 KR 430/17 B ER, Bl. 263 – 278 der Gerichtsakte S 10 KR 378/17 ER).

Zur Klagebegründung hat die Klägerin vorgetragen, aus der Genehmigung der häuslichen Krankenpflege der Beklagten ergebe sich, dass eine zusätzliche Betreuung zu der Hilfe der Eltern notwendig gewesen sei. Während die häusliche Pflege tagsüber von den Eltern geleistet würde, stünde für die nächtliche Betreuung aber kein adäquater Pflegedienst zur Verfügung, der die Krankenpflege habe übernehmen können. Dies zeige auf, in welchem Dilemma die Familie gesteckt habe, so dass der Vater die weitere nächtliche Krankenpflege selbst habe übernehmen müssen - abgesehen davon, dass die Klägerin andere Pflegekräfte abgelehnt habe. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung der Zielvereinbarung rechtmäßig sei. Entgegen der getroffenen Vereinbarung habe der Vater der Klägerin die beiden in § 4 der Vereinbarung genannten Personen, Frau G. (Altenpflegerin) und Herr H. (Heilerziehungspfleger) nicht mittels gesonderten Arbeitsverträgen beschäftigt. Soweit die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte geltend mache, dass es sich bei der Aufnahme von Frau G. und Herrn H. um ein "redaktionelles Versehen" der Beklagten gehandelt habe und nie beabsichtigt gewesen sei, die beiden Pflegekräfte zur Versorgung der Klägerin als Arbeitnehmer zu beschäftigen, zumindest sich der Vater der Klägerin dessen nicht bewusst gewesen sei, werde dies entschieden zurückgewiesen. Gemäß der schriftlich getroffenen und insoweit auch eindeutigen vertraglichen Vereinbarung sollten gerade diese beiden Pflegekräfte für die Nacht in der Häuslichkeit der Familie der Klägerin zur Erfüllung der speziellen Krankenbeobachtung eingesetzt werden, zumal die von der Beklagten unterschriebene Vereinbarung nicht an die Adresse der Klägerin, sondern an die der Fa. D. und von dort mit der Unterschrift des Vaters der Klägerin dann wieder an die Beklagte zurück geschickt worden sei. Unter der Voraussetzung und in dem Wissen, dass die Versorgung allein durch die Familie sichergestellt werde, hätte die Beklagte keine Zielvereinbarung mit Klägerin abgeschlossen. Nachdem sie erstmalig anlässlich des Hausbesuches am 19. Mai 2017 habe feststellen müssen, dass in Wirklichkeit die häusliche Krankenpflege - auch in den Nachtstunden - ausschließlich durch die Eltern der Klägerin und nicht durch die Fachkräfte G. und H. erbracht worden seien, aber die Budgetleistungen auf das Konto der Fa. D. - E. gezahlt worden seien, sei die fristlose Kündigung der Vereinbarung geboten gewesen, um den vertragswidrigen Zustand zu beenden. Da die häusliche Krankenpflege ausschließlich durch die Familienangehörigen der Klägerin erbracht werde, sei zudem der Ausschlusstatbestand des § 37 Abs. 3 SGB V erfüllt. Außerdem sei von vorneherein auch gegen die vereinbarte unverzügliche Informationspflicht bei Veränderungen (§ 4 Abs. 8 der Zielvereinbarung) verstoßen worden.

Das Sozialgericht Darmstadt hat die Klage, den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2017 aufzuheben, mit Urteil vom 29. August 2018 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Die Beklagte habe mit Bescheid vom 24. Mai 2017 die Zielvereinbarung zu Recht fristlos gekündigt, weil das darin vereinbarte Persönliche Budget zweckentfremdet eingesetzt und die vertragliche Vereinbarung nicht eingehalten worden sei. Ein Anspruch auf Weiterzahlung des Persönlichen Budgets bestehe daher nicht. Gemäß § 6 Abs. 4 der Zielvereinbarung könne die Beklagte mit einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendermonats kündigen, wenn sie feststelle, dass das persönliche Budget ganz oder teilweise zweckentfremdet verwendet werde, Nachweise über deren Verwendung auch nach Anforderung nicht beigebracht würden, die spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen von häuslicher Krankenpflege nicht mehr ausreichend sichergestellt werde, Maßnahmen nach § 4 Abs. 7 nicht umgehend umgesetzt würden oder sonst gegen Bestimmungen dieser Vereinbarung verstoßen werde. Die Klägerin habe, vertreten durch ihren Vater, in vielfältiger Weise gegen die in der Zielvereinbarung getroffenen Regelungen verstoßen. Entgegen der vertraglichen Vereinbarung habe die Klägerin weder mit Herrn H. noch mit Frau G. Arbeitsverträge geschlossen, sondern offenbar die Fa. D. mit den Leistungen der Zielvereinbarung betraut, die jedoch solche Leistungen - entgegen ihrer schriftlichen Zusicherung vom 27. Januar 2017 - ebenfalls niemals in Form des Einsatzes von Pflegefachkräften im Haushalt der Eltern der Klägerin erbracht habe. Nach den insoweit glaubhaften Angaben der Mutter der Klägerin anlässlich des Hausbesuchs am 19. Mai 2017 sei im gesamten ersten Halbjahr 2017 keine einzige Pflegekraft eingesetzt gewesen, vielmehr sei die Pflege tagsüber durch die Mutter selbst und nachts durch den Vater der Klägerin bewerkstelligt worden. Beide verfügten jedoch nicht über eine entsprechende Ausbildung, die sie zur Ausübung des Berufs als Pflegekraft berechtigen würde, so dass sie gerade nicht "geeignetes Personal" darstellten. Der angeblich zwischen der Fa. D. und dem Vater der Klägerin abgeschlossene Arbeitsvertrag (von dem dessen Ehefrau und Mutter der Klägerin offenbar auch nichts gewusst habe), könne deshalb nicht ausreichend sein. Letztlich sei die Klägerin allein durch ihre Mutter und ihren Vater versorgt worden, wobei der Vater dies - neben seiner Beschäftigung bzw. in Ausführung einer Beschäftigung für die Fa. D. und seiner eigenen selbständigen Tätigkeit - an acht Stunden in der Nacht habe bewerkstelligen wollen. Angesichts dessen rechtfertige das Verhalten der durch ihren Vater vertretenen Klägerin die ausgesprochene fristlose Kündigung. Durch die Beschäftigung des Vaters der Klägerin bei der Fa. D. sei die Regelung des § 37 Abs. 3 SGB V umgangen worden. Nach dieser Vorschrift sei Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, wenn und soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken/die Kranke in dem erforderlichen Umfang pflege oder versorge. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung habe die Klägerin auch nicht davon ausgehen können, dass die über die Fa. D. bezahlten - Pflegeleistungen des Vaters dessen Bezahlung aus dem Persönlichen Budget rechtfertigen würde. Zumal in der Zielvereinbarung nicht nur zwei persönlich benannte Personen als Betreuungs-/ Pflegepersonen benannt worden seien, sondern die Klägerin - vertreten durch ihren Vater - angesichts der Vereinbarung gewusst habe, dass die häusliche Krankenpflege nur durch besonders ausgebildetes Personal zu erfolgen habe - gerade auch, weil von den benannten Personen von der Beklagten ausdrücklich entsprechende Qualifikationsnachweise angefordert worden seien. Die Durchführung der speziellen Krankenversorgung in der Nacht habe gerade nicht von "jedermann" bewerkstelligt werden sollen. Unstreitig sei dabei, dass der Vater der Klägerin nicht über eine entsprechende fachspezifische Ausbildung verfüge. Außerdem liege ein Verstoß gegen die zwischen der Klägerin und der Beklagten vereinbarten unverzüglichen Informationspflicht vor. Denn in § 4 Abs. 8 der Zielvereinbarung habe sich die Klägerin bzw. deren Vertreter (Vater) verpflichtet, über jegliche Änderungen in den Verhältnissen, die Einfluss auf das Persönliche Budget haben könnten, unverzüglich die Beklagte zu informieren. Dies habe sie nicht getan: Schließlich könne die Klägerin nicht geltend machen, dass der Einsatz von Frau G. und Herr H. niemals beabsichtigt gewesen sei, sondern sie bzw. ihre Eltern - wenn auch vergeblich - sich um entsprechendes Pflege-/Betreuungspersonal bemühen sollten. Angesichts der klaren und eindeutigen Regelungen in § 4 (Pflichten des Leistungsberechtigten) habe sich die Klägerin ausdrücklich verpflichtet, mit den namentlich aufgeführten Beschäftigten Arbeitsverträge zu schließen. Dass die beiden offenbar bei der Fa. D. beschäftigten Personen tatsächlich "nur" Beratungs- und ggf. Ausbildungsleistungen für die Klägerin bzw. deren Eltern in Bezug auf erst noch zu suchende Personen leisten sollten, habe die Beklagte angesichts der eindeutigen auch vom Vater der Klägerin per Unterschrift bestätigten Vereinbarungen nicht erkennen können. Insbesondere gelte dies auch hinsichtlich des von der Fa. D. an die Beklagte gerichteten Schreibens vom 19. Dezember 2016 (Bl. 18 der Gerichtsakte S 10 KR 378/117 ER). Denn dort sei bestätigt worden, dass die Familie der Klägerin sich dazu entschlossen habe, "vorläufig die Versorgung durch Pflegekräfte der Fa. D. sicherstellen zu lassen, wobei es sich dabei um Pflegehelfer und geeignetes Pflegepersonal" handele. Damit musste die Beklagte davon ausgehen, dass gerade die in der Zielvereinbarung konkretisierte nächtliche Betreuung der Klägerin tatsächlich von den bei der Fa. D. beschäftigten Personen, Frau G. und Herr H., geleistet werde, sonst wäre es nicht nötig gewesen, dass die Beklagte von diesen den Nachweis einschlägiger Ausbildungen und bestandener Prüfungen verlangt habe. Soweit in dem Schreiben vom 19. Dezember 2016 "des Weiteren" Anleitung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen und die Einarbeitung des Assistenzpersonals in der praktischen Pflege (kein Pflegekurs nach § 45 SGB XII) durch erfahrenes Pflegefachkraftpersonal sowie die Vermittlung theoretischen Wissens bei pflegefachlichen Fragestellung" angeboten würden, könne - schon angesichts der Wortwahl "des Weiteren" - keinesfalls geschlossen werden, dass auch die beiden in der Zielvereinbarung persönlich genannten Personen lediglich "Anleitung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen bzw. Einarbeitung des Assistenzpersonals" zu leisten bereit gewesen wären. Zumal es in einem weiteren Absatz heiße "Für diese Fragen stehen der Familie A. und dem eingesetzten Pflegepersonal Frau G. (examinierte Altenpflegerin) und Herr H. (Heilerziehungspfleger) zu Verfügung".

Die Klägerin hat gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 19. September 2018 zugestellte Urteil am 17. Oktober 2018 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht erhoben. Zur Berufungsbegründung trägt die Klägerin vor: Bereits der Sachverhalt sei im Urteil unzutreffend wiedergegeben. Im Vorfeld des Abschlusses der Zielvereinbarung habe sich gezeigt, dass die Suche nach geeignetem Pflegepersonal schwierig gewesen sei. Die Klägerin habe mit Unterstützung der Beklagten und der Fa. D. über mehrere Monate versucht, einen Pflegedienst zu finden, der geeignetes Pflegepersonal zur Verfügung stellen sollte. Zu diesem Zweck habe die Beklagte der Klägerin Listen mit geeigneten Pflegediensten übersandt. Diese Pflegedienste hätten jedoch keine Kapazitäten frei gehabt. Deshalb habe sich die Klägerin entschlossen, die Versorgung durch Pflegekräfte der Fa. D. sicherstellen zu lassen, wobei es sich dabei um Pflegehelfer und geeignetes Pflegepersonal gehandelt habe. Die Fa. D. biete dabei selbst Anleitung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen und Einarbeitung des Assistenzpersonals an. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 habe die Fa. D. der Beklagten entsprechend mitgeteilt, dass die Familie der Klägerin erhebliche Schwierigkeiten mit der Personalsuche für die nächtliche Krankenbeobachtung habe. In diesem Schreiben werde ausdrücklich ein Telefonat mit einem Angestellten der Beklagten am 15. Dezember 2016 erwähnt, in welchem die Mitarbeiterin der Fa. D. das Dilemma der Klägerin bereits ausführlich erklärt habe. Daraufhin sei wohl ein "redaktioneller Fehler" seitens der Beklagten erfolgt, denn in der nachfolgend übersandten Zielvereinbarung seien sowohl Frau G. als auch Herr H. als Beschäftigte der Klägerin aufgeführt worden. Dies sei vom Vater der Klägerin bei Unterzeichnung der Zielvereinbarung nicht bemerkt worden. Tatsächlich seien weder Frau G. noch Herr H. als Mitarbeiter bzw. Pflegekräfte der Klägerin vorgesehen gewesen. Die Beklagte sei im Übrigen bundesweit die einzige Krankenkasse, welche die Mitteilung der vermeintlichen Assistenzkräfte in der Zielvereinbarung fordere. Hätte die Beklagte nicht im blinden Eifer Assistenzkräfte habe eintragen wollen, hätte sie auch das Schreiben der Fa. D. vom 19. Dezember 2016 nicht derart missverstanden und die Mitarbeiter der Fa. D. (Frau G. und Herrn H.) überhaupt nicht in der Zielvereinbarung eingesetzt. Unzutreffend sei, dass der Vater der Klägerin weiterhin einer selbstständigen Tätigkeit nachgegangen sei; er habe diese Tätigkeit Ende Dezember 2016 eingestellt. Falsch sei auch, dass das Persönliche Budget auf das Konto des Geschäftsführers der Fa. D. geflossen sei; es habe sich dabei um ein Treuhandkonto gehandelt. Das Beschäftigungsverhältnis zwischen der Fa. D. und dem Vater der Klägerin sei auch nicht "konstruiert" worden, vielmehr habe es einer sehr zeitnahen Regelung zur nächtlichen Versorgung der Klägerin bedurft. Aus der Not heraus sei daher der Vater der Klägerin als Pflegepersonal angestellt worden, was keine zweckentfremdende Verwendung des Budgets darstelle, sondern eine übliche Vorgehensweise, wie sie mit anderen Krankenkassen regelmäßig praktiziert werde. Zudem lasse das Sozialgericht außer Acht, dass ausweislich der S2-Leitlinie für invasive und nicht-invasive Beatmung der AWMF die außerklinische Beatmung auch durch nicht-examiniertes Pflegepersonal erfolgen könne. Unzutreffend sei, dass die Klägerin personelle Veränderungen nicht gemeldet habe: Aus dem Schreiben vom 19. Dezember 2016 gehe unmissverständlich hervor, dass Frau G. und Herr H. lediglich Beratungs- und ggf. Ausbildungsleistungen erbringen sollten. Nur diesbezüglich sei deren Qualifikation nachzuweisen gewesen. Außerdem sei die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Vaters der Klägerin der Beklagten als zuständiger Krankenkasse gemeldet worden. Die Klägerin legt ergänzend vor: Pflegefachliche Beurteilung der Fa. D. vom 11. Februar 2019 (Bl. 112 - 114 der Gerichtsakte), Anstellungsvertrag des Vaters der Klägerin, Lohnabrechungen der Fa. D. gegenüber dem Vater der Klägerin von Januar 2017 bis Juli 2017, Pflege- und Betreuungsvertag, Auftrag zur Errichtung eines Treuhandkontos, Kontoübersicht des Treuhandkontos, Rechnungen der Fa. D. an die Klägerin, Beispielrechnungen zur Personalkalkulation (Bl. 143 - 221 der Gerichts-akte).

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. August 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2017 aufzuheben,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. August 2018 und den Widerspruchsbescheid vom 28. September 2017 aufzuheben und festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 24. Mai 2017 die Zielvereinbarung vom 1. Dezember 2016 nicht wirksam beendet hat.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die angefochtenen Bescheide und das erstinstanzliche Urteil. Das vereinbarte Budget sei auf der Grundlage der Gehälter für die angegebenen qualifizierten Pflegekräfte, die aber zu keinem Zeitpunkt Beschäftigte der Kläger geworden seien, kalkuliert worden. Entgegen der Zielvereinbarung sei der Vater der Klägerin bei der Fa. D. mit einem Stundenlohn von 10,00 EUR angestellt worden; zusätzlich sei aus dem Budget entgegen der Vereinbarung eine Bearbeitungspauschale in Höhe von 600,- EUR an die Fa. D. gezahlt worden. Damit sei das Budget nicht zweckgebunden eingesetzt worden; die fristlose Kündigung der Zielvereinbarung sei berechtigt gewesen. Die Ausführungen der Klägerin zu ihrem aktuellen Zustand der Versorgung seien für die streitgegenständliche Frage der Rechtsmäßigkeit der Kündigung der Zielvereinbarung irrelevant.

Die Berichterstatterin des Senats hat am 28. März 2019 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten durchgerührt. Der Vater der Klägerin wurde angehört; der Terminsvertreter der Beklagten teilte auf Nachfrage der Berichterstatterin mit, dass der Beklagten ein Schreiben der Fa. D. vom 19. Dezember 2016 nicht vorliege; ein Posteingang an diesem Tag sei nicht vermerkt. Ergänzend wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. März 2019 (Bl. 228 - 232 der Gerichtsakte) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gerichtsakte und der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichts Darmstadt (S 10 KR 378/17 ER / L 1 KR 430/17 B ER), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Das Sozialgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 29. August 2018 die Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Die Erklärung der Kündigung mit Bescheid vom 24. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2017 ist formell rechtwidrig; der Bescheid war daher aufzuheben.

Die von der Klägerin mit Haupt- und Hilfsantrag erhobene Anfechtungsklage ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 24. Mai 2017 die Kündigung der Zielvereinbarung mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum 30. Juni 2017 erklärt. Die Kündigung eines als "Zielvereinbarung nach § 4 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX (BudgetV)" abgeschlossenen Vertrages durch Verwaltungsakt ist unzulässig. Rechtsgrundlage der Zielvereinbarung ist § 17 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX) in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung des Gesetzes vom 21. März 2005 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX (Budgetverordnung (BudgetV); BR-Drs. 262/04, S. 4 ff.; gültig bis 31. Dezember 2017). Danach schließen der Leistungsträger und die Leistungsberechtigten zur Umsetzung des Persönlichen Budgets eine Zielvereinbarung ab. Bei einer Zielvereinbarung handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz ((SGB X); h.M.: BSG, Urteil vom 31. Januar 2001, B 2 U 1/11 R; Sächsisches LSG, Beschluss vom 27. Januar 2012, L 3 AL 130/11 B ER; Stevens-Bartol, in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX Kommentar, 3. Auflage, § 17 Rn. 18; zur inhaltsgleichen Nachfolgeregelung § 29 SGB XI: O Sullivan in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 29 SGB IX, Rn. 42, Schneider in: Hauck/Noftz, SGB, 12/18, § 29 SGB IX, Rn. 39 m. w. N.). Die Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ist - auch wenn sie von der Behörde ausgesprochen wird - grundsätzlich kein Verwaltungsakt, sondern eine empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die mit ihrem Zugang wirksam wird (Hissnauer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 59 SGB X, Rn. 26; Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, § 59 SGB X Rn. 94. - jeweils m. w. N.).

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 24. Mai 2017 die Kündigung der Zielvereinbarung erklärt. Das Schreiben war zwar nicht als Bescheid überschrieben, jedoch war eine Rechtsmittelbelehrung angefügt. Die äußere Form eines Verwaltungsakts - z.B. durch Anfügung einer Rechtsbehelfsbelehrung - führt nicht dazu, dass die Maßnahme auch zu einem materiellen Verwaltungsakt wird, wenn die Begriffsmerkmale des § 31 SGB X im Übrigen fehlen bzw. eine entsprechende Rechtsgrundlage für ein hoheitliches Handeln durch Verwaltungsakt fehlt. Die Form hat jedoch die prozessuale Folge, dass die Maßnahme wie ein Verwaltungsakt mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden kann (Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 12/11, § 31 SGB X, Rn. 35 m. w. N.). Denn die Anfechtungsklage ist zulässig und begründet, wenn sich die Verwaltung in unzulässiger Weise der äußeren Form eines Verwaltungsakts bedient (BSG, Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 6/14 R; vgl. Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 31 RdNr 22b m. w. N; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 35 RdNr. 16 m. w. N.). Es wäre unbefriedigend, wenn der Betroffene, der durch den Bescheid zur Erhebung einer Anfechtungsklage veranlasst wird, mit dieser Klage - in Ermangelung der Zulässigkeit eines Verwaltungsaktes - ohne weitere Prüfung abgewiesen werden und angesichts dessen im sozialgerichtlichen Verfahren seine Kosten tragen müsste. So liegt der Fall hier. Kleidet die Verwaltungsbehörde eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung in die Form eines Verwaltungsakts, ist dieser - im Hauptsacheverfahren - unabhängig von seiner inhaltlichen Rechtmäßigkeit ohne weitere Sachprüfung aufzuheben (vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. September 2011 – L 23 SO 147/11 B ER – Rn. 87 - 89, juris).

Die erstmals im Berufungsverfahren mit Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage ist zulässig.

Es liegt eine Klageänderung in der Berufungsinstanz (§§ 153, 99 SGG) vor, weil die Klägerin mit der hilfsweise erhobenen Feststellungsklage zusätzlich die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) begehrt und damit ihre Klage erweitert. Durch eine Klageerweiterung kann ein prozessualer Anspruch Gegenstand des aufgrund einer Berufung beim Landessozialgericht anhängigen Verfahrens werden, über den das Landessozialgericht in erster Instanz zu entscheiden hat (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 99 Rn. 12 m.w.N.; im Ergebnis ebenso BSG, Urteil vom 16. November 2005, B 2 U 28/04 R, juris, Rn. 11; Urteil vom 24. März 2009, B 8 AY 10/07, juris, Rn.18). Gemäß § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage jedoch nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderungen für sachdienlich hält. Die Beklagte hat sich auf die Klageänderung rügelos eingelassen und hierin nach § 99 Abs. 2 SGG stillschweigend eingewilligt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 99 Rn. 9), indem sie im Erörterungstermin 28. März 2019 nach Klageänderung ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung aufrechterhalten hat. Im Übrigen ist die Klageänderung auch sachdienlich gemäß § 99 Abs. 1 SGG. Sachdienlichkeit ist anzunehmen, wenn die Klageänderung dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 99 RdNr 10 m.w.N). Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats vor, denn im Rahmen der Feststellungsklage kann für die Beteiligten prozessökonomisch abschließend geklärt werden, ob die Zielvereinbarung wirksam gekündigt wurde oder nicht - dies allein ist das eigentliche Begehr der Klägerin.

Die Klageänderung war auch im Übrigen zulässig. Es war weder eine Klagefrist einzuhalten noch ist die Durchführung eines Vorverfahrens vorgeschrieben (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 55 Rn. 3a). Ein Feststellungsinteresse ist zu bejahen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des zwischen den Beteiligten in Rede stehenden Rechtsverhältnisses - Fortbestand der Zielvereinbarung - besteht zur Bereinigung der Ungewissheit, ob die Beteiligten weiterhin an diese Vereinbarung gebunden sind, ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer endgültigen Klärung der Frage, ob sie aus der Vereinbarung als Dauerschuldverhältnis weiterhin berechtigt ist und das Persönliche Budget beanspruchen kann oder ob die Beklagte die Zielvereinbarung wirksam gekündigt hat. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin besteht überdies zusätzlich hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte infolge einer wirksamen Kündigung ggf. Rückforderungen in Höhe von fast 40.000,- EUR - wie im Erörterungstermin am 28. März 2019 angekündigt - geltend machen kann.

Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, denn die mit Schreiben vom 24. Mai 2017 erklärte Kündigung der Zielvereinbarung ist wirksam.

Dabei geht der Senat davon aus, dass trotz Aufhebung des Formalverwaltungsaktes vom 24. Mai 2017 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2017) die darin enthaltene öffentlich-rechtliche Willenserklärung mit ihrem Zugang bei der Klägerin weiterhin wirksam ist. Die Aufhebung eines unzulässigen Verwaltungsakts beseitigt nicht die im entsprechenden Schreiben ausgesprochene Willenserklärung. Ein Formal-Verwaltungsakt bzw. "Scheinverwaltungsakt" kann grundsätzlich aufgehoben oder zurückgenommen werden, nicht aber die darin enthaltene Willenserklärung, die nach Zugang bei dem Erklärungsempfänger wirksam bleibt. Der Senat verweist insoweit auf die Rechtsprechung zur Frage, ob die Verwaltung eine Aufrechnung gemäß § 51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) durch Bescheid erklären darf und welche Folgen die Aufhebung eines entsprechenden unzulässigen Verwaltungsaktes für die darin ausgesprochene Aufrechnungserklärung hat (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 – B 4 RA 60/02 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. September 2005 - L 8 R 135/05; Bayerisches LSG, Urteil vom 21. September 2005 - L 13 R 4215/03; Hessisches LSG, Urteil vom 29. Oktober 2012 - L 9 AS 601/10; Lilge, SGB I, § 51 SGB I Rn. 17; vgl. zum Meinungsstreit im Fall der Aufrechnung: Pflüger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 51 SGB I, Rn. 53-69).

Die fristlose Kündigung der Zielvereinbarung vom 24. Mai 2017 ist wirksam, denn § 4 Abs. 2 BudgetV berechtigt die Beklagte zu einer Kündigung mit sofortiger Wirkung. Nach § 4 Abs. 2 BudgetV können die Antrag stellende Person (hier: Klägerin) und der Beauftragte (hier: Beklagte) die Zielvereinbarung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen, wenn ihnen die Fortsetzung nicht zumutbar ist. Für den Beauftragten kann ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn die Antrag stellende Person die Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Nachweises zur Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung, nicht einhält (Satz 3).

Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin - vertreten durch ihren Vater - in vielfältiger Weise gegen die in der Zielvereinbarung getroffenen Regelungen verstoßen und damit u.a. auch ihre Verpflichtung zum Nachweis der Qualitätssicherung nicht eingehalten hat.

Die zwischen Klägerin und Beklagte abgeschlossene Zielvereinbarung sollte dazu dienen, den - auch nach den Feststellungen im Pflegegutachten des MDK Hessen vom 28. September 2016 ermittelten - Bedarf an Spezieller Krankenbeobachtung im Rahmen häuslicher Krankenpflege (§ 1 Abs. 1 der Zielvereinbarung) für eine Anspruchsdauer von durchschnittlich täglich acht Stunden (§ 2 Abs. 2 der Zielvereinbarung) durch Arbeitnehmer, die die Klägerin in ausreichender Zahl einstellt und beschäftigt und die über die fachliche Befähigung zur Erbringung der Speziellen Krankenbeobachtung im Rahmen Häuslicher Krankenpflege verfügen (§ 2 Abs. 3 der Zielvereinbarung), sicherzustellen. Dazu sollte die Klägerin mit den Fachkräften G. G. (Altenpflegerin) und H. H. (Heilerziehungspfleger) Arbeitsverträge abschließen (§ 4 Abs. 1 der Zielvereinbarung). Gemäß § 3 Abs. 1 der Zielvereinbarung sollte dabei das Persönliche Budget dazu dienen, die notwendigen Leistungen der Speziellen Krankenbeobachtung im Rahmen Häuslicher Krankenpflege bestmöglich in selbstbestimmter Form durch selbst organisiertes geeignetes Personal sicherzustellen und das zur Verfügung gestellte Geld zweckgebunden zu verwenden.

§ 4 Abs. 1 Satz Nr. 3 BudgetV sieht vor, dass in der Zielvereinbarung Regelungen zur Qualitätssicherung zu treffen sind. Eine solchermaßen zulässige Regelung zur Sicherung der Qualität der Versorgung stellt nach Auffassung des Senats auch die vereinbarte "Fachkräfteklausel" in § 4 Abs. 1 und 2 der Zielvereinbarung dar, welche die Klägerin verpflichtet, die namentlich benannten Fachkräfte mit Arbeitsvertrag einzustellen, Berufsurkunden und Qualifikationsnachweise für diese Arbeitnehmer vorzulegen und personelle Veränderungen mit entsprechenden Unterlagen nachzuweisen hat.

Nach den eigenen Angaben der Klägerin wurden entgegen der Zielvereinbarung vom 5. Januar 2017 nicht die unter § 4 Abs. 1 der Zielvereinbarung aufgeführten Fachkräfte für die Klägerin tätig. Tatsächlich hat die Klägerin weder mit Herrn H. noch mit Frau G. entsprechende Arbeitsverträge geschlossen. Vielmehr hat die Klägerin den "Pflegedienst" D. im Rahmen eines "Pflege- und Betreuungsvertrages" - bereits abgeschlossen am 18. November 2016 - mit "Leistungen des Pflegedienstes und seiner Pflegepartner" beauftragt. Von dem "Pflegedienst" D. wurden jedoch keine qualifizierten Fachkräfte zur Erbringung der vereinbarten Leistungen im Haushalt der Klägerin eingesetzt, sondern ausschließlich der mit Arbeitsvertrag - ebenfalls bereits am 18. November 2016 abgeschlossen - angestellte Vater der Klägerin, der über keine berufliche Qualifikation im Bereich der Pflege verfügt. Die Klägerin trägt hierzu vor, es sei auch zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen sei, die der Zielvereinbarung namentlich benannten Fachkräfte zu beschäftigten. Zudem hat die durch ihren Vater vertretene Klägerin die sich aus § 4 Abs. 3 der Zielvereinbarung ergebenen Arbeitgeber-Pflichten, die sich sowohl auf die Zahlung von Löhnen/Gehältern, die ordnungsgemäße Anmeldung als Unternehmen beim Finanzamt, das Tragen der Arbeitgeberanteile an Sozialversicherungsbeiträgen, die Entrichtung von Umlagebeiträgen sowie eine Haftpflichtversicherung für die Beschäftigten erstrecken, nicht erfüllt. Infolgedessen ist die Klägerin ihrer Hauptverpflichtung aus § 4 der Zielvereinbarung nicht nachgekommen und hat damit die Vereinbarung von Anfang an nicht eingehalten. Es war hingegen nicht vereinbart, dass die Fa. D. die in der Zielvereinbarung bestimmten Leistungen der häuslichen Krankenpflege für die Klägerin durch eine unqualifizierte Kraft - den Vater der Klägerin - erbringt. Vor diesem Hintergrund ist ein wichtiger Grund, der zur sofortigen Kündigung berechtigt, zu bejahen, denn der Beklagten war zum Zeitpunkt der Kündigung die Fortsetzung der Zielvereinbarung nicht zumutbar. Hinzu kommt, dass zur Bedarfsermittlung die von der Klägerin bevollmächtigte Fa. D. der Beklagten eine Kalkulation vorgelegt hatte, der zunächst die Gehaltsgruppen einer Kinderkrankenschwester (Tarif, Entgeltgruppe 7a) und einen Pflegehelfer (Tarif, Entgeltgruppe 4a) zugrunde lagen. Nachdem die Fa. D. im Namen der Klägerin mit Mail vom 22. Dezember 2016 die - angeblich - einzusetzenden Pflegefachkräfte benannt hatte, wurde angesichts der unterschiedlichen Qualifikation (Altenpflegerin, Heilerziehungspfleger statt Kinderkrankenschwester, Pflegehelfer) die monatliche Budgetleistung von 6.811.89 EUR auf 6.611,89 EUR einvernehmlich reduziert; Anknüpfung blieb jedoch die Kostenkalkulation auf der Basis des Tariflohns für qualifizierte Fachkräfte, während der faktisch ausschließlich tätigen "Pflegekraft" - dem Vater der Klägerin - ein Stundenlohn von 10,- EUR (durchschnittlich 2.438,- EUR brutto monatlich) seitens der Fa. D. ausgezahlt wurde. Die Weiterzahlung eines angesichts dessen offensichtlich überhöhten Budgets war aus Sicht der Beklagten nicht zumutbar.

Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, die Beklagte habe die Klägerin - vertreten durch ihren Vater und die Fa. D. - völlig missverstanden und infolge eines "redaktionellen Fehlers" die Fachkräfte G. und H. als von der Klägerin anzustellende Pflegekräfte in § 4 der Zielvereinbarung aufgenommen. Die Zielvereinbarung - einschließlich § 4 - wurde ausweislich des in der Verwaltungsakte vorliegenden Exemplars von der Beklagten am 2. Januar 2017 und von der Klägerin am 5. Januar 2017, vertreten durch ihren Vater unterzeichnet. Der Wortlaut der Zielvereinbarung ist eindeutig und lässt keinen Interpretationsspielraum zu. Es wurde ausdrücklich vereinbart, dass die Klägerin die namentlich benannten qualifizierten Fremdkräfte anstellen sollte. Der maßgebliche Vertragstext lag der Klägerin - vertreten durch ihren Vater und die Fa. D. - zunächst als Entwurf und ohne die Namen der Pflegefachkräfte und Bankverbindung bereits aufgrund der Mail der Beklagten vom 2. November 2016 zur Prüfung vor. Die von der Beklagten mit Datum 2. Januar 2017 unterzeichnete Fassung ging der Klägerin aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 27. Dezember 2016 zu, nachdem die Fa. D. der Beklagten mit Mail vom 22. Dezember 2016 die Namen und Qualifikationen der Mitarbeiter mitgeteilt hatte, "die bei Fam. A. mit eingebunden werden sollen". Wenn die Klägern - vertreten durch ihren Vater - diese Vereinbarung unterzeichnet, obwohl sie keine Arbeitsverträge mit den namentlich benannten Pflegefachkräften abschließen wollte, kann der Beklagten weder ein Missverständnis noch ein "redaktionelles Versehen" vorgeworfen werden.

Dass die Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 5. Januar 2017 nicht die Absicht hatte, ihre vertragliche Verpflichtung zu erfüllen und die Fachkräfte G. und H. anzustellen, war für die Beklagte auch nicht erkennbar. Obwohl die Klägerin bereits am 18. November 2016 den "Pflegedienst" D. zur Erbringung der Leistungen im Rahmen des Persönlichen Budget - unter Verzicht auf den Einsatz medizinischen Fachpersonals - beauftragt hatte, wurde dies im Rahmen der Bedarfsprüfung und dem hierzu ergangenen Schriftwechsel zwischen Klägerin bzw. der Fa. D. und der Beklagten zu keinem Zeitpunkt erwähnt. Der Senat geht dabei auch davon aus, dass schon zu diesem Zeitpunkt seitens der Klägerin bzw. ihres Vaters und der Fa. D. beabsichtigt war, dass ausschließlich der Vater der Klägerin Pflegeleistungen im Rahmen des Persönlichen Budgets erbringen sollte. Auch dies wurde gegenüber der Beklagten nicht offen gelegt; erst im Rahmen des Hausbesuchs durch Mitarbeiter der Beklagten wurde offensichtlich, dass - mit Ausnahme des Vaters - keine anderen Angestellten der Fa. D. Leistungen zugunsten der Klägerin erbracht haben. Der Vortrag, die Einbindung des Vaters sei aus der Not heraus erfolgt, da kein examiniertes Personal gefunden worden sei, ist nicht nachvollziehbar und durch den zeitlichen Ablauf widerlegt. Die Fa. D. schloss bereits am 18. November 2016 - noch vor Abschluss der Zielvereinbarung - mit dem Vater der Klägerin einen Arbeitsvertrag. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand offensichtlich fest, dass der Vater der Klägerin als Pflegeassistent des "Pflegedienstes" D. die Leistungen im Rahmen des Persönlichen Budgets zugunsten der Klägerin erbringen sollte. Die Fa. D. benannte aber dennoch mit Mail vom 20. Dezember 2016 die Pflegekräfte G. und H. unter Vorlage der Berufsurkunden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (S 10 KR 378/17 ER/ L 1 KR 430/17 B ER) vorgelegten Schreibens der Fa. D. an die Beklagte vom 19. Dezember 2016. Das Schreiben befindet sich nicht in der Verwaltungsakte; die Beklagte bestreitet den Zugang dieses Schreibens. Dieses Schreiben wird im Mail-Verkehr zwischen der Fa. D. und der Beklagten auch nicht erwähnt. Unstreitig ist, dass Mitarbeiter der Beklagten und der Fa. D. am 15. Dezember 2016 telefonierten. Das Telefonat wird in einer Mail der Fa. D. vom 20. Dezember 2016 zitiert; in dieser Mail heißt es: "In einem Telefonat vom 15. Dezember 2016 mit Frau J. teilten Sie uns mit, dass die Mitarbeiter, die für Frau A. arbeiten werden, noch nicht benannt sind. Welche Daten benötigen Sie von den zukünftigen Arbeitnehmern?". Es erscheint unlogisch, wenn die Fa. D. einen Tag vor dieser Mail ein Schreiben - wie von der Klägerin vorgelegt - postalisch versandt hätte.

Aber selbst für den Fall, dass der Beklagten dieses Schreiben vom 19. Dezember 2016 zugegangen sein sollte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin aus der Formulierung dieses Schreibens nichts ableitbar, was den Vertragsinhalt der Zielvereinbarung, insbesondere die Regelung unter § 4, in irgendeiner Form abbedingt. Im Schreiben wird lediglich bestätigt, dass die Familie A. sich dazu entschlossen habe, "vorläufig die Versorgung durch Pflegekräfte der Firma D. sicherstellen zu lassen, wobei es sich dabei um Pflegehelfer und geeignetes Pflegepersonal" handele. Damit musste die Beklagte davon ausgehen, dass gerade die in der Zielvereinbarung konkretisierte nächtliche Betreuung der Klägerin tatsächlich durch die von der Fa. D. vermittelten bzw. angestellten Pflegefachkräften G. und H. geleistet werden soll, sonst wäre es nicht nötig gewesen, dass die Beklagte von diesen den Nachweis einschlägiger Ausbildungen und bestandener Prüfungen verlangt hätte. Auch dass die Fa. D. - gemäß ihrem "Leistungskatalog" - Unterstützung durch examiniertes Pflegepersonal bei einer individuellen Pflegeplanung, die zur Sicherstellung und zur Transparenz einer auf die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen abgestimmten Durchführung anbietet, lässt unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizontes nicht den Schluss zu, dass die konkrete Übernahme der vereinbarten "Speziellen Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege" durch den Vater der Kläger als Angestellter der Fa. D. erfolgen sollte. Soweit in dem Schreiben vom 19. Dezember 2016 "des Weiteren" Anleitung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen und die Einarbeitung des Assistenzpersonals in der praktischen Pflege (kein Pflegekurs nach § 45 SGB XI) durch erfahrenes Pflegefachkraftpersonal sowie die Vermittlung theoretischen Wissens bei pflegefachlichen Fragestellung angeboten wird, kann - schon aus der Wortwahl "des Weiteren" - keinesfalls geschlossen werden, dass die beiden in der unterzeichneten Zielvereinbarung namentlich genannten Personen lediglich "Anleitung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen bzw. Einarbeitung des Assistenzpersonals" zu leisten bereit gewesen wären.

Völlig unerheblich sind aus Sicht des Senats Verhaltensweisen anderer Krankenkassen und Pflegedienste im Zusammenhang mit Zielvereinbarungen im Rahmen des Persönlichen Budgets; maßgeblich ist allein die zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Zielvereinbarung, welche seitens der Klägerin nicht eingehalten wurde. Ob ausweislich der S2-Leitlinie für invasive und nicht-invasive Beatmung der AWMF die außerklinische Beatmung auch durch nicht-examiniertes Pflegepersonal erfolgen kann, ist nicht entscheidend; vereinbart wurde die Verpflichtung der Klägerin, qualifiziertes Fachpersonal anzustellen.

Die Auffassung der Klägerin, die Anstellung des Vaters beim "Pflegedienst" D. sei der Beklagten infolge ordnungsgemäßer Meldung durch die Fa. D. bekannt gewesen, ist so nicht zutreffend. Die Anmeldung des Vaters als abhängiger Beschäftigter erfolgte gegenüber der zuständigen Einzugsstelle im Rahmen der EDV-gestützten Massenverwaltung, die eine Zurechnung von Wissen an Mitarbeiter aus dem Bereich der Leistungsverwaltung nicht zulässt.

Ob die Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Fremdkräfte toleriert hat, ist unerheblich. Gründe, die einer Durchführung der Zielvereinbarung, insbesondere der Beschäftigung von Fremdkräften entgegenstehen, hätte die Klägerin gegenüber der Beklagten unverzüglich anzeigen müssen, § 4 Abs. 8 der Zielvereinbarung.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts berechtigt § 6 Abs. 2 der Zielvereinbarung nicht zur fristlosen Kündigung der Zielvereinbarung. § 6 Abs. 2 sieht die Beendigung der Vereinbarung mit sofortiger Wirkung vor, sobald die rechtlichen oder medizinischen Voraussetzungen für eine Spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege nicht mehr vorliegen oder ein Verhinderungstatbestand für die häusliche Krankenpflege eingetreten ist. Vorliegend haben sich weder die rechtlichen noch die medizinischen Voraussetzungen für eine Spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege geändert noch ist ein Verhinderungstatbestand für die häusliche Krankenpflege eingetreten. Nach Auffassung des Senats ist § 6 Abs. 2 der Zielvereinbarung im Fall der zweckwidrigen Verwendung des Budgets nicht einschlägig; ein Kündigungsrecht der Beklagten lässt sich aus § 6 Abs. 2 der Zielvereinbarung nicht ableiten.

Die Beklagte war auch zur Kündigung der Zielvereinbarung zum 30. Juni 2017 – wie am 24. Mai 2017 hilfsweise erklärt – gemäß § 6 Abs. 4 der Zielvereinbarung berechtigt. Gemäß § 6 Abs. 4 der Zielvereinbarung konnte die Klägerin mit einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendermonats kündigen, wenn sie feststellt, dass das Persönliche Budget ganz oder teilweise zweckentfremdet verwendet wurde, Nachweise über deren Verwendung auch nach Anforderung nicht beigebracht wurden, die Spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen von Häuslicher Krankenpflege nicht mehr ausreichend sichergestellt wird, Maßnahmen nach § 4 Abs. 7 nicht umgehend umgesetzt wurden oder sonst gegen Bestimmungen dieser Vereinbarung verstoßen wurden. Die Klägerin hat das Persönliche Budget zweckentfremdet eingesetzt und nicht zur Vergütung der namentlich benannten Pflegefachkräfte verwandt. Der Senat verweist insoweit ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, § 153 Abs. 2 SGG.

Aufgrund Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen ist die Feststellungsklage unbegründet und war daher abzuweisen.

Der Senat trifft indes keine Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe die Beklagte die Geldleistungen, die sie zur Erfüllung der ab Zugang der Kündigungserklärung wirksam gekündigten Zielvereinbarung ihrerseits erbracht hat, zurückfordern kann. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung der Zielvereinbarung war auch nicht von Bedeutung, ob und in welcher Form die Beklagte einen Bewilligungsbescheid, wie in § 3 Abs. 5 Satz 1 BudgetVO vorgesehen, erlassen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrem Hauptanliegen - Fortbestand der Zielvereinbarung aufgrund unwirksamer Kündigung - unterlegen blieb.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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