L 6 P 17/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 P 75/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 P 17/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Januar 2017 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 8.151,30 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2015 zu zahlen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung weiterer Kosten für technische Hilfsmittel (Deckenliftanlagen in Schlafzimmer und Bad) i.H.v. 8.151,30 EUR streitig.

Der 1951 geborene Kläger ist bei der Beklagten im Rahmen der Privaten Pflegepflichtversicherung (PPV) versichert. Er leidet seit Ende 2010 an amyotropher Lateralsklerose (ALS) und bezog und bezieht von der Beklagten Leistungen, seit Februar 2015 nach der Pflegestufe 3 und nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung seit Januar 2017 nach dem Pflegegrad 4.

Aufgrund seiner krankheitsbedingten Behinderungen holte der Kläger bei dem Sanitätshaus C. Kostenvoranschläge vom 27. Februar 2015 und 3. März 2015 im Hinblick auf die Ausstattung seines Schlafzimmers (Pflegezimmer) sowie seines Bades jeweils mit einem raumdeckenden Deckenliftsystem ein. Danach beliefen sich die zu veranschlagenden Kosten auf 7.904,51 EUR (Pflegezimmer) und 6.489,43 EUR (Badezimmer). Nach Vorlage der Kostenvoranschläge veranlasste die Beklagte die Erstellung eines Gutachtens von Medicproof vom 26. März 2015 mit Hausbesuch vom 23. März 2015. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Deckenlifter offenbar bereits probeweise installiert. Die Gutachterin D. führte aufgrund der von ihr getroffenen Feststellungen unter Erläuterung der pflegerelevanten Aspekte der Wohnsituation, der vorhandenen Versorgung mit Hilfsmitteln und der Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten, Ressourcen und deren Auswirkungen auf den Hilfebedarf aus, pflegebegründende Diagnose sei eine zunehmende Muskelschwäche mit eingeschränkter Funktionsfähigkeit der oberen und unteren Extremität bei amyotropher Lateralsklerose. Es bestünden jetzt eine Steh- und Gehunfähigkeit, eine Sitzinstabilität sowie rezidivierende Krämpfe im Bereich der Hände. Aktuell sei kein unterfahrbares Bett vorhanden und es sei für den Transfer Bett-Rollstuhl und zurück ein fremdbedienbares Deckenliftsystem erforderlich. Im Badezimmer müssten Transfers auf das WC erfolgen. Da das WC erhöht worden sei, sei vermutlich ein Überfahren mit einem Duschschieberollstuhl nicht möglich. Ein sicheres Sitzen auf dem WC sei ohne Transfertuch aufgrund der Sitzinstabilität nicht möglich. Im gesonderten Gäste-WC mit Dusche seien Klapptüren am Duschbereich sowie Metallschienen am Boden vorhanden, so dass aktuell das Duschen hier nicht möglich sei. Ein Transfer in die Wanne im Bad sei nur hängend im Transferbadetuch möglich, in dem der Kläger verbleiben müsse, weil innerhalb der Wanne keinerlei Stabilität vorhanden sei. Nach Entfernen der Klapptüren, der Bodenschiene und gegebenenfalls von Waschbecken und/oder WC im Gäste-WC wäre die Dusche nutzbar und Transfers in die Wanne seien nicht mehr erforderlich. Insoweit sei es sinnvoll, durch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes im Gäste-WC barrierefreie und rollstuhlgerechte Bedingungen zu schaffen.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte Medicproof in der ergänzenden Stellungnahme vom 20. Mai 2015 (Frau E.) im Wesentlichen mit, aus pflegerischer Sicht sei zur Erleichterung der Transfers im Schlafzimmer und im Bad der Einsatz eines fremdbedienbaren, umhängbaren Deckenliftermotors, der je nach den Erfordernissen in die zu nutzende Schiene eingehängt werde, mit je einer geraden Schiene pro Transfer denkbar. Sofern der Transfer im Badezimmer auf das WC und in die Badewanne nicht mit einer geraden Schiene ermöglicht werden könne, wäre im Badezimmer die Notwendigkeit von zwei geraden Schiene (über der Wanne und über dem WC) ersichtlich. Für diese Transfers sei die Notwendigkeit je eines Transfertuches nachvollziehbar. Die pflegerische Notwendigkeit, jeglichen Bereich im Schlafzimmer und im Badezimmer zu erreichen, bestehe jedoch nicht. Im Übrigen weist Frau E. darauf hin, dass nicht abschließend geklärt sei, ob die Krankenversicherung oder die Pflegeversicherung für das Hilfsmittel "Deckenlifter" der zuständige Leistungsträger sei. Der Verband der privaten Krankenversicherung habe sich insoweit mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes auseinandergesetzt und Erstattungsgrundsätze festgelegt (Hinweis auf PKV-Schreiben an die Vorstände der Mitgliedsunternehmen zu Leistungen der PPV vom 12. April 2012 Punkt 1.2), wonach Deckenlifter unter gewissen Voraussetzungen erstattet werden könnten, wenn es sich um ein ausschließlich fremdbedienbares Modell handele und das Versorgungsziel mit anderen kostengünstigeren Varianten nicht erreicht werden könne. Aktuell seien Deckenlifter für einen pflegerelevanten Transferort bis zu einem Betrag von ca. 3.500,00 EUR und für zwei pflegerelevante Transferorte bis zu einem Betrag von ca. 4.000,00 EUR auf dem Markt erhältlich. Eine entsprechende Ergänzung des Pflege-/Hilfsmittelverzeichnisses unterbleibe vorerst, so dass kein Rechtsanspruch auf die Versorgung mit einem Deckenlifter bestehe.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2015 erteilte die Beklagte dem Kläger unter Verweis auf die Beurteilungen von Medicproof Leistungszusage dahingehend, dass Kosten i.H.v. 4.000,00 EUR zuzüglich der Kosten für die Hebetücher und der Umsatzsteuer erstattet werden könnten.

Nachdem der Kläger Einwendungen erhoben hatte, holte die Beklagte ein Zweitgutachten von Medicproof vom 27. Juli 2015 ein. Der Gutachter Dr. F. führte nach Hausbesuch vom 20. Juli 2015 aus, bei dem Kläger hätten seit ca. März 2015 die Lähmungen weiter zugenommen. So reiche die Kraft der Arme nicht mehr aus, beim Transfer mitzuhelfen, so dass dieser als volle Übernahme (durch die Ehefrau, die den Kläger praktisch allein pflege) durchgeführt werden müsse. Sämtliche Transfers könnten nur noch mit einem Liftsystem durchgeführt werden. Der Kläger müsse jeweils im Tuch hochgehoben und umgesetzt werden. Für die Durchführung der Pflege seien der Transfer vom Bett in den Rollstuhl sowie der Transfer vom Rollstuhl zum WC und zur Badewanne sicher erforderlich. Hierfür werde ein ausschließlich fremdbedienbares System benötigt. Das vorhandene System mit zwei Schienen und Traversen ermögliche zusätzliche Transfers an weitere Plätze, z.B. im Schlafzimmer auf die Krankengymnastikliege und im Badezimmer vor das Waschbecken, sowie ein Anheben des Klägers für die Harnentleerung auch an anderen Plätzen. Dies sei eine wesentliche Erweiterung der Möglichkeiten im Vergleich zu einem System mit einer Schiene. Die "Abschließende Beurteilung" im Gutachten enthält lediglich nochmals die Angabe, dass der Kläger auf ein ausschließlich fremdbedienbares Liftsystem angewiesen und für die Durchführung der Pflege ein "geeignetes Hilfsmittel" im Schlafzimmer für den Transfer Bett-Rollstuhl und im Badezimmer für den Transfer Rollstuhl-WC bzw. Rollstuhl-Badewanne erforderlich sei.

Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 6. August 2015 das Gutachten und teilte weiter mit, seinem Widerspruch könne nicht stattgegeben werden und es bleibe bei der Leistungszusage vom 27. Mai 2015. Der Gutachter habe erneut die Anschaffung eines fahrbaren Lifters empfohlen. In dem Gutachten werde weiterhin bestätigt, dass keine pflegerische Notwendigkeit bestehe, dass das gesamte Badezimmer sowie das gesamte Schlafzimmer zu erreichen sei. Im weiteren Schreiben vom 8. September 2015 stützte sich die Beklagte auch darauf, der Kläger habe die zwei Deckenlifter ohne Kostenzusage einbauen lassen, so dass er das Risiko einer nicht vollständigen Kostenerstattung trage. Nach den vertraglichen Vereinbarungen bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung eines Pflegehilfsmittels, wenn dieses ohne Absprache mit dem Versicherer angeschafft worden sei.

In der Folge erteilte das Sanitätshaus C. dem Kläger Rechnung unter dem 22. September 2015 mit einem Gesamtbetrag von 13.500,00 EUR, den der Kläger am 24. September 2020 beglich.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2015 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zur Zahlung der in den beiden Kostenvoranschlägen genannten Beträge (Summe: 14.393,94 EUR) unter Fristsetzung bis zum 12. Oktober 2015 auf. Er wies dabei darauf hin, er setze die Beklagte insoweit in Verzug.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 20. Oktober 2015 eine Zahlung über die abgegebene Leistungszusage hinaus (4.000,00 EUR für beide Deckenlifter zuzüglich Kosten für die Hebetücher und der Umsatzsteuer) ab. Zu diesem Zeitpunkt war eine Zahlung noch nicht erfolgt, insoweit lag der Beklagten die Rechnung des Sanitätshauses C. vom 22. September 2015 noch nicht vor. Die Zahlung der Beklagten gemäß ihrer Leistungszusage erfolgte sodann am 19. November 2015.

Am 21. Dezember 2015 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Kassel mit dem Begehren, die Beklagte zur Zahlung von weiteren 8.151,30 EUR zuzüglich Zinsen zu verurteilen. Zugleich stellte er Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den das Sozialgericht durch rechtskräftigen Beschluss vom 25. Januar 2016 mit der Begründung ablehnte, es mangele an dem hierfür erforderlichen Anordnungsgrund, weil der Kläger die mit dem Eilverfahren geltend gemachten Kosten bereits durch eigene Mittel selbst gedeckt habe und ohnehin nur eine darlehensweise Verpflichtung der Beklagten in Betracht gekommen wäre. Der Kläger habe aber auch insoweit keine Gründe glaubhaft gemacht, die das Vorliegen eines Anordnungsgrundes rechtfertigen könnten. Im Klageverfahren machte der Kläger im Wesentlichen geltend, von den entstandenen Kosten i.H.v. 13.500,00 EUR habe die Beklagte lediglich 5.348,70 EUR (4.000,00 EUR netto zuzüglich Tragetücher netto und Umsatzsteuer) getragen. Die Beklagte sei jedoch verpflichtet, den Rechnungsbetrag vollständig zu erstatten. Ohne das angeschaffte Liftsystem könne er nicht durch seine Ehefrau zu Hause gepflegt werden. Die Verpflichtung der Beklagten ergebe sich aus dem auf der Grundlage des Versicherungsvertragsgesetzes geschlossenen Vertrag wie auch den Pflegebedingungen nach PPV/MV 2015 einschließlich Hilfsmittelverzeichnis des Verbandes der privaten Pflegeversicherung. Das Bundessozialgericht habe entschieden (Hinweis auf das Urteil vom 12. Juni 2008, B 3 P 6/07 R), dass es sich bei Deckenliftern um Hilfsmittel handeln könne, die bei gesetzlich Versicherten als Leistung der Kranken- oder Pflegeversicherung zur Verfügung zu stellen seien. Er dürfe als Versicherter der PPV nicht schlechter gestellt werden. Ergänzend legte der Kläger u.a. ein ärztliches Attest seines Hausarztes G. sowie ein Schreiben des Sanitätshaus C. vom 21. Dezember 2015 nebst Zeichnungen vor und beantragte im Übrigen die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG), hilfsweise nach § 109 SGG.

Demgegenüber vertrat die Beklagte die Auffassung, die Klage sei unbegründet. Der Kläger sei zwar unstreitig pflegebedürftig und erfülle die Leistungsvoraussetzungen in der privaten Pflegepflichtversicherung. Der streitgegenständliche Deckenlifter stelle jedoch bereits kein erstattungsfähiges Pflegehilfsmittel dar. Ein Deckenlifter sei in der abschließenden Liste des Pflege-/Hilfsmittelverzeichnisses der PPV nicht enthalten. Dies schließe den Anspruch auf Kostenerstattung aus, ohne dass es noch auf andere Voraussetzungen ankäme. Denn für Pflegehilfsmittel oder technische Hilfen, die nicht im Pflegehilfsmittelverzeichnis der PPV enthalten seien, bestehe kein Anspruch (Hinweis auf BSG, Urteil vom 6. September 2007, B 3 P 3/06 R). Darüber hinaus bestehe keine pflegerische Notwendigkeit für das installierte Liftsystem, wie sich dies aus den eingeholten Medicproof-Gutachten von Frau D. vom 23. März 2015 und Dr. F. vom 20. Juli 2015 ergebe. Übereinstimmend hätten die Gutachter festgestellt, dass hier nur ein fremdbedienbarer Deckenlift mit umhängbarem Motor und jeweils einer Schiene im Schlafzimmer und im Bad pflegerisch erforderlich sei. Gleichwohl habe sie auf freiwilliger Basis dem Kläger einen Zuschuss von 4.000,00 EUR zuzüglich der Kosten für zwei Tragetücher sowie die angefallene Umsatzsteuer, insgesamt 5.348,70 EUR, erstattet. Zu diesem Preis sei üblicherweise eine pflegerisch ausreichende Lifterversorgung erhältlich. Darüber liegende Kosten wären, selbst wenn ein Erstattungsanspruch bestünde, nicht erstattungsfähig.

Durch Urteil vom 25. Januar 2017 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Kläger habe für die von ihm angeschafften Deckenliftsysteme gegen die Beklagte aus der PPV, was hier allein streitig sein könne, keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten. Insoweit verwies das Sozialgericht auf das vorgerichtliche Vorbringen der Beklagten als auch deren weiteren Vortrag im Klageverfahren und machte sich diesen unter Hinweis auf § 136 Abs. 3 SGG zu eigen. Ergänzend führte das Sozialgericht aus, die Klage stelle sich aus unterschiedlichen Gründen heraus als unbegründet dar. Zum einen liege dem gesetzlich in § 23 Abs. 1, 3 und 4 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) in der bis 31. Dezember 2016 geltenden und vorliegend noch anzuwendenden Fassung geregelten Leistungsanspruch privat Pflegeversicherter das Prinzip der Kostenerstattung zugrunde. Der Leistungsumfang bestimme sich nach den im Versicherungsvertrag vereinbarten Konditionen und dem Katalog des Pflegehilfsmittelverzeichnisses, der bindend sei und eine abschließende Aufzählung enthalte. Deckenliftsysteme gehörten hierzu nicht. Zum anderen ergebe sich aus den nachvollziehbaren Medicproof-Gutachten, dass die von der Beklagten angebotene Versorgung geeignet, zweckmäßig und insgesamt ausreichend sei, so dass der Kläger hierauf zumutbar verwiesen werden könne. Auch in der PPV bestehe ein Anspruch auf Erstattung der Kosten allein für solche Hilfsmittel, die das Maß des Notwendigen nicht überstiegen. Dies treffe aber auf die von dem Kläger angeschafften Deckenliftsysteme zu. Insoweit sei nicht erforderlich, dass er jeden Punkt im Pflegezimmer und im Bad erreiche.

Gegen das dem Kläger am 16. März 2017 zugestellte Urteil richtet sich seine am 27. März 2017 zum Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Er verfolgt sein Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 8.151,30 EUR zuzüglich Zinsen weiter und wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen im erstinstanzlichen Hauptsache- und Eilverfahren. Ergänzend trägt er vor, es gehe ihm nicht um die Erreichbarkeit eines jeden Punktes seines Schlafzimmers und Bades, sondern nur um die Erreichbarkeit des Rollstuhles, der Badewanne, der Toilette und des Waschbeckens, des höhenverstellbaren, drehbaren Hockers mit Armlehnen zum An- und Auskleiden, der Behandlungsliege und seines Bettes. Ein fahrbarer Lifter bzw. das Umhängen eines Lifters in die getrennten Deckenschienen sei seiner Ehefrau als Pflegeperson nicht zuzumuten. Vielmehr würde ein solches Erfordernis seine Pflege zu Hause unmöglich machen. Im Übrigen beantragt der Kläger erneut die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 106 SGG, hilfsweise nach § 109 SGG. Das Sozialgericht habe versäumt, durch die Einholung eines solchen Gutachtens das notwendige Maß der Versorgung zu klären. Aufgrund seiner sehr seltenen Erkrankung ALS sei das Sozialgericht ohne Gutachten zu einer Beurteilung nicht in der Lage gewesen. Im Verlauf des Verfahrens legt der Kläger u.a. ein weiteres Attest seines Hausarztes G. vom 20. Januar 2020 sowie diverse Unterlagen zu dem installierten Deckenlifter der Firma H. vor.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Januar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.151,30 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie auf das nach ihrer Auffassung sachlich und rechtlich zutreffende Urteil des Sozialgerichts und trägt ergänzend vor, eine Versorgung mit einer Deckenliftanlage diene regelmäßig vorrangig dem Ausgleich einer Krankheit oder Behinderung und falle damit allenfalls in die Leistungspflicht der Krankenversicherung. Die Zuständigkeit der Pflegepflichtversicherung zur Hilfsmittelversorgung bestehe nur dann, wenn das Element des Behinderungsausgleichs weitestgehend in den Hintergrund trete und die Pflege ganz überwiegend im Vordergrund stehe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes entfalle die Leistungszuständigkeit der Krankenversicherung für die Hilfsmittelversorgung nicht bereits dann, wenn ein Versicherter für die Verrichtungen des täglichen Lebens weitgehend auf fremde Hilfe angewiesen sei. Hinzukommen müssten vielmehr zusätzliche besondere Umstände, die der Versorgung durch die Pflegeversicherung ihr entscheidendes Gepräge geben würden. Davon ausgehend würde der von ihr benannte Deckenlifter ausreichen, während der von dem Kläger eingebaute Deckenlifter weit überwiegend dem Behindertenausgleich diene. Ergänzend legt die Beklagte auf Anforderung des Gerichts die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung mit Stand vom 1. April 2015 – Bedingungsteil – (MB/PPV 2015) vor.

Der für das Berufungsverfahren bis zum 31. Dezember 2019 zuständig gewesene 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts hat am 14. Juni 2018 einen Erörterungs- bzw. Beweisaufnahmetermin durchgeführt und den Zeugen J. J. vernommen, der die Planung und den Einbau des Deckenliftsystems in der Wohnung des Klägers durchgeführt hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 14. Juni 2018 Bezug genommen.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens vom 25. November 2018 bei dem Pflegesachverständigen K. Der Sachverständige hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers im häuslichen Umfeld vom 10. November 2018 unter Berücksichtigung der Diagnosen

1. amyotrophe Lateralsklerose (Erstdiagnose 2010) mit fortschreitender Progredienz sowie Kräfteverfall und Muskeldystrophie der Extremitäten und Rumpf, ohne Stehfähigkeit, ohne Sitzfähigkeit bzw. mit Rumpfinstabilität, mit Spasmen und Kontrakturen beider Hände/Finger, mit Armhebeschwäche beidseits, mit Sensibilitätsstörungen sowie mit Tremor,
2. koronare Herzerkrankung mit Angina pectoris,
3. Diabetes mellitus,
4. Dekubitalulzeration am Steiß,
5. Zustand nach Thrombose Beinvene,
6. chronische Obstipation,
7. Refluxösophagitis

ausgeführt, er habe den 67-jährigen Kläger in einer hilfsmittelgestützten Körperhaltung und in einem reduzierten Allgemeinzustand angetroffen. Seit 2010 leide der Kläger an Symptomen von Muskelschwäche und motorischen Defiziten mit rascher Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Seit Anfang 2015 könne der Kläger nicht mehr gehen, sitzen oder stehen, zudem müssten alle pflegerelevanten Aktivitäten unterstützt oder übernommen werden. Der Kläger könne nicht alleine trinken oder essen, die Ausscheidungsvorgänge, persönliche Hygieneverrichtungen und die gesamte Mobilität müssten personell unterstützt werden. Es bestehe eine vollständige Fremdhilfeabhängigkeit, auch Hilfsmittel könnten nicht selbständig eingesetzt werden. Der Kläger werde von seiner Ehefrau als Pflegeperson pflegerisch und hauswirtschaftlich versorgt, ein häuslicher Pflegedienst sei nicht in die regelmäßige Versorgung eingebunden. Zur Wohnsituation hat der Sachverständige ausgeführt, im Schlafzimmer stehe ein nicht unterfahrbares Ehebett. Über einen Zwischenraum werde das Badezimmer erreicht, in dem sich ein normal hohes WC, zwei teilunterfahrbare Waschbecken und eine Badewanne befänden. Sowohl im Schlafzimmer als auch im Badezimmer seien baulich getrennt Deckenliftersysteme jeweils als Schienensysteme vorhanden. Diese seien derart konzipiert, dass Transfers, Umlagerung und Mobilisation nahezu im gesamten Raum ermöglicht würden. Für den gleichzeitigen Einsatz mehrerer stehender Hilfsmittel im selben Raum (z.B. fahrbarer Lifter plus Rollstuhl) seien sowohl das Badezimmer als auch das Schlafzimmer baulich nicht ausreichend groß. Zu den pflegebedarfsrelevanten Beeinträchtigungen des Klägers sowie den regelmäßigen und pflegerelevanten Hilfebedarfen im Tagesverlauf hat der Sachverständige K. ausgeführt, der Kläger könne sich im Bett liegend nicht selbständig drehen, aufrichten oder umpositionieren. Das Sitzen an der Bettkante gelinge bei eingeschränkter Rumpfstabilität nicht, der Kläger kippe unmittelbar um und müsse entsprechend andauernd stabilisiert werden. Es würden regelmäßige Umlagerungen bei längeren Liegephasen durchgeführt. Beim Sitzen im Rollstuhl werde der Kläger durch die vorhandenen Stützen und den Gurt stabilisiert. Hals und Kopf würden im Sitzen durch die montierte Stütze auf Höhe des Hinterkopfes stabilisiert. Ein Anheben der Arme über das Niveau des Bauchnabels gelinge beidseits nicht. Trinkgefäße könnten nicht selbständig zum Mund geführt werden, das Greifen von Besteck gelinge nicht. Der Kläger werde regelmäßig vom Bett in den mit Polstern und Stützen angepassten Rollstuhl mobilisiert, um dort die überwiegende Tageszeit zu verbringen. Es komme zu häufigem Harndrang und die chronische Obstipation führe zur fallweisen Einnahme von Laxantien mit nachfolgender Unterstützung des geplanten Abführens. Zur Körperpflege werde der Kläger in das Badezimmer verbracht und dort am Waschbecken oder in der Badewanne versorgt. Ebenso werde der Kläger zu den Ausscheidungsverrichtungen mit dem Rollstuhl in das Badezimmer verbracht und dort auf das WC umgesetzt. Die umfangreichen Transfer- und Mobilisationsleistungen würden von der Pflegeperson mittels zweier technisch baugleich vorhandener Deckenlifter mit Zweischienensystem durchgeführt, wobei die Deckenlifteinheit die Nutzung im gesamten Raum ermögliche. Im Einzelnen werde der Kläger morgens im Bett zur Seite positioniert und stabilisiert, um die Wundversorgung am Steiß durchzuführen. Hierbei werde das Lift-Hebetuch unter dem Kläger platziert. Für das Verlassen des Bettes werde der Kläger mit dem Tragetuch am Hebearm des Lifts fixiert bzw. eingehängt. Nach Vorbereiten des Rollstuhls erfolge die Umsetzung mit dem Deckenlifter. Die Position des Deckenlifts könne hierbei jederzeit verändert und angepasst werden, je nach Liege- oder Sitzposition im und am Bett, da der Deckenlift als Schlitten auf Schienen in zwei Ebenen im Raum bewegt werden könne. Diese Technik ermögliche erst die notwendige Mobilisation über den Sitz an der Bettkante und folgend in den Stuhl. Nach Transfer in den Rollstuhl erfolge der Raumtransfer in das Badezimmer. Der im Badezimmer vorhandene Hebeschlitten werde mit dem Hebetuch verbunden und die notwendigen Transfers könnten damit erfolgen. Regelmäßig würden das WC und das Waschbecken oder die Badewanne damit genutzt. Ohne diese Hebe- und Transfertechniken könne der Kläger das vorhandene Badezimmer nicht nutzen, eine Pflege dort wäre nicht durchführbar. Nach dem Ankleiden und der Entfernung des Hebebetuchs im Rollstuhl könne der Kläger den Raumtransfer zum Frühstück selbständig bewältigen. Mittags werde der Kläger aus dem Rollstuhl zurück ins Bett mobilisiert. Hierbei würden das Hebetuch und der Deckenlift genutzt. Der Kläger verbringe mindestens zwei Stunden im Bett, um hiernach wieder in den Rollstuhl mobilisiert zu werden. Bei Ausscheidungsverrichtungen im Tagesverlauf werde der Kläger zur Toilette gebracht und mittels des dort vorhandenen Deckenlifts auf das WC und retour transferiert. Der Sachverständige gelangte in der Zusammenfassung zu der Beurteilung, bei dem 2015 erfolgten Einbau der Deckenliftsysteme im Badezimmer und im Schlafzimmer sei der Notwendigkeit der häufigen Transfers, der Durchführbarkeit der Pflege durch eine Laienpflegeperson und der vermuteten Progredienz der Erkrankung bei der Anschaffung Rechnung getragen worden. Die hergestellte Lösung sei optimal an den individuellen Pflegebedarf, die Nutzung der vorhandenen anderen Hilfsmittel, die Nutzung durch die vorhandene Laienpflegeperson, die vorhandene Möblierung und an die vorhandenen baulichen Gegebenheiten angepasst. Im Vergleich zu einschienigen Systemen würden im Schlafzimmer die Mobilisierung an die Bettkante, das Wiederaufrichten im Rollstuhl, die Unterstützung bei der Umpositionierung im Bett oder an der Bettkante, das Hinlegen und Wiederaufrichten auf der Behandlungsliege und die Hilfe nach Stürzen ermöglicht. Im Badezimmer werde durch das eingebaute Zweischienensystem die umfassende Nutzung aller Bereiche und Einrichtungen überhaupt erst ermöglicht. Das Umsetzen von Stuhl zu Wanne bzw. Wanne zu WC oder allen drei Bereichen nacheinander könne nur mit dem vorhandenen System ablaufflüssig und sicher umgesetzt werden. Für den Kläger sei bereits im Jahr 2015 absehbar gewesen, dass seine Fähigkeitsdefizite zunehmen werden. Bei einem weitestgehend immobilen ALS-Patienten seien der Umfang der durchgeführten Mobilisations- und Umpositionierungsinterventionen der täglichen Pflege entscheidend für die Prävention von Folgeerkrankungen oder immobilitätsinduzierten Komplikationen. Zu den Beweisfragen hat der Sachverständige K. ausgeführt, die angeschafften Deckenliftanlagen in Schlafzimmer und Badezimmer erleichterten die Pflege im häuslichen Umfeld umfassend. Vermutlich ermöglichten diese Liftanlagen die Pflege im häuslichen Umfeld sogar, da ohne diese die umfassend notwendige Versorgung des Klägers im eigenen häuslichen Umfeld durch die Ehefrau gar nicht sicher durchführbar wäre. Die Zuhilfenahme des Liftsystems steigere die selbständige Lebensführung und unterstütze die Linderung von Beschwerden. Die Versorgung des Klägers mit einem Liftsystem, das nicht nur punktuell das Umsetzen zwischen Rollstuhl und Bett, Wanne und WC unterstütze, sondern jeden Bereich von Schlafzimmer und Bad abdecke, sei notwendig, um die Pflege zu erleichtern. Durch den Einsatz des eingebauten Systems werde die Pflege nicht nur zügiger, sondern auch mit höherer Sicherheit und situationsbezogener Bedarfsgerechtigkeit ermöglicht. Ein nur punktuell einsetzbares System könne keine komplexen Mobilisationsinterventionen unterstützen, wie sie bei dem Kläger notwendig seien. Der Einsatz eines fahrbaren Lifts zur Pflege des Klägers sei prinzipiell denkbar, würde die derzeitigen Mobilisationsinterventionen allerdings nur eingeschränkt zulassen. Dies begründe sich in der Notwendigkeit der gleichzeitigen Handhabung mehrerer Hilfsmittel und dem begrenzt vorhandenen Raum in Bade- und Schlafzimmer. Ein einschieniger Deckenlift bzw. auch ein fahrbarer Lift hätten im Badezimmer zur Folge, dass der Kläger nicht alle vorhandenen Einrichtungen aufsuchen könne. Im Schlafzimmer könnten die Mobilisation und Transfers nur noch auf eingegrenztem Raum stattfinden, was die Pflege durch eine Laienpflegeperson vermutlich erschweren würde. Für einen fahrbaren Lift seien sowohl das Schlafzimmer als auch das Badezimmer räumlich ungeeignet. Zu den Vorgutachten befragt, hat der Sachverständige ausgeführt, im Medicproof-Gutachten vom 23. März 2015 würden die notwendigen Pflegemaßnahmen nicht ausreichend berücksichtigt. Auch werde die häusliche Situation mit Laienpflege kaum ausreichend berücksichtigt. Bereits im Jahr 2015 sei ein Duschen im Duschrollstuhl weitestgehend ausgeschlossen gewesen. Im Medicproof-Gutachten vom 20. Juli 2015 habe der Gutachter die vorhandene Liftlösung nicht infrage gestellt und empfehle ausdrücklich die Nutzung eines fremdbedienbaren Liftsystems, ohne jedoch eine konkrete bauliche oder technische Empfehlung dazu auszusprechen. Dies wirke insofern befremdlich, als es sich bei dem Gutachten vom 20. Juli 2015 um ein Zweitgutachten handele. Insgesamt wirkten die vorliegenden Medicproof-Gutachten lückenhaft in der Darstellung der pflegerelevanten Aspekte, der Berücksichtigung erforderlicher Pflegeinterventionen und dem Aufführen der besonderen häuslichen Pflegesituation des Klägers. Zudem würden die beiden Gutachten in den resultierenden Empfehlungen grundsätzlich voneinander abweichen.

Nachdem sich die Beteiligten in der Folge widerstreitend zu der Beurteilung im Gutachten geäußert hatten (Schriftsätze des Klägers vom 13. Dezember 2018, 6. Februar 2019 und 12. März 2019 sowie der Beklagten vom 15. Januar 2019 und 4. März 2019, auf deren Inhalt Bezug genommen wird), hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 6. Juni 2019 eingeholt. Herr K. hat darin ausgeführt, soweit die Beklagte konkret nachgefragt habe, ob das vorhandene Liftsystem über die pflegerische Notwendigkeit hinausgehe, könne zur Beantwortung lediglich auf die konkrete Nutzung und die zugrundeliegende Indikation abgestellt werden. Im Mittelpunkt der Indikationen stünden die sach- und fachgerechte Durchführung der pflegerischen Mobilisation und Transfers, die durch den Patientenzustand und dessen Erkrankungsbild medizinisch/pflegerisch mehrfach täglich indiziert und damit notwendig seien. Das Hilfsmittel erfülle alle Voraussetzungen zur sicheren Durchführung dieser Pflegeinterventionen, auch durch die vorhandene Laienpflegekraft. Die wiederkehrend hohe Anzahl an notwendigen Transfers und Mobilisationen im Tagesverlauf sowie die vorhandenen räumlich-baulichen Gegebenheiten rechtfertigten die Ausstattung mit einem Zweischienensystem. Soweit die Beklagte nachgefragt habe, welche konkreten Bereiche der betroffenen Zimmer erreicht werden müssten, sei zu berücksichtigen, dass sich der Kläger mit den notwendigen Um- und Einbauten in Schlaf- und Badezimmer eine pflegerelevant erleichternde Situation hergestellt habe. Hierzu verweist der Sachverständige auf seine Ausführungen im Gutachten (Seite 12), wonach das eingebaute Zweischienensystem die Badewannennutzung individuell und bedarfsadaptiert ermögliche und das Umsetzen von Stuhl zu Wanne bzw. Wanne zu WC oder allen drei Bereichen nacheinander nur mit dem vorhandenen System ablaufflüssig und sicher umgesetzt werden könne. Die weitere konkrete Nachfrage der Beklagten, ob das vorhandene Pflegeliftsystem bedarfsgerecht sei oder über die Versorgung hinaus lediglich der gesteigerten Bequemlichkeit in der Nutzung diene, sei dahingehend zu beantworten, dass das vorhandene Hilfsmittel aufgrund des Erkrankungsbildes mit stetiger Progredienz und der damit einhergehenden komplexen Pflegeaktivitäten durch eine Laienpflegende folgerichtig und notwendig sei. Der Einsatz eines "einfacheren" Liftersystems würde die häusliche Pflege des Klägers durch die Ehefrau erschweren, vermutlich sogar deren Ermöglichung verhindern. Ein von der Beklagten vorgeschlagenes Einschienensystem könne in der genutzten häuslichen Situation nicht derart eingebaut werden, dass die vorhandenen pflegerelevanten Einrichtungen und Bereiche sicher erreicht werden könnten. Die im Gutachten aufgeführten pflegerelevanten Maßnahmen stellten keine "über die tatsächliche Pflegenotwendigkeit hinausgehenden Effekte" der Erleichterung oder des Komforts dar, sondern bildeten die pflegerelevanten notwendigen wiederkehrenden Aktivitäten ab. Die Pflege des Klägers im häuslichen Umfeld werde durch das vorhandene System überwiegend ermöglicht und zudem auch erleichtert. Die von der Beklagten getroffene Aussage (soweit der Gutachter im Zweitgutachten keine konkrete Empfehlung ausgesprochen habe, liege dies nicht in seinem Aufgabenbereich) sei gemäß Begutachtungsrichtlinien MTS so nicht richtig. Soweit die Beklagte schließlich konkret nachgefragt habe, ob das vorhandene Pflegeliftsystem als Hilfsmittelversorgung wegen Pflege oder zum Behinderungsausgleich diene, erfülle das Pflegeliftsystem eine Doppelfunktion. Es könne sowohl der Ermöglichung der Pflege als auch dem Behinderungsausgleich dienen. Bei dem Kläger werde das Hilfsmittel jedoch in erster Linie und damit überwiegend zur Ermöglichung der häuslichen Pflege eingesetzt. Hierdurch könne der Kläger in der häuslichen Wohnsituation versorgt werden.

Beide Beteiligte haben übereinstimmend erklärt, dass sie mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erteilt.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Januar 2017 kann keinen Bestand haben, weil es zu Unrecht die Klage abgewiesen hat. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 8.151,30 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2015 zu.

Zunächst ist festzustellen, dass Streitgegenstand allein der vorgenannte von dem Kläger erhobene Anspruch ist. Soweit er mit Schriftsatz vom 6. Februar 2019 darüber hinaus erstmals im Berufungsverfahren die Verurteilung der Beklagten zur Übernahme der künftig anfallenden Wartungs- und Reparaturkosten für die beiden Liftsysteme geltend gemacht hat, ergibt sich aus seinem späteren Schriftsatz vom 3. Juli 2019, dass er daran nicht mehr festhält. Vielmehr formuliert er darin den Urteilstenor, wie er aus seiner Sicht lauten müsste, dahingehend, dass die Beklagte zur Zahlung von 8.151,30 EUR zuzüglich Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 24. Oktober 2015 verpflichtet wird (Bl. 442 der Gerichtsakte). Lediglich im Rahmen des im selben Schriftsatz vorgeschlagenen Vergleichs werden die Kosten für Wartung und Instandhaltung der Liftsysteme noch erwähnt (Bl. 443 der Gerichtsakte). Mithin musste sich der Senat nicht mit der Frage einer Klageänderung im Sinne des § 99 SGG bzw. deren Zulässigkeit befassen.

Sein Klagebegehren verfolgt der Kläger zutreffend im Wege der reinen Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG. Insofern ist die öffentlich-rechtliche Handlungsform des Verwaltungsakts für ein privates Versicherungsunternehmen, wie die Beklagte, ausgeschlossen.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Verbindung mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung bzw. deren Bedingungsteil (MB/PPV). Nach § 192 Abs. 6 S. 1 VVG ist der Versicherer in der Pflegekrankenversicherung verpflichtet, im Fall der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die Pflege der versicherten Person zu erstatten (Pflegekostenversicherung). Dabei bleiben die Regelungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch über die private Pflegeversicherung unberührt (S. 3 der Vorschrift). Nach § 1 Abs. 1 S. 1 MB/PPV 2015 (identisch mit der aktuellen Fassung MB/PPV 2019, was auch für alle nachfolgend genannten Einzelregelungen gilt) leistet der Versicherer im Versicherungsfall in vertraglichem Umfang Ersatz von Aufwendungen für Pflege oder ein Pflegegeld sowie sonstige Leistungen. Zum Umfang der Leistungspflicht regelt § 4 Abs. 7 S. 1 MB/PPV 2015, dass versicherte Personen gemäß Nr. 4 des Tarifs PV Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für Pflegehilfsmittel oder deren leihweise Überlassung haben, wenn und soweit die Pflegehilfsmittel zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden der versicherten Person beitragen oder ihr eine selbständigere Lebensführung ermöglichen und die Versorgung notwendig ist. Nach Nr. 4 des Tarifs PV (Teil III der MB/PPV – Tarifbedingungen) erstattet der Versicherer die im Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegepflichtversicherung aufgeführten Pflegehilfsmittel (S. 1). Im Einzelfall sind Aufwendungen für im Pflegehilfsmittelverzeichnis nicht aufgeführte Pflegehilfsmittel nur dann erstattungsfähig, wenn die Voraussetzungen in § 4 Abs. 7 S. 1 2. HS erfüllt sind und die Pflegehilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind (S. 3). Dabei können Pflegehilfsmittel grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Betätigungen beansprucht werden, die für die Lebensführung im häuslichen Umfeld erforderlich sind (S. 4). Von der Erstattung aus der Pflegeversicherung ausgeschlossen sind Pflegehilfsmittel, die nicht alleine oder jedenfalls schwerpunktmäßig der Pflege, sondern vorwiegend dem Behinderungsausgleich dienen (S. 5). Schließlich regelt § 5 Abs. 2 Buchst. d) MB/PPV 2015, dass bei häuslicher Pflege die Leistungspflicht für Aufwendungen für Pflegehilfsmittel oder deren leihweise Überlassung entfällt, soweit die Krankenversicherung oder andere zuständige Leistungsträger wegen Krankheit oder Behinderung für diese Hilfsmittel zu leisten haben. Ausgehend von diesem Regelungsgefüge steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die vollständige Erstattung der Kosten für die beiden im Schlafzimmer und Badezimmer installierten zweischienigen Deckenliftsysteme erfüllt sind, so dass der Kläger Anspruch auf Zahlung von weiteren 8.151,30 EUR gegen die Beklagte hat. Diese hat bislang lediglich insgesamt 5.348,70 EUR erstattet (4.000,00 EUR Zuschuss zu den Deckenliftern, offenbar orientiert an der Obergrenze des Betrags für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gemäß Nr. 4.3 des Tarifs PV, zuzüglich Kosten für zwei Tragetücher sowie Umsatzsteuer). Ausweislich der Rechnung des Sanitätshauses C. vom 22. September 2015 belaufen sich die Gesamtkosten auf 13.500,00 EUR, so dass der offene Klagebetrag von 8.151,30 EUR verbleibt. Die Pflicht der Beklagten, auch diesen Betrag zu erstatten, ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände des vorliegenden Falles aus einer Gesamtschau der vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen sowie der Vernehmung des Zeugen J. vom 14. Juni 2018, insbesondere aus der im Gutachten vom 25. November 2018 einschließlich der ergänzenden Stellungnahme vom 6. Juni 2019 ausgeführten Beurteilung des Gerichtssachverständigen K ... Danach leidet der Kläger an einer Ende 2010 diagnostizierten amyotrophen Lateralsklerose (ALS) mit rascher Progredienz sowie Kräfteverfall und Muskeldystrophie der Extremitäten und Rumpf, ohne Stehfähigkeit, ohne Sitzfähigkeit bzw. mit Rumpfinstabilität, mit Spasmen und Kontrakturen beider Hände/Finger, mit Armhebeschwäche beidseits, mit Sensibilitätsstörungen sowie mit Tremor. Darüber hinaus bestehen bei dem Kläger noch folgende Erkrankungen: koronare Herzerkrankung mit Angina pectoris, Diabetes mellitus, Dekubitalulzeration am Steiß, Zustand nach Thrombose Beinvene, chronische Obstipation und Refluxösophagitis. Insbesondere die progredient verlaufende ALS-Erkrankung hat nach den Feststellungen des Sachverständigen dazu geführt, dass der Kläger seit 2015 nur noch eine hilfsmittelgestützte Körperhaltung einnehmen, er nicht mehr gehen, sitzen oder stehen, sich im Bett liegend nicht selbstständig drehen, aufrichten oder umpositionieren, die Beine nicht selbständig aufstellen oder anwinkeln und nicht selbständig an der Bettkante sitzen kann. Beim Sitzen im Rollstuhl wird der Kläger durch Stützen und Gurt stabilisiert, das Anheben der Arme über das Niveau des Bauchnabels ist ihm beidseits nicht möglich, ebenso das Ausstrecken der Arme. Trinkgefäße können nicht selbständig zum Mund geführt werden, das Greifen von Besteck ist nicht möglich. Der damit weitgehend immobile Kläger kann nicht alleine trinken oder essen und die Ausscheidungsvorgänge, persönliche Hygieneverrichtungen, das Kleiden sowie die gesamte Mobilität bedürfen der Übernahme durch die Ehefrau als Pflegeperson im Sinne einer vollständigen Fremdhilfeabhängigkeit. Die Transfers, z.B. vom Bett in den Rollstuhl und vom Rollstuhl auf das WC oder in die Badewanne, erfordern, dass der Kläger mittels des mit dem Hebeschlitten verbundenen Hebetuches mobilisiert und entsprechend umpositioniert bzw. in den jeweiligen Bereich verbracht wird. Soweit der Sachverständige K. aus allem abgeleitet hat, dass die installierten Deckenliftsysteme im Schlaf- und Badezimmer die Pflege des Klägers im häuslichen Umfeld umfassend erleichtern, ist dies für den Senat schlüssig und nachvollziehbar. Bei der weiteren Angabe von Herrn K., vermutlich ermöglichten die Liftanlagen die Pflege erst, da ohne diese die umfassend notwendige Versorgung des Klägers durch die Ehefrau nicht sicher durchführbar wäre, handelt es sich um eine Vermutung, auf die es im Übrigen – auch wenn vieles hierfür spricht – nicht ankommt. Denn bereits die Erleichterung der Pflege ist Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 7 S. 1 MB/PPV 2015; dass das in Rede stehende Hilfsmittel die Pflege überhaupt ermöglicht, wird nicht gefordert.

Darüber hinaus ist auch das weitere – alternative – Tatbestandsmerkmal erfüllt, wonach das Pflegehilfsmittel zur Linderung der Beschwerden beitragen muss. Der Sachverständige hat insoweit für den Senat einleuchtend ausgeführt, dass durch das vorhandene Liftsystem die Prävention von Komplikationen (wie Pneumonie, Kontrakturen, Thrombose, Obstipation, Dekubitus) dergestalt unterstützt wird, dass derartige immobilitätsinduzierte Folgekrankheiten vermieden werden.

Auch die dritte – ebenfalls alternative – Voraussetzung von § 4 Abs. 7 S. 1 MB/PPV 2015, dass das Hilfsmittel eine selbständigere Lebensführung ermöglicht, ist vorliegend erfüllt. Für die Bejahung einer selbständigeren Lebensführung ist nicht zu fordern, dass das Hilfsmittel eine von fremder Unterstützung unabhängige Lebensführung ermöglicht. Vielmehr reicht es aus, dass ein bestimmter Aspekt der Lebensführung durch eine regelmäßig verfügbare Hilfestellung leichter oder besser verwirklicht werden und der Pflegebedürftige mit Hilfe des Pflegehilfsmittels möglichst lange in der eigenen Wohnung verbleiben kann (vgl. jurisPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 40 Rn. 20 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 25. Februar 2015, B 3 KR 13/13 R). Dies ist vorliegend der Fall. Wie der Beurteilung des Sachverständigen K. zu entnehmen ist, kann sich der Kläger durch den Festeinbau der Deckenliftersysteme im Rahmen seiner Möglichkeiten selbstbestimmt und bedarfsadaptiert im eigenen häuslichen Umfeld von seiner Ehefrau versorgen lassen. Demgegenüber wäre mit einem lediglich einschienigen System und umhängbaren Motor, wie es von der Beklagten für ausreichend gehalten wird, die Versorgung des Klägers durch seine Ehefrau als alleinige (Laien-) Pflegeperson – wenn überhaupt – nur schwerer und schlechter (unsicherer) möglich. Ein Verbleiben des Klägers in seinem häuslichen Umfeld wäre zudem fraglich. Das Merkmal des Ermöglichens einer "selbständigeren Lebensführung" ist mithin durch die zweischienigen Deckenliftsysteme erfüllt.

Die von dem Kläger angeschafften Deckenliftsysteme sind auch notwendig im Sinne von § 4 Abs. 7 S. 1 MB/PPV 2015. Zunächst ist, um dies nochmals festzustellen, ein fahrbarer Lifter für die Versorgung des Klägers ungeeignet, was zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig sein dürfte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen K. ist der Einsatz eines fahrbaren Lifters zwar prinzipiell denkbar, im Falle des Klägers jedoch nicht möglich. Insoweit sind sowohl das Schlafzimmer als auch das Badezimmer für den Einsatz eines derartigen fahrbaren Lifters zu beengt und deshalb ungeeignet, so dass bereits die räumlichen Verhältnisse den Einsatz dieses Hilfsmittels ausschließen. Auch im Hinblick auf die Notwendigkeit der angeschafften Deckenliftsysteme stützt sich der Senat entscheidend auf die Ausführungen des Sachverständigen K., der hierzu schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt hat, dass die Versorgung des Klägers mit einem Liftsystem, das nicht nur punktuell das Umsetzen zwischen Rollstuhl und Bett, Wanne und WC unterstützt, sondern nahezu jeden Bereich von Schlafzimmer und Bad abdeckt, notwendig ist, um dessen Pflege zu erleichtern. Durch den Einsatz des zweischienigen Systems wird die Pflege zügiger, sicherer und bedarfsgerechter ermöglicht. Bei dem Kläger ist täglich eine hohe Anzahl an Transfers mit komplexen Mobilisationsinterventionen erforderlich, wie sie mit einem nur punktuell einsetzbaren System nicht ermöglicht werden können. Hierbei kann nicht übersehen werden, dass die pflegerische Versorgung des Klägers durch die Ehefrau als alleinige Pflegeperson erfolgt. Auf die kritischen Ausführungen der Beklagten zu seinem Gutachten hat der Sachverständige in der ergänzenden Stellungnahme vom 6. Juni 2019 nochmals klargestellt, dass ein Einschienensystem in der häuslichen Situation des Klägers nicht derart eingebaut werden kann, dass die vorhandenen pflegerelevanten Einrichtungen und Bereiche sicher erreicht werden können, wobei die zugrunde gelegten pflegerelevanten Maßnahmen nach der Beurteilung des Sachverständigen notwendig wiederkehrende Aktivitäten darstellen und nicht lediglich dem Komfort dienen. Die Notwendigkeit des zweischienigen Deckenliftsystems wird auch bestätigt durch die Angaben des Zeugen J. J., der die Planung und den Einbau vor Ort durchgeführt hat. Der Zeuge hat im Rahmen seiner Vernehmung vom 14. Juni 2018 bekundet, die Liftsysteme (mit Befestigung der Traversen, in denen die Schienen laufen, in einem Raum an der Decke, im anderen Raum wegen der Holzdecke an der Wand) seien für die Versorgung des Klägers erforderlich gewesen, denn ein mobiler Lift oder ein Schwenklift hätten wegen der räumlichen Verhältnisse nicht zum Einsatz kommen können. Auch der Einbau eines Systems mit einem umhängbaren Motor sei nicht in Betracht gekommen, weil ein solcher Motor relativ schwer sei und von der Ehefrau des Klägers als Pflegeperson nur eingeschränkt hätte gehändelt werden können. Für das Badezimmer sei nach seinem Dafürhalten kein anderes System möglich gewesen. Auch im Schlafzimmer wäre die Installation eines Einschienensystems suboptimal gewesen, da auch dieses sehr beengt sei. Insgesamt werden mit den Bekundungen des Zeugen J. die Feststellungen des Sachverständigen K. bestätigt. Den Ausführungen des Gerichtssachverständigen stehen im Übrigen das Gutachten von Medicproof vom 26. März 2015 einschließlich Stellungnahme vom 20. Mai 2015 sowie das Zweitgutachten von Medicproof vom 27. Juli 2015 nicht entgegen. Im Gutachten vom 26. März 2015 hatte die Gutachterin D. noch den barrierefreien und rollstuhlgerechten Umbau des Gäste-WC mit Dusche im Rahmen von Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes präferiert. Hierzu hat der Gerichtssachverständige K. darauf verwiesen, dass die bei dem Kläger notwendigen Pflegemaßnahmen nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Bereits in der ergänzenden Stellungnahme von Medicproof vom 20. Mai 2015 (Frau E.) ist von einem Umbau des Gäste-WC nicht mehr die Rede. Vielmehr wird darin die Notwendigkeit des Einsatzes eines fremdbedienbaren und umhängbaren Deckenliftermotors mit je einer geraden Schiene in den beiden Zimmern beschrieben. Schließlich hat der Gutachter des Zweitgutachtens von Medicproof vom 27. Juli 2015, Dr. F., die Nutzung des vorhandenen Systems mit zwei Schienen und Traversen dargestellt und dies als eine wesentliche Erweiterung der Möglichkeiten im Vergleich zu einem System mit einer Schiene gewertet. In seiner abschließenden Beurteilung ist der Gutachter jedoch einer eindeutigen Beurteilung ausgewichen und hat lediglich ausgeführt, der Kläger sei auf ein ausschließlich fremdbedienbares Liftsystem angewiesen und für die Durchführung der Pflege sei ein "geeignetes Hilfsmittel" im Schlafzimmer für den Transfer Bett-Rollstuhl und im Badezimmer für den Transfer Rollstuhl-WC bzw. Rollstuhl-Badewanne erforderlich. Zu Recht hat der Gerichtssachverständige K. insoweit festgestellt, dass der Gutachter des Zweitgutachtens die vorhandene Liftlösung nicht in Frage gestellt hat, ohne jedoch eine konkrete bauliche oder technische Empfehlung auszusprechen. Insgesamt ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass die Gutachten von Medicproof zum Teil lückenhaft in der Darstellung des konkreten Pflegebedarfs sind und im Übrigen voneinander abweichen bzw. das Zweitgutachten ohne klares Ergebnis bleibt. Soweit die Beklagte nach Erstellung des Zweitgutachtens dem Kläger mit Schreiben vom 6. August 2015 mitgeteilt hat, der Gutachter habe erneut die Anschaffung eines fahrbaren Lifters empfohlen, ist dies für den Senat ebenso wenig nachvollziehbar wie deren Hinweis im Schriftsatz vom 15. Januar 2019, dem Gutachter stehe nicht zu, konkrete Vorschläge zu machen, da dies nicht in seinen Aufgabenbereich falle. Hierbei wird verkannt, dass es gerade Aufgabe des Gutachters ist, aufgrund der zu treffenden Feststellungen zu einem mit tragfähigen Gründen untermauerten Ergebnis zu gelangen, im vorliegenden Fall dahingehend, ob die angeschafften Deckenliftsysteme dem pflegerelevanten Bedarf entsprechen bzw. ob und inwieweit hierdurch eine darüber hinausgehende und nicht notwendige Versorgung gegeben ist, die nicht mehr zu Lasten der Pflegeversicherung geht. Insoweit lässt sich dem Zweitgutachten von Medicproof keine konkrete Beurteilung entnehmen.

Nach alledem wird die Beurteilung des Sachverständigen K. durch die beiden Gutachten von Medicproof (an die der Senat ohnehin nicht gebunden ist, vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2015, B 3 P 8/13 R) nicht begründet in Zweifel gezogen. Vielmehr sind die Ausführungen von Herrn K. in sich schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend. Seine Beurteilung wird nach eingehender Befunderhebung bzw. eingehenden Feststellungen mit nachvollziehbarer und für den Senat einleuchtender Begründung abgeleitet. Das Gutachten steht überdies im Einklang mit den Bekundungen des Zeugen J. Dem Sachverständigen K. kommt zudem für die Erstellung von Gutachten im Pflegebereich eine überragende Fachkompetenz zu. Er verfügt gerichtsbekannt nicht nur über umfangreiche Erfahrungen im pflegerischen Bereich in verschiedenen Krankenhäusern, sondern ist auch als Leiter einer Akademie im Aus- und Fortbildungsbereich tätig. In der Gesamtschau bestehen für den Senat keinerlei Zweifel daran, dass die von dem Kläger angeschafften Deckenliftsysteme die aufgrund der genannten vertraglichen Regelungen maßgeblichen Voraussetzungen im Hinblick auf die Erleichterung der Pflege, die Linderung der Beschwerden, die selbständigere Lebensführung und die Notwendigkeit der Versorgung erfüllen.

Soweit im Übrigen die von dem Kläger angeschafften Deckenliftsysteme nicht im Katalog des Pflege-/Hilfsmittelverzeichnisses der privaten Pflegepflichtversicherung (Stand Juli 2015) verzeichnet sind (es finden sich dort lediglich fahrbare Lifter und fremdbedienbare Wandlifter), ist das Sozialgericht unter Berufung auf das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 19. März 2015, L 30 P 99/12) unzutreffend davon ausgegangen, der Katalog des Hilfsmittelverzeichnisses enthalte eine abschließende Aufzählung und sei bindend. Der Senat vermag dem Sozialgericht ebenso wenig zu folgen wie dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, denn nach den hier anzuwendenden MB/PPV 2015 (ebenso bereits die zuvor geltenden MB/PPV 2010) enthält das Hilfsmittelverzeichnis keine enumerative Aufzählung (so auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Oktober 2017, L 5 P 75/16 und LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. August 2015, L 5 P 15/15). Vielmehr wird in Nr. 4 S. 3 des Tarifs PV für nicht aufgeführte Pflegehilfsmittel lediglich auf die Voraussetzungen von § 4 Abs. 7 S. 1 2. HS (MB/PPV 2015) Bezug genommen und ergänzend als Voraussetzung geregelt, dass nicht die Leistungszuständigkeit der Krankenversicherung oder eines anderen Trägers gegeben ist (was allerdings bereits durch § 5 Abs. 2 Buchst. d) MB/PPV 2015 vorausgesetzt wird).

Eine solche Zuständigkeit der Krankenversicherung kommt vorliegend nicht in Betracht. Zwar kann ein Pflegehilfsmittel durchaus auch eine Doppelfunktion dahingehend haben, dass es zugleich dem Behinderungsausgleich dient. Hier ist jedoch eine Zuordnung zur Pflegeversicherung ohne jeden Zweifel gegeben. Soweit zunächst das Bundessozialgericht höchstrichterlich geklärt hat, dass eine entsprechende Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Krankenversicherung und Pflegeversicherung nicht mehr erforderlich ist, sofern der Betroffene so stark in seiner Lebensführung und Selbstbestimmung eingeschränkt ist, dass er gleichsam zum "Objekt der Pflege" geworden und eine Rehabilitation mangels Erfolgsaussichten nicht mehr möglich bzw. der Ist-Zustand der Behinderung nicht mehr behebbar ist (BSG, Urteil vom 22. Juli 2004, B 3 KR 5/03 R; ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. August 2015, L 5 P 15/15 und LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Oktober 2017, L 5 P 75/16), spricht viel dafür, die von dem Bundesozialgericht hierfür zugrunde gelegten Maßstäbe auch in Bezug auf den Kläger als erfüllt anzusehen. Wie der Sachverständige K. im Rahmen der von ihm getroffenen Feststellungen eindrucksvoll bestätigt hat, ist der Kläger aufgrund seiner nahezu vollständigen Immobilität umfassend fremdhilfeabhängig mit entsprechender Einschränkung seiner Alltagskompetenz und außerordentlich hohem Pflegeaufwand ohne jegliche Aussicht auf Besserung. Vielmehr verläuft die ALS-Erkrankung des Klägers rasch progredient, so dass sich die bereits seit 2015 sicher anzunehmende umfassende Fremdhilfeabhängigkeit seither weiter verfestigt hat und auch künftig weiter verfestigen wird. Jegliche Rehabilitation hat keine Erfolgsaussicht mehr. Der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt zwar der Fall einer Abgrenzung der Leistungsverpflichtung von gesetzlicher Kranken- und sozialer Pflegeversicherung zu Grunde. Diese Rechtsprechung ist jedoch grundsätzlich auch auf die private Pflegepflichtversicherung übertragbar, was sich bereits daraus ergibt, dass gesetzlich geregelte Leistungen und Vertragsleistungen nach Art und Umfang gleichwertig sein müssen (vgl. § 23 Abs. 1 S. 2 SGB XI).

Letztlich kann die Anwendung dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dahinstehen, denn ungeachtet der vorstehenden Ausführungen folgt die Zuordnung der beiden Deckenliftsysteme zu Hilfsmitteln der Pflegeversicherung jedenfalls daraus, dass diese ganz überwiegend für die häusliche Pflege eingesetzt werden. Wie bereits gestützt auf das Sachverständigengutachten von Herrn K. ausgeführt, sind bei dem Kläger täglich eine hohe Anzahl an pflegerelevanten Transfers mit komplexen Mobilisationsinterventionen erforderlich, wofür beide Deckenlifter eingesetzt werden. Dementsprechend ist der der Krankenversicherung zuzuordnende Anteil (Mobilisation des Klägers auf die im Schlafzimmer befindliche Behandlungsliege zur Physiotherapie einmal wöchentlich) derart gering, dass er nicht ins Gewicht fällt. Die Voraussetzungen für den in § 5 Abs. 2 Buchst. d) MB/PPV 2015 und Nr. 4 S. 3 und 5 des Tarifs PV geregelten Ausschluss im Falle der Leistungspflicht der Krankenversicherung wegen Krankheit oder Behinderung bzw. des Einsatzes des Hilfsmittels nicht allein oder jedenfalls nicht schwerpunktmäßig im Rahmen der Pflege liegen mithin gerade nicht vor. Im Übrigen ist auch die weitere in Nr. 4 S. 4 des Tarifs PV geregelte Voraussetzung erfüllt, dass Pflegehilfsmittel grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Betätigungen beansprucht werden können, die für die Lebensführung im häuslichen Umfeld erforderlich sind, weil die Deckenliftsysteme bereits bauartbedingt ausschließlich im Wohnumfeld des Klägers eingesetzt werden.

Abschließend und ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Zuordnung der beiden Deckenlifter zu Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes von vornherein nicht in Betracht kommt, wie dies das Bundessozialgericht bereits höchstrichterlich entschieden hat (Urteil vom 12. Juni 2008, B 3 P 6/07 R). Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung, so dass auf die dortigen Ausführungen im Urteil verwiesen wird. Mithin ist grundsätzlich ein Deckenlifter –bei Wand- oder Deckenbefestigung – ein Hilfsmittel entweder der Kranken- oder der Pflegeversicherung. Im vorliegenden Fall ist eine Zuordnung zur Pflegeversicherung – wie ausgeführt – ohne jeden Zweifel gegeben.

Soweit im Übrigen die Beklagte im Schreiben an den Kläger vom 8. September 2015 unter rechtsirrigem Hinweis auf § 33 Abs. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) noch die Auffassung vertreten hat, die Deckenlifter seien ohne Kostenzusage eingebaut worden, so dass nach den vertraglichen Vereinbarungen kein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe, ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass dies mit dem in § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XI für die private Pflegepflichtversicherung geregelten Kostenerstattungsprinzip nicht im Einklang steht. Dessen ungeachtet liegt keine Anschaffung vor Kostenzusage vor. Insoweit tritt an die Stelle der Kostenzusage die Leistungsablehnung, wie sie hier mit Schreiben der Beklagten vom 27. Mai 2015, 6. August 2015 und 8. September 2015 nach Einholung der beiden Medicproof-Gutachten erfolgt ist. Lehnt ein Leistungsträger das beantragte Hilfsmittel zu Unrecht ab, ist im Übrigen auch ein gesetzlich Versicherter berechtigt, sich die Leistung selbst zu beschaffen und Kostenerstattung zu verlangen, soweit die Leistung notwendig war (vgl. § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V). Dies gilt erst recht für ein Mitglied der privaten Pflegepflichtversicherung mit Geltung des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XI. Hier hat der Kläger die Deckenliftsysteme zunächst probeweise einbauen lassen, was sich daraus ergibt, dass zunächst lediglich Kostenvoranschläge vom 27. Februar 2015 und 3. März 2015 vorlagen. Die Rechnungstellung durch das Sanitätshaus C. ist demgegenüber erst unter dem 22. September 2015 und die entsprechende Zahlung des Klägers am 24. September 2020 und damit nach der Leistungsablehnung der Beklagten erfolgt. Mithin ist der Umstand, dass die Beklagte keine Kostenzusage erteilt hat, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erheblich.

Letztlich steht dem Kläger auch gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 1 sowie 288 Abs. 1 S. 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der geltend gemachte Zinsanspruch zu. Verzug ist abgesehen von den vorangegangenen Leistungsablehnungen (vgl. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB) – spätestens aufgrund des Mahnschreibens des Klägers vom 2. Oktober 2015 mit Fristsetzung bis zum 12. Oktober 2015 eingetreten. Hiermit hat er zwar noch die Zahlung eines Betrages von 14.393,94 EUR geltend gemacht, mithin die Summe der sich aus den beiden Kostenvoranschlägen ergebenden Beträge. In diesem Gesamtbetrag war jedoch die niedrigere streitige Klageforderung von 8.151,30 EUR enthalten, die zudem aufgrund der Rechnung des Sanitätshauses C. vom 22. September 2015 und damit bereits vor dem Mahnschreiben gegenüber dem Kläger fällig gestellt war. Ebenso hatte der Kläger den Rechnungsbetrag am 24. September 2015 an das Sanitätshaus beglichen, so dass auch zu diesem Zeitpunkt sein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte entstanden war. Der Klagebetrag von 8.151,30 EUR ergibt sich daraus, dass die Gesamtkosten gemäß der Rechnung des Sanitätshauses mit 13.500,00 EUR die Summe der beiden Kostenvoranschläge unterschritten und die Beklagte hierauf (im November 2015) gesamt 5.348,70 EUR gezahlt hat. Auf das Mahnschreiben des Klägers vom 2. Oktober 2015 bezugnehmend hat die Beklagte im Übrigen mit Schreiben vom 20. Oktober 2015 reagiert und den geltend gemachten Anspruch auf vollständige Kostenerstattung erneut abgelehnt. Soweit der Kläger Verzugszinsen erst seit dem 24. Oktober 2015 geltend macht, lag zu diesem Zeitpunkt jedenfalls Verzug der Beklagten vor. Dabei kann zum einen die Postlaufzeit des Mahnschreibens außer Betracht bleiben, weil dieses der Beklagten zum Zeitpunkt der Abfassung ihres Schreibens vom 20. Oktober 2015 unzweifelhaft vorlag. Zum anderen tritt Verzug nicht erst nach Ablauf einer gesetzten Zahlungsfrist ein, vielmehr kommt der Schuldner mit dem Zugang der Mahnung in Verzug, sofern er – wie hier – auf die Mahnung nicht leistet. Die geltend gemachte Zinshöhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 247 Abs. 1 BGB) ergibt sich aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

Der Berufung war in vollem Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere verneint der Senat grundsätzliche Bedeutung, weil die Kriterien der rechtlichen Zuordnung von Deckenliftern durch die ausgeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bereits höchstrichterlich geklärt sind und im Übrigen jeweils eine Einzelfallwürdigung vorzunehmen ist.
Rechtskraft
Aus
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