L 9 U 136/19 WA

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 44/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 136/19 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 64/20 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Klage auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 9 U 162/12 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 9 U 162/12. In diesem Verfahren ging es um die Anerkennung der vom Kläger als Stalking bzw. Mobbing empfundenen Vorkommnisse an seinem früheren Arbeitsplatz als Luftsicherheitsassistent bei der C. AG als Arbeitsunfall, die die Beklagte mit Bescheid vom 2. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2009 abgelehnt hatte. Seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. August 2012 (S 3 U 44/09) wurde vom Landessozialgericht mit Urteil vom 29. August 2013 (L 9 U 162/12) zurückgewiesen. Den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. August 2013 lehnte das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 17. Dezember 2013 ab (B 2 U 246/13 B) und verwarf gleichzeitig die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig.

Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2017, bei dem Sozialgericht Darmstadt eingegangen am 13. Februar 2017, fragte der Kläger an, wann mit einer Entscheidung über seinen Wiederaufnahmeantrag zu dem Verfahren S 3 U 44/09 zu rechnen sei. Unter dem 23. Februar 2017 setzte das Sozialgericht den Kläger über die gesetzlichen Anforderungen einer Wiederaufnahmeklage in Kenntnis und gab dem Kläger Gelegenheit, eine diesen Anforderungen genügende Klageschrift zu den Akten zu reichen, andernfalls wäre die Klage unzulässig. Das Sozialgericht legte den Vorgang zuständigkeitshalber dem Landessozialgericht vor. Der Berichterstatter wies den Kläger mit gerichtlicher Verfügung vom 19. Juni 2019 darauf hin, dass die Akte keinen Wiederaufnahmeantrag enthalte, sondern lediglich seine mit Schriftsatz vom 2. Februar 2017 an das Sozialgericht Darmstadt gerichtete Anfrage. Der Kläger teilte daraufhin mit beim Hessischen Landessozialgericht am 7. August 2019 eingegangenen Schriftsatz vom 2. August 2019 mit, er sei der Auffassung, einen Wiederaufnahmeantrag gestellt zu haben. Jedenfalls stelle er hiermit einen Wiederaufnahmeantrag zu dem Verfahren S 3 U 44/09.

Im Erörterungstermin des Berichterstatters am 2. März 2020 hat der Kläger angegeben, ihm gehe es darum, dass bei der C. AG nachgefragt werde, wieviel Angestellte ab dem 1. Januar 2005 "weggeschickt" worden seien bei Einbehaltung sämtlicher Bezüge und welche Staatsbürgerschaft diese besäßen. Ggf. sollte eine derartige Stellungnahme bei der Bundespolizei eingeholt werden.

Der Kläger beantragt,
das durch Urteil vom 29. August 2013 beendete Berufungsverfahren L 9 U 162/12 wiederaufzunehmen, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. August 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die ihm gegenüber begangenen Mobbing-Handlungen als Arbeitsunfälle anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage als unzulässig zu verwerfen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 179 Abs. 1 SGG i. V. m. § 584 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), da das angefochtene Urteil vom Berufungsgericht erlassen wurde und dieses sachlich entschieden hat (vgl. hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 179 Rn. 8).

Die Wiederaufnahmeklage ist unzulässig. Es verbleibt damit bei der Rechtskraft des Urteils des Senats vom 29. August 2013 (L 9 U 162/12).

Nach § 179 Abs. 1 SGG kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren unter entsprechender Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung wiederaufgenommen werden. Nach § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme durch Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) oder durch Restitutionsklage (§ 580 ZPO) erfolgen. Die Wiederaufnahmegründe sind im Gesetz abschließend aufgezählt. Eine Wiederaufnahmeklage zieht unter Umständen ein dreistufiges Verfahren nach sich. Zunächst haben die Gerichte zu prüfen, ob die Wiederaufnahmeklage zulässig ist. Bejahendenfalls schließt sich die Prüfung ihrer Begründetheit an, wobei es darum geht, ob tatsächlich ein Wiederaufnahmegrund vorliegt; ist das der Fall, hat das Gericht das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen. Unter Umständen schließt sich sodann das ersetzende Verfahren in der Sache an (Leitherer in: Meyer-Ladewig u. a., s. o., § 179 Rn. 9; Arndt in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 179 Rn. 18).

Im vorliegenden Fall ist die Wiederaufnahmeklage bereits unzulässig, weil sie nicht statthaft ist. Nach § 179 Abs. 1 SGG i. V. m. § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehört zur Zulässigkeitsprüfung die Statthaftigkeit der Wiederaufnahmeklage. Statthaft ist eine Wiederaufnahmeklage nur dann, wenn ein Wiederaufnahmegrund schlüssig behauptet wird (BSG, Beschlüsse vom 23. April 2014 - B 14 AS 368/13 B - SozR 4-1500 § 179 Nr. 1 und vom 10. Juli 2012 - B 13 R 53/12 B - SozR 4-1500 § 158 Nr. 6; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2015 - L 11 KA 75/13 WA -; Leitherer in: Meyer-Ladewig u. a., s. o., § 179 Rn. 9). Keine Rolle spielt, ob man dieses Erfordernis tatsächlich der Statthaftigkeit oder der Beschwer im Sinne einer Klagebefugnis zuordnet. Jedenfalls erscheint es angesichts des Ausnahmecharakters der Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahrens unabdingbar, zur Zulässigkeitsvoraussetzung zu erheben, dass wenigstens ein gewisser "Anfangsverdacht" für einen Wiederaufnahmegrund besteht. In diesem Zusammenhang bedeutet schlüssiges Behaupten, dass bei Unterstellung, die tatsächlichen Behauptungen des Klägers würden zutreffen, ein Wiederaufnahmegrund gegeben wäre (Bayerisches LSG, Urteil vom 31. März 2011 - L 15 VG 2/11 WA -).

An der schlüssigen Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes fehlt es vorliegend.

Nichtigkeits- oder Restitutionsgründe sind dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Aus der von dem Kläger im Erörterungstermin des Berichterstatters geäußerten Anregung, bei der C. AG oder ggf. bei der Bundespolizei nachzufragen, wie viele Angestellte ab dem 1. Januar 2005 weggeschickt worden seien bei Einbehaltung sämtlicher Bezüge und welche Staatsbürgerschaft diese besäßen, ergibt sich auch sinngemäß kein Nichtigkeits- oder Restitutionsgrund.

Die Wiederaufnahmeklage ist zudem auch deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht binnen der einmonatigen Notfrist nach § 586 Abs. 1 ZPO erhoben wurde. Diese Frist beginnt nach Abs. 2 dieser Vorschrift mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhält, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Dem Kläger wurde das Urteil vom 29. August 2013 am 4. September 2013 zugestellt. Das Verfahren beim Bundessozialgericht, die Nichtzulassung der Beschwerde hiergegen betreffend, war im Januar 2014 abgeschlossen. Die Wiederaufnahmeklage des Klägers ist am 7. August 2019 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen. Selbst wenn man vorliegend die bereits am 13. Februar 2017 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Sachstandsanfrage des Klägers vom 2. Februar 2017 als Erhebung einer Wiederaufnahmeklage auslegen würde, war die Wiederaufnahmeklage offensichtlich verspätet.

Der von dem Kläger gewünschten Einholung einer Auskunft der C. AG oder ggf. der Bundespolizei bedurfte es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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