Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 21 AS 499/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 126/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 79/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsrechtszugs zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014, insbesondere um das Eingreifen eines Leistungsausschlusses im Fall des Klägers.
Der im Jahr 1980 geborene Kläger hat allein die rumänische Staatsangehörigkeit. Er reiste im Januar 2012 ins Bundesgebiet ein und lebte zunächst in D-Stadt. Im Zeitraum 1. März 2012 bis 28. Februar 2013 übte er eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Servicekraft in einer C-Filiale aus (vgl. Verdienstabrechnung Februar 2013, Verwaltungsakte [VA] Bl. 18). Das Beschäftigungsverhältnis war zunächst aufgrund eines Vertrages vom 29. Februar 2012 auf den Zeitraum 1. März 2012 bis 31. August 2012 befristet. Am 1. September 2012 wurde der Vertrag bis zum 28. Februar 2013 verlängert (Änderungsmitteilung des Betreibers D. Restaurant GmbH & Co KG vom 1. September 2012, Gerichtsakte Bl. 140).
In der Folgezeit bezog der Kläger zunächst Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) und ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Jobcenter Hanau (Bescheid vom 28. Juni 2013 für den Zeitraum 1. Mai bis 31. Oktober 2013, VA Bl. 71).
Zum 1. Oktober 2013 verzog der Kläger nach A-Stadt. Dort hatte er bereits am 17. September 2013 bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beantragt. Das Jobcenter Hanau stellte durch Bescheid vom 21. Oktober 2013 die Leistungsgewährung an den Kläger zum 7. Oktober 2013 ein (VA Bl. 81). Der Beklagte lehnte seinerseits den Leistungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 31. Oktober 2013 ab. Dies begründete er mit dem gesetzlichen Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, da der Kläger sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Grund der Arbeitsuche herleite (VA Bl. 88).
Gegen die Entscheidung der Beklagten legte der Kläger mit Schreiben vom 5. November 2013 Widerspruch ein (VA Bl. 97). Parallel stellte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Darmstadt, woraufhin der Beklagte mit Beschluss vom 11. November 2013 verpflichtet wurde, ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 5. November 2013 bis 31. März 2014 zu erbringen (VA Bl. 80 [Paginierung fehlerhaft, manche Blätter doppelt]). Diese Anordnung setzte der Beklagte durch zwei Bescheide vom 18. November 2013 für den Monat November 2013 und die Monate Dezember 2013 bis März 2014 um, mit denen er dem Kläger "vorläufig" und "ausschließlich aufgrund des Beschlusses im Eilverfahren" Leistungen gewährte (VA Bl. 84, 87). Den Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 26. November 2013 zurück. Der Kläger unterliege dem Leistungsausschluss und könne insbesondere auch kein Freizügigkeitsrecht aus der vorherigen Beschäftigung bei C. herleiten. Diese habe nicht länger als ein Jahr gedauert, sondern genau ein Jahr. Eine Fortwirkung des Arbeitsnehmerstatus über einen längeren Zeitraum als sechs Monate setze jedoch nach der Regelung des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) gerade ausdrücklich eine Dauer des Beschäftigungsverhältnisses von mehr als einem Jahr voraus (VA Bl. 101).
Der Kläger hat am 11. Dezember 2013 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben und geltend gemacht, der Leistungsausschluss nach dem § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greife in seinem Fall nicht ein.
Nach Klageerhebung sind infolge von Änderungen leistungserheblicher Umstände noch die Leistungshöhe neu festsetzende Änderungsbescheide zu den Leistungsbescheiden vom 18. November 2013 ergangen, und zwar für den Monat November 2013 und die Monate Dezember 2013 bis März 2014 zwei Änderungsbescheide vom 9. Dezember 2013 (VA Bl. 116) sowie für die Monate Februar und März 2014 der Änderungsbescheid vom 11. Februar 2014 (VA Bl. 169).
Der Antragsteller hat am 14. Februar 2014 einen Weiterbewilligungsantrag gestellt, woraufhin ihm durch Bescheid vom 20. März 2014 vorläufig Leistungen ab dem 1. April 2014 bewilligt wurden.
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, den Bescheid vom 31. Oktober 2013 in Gestalt der Bescheide vom 18. November 2013, des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2013 und der Bescheide vom 9. Dezember 2013 sowie 11. Februar 2014 aufzuheben bzw. abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen im Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014 endgültig zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und sich auf die in den Bescheiden gegebene Begründung berufen.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 17. Januar 2018 stattgegeben. Es hat den Bescheid vom 31. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger endgültig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014 zu gewähren.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Zulässigkeit der Klage stehe insbesondere nicht entgegen, dass der Beklagte durch Bescheide vom 9. Dezember 2013 und 11. Februar 2014 Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum bewilligt habe. Zwar finde sich in diesen Bescheiden kein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass die Gewährung nur im Hinblick auf die einstweilige Anordnung des Sozialgerichts erfolgen sollte. Jedoch folge aus den Umständen, dass keine endgültige Leistungsbewilligung in Form einer Abhilfe beabsichtigt gewesen sei. Denn noch durch Bescheid vom 26. November 2013, der dem Bescheid vom 9. Dezember 2013 unmittelbar vorausgegangen sei, sei der Widerspruch zurückgewiesen und von dem Beklagten klar zum Ausdruck gebracht worden, dass er weiterhin nicht von einer Leistungsberechtigung des Klägers ausgehe. Zudem habe der Bescheid vom 9. Dezember 2013 nur die Zeit betroffen, in der der Beklagte durch das Gericht vorläufig zur Leistungserbringung verpflichtet worden sei. Auch durch den Änderungsbescheid vom 11. Februar 2013 sei erkennbar nur eine Anpassung der Leistungshöhe an die geänderten Umstände infolge eines Umzugs des Klägers beabsichtigt gewesen. Für einen Regelungswillen dahin, dass nunmehr für den begrenzten Zeitraum Februar und März 2014 eine Abhilfe erfolgen sollte, habe es aus Sicht eines objektiven Empfängers an Stelle des Klägers keine Anhaltspunkte gegeben.
Die Klage sei auch begründet. Der Bescheid vom 31. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2013 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Er habe Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014.
Der Kläger habe im genannten Zeitraum insbesondere keinem Leistungsausschluss unterlegen. Ausgenommen von der Leistungsberechtigung seien nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung solche Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der Kläger habe hier aber über einen sog. fortwirkenden Arbeitnehmerstatus aus seiner vormaligen Beschäftigung bei C. verfügt.
Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen hätten nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt seien nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift insbesondere Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer aufhalten wollten. Das Recht nach Absatz 1 bleibe gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 für Arbeitnehmer unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibe das Recht aus Absatz 1 hingegen nur während der Dauer von sechs Monaten unberührt (Satz 2).
Der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht beschäftigt gewesen. Auch sei er zuvor bei C. nicht länger als ein Jahr, sondern genau ein Jahr (1. März 2012 bis 28. Februar 2013) beschäftigt gewesen. Jedoch habe er nach Auffassung der Kammer in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU trotzdem über den dort geregelten erweiterten Schutzstatus verfügt.
Im Abgleich des Wortlautes der Vorschriften des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und des § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU falle auf, dass dort nur die Dauer der Fortwirkung im Falle von Beschäftigungen, die länger als ein Jahr andauerten, und solcher Beschäftigungen, die kürzer als ein Jahr währten, geregelt sei. Es fehle eine Regelung für Beschäftigungen, die - wie hier - genau ein Jahr dauerten. Da sich weder in den Gesetzesmaterialien noch in den unionsrechtlichen Vorgaben Anhaltspunkte dafür finden ließen, dass für solche Beschäftigungen von genau einem Jahr Dauer keine Regelung getroffen werden sollte, sei insofern von einem Versehen des Gesetzgebers und damit einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Bei der Schließung dieser Regelungslücke sei auf die gemeinschaftsrechtliche Grundlage der in § 2 FreizügG/EU geregelten Tatbestände, nämlich die sog. Unionsbürger-Richtlinie (2004/38/EG) zurückzugreifen. Dort finde sich in Art. 7 Abs. 3 folgende Regelung:
"Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten: ( ) b) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; c) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten; ( ...)"
Zwar gebe es demnach auch in der Richtlinie keine ausdrückliche Regelung für Fälle des Bestehens einer Beschäftigung von genau einem Jahr. Jedoch spreche der Wortlaut der Vorschrift in Buchstabe c), wonach bei "auf weniger als ein Jahr" befristeten Arbeitsverträgen eine Fortwirkung von mindestens sechs Monaten eintreten solle, dafür, dass der Richtliniengeber jedenfalls bei auf ein Jahr befristeten Arbeitsverträgen bereits die Regelung des Buchstaben b) eingreifen lassen wollte. Es gebe auch hier keine Anhaltspunkte dafür, dass genau einjährige Befristungen zu gar keiner Fortwirkung des Schutzstatus führen sollten. Demnach gehe der Richtliniengeber bei der Formulierung des Buchstaben c) offenbar davon aus, dass solche Beschäftigungen bereits von Buchstabe b) erfasst würden.
Demzufolge habe der durch die Beschäftigung für ein Jahr erworbene Erwerbstätigenstatus des Klägers im hier streitgegenständlichen Zeitraum noch fortgewirkt. Der Verlust der Beschäftigung sei aufgrund des befristeten Arbeitsverhältnisses auch unfreiwillig gewesen. Einer ausdrücklichen Bestätigung der Unfreiwilligkeit durch die Bundesagentur für Arbeit bedürfe es in den offensichtlichen Fällen des Auslaufens einer solchen Befristung aus Sicht der Kammer nicht.
Die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs.1 S. 1 SGB II hätten hier ebenfalls vorgelegen. Insbesondere gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine etwa fehlende Erwerbsfähigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum. Erwerbsfähig sei nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Kläger habe zwar an durchaus erheblichen Erkrankungen (HIV und Hepatitis) gelitten, die jedoch behandelbar seien. Es könne daher jedenfalls nicht von einer Herabsetzung seiner Leistungsfähigkeit im erforderlichen Ausmaß ausgegangen werden, die in ihrer Dauer nicht absehbar gewesen wäre.
Auch eine Hilfebedürftigkeit des Klägers sei im gegenständlichen Zeitraum gegeben gewesen. Er habe zunächst nach eigener, glaubhafter Aussage lediglich über nicht-bedarfsdeckende Einkünfte in Form von Geld- und Sachspenden der Aidshilfe A-Stadt verfügt. Ab Erlass der einstweiligen Anordnung habe er dann von den vorläufigen Leistungen gelebt. Auf sonstiges Einkommen und Vermögen gebe es keine Hinweise.
Die Festsetzung der Leistungshöhe bleibe dem Beklagten vorbehalten.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 6. Februar 2018 zugestellte Urteil am 2. März 2018 Berufung eingelegt und seinen erstinstanzlichen Vortrag im Wesentlichen wiederholt. Der Kläger könne sich nicht auf einen fortwirkenden Arbeitnehmerstatus berufen. Denn die Arbeitslosigkeit des Klägers sei im Laufe der ersten zwölf Monate, konkret mit Ablauf von zwölf Monaten, eingetreten. Diese Regelung werde vom Sozialgericht übersehen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Januar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Er beruft sich auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung. Befristungen eines Arbeitsverhältnisses dauerten nie ein Jahr und einen Tag, sondern seien regelmäßig auf ein Jahr präzise befristet. Damit solle dem Unionsbürger ermöglicht werden, weiterhin seinen rechtlichen Status zu erhalten.
Die Beteiligten haben sich am 24. Januar 2020 (Kläger) und am 30. Januar 2020 (Beklagter) mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der elektronisch vorliegenden Leistungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte, nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Streitgegenständlich ist die Ablehnung von Leistungen mit Bescheid vom 31. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2013.
Die zwischenzeitlich ergangenen vorläufigen Leistungsbescheide für den Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014 sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, denn sie ändern oder ersetzen den Bescheid vom 31. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2013 nicht. Es handelt sich bei diesen Leistungsbescheiden um bloße Ausführungsbescheide, die hier auf der Grundlage der Entscheidung des Sozialgerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen sind.
Soweit eine einstweilige Anordnung nicht gerade die Verpflichtung der Behörde, einen Verwaltungsakt zu erlassen, zum Inhalt hat, bedarf die einstweilige Anordnung keines Ausführungsbescheides. Die einstweilige Anordnung liefert – etwa für eine Zahlung – selbst den Rechtsgrund; ein Ausführungsbescheid wäre nur deklaratorischer Natur ohne eigene Regelung im Sinne des § 32 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Eines Ausführungsbescheides bedarf es aber etwa dann, wenn die einstweilige Anordnung nur dem Grunde nach ergeht und sich zur Höhe der Zahlung nicht verhält (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 86b SGG (Stand: 12.08.2020) Rn. 461 f.).
Vorliegend hat der Tenor des sozialgerichtlichen Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Leistungshöhe nicht konkret vorgegeben. Er lautet: "Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig vom 5. November 2013 bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens aber bis zum 31. März 2014, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Annahme eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu gewähren, soweit die übrigen Leistungsvoraussetzungen vorliegen". Der Tenor bedurfte daher eines Ausführungsbescheides. Zwar wird vertreten, dass, wenn der Beklagte den Tenor durch Verwaltungsakt konkretisieren muss, es sich nicht um einen bloßen Ausführungsbescheid, sondern um eine eigenständige Regelung handele (LSG Baden-Württemberg v. 23. April 2020 - L 7 AS 1145/19, Rn. 43). Jedoch ist dem vorliegend nicht zu folgen. Denn der Wille des Beklagten, keine Leistungen zu erbringen, ist deutlich gemacht worden, so dass die vorläufige Berechnung der Leistungen wider Willen erfolgt ist und damit nicht als eine dem Beklagten zurechenbare, eigenständige Regelung aufgefasst werden kann.
Ergeht ein deklaratorischer oder notwendiger Ausführungsbescheid, wird dieser nicht gemäß § 86 SGG bzw. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Vorverfahrens oder des gerichtlichen Verfahrens. Er erledigt sich (§ 39 Abs. 2 SGB X) mit Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Ggf. müssen dann neue Bescheide erlassen werden (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 86b SGG (Stand: 12.08.2020) Rn. 461 – 463; Klein in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 96 SGG (Stand: 06.07.2020) Rn. 33; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, § 96 Rn. 4b; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007, B 8/9b SO 20/06 R, Rn. 12 zu Ausführungsbescheiden aufgrund eines Vergleichs).
Der Behandlung der Leistungsbescheide als bloße Ausführungsbescheide steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Leistungsbescheide des Beklagten nicht ausdrücklich als "Ausführungsbescheide" bezeichnet werden. Denn die beiden vorläufigen Leistungsbescheide vom 18. November 2013 enthalten den Hinweis, der Bescheid ergehe ausschließlich aufgrund des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Darmstadt und es würden vorläufig Leistungen gewährt, die gegebenenfalls zurückgezahlt werden müssten. Die beiden Änderungsbescheide vom 9. Dezember 2013 und der Änderungsbescheid vom 11. Februar 2014 enthalten diesen Hinweis zwar nicht mehr. Indessen ändern diese Bescheide nur die Leistungshöhe, lassen den Vorbehalt der Leistung nur aufgrund der einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts unberührt. Weder wollte der Beklagte mit diesen beiden Änderungsbescheiden seine Leistungspflicht anerkennen noch hat der Kläger dies so verstanden noch waren die Bescheide kurz nach Erlass des Widerspruchsbescheides und nach Erhebung der Klage von einem objektiven Empfängerhorizont dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte seine Leistungspflicht anerkenne.
Hinsichtlich der Frage des Leistungsausschlusses des Klägers folgt der Senat den überzeugenden Erwägungen des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Lücke im Wortlaut des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU füllende Auslegung nunmehr auch durch die Rechtsprechung des EuGH gestützt wird und europarechtlich geboten ist (so i.E. auch Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 7 Rn. 105, Stand: 01.03.2020).
Der Vortrag des Beklagten, die Arbeitslosigkeit des Klägers sei im Laufe der ersten zwölf Monate, konkret mit Ablauf von zwölf Monaten, eingetreten, ist in sich selbst widersprüchlich. Entweder ist die Arbeitslosigkeit im Laufe der ersten zwölf Monate oder mit Ablauf, also nach zwölf Monaten eingetreten.
Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger war aufgrund zweier in der Summe auf genau ein Jahr befristeter Verträge vom 1. März 2012 bis 28. Februar 2013 versicherungspflichtig beschäftigt. Genau für diesen Fall enthält die gesetzliche Regelung - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - eine Lücke. Weder die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügigG/EU ("nach mehr als einem Jahr Tätigkeit") noch die des § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügigG/EU ("nach weniger als einem Jahr Beschäftigung") erfasst ihrem Wortlaut eine genau einjährige Beschäftigung.
Diese Regelungslücke kann in europarechtskonformer, die Lücke im Wortlaut füllender Auslegung nur in der Weise geschlossen werden, dass die einjährige Beschäftigung unter den Tatbestand des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügigG/EU ("nach mehr als einem Jahr Tätigkeit") gefasst wird.
§ 2 FreizügigG/EU setzt Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG um. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, findet sich die im deutschen Recht bestehende Wortlautlücke so auch schon im europäischen Sekundärrecht.
Zur Auslegung der Richtlinie 2004/38/EG hat der EuGH in seinem Urteil vom 11. April 2019 – C-483/17 – in der Rechtssache Neculai Tarola (juris Rn. 46-49) ausgeführt (Hervorhebungen durch den Senat):
"Der Aufnahmemitgliedstaat darf nämlich die Dauer der Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft des Unionsbürgers, der im Aufnahmemitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat, begrenzen, doch darf er sie gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 nicht auf weniger als sechs Monate verkürzen, wenn dieser Bürger aus von seinem Willen unabhängigen Gründen arbeitslos wird, bevor er ein Jahr Erwerbstätigkeit zurücklegen konnte. Ausgehend von dem in dieser Bestimmung genannten ersten Fall ist dies der Fall, wenn die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers nach Ablauf eines befristeten Vertrags mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr endet. Ausgehend von dem in dieser Bestimmung genannten zweiten Fall muss dies auch in all den Situationen der Fall sein, in denen ein Erwerbstätiger aus von seinem Willen unabhängigen Gründen gezwungen war, seine Erwerbstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat vor Ablauf eines Jahres zu beenden, unabhängig von der Art der ausgeübten Erwerbstätigkeit und der Art des hierzu geschlossenen Arbeitsvertrags, d. h. unabhängig davon, ob er eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat und ob er einen befristeten Vertrag mit einer Laufzeit von über einem Jahr, einen unbefristeten Vertrag oder jede andere Art von Vertrag geschlossen hat. Diese Auslegung entspricht dem mit der Richtlinie 2004/38 in erster Linie verfolgten Ziel, das – wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt – darin besteht, das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu stärken, und dem speziell mit ihrem Art. 7 Abs. 3 verfolgten Ziel, das darin besteht, durch die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft das Aufenthaltsrecht der Personen zu sichern, die ihre Berufstätigkeit wegen eines Mangels an Arbeit aufgegeben haben, der auf von ihrem Willen unabhängigen Umständen beruht ( )."
Zwar ging es in der zitieren Entscheidung nicht um einen Unionsbürger, der aufgrund eines befristeten Vertrages und dessen Verlängerung genau ein Jahr in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet hatte. Vielmehr ging es um einen rumänischen Staatsangehörigen, der in Irland für einen Zeitraum von (nur) zwei Wochen anders als mit einem befristeten Vertrag erwerbstätig war und dann unfreiwillig arbeitslos wurde. Damit hatte der EuGH auch keinen Anlass, Art. 7 Abs. 3 Buchstabe b) und c) der Richtlinie 2004/38 für den Fall einer genau ein Jahr dauernden Tätigkeit gegeneinander abzugrenzen, weil die unbegrenzte Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft nach Art. 7 Abs. 3 Buchstabe b) Richtlinie 2004/38 ohnehin nicht in Betracht kam.
Allerdings hat der EuGH Art. 7 Abs. 3 Buchstabe c) der Richtlinie 2004/38 dahin ausgelegt, dass die Verkürzung der Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft des Unionsbürgers, der im Aufnahmemitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat, nur in Betracht kommt, wenn dieser Bürger aus von seinem Willen unabhängigen Gründen arbeitslos wird, bevor er ein Jahr Erwerbstätigkeit zurücklegen konnte. Der mindere Schutzstatus soll eintreten, wenn die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers nach Ablauf eines befristeten Vertrags mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr endet.
Damit ist aus Sicht des Senats hinreichend deutlich, dass die Beschränkung der Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft nach § 7 Abs. 3 Buchstabe c) der Richtlinie 2004/38 auf mindestens sechs Monate nicht greifen soll, wenn ein Jahr Erwerbstätigkeit zurückgelegt wurde, weshalb sie im Falle eines befristeten Vertrags mit dessen Ablauf auch nur bei einer Laufzeit von weniger als einem Jahr eintritt.
Nur diese Auslegung wird auch dem europarechtlichen Gebot des effet utile gerecht, wonach gemeinschaftsrechtliche Regelungen möglichst wirksam umzusetzen sind (hierzu z.B. BSG, Urteil v. 30. Juni 2009, B 1 KR 22/08 R, Rn. 24). Die Richtlinie 2004/38 ist auf die Erwägung gestützt, dass die Unionsbürgerschaft jedem Bürger der Union das elementare und persönliche Recht verleiht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Die Freizügigkeit von Personen stellt eine der Grundfreiheiten des Binnenmarkts dar, der einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem diese Freiheit gemäß den Bestimmungen des Vertrags gewährleistet ist (Richtlinie 2004/38 Erwägungsgründe 1 und 2). Die Richtlinie dient also der Verwirklichung der Freizügigkeit als einer der Grundfreiheiten des europäischen Rechts. Gemäß Erwägungsgrund 19 der Richtlinie sollten bestimmte für abhängig oder selbstständig erwerbstätige Unionsbürger und ihre Familienangehörigen geltende Vergünstigungen aufrechterhalten werden, die diesen Personen gegebenenfalls gestatten, ein Recht auf Daueraufenthalt zu erwerben, bevor sie einen Aufenthalt von fünf Jahren in dem Aufnahmemitgliedstaat vollendet haben.
Auf der Grundlage der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Neculai Tarola und unter dem europarechtlichen Gebot des effet utile ist die planwidrige Regelungslücke daher europarechtsfreundlich und damit freizügigkeitsfreundlich dadurch zu schließen, dass auf den Kläger, der ein Jahr aufgrund eines auf ein Jahr befristeten Vertrages beschäftigt war, die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügigG/EU anzuwenden ist. Der Kläger verfügte damit über ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht und war damit im streitgegenständlichen Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014 nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Hinsichtlich der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere der Erwerbsfähigkeit des Klägers i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 SGB II und der Hilfebedürftigkeit des Klägers i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 und 4 SGB II verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung und macht sich diese zu eigen.
Über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen ist vom Beklagten nach Erledigung der Ausführungsbescheide mit Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren durch Bescheid zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision gegen dieses Urteil wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die zu treffende Entscheidung sich über den Einzelfall hinaus auswirkt (Breitenwirkung) und von der Antwort auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage abhängt. Breitenwirkung besitzt die Frage, wenn sie über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung in unbestimmt vielen Fällen oder wenigstens einer Mehrzahl weiterer Fälle hat, d.h. wenn sie im Interesse der Allgemeinheit das Recht fortentwickelt oder vereinheitlicht. Die Zulassung scheidet dann aus, wenn die Klage zwar eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, der Rechtsstreit aber bereits aus anderen Gründen zu entscheiden ist und es daher auf die aufgeworfene Rechtsfrage nicht ankommt. In diesem Fall ist die Frage nicht entscheidungserheblich bzw. nicht klärungsfähig und daher - jedenfalls aus diesem Grund - nicht zuzulassen. Die grundsätzliche Bedeutung dient der Herstellung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, § 160 Rn. 6 ff.).
Die hier erhebliche Rechtsfrage, ob eine Beschäftigung von genau einjähriger Dauer aufgrund eines befristeten Vertrages unter § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU fällt, ist soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden und entscheidungserheblich. Sie hat auch die erforderliche Breitenwirkung, weil der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von großer praktischer Bedeutung ist und auf ein Jahr befristete Verträge im Arbeitsleben durchaus üblich und nach deutschem Recht zulässig sind (§ 14 Abs. 2 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge -TzBfG).
II. Der Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsrechtszugs zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014, insbesondere um das Eingreifen eines Leistungsausschlusses im Fall des Klägers.
Der im Jahr 1980 geborene Kläger hat allein die rumänische Staatsangehörigkeit. Er reiste im Januar 2012 ins Bundesgebiet ein und lebte zunächst in D-Stadt. Im Zeitraum 1. März 2012 bis 28. Februar 2013 übte er eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Servicekraft in einer C-Filiale aus (vgl. Verdienstabrechnung Februar 2013, Verwaltungsakte [VA] Bl. 18). Das Beschäftigungsverhältnis war zunächst aufgrund eines Vertrages vom 29. Februar 2012 auf den Zeitraum 1. März 2012 bis 31. August 2012 befristet. Am 1. September 2012 wurde der Vertrag bis zum 28. Februar 2013 verlängert (Änderungsmitteilung des Betreibers D. Restaurant GmbH & Co KG vom 1. September 2012, Gerichtsakte Bl. 140).
In der Folgezeit bezog der Kläger zunächst Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) und ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Jobcenter Hanau (Bescheid vom 28. Juni 2013 für den Zeitraum 1. Mai bis 31. Oktober 2013, VA Bl. 71).
Zum 1. Oktober 2013 verzog der Kläger nach A-Stadt. Dort hatte er bereits am 17. September 2013 bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beantragt. Das Jobcenter Hanau stellte durch Bescheid vom 21. Oktober 2013 die Leistungsgewährung an den Kläger zum 7. Oktober 2013 ein (VA Bl. 81). Der Beklagte lehnte seinerseits den Leistungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 31. Oktober 2013 ab. Dies begründete er mit dem gesetzlichen Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, da der Kläger sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Grund der Arbeitsuche herleite (VA Bl. 88).
Gegen die Entscheidung der Beklagten legte der Kläger mit Schreiben vom 5. November 2013 Widerspruch ein (VA Bl. 97). Parallel stellte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Darmstadt, woraufhin der Beklagte mit Beschluss vom 11. November 2013 verpflichtet wurde, ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 5. November 2013 bis 31. März 2014 zu erbringen (VA Bl. 80 [Paginierung fehlerhaft, manche Blätter doppelt]). Diese Anordnung setzte der Beklagte durch zwei Bescheide vom 18. November 2013 für den Monat November 2013 und die Monate Dezember 2013 bis März 2014 um, mit denen er dem Kläger "vorläufig" und "ausschließlich aufgrund des Beschlusses im Eilverfahren" Leistungen gewährte (VA Bl. 84, 87). Den Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 26. November 2013 zurück. Der Kläger unterliege dem Leistungsausschluss und könne insbesondere auch kein Freizügigkeitsrecht aus der vorherigen Beschäftigung bei C. herleiten. Diese habe nicht länger als ein Jahr gedauert, sondern genau ein Jahr. Eine Fortwirkung des Arbeitsnehmerstatus über einen längeren Zeitraum als sechs Monate setze jedoch nach der Regelung des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) gerade ausdrücklich eine Dauer des Beschäftigungsverhältnisses von mehr als einem Jahr voraus (VA Bl. 101).
Der Kläger hat am 11. Dezember 2013 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben und geltend gemacht, der Leistungsausschluss nach dem § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greife in seinem Fall nicht ein.
Nach Klageerhebung sind infolge von Änderungen leistungserheblicher Umstände noch die Leistungshöhe neu festsetzende Änderungsbescheide zu den Leistungsbescheiden vom 18. November 2013 ergangen, und zwar für den Monat November 2013 und die Monate Dezember 2013 bis März 2014 zwei Änderungsbescheide vom 9. Dezember 2013 (VA Bl. 116) sowie für die Monate Februar und März 2014 der Änderungsbescheid vom 11. Februar 2014 (VA Bl. 169).
Der Antragsteller hat am 14. Februar 2014 einen Weiterbewilligungsantrag gestellt, woraufhin ihm durch Bescheid vom 20. März 2014 vorläufig Leistungen ab dem 1. April 2014 bewilligt wurden.
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, den Bescheid vom 31. Oktober 2013 in Gestalt der Bescheide vom 18. November 2013, des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2013 und der Bescheide vom 9. Dezember 2013 sowie 11. Februar 2014 aufzuheben bzw. abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen im Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014 endgültig zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und sich auf die in den Bescheiden gegebene Begründung berufen.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 17. Januar 2018 stattgegeben. Es hat den Bescheid vom 31. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger endgültig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014 zu gewähren.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Zulässigkeit der Klage stehe insbesondere nicht entgegen, dass der Beklagte durch Bescheide vom 9. Dezember 2013 und 11. Februar 2014 Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum bewilligt habe. Zwar finde sich in diesen Bescheiden kein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass die Gewährung nur im Hinblick auf die einstweilige Anordnung des Sozialgerichts erfolgen sollte. Jedoch folge aus den Umständen, dass keine endgültige Leistungsbewilligung in Form einer Abhilfe beabsichtigt gewesen sei. Denn noch durch Bescheid vom 26. November 2013, der dem Bescheid vom 9. Dezember 2013 unmittelbar vorausgegangen sei, sei der Widerspruch zurückgewiesen und von dem Beklagten klar zum Ausdruck gebracht worden, dass er weiterhin nicht von einer Leistungsberechtigung des Klägers ausgehe. Zudem habe der Bescheid vom 9. Dezember 2013 nur die Zeit betroffen, in der der Beklagte durch das Gericht vorläufig zur Leistungserbringung verpflichtet worden sei. Auch durch den Änderungsbescheid vom 11. Februar 2013 sei erkennbar nur eine Anpassung der Leistungshöhe an die geänderten Umstände infolge eines Umzugs des Klägers beabsichtigt gewesen. Für einen Regelungswillen dahin, dass nunmehr für den begrenzten Zeitraum Februar und März 2014 eine Abhilfe erfolgen sollte, habe es aus Sicht eines objektiven Empfängers an Stelle des Klägers keine Anhaltspunkte gegeben.
Die Klage sei auch begründet. Der Bescheid vom 31. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2013 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Er habe Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014.
Der Kläger habe im genannten Zeitraum insbesondere keinem Leistungsausschluss unterlegen. Ausgenommen von der Leistungsberechtigung seien nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung solche Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der Kläger habe hier aber über einen sog. fortwirkenden Arbeitnehmerstatus aus seiner vormaligen Beschäftigung bei C. verfügt.
Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen hätten nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt seien nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift insbesondere Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer aufhalten wollten. Das Recht nach Absatz 1 bleibe gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 für Arbeitnehmer unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibe das Recht aus Absatz 1 hingegen nur während der Dauer von sechs Monaten unberührt (Satz 2).
Der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht beschäftigt gewesen. Auch sei er zuvor bei C. nicht länger als ein Jahr, sondern genau ein Jahr (1. März 2012 bis 28. Februar 2013) beschäftigt gewesen. Jedoch habe er nach Auffassung der Kammer in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU trotzdem über den dort geregelten erweiterten Schutzstatus verfügt.
Im Abgleich des Wortlautes der Vorschriften des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und des § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU falle auf, dass dort nur die Dauer der Fortwirkung im Falle von Beschäftigungen, die länger als ein Jahr andauerten, und solcher Beschäftigungen, die kürzer als ein Jahr währten, geregelt sei. Es fehle eine Regelung für Beschäftigungen, die - wie hier - genau ein Jahr dauerten. Da sich weder in den Gesetzesmaterialien noch in den unionsrechtlichen Vorgaben Anhaltspunkte dafür finden ließen, dass für solche Beschäftigungen von genau einem Jahr Dauer keine Regelung getroffen werden sollte, sei insofern von einem Versehen des Gesetzgebers und damit einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Bei der Schließung dieser Regelungslücke sei auf die gemeinschaftsrechtliche Grundlage der in § 2 FreizügG/EU geregelten Tatbestände, nämlich die sog. Unionsbürger-Richtlinie (2004/38/EG) zurückzugreifen. Dort finde sich in Art. 7 Abs. 3 folgende Regelung:
"Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten: ( ) b) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; c) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten; ( ...)"
Zwar gebe es demnach auch in der Richtlinie keine ausdrückliche Regelung für Fälle des Bestehens einer Beschäftigung von genau einem Jahr. Jedoch spreche der Wortlaut der Vorschrift in Buchstabe c), wonach bei "auf weniger als ein Jahr" befristeten Arbeitsverträgen eine Fortwirkung von mindestens sechs Monaten eintreten solle, dafür, dass der Richtliniengeber jedenfalls bei auf ein Jahr befristeten Arbeitsverträgen bereits die Regelung des Buchstaben b) eingreifen lassen wollte. Es gebe auch hier keine Anhaltspunkte dafür, dass genau einjährige Befristungen zu gar keiner Fortwirkung des Schutzstatus führen sollten. Demnach gehe der Richtliniengeber bei der Formulierung des Buchstaben c) offenbar davon aus, dass solche Beschäftigungen bereits von Buchstabe b) erfasst würden.
Demzufolge habe der durch die Beschäftigung für ein Jahr erworbene Erwerbstätigenstatus des Klägers im hier streitgegenständlichen Zeitraum noch fortgewirkt. Der Verlust der Beschäftigung sei aufgrund des befristeten Arbeitsverhältnisses auch unfreiwillig gewesen. Einer ausdrücklichen Bestätigung der Unfreiwilligkeit durch die Bundesagentur für Arbeit bedürfe es in den offensichtlichen Fällen des Auslaufens einer solchen Befristung aus Sicht der Kammer nicht.
Die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs.1 S. 1 SGB II hätten hier ebenfalls vorgelegen. Insbesondere gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine etwa fehlende Erwerbsfähigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum. Erwerbsfähig sei nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Kläger habe zwar an durchaus erheblichen Erkrankungen (HIV und Hepatitis) gelitten, die jedoch behandelbar seien. Es könne daher jedenfalls nicht von einer Herabsetzung seiner Leistungsfähigkeit im erforderlichen Ausmaß ausgegangen werden, die in ihrer Dauer nicht absehbar gewesen wäre.
Auch eine Hilfebedürftigkeit des Klägers sei im gegenständlichen Zeitraum gegeben gewesen. Er habe zunächst nach eigener, glaubhafter Aussage lediglich über nicht-bedarfsdeckende Einkünfte in Form von Geld- und Sachspenden der Aidshilfe A-Stadt verfügt. Ab Erlass der einstweiligen Anordnung habe er dann von den vorläufigen Leistungen gelebt. Auf sonstiges Einkommen und Vermögen gebe es keine Hinweise.
Die Festsetzung der Leistungshöhe bleibe dem Beklagten vorbehalten.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 6. Februar 2018 zugestellte Urteil am 2. März 2018 Berufung eingelegt und seinen erstinstanzlichen Vortrag im Wesentlichen wiederholt. Der Kläger könne sich nicht auf einen fortwirkenden Arbeitnehmerstatus berufen. Denn die Arbeitslosigkeit des Klägers sei im Laufe der ersten zwölf Monate, konkret mit Ablauf von zwölf Monaten, eingetreten. Diese Regelung werde vom Sozialgericht übersehen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Januar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Er beruft sich auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung. Befristungen eines Arbeitsverhältnisses dauerten nie ein Jahr und einen Tag, sondern seien regelmäßig auf ein Jahr präzise befristet. Damit solle dem Unionsbürger ermöglicht werden, weiterhin seinen rechtlichen Status zu erhalten.
Die Beteiligten haben sich am 24. Januar 2020 (Kläger) und am 30. Januar 2020 (Beklagter) mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der elektronisch vorliegenden Leistungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte, nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Streitgegenständlich ist die Ablehnung von Leistungen mit Bescheid vom 31. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2013.
Die zwischenzeitlich ergangenen vorläufigen Leistungsbescheide für den Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014 sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, denn sie ändern oder ersetzen den Bescheid vom 31. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2013 nicht. Es handelt sich bei diesen Leistungsbescheiden um bloße Ausführungsbescheide, die hier auf der Grundlage der Entscheidung des Sozialgerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen sind.
Soweit eine einstweilige Anordnung nicht gerade die Verpflichtung der Behörde, einen Verwaltungsakt zu erlassen, zum Inhalt hat, bedarf die einstweilige Anordnung keines Ausführungsbescheides. Die einstweilige Anordnung liefert – etwa für eine Zahlung – selbst den Rechtsgrund; ein Ausführungsbescheid wäre nur deklaratorischer Natur ohne eigene Regelung im Sinne des § 32 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Eines Ausführungsbescheides bedarf es aber etwa dann, wenn die einstweilige Anordnung nur dem Grunde nach ergeht und sich zur Höhe der Zahlung nicht verhält (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 86b SGG (Stand: 12.08.2020) Rn. 461 f.).
Vorliegend hat der Tenor des sozialgerichtlichen Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Leistungshöhe nicht konkret vorgegeben. Er lautet: "Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig vom 5. November 2013 bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens aber bis zum 31. März 2014, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Annahme eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu gewähren, soweit die übrigen Leistungsvoraussetzungen vorliegen". Der Tenor bedurfte daher eines Ausführungsbescheides. Zwar wird vertreten, dass, wenn der Beklagte den Tenor durch Verwaltungsakt konkretisieren muss, es sich nicht um einen bloßen Ausführungsbescheid, sondern um eine eigenständige Regelung handele (LSG Baden-Württemberg v. 23. April 2020 - L 7 AS 1145/19, Rn. 43). Jedoch ist dem vorliegend nicht zu folgen. Denn der Wille des Beklagten, keine Leistungen zu erbringen, ist deutlich gemacht worden, so dass die vorläufige Berechnung der Leistungen wider Willen erfolgt ist und damit nicht als eine dem Beklagten zurechenbare, eigenständige Regelung aufgefasst werden kann.
Ergeht ein deklaratorischer oder notwendiger Ausführungsbescheid, wird dieser nicht gemäß § 86 SGG bzw. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Vorverfahrens oder des gerichtlichen Verfahrens. Er erledigt sich (§ 39 Abs. 2 SGB X) mit Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Ggf. müssen dann neue Bescheide erlassen werden (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 86b SGG (Stand: 12.08.2020) Rn. 461 – 463; Klein in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 96 SGG (Stand: 06.07.2020) Rn. 33; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, § 96 Rn. 4b; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007, B 8/9b SO 20/06 R, Rn. 12 zu Ausführungsbescheiden aufgrund eines Vergleichs).
Der Behandlung der Leistungsbescheide als bloße Ausführungsbescheide steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Leistungsbescheide des Beklagten nicht ausdrücklich als "Ausführungsbescheide" bezeichnet werden. Denn die beiden vorläufigen Leistungsbescheide vom 18. November 2013 enthalten den Hinweis, der Bescheid ergehe ausschließlich aufgrund des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Darmstadt und es würden vorläufig Leistungen gewährt, die gegebenenfalls zurückgezahlt werden müssten. Die beiden Änderungsbescheide vom 9. Dezember 2013 und der Änderungsbescheid vom 11. Februar 2014 enthalten diesen Hinweis zwar nicht mehr. Indessen ändern diese Bescheide nur die Leistungshöhe, lassen den Vorbehalt der Leistung nur aufgrund der einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts unberührt. Weder wollte der Beklagte mit diesen beiden Änderungsbescheiden seine Leistungspflicht anerkennen noch hat der Kläger dies so verstanden noch waren die Bescheide kurz nach Erlass des Widerspruchsbescheides und nach Erhebung der Klage von einem objektiven Empfängerhorizont dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte seine Leistungspflicht anerkenne.
Hinsichtlich der Frage des Leistungsausschlusses des Klägers folgt der Senat den überzeugenden Erwägungen des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Lücke im Wortlaut des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU füllende Auslegung nunmehr auch durch die Rechtsprechung des EuGH gestützt wird und europarechtlich geboten ist (so i.E. auch Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 7 Rn. 105, Stand: 01.03.2020).
Der Vortrag des Beklagten, die Arbeitslosigkeit des Klägers sei im Laufe der ersten zwölf Monate, konkret mit Ablauf von zwölf Monaten, eingetreten, ist in sich selbst widersprüchlich. Entweder ist die Arbeitslosigkeit im Laufe der ersten zwölf Monate oder mit Ablauf, also nach zwölf Monaten eingetreten.
Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger war aufgrund zweier in der Summe auf genau ein Jahr befristeter Verträge vom 1. März 2012 bis 28. Februar 2013 versicherungspflichtig beschäftigt. Genau für diesen Fall enthält die gesetzliche Regelung - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - eine Lücke. Weder die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügigG/EU ("nach mehr als einem Jahr Tätigkeit") noch die des § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügigG/EU ("nach weniger als einem Jahr Beschäftigung") erfasst ihrem Wortlaut eine genau einjährige Beschäftigung.
Diese Regelungslücke kann in europarechtskonformer, die Lücke im Wortlaut füllender Auslegung nur in der Weise geschlossen werden, dass die einjährige Beschäftigung unter den Tatbestand des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügigG/EU ("nach mehr als einem Jahr Tätigkeit") gefasst wird.
§ 2 FreizügigG/EU setzt Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG um. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, findet sich die im deutschen Recht bestehende Wortlautlücke so auch schon im europäischen Sekundärrecht.
Zur Auslegung der Richtlinie 2004/38/EG hat der EuGH in seinem Urteil vom 11. April 2019 – C-483/17 – in der Rechtssache Neculai Tarola (juris Rn. 46-49) ausgeführt (Hervorhebungen durch den Senat):
"Der Aufnahmemitgliedstaat darf nämlich die Dauer der Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft des Unionsbürgers, der im Aufnahmemitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat, begrenzen, doch darf er sie gemäß Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 nicht auf weniger als sechs Monate verkürzen, wenn dieser Bürger aus von seinem Willen unabhängigen Gründen arbeitslos wird, bevor er ein Jahr Erwerbstätigkeit zurücklegen konnte. Ausgehend von dem in dieser Bestimmung genannten ersten Fall ist dies der Fall, wenn die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers nach Ablauf eines befristeten Vertrags mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr endet. Ausgehend von dem in dieser Bestimmung genannten zweiten Fall muss dies auch in all den Situationen der Fall sein, in denen ein Erwerbstätiger aus von seinem Willen unabhängigen Gründen gezwungen war, seine Erwerbstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat vor Ablauf eines Jahres zu beenden, unabhängig von der Art der ausgeübten Erwerbstätigkeit und der Art des hierzu geschlossenen Arbeitsvertrags, d. h. unabhängig davon, ob er eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat und ob er einen befristeten Vertrag mit einer Laufzeit von über einem Jahr, einen unbefristeten Vertrag oder jede andere Art von Vertrag geschlossen hat. Diese Auslegung entspricht dem mit der Richtlinie 2004/38 in erster Linie verfolgten Ziel, das – wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt – darin besteht, das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu stärken, und dem speziell mit ihrem Art. 7 Abs. 3 verfolgten Ziel, das darin besteht, durch die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft das Aufenthaltsrecht der Personen zu sichern, die ihre Berufstätigkeit wegen eines Mangels an Arbeit aufgegeben haben, der auf von ihrem Willen unabhängigen Umständen beruht ( )."
Zwar ging es in der zitieren Entscheidung nicht um einen Unionsbürger, der aufgrund eines befristeten Vertrages und dessen Verlängerung genau ein Jahr in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet hatte. Vielmehr ging es um einen rumänischen Staatsangehörigen, der in Irland für einen Zeitraum von (nur) zwei Wochen anders als mit einem befristeten Vertrag erwerbstätig war und dann unfreiwillig arbeitslos wurde. Damit hatte der EuGH auch keinen Anlass, Art. 7 Abs. 3 Buchstabe b) und c) der Richtlinie 2004/38 für den Fall einer genau ein Jahr dauernden Tätigkeit gegeneinander abzugrenzen, weil die unbegrenzte Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft nach Art. 7 Abs. 3 Buchstabe b) Richtlinie 2004/38 ohnehin nicht in Betracht kam.
Allerdings hat der EuGH Art. 7 Abs. 3 Buchstabe c) der Richtlinie 2004/38 dahin ausgelegt, dass die Verkürzung der Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft des Unionsbürgers, der im Aufnahmemitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger ausgeübt hat, nur in Betracht kommt, wenn dieser Bürger aus von seinem Willen unabhängigen Gründen arbeitslos wird, bevor er ein Jahr Erwerbstätigkeit zurücklegen konnte. Der mindere Schutzstatus soll eintreten, wenn die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers nach Ablauf eines befristeten Vertrags mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr endet.
Damit ist aus Sicht des Senats hinreichend deutlich, dass die Beschränkung der Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft nach § 7 Abs. 3 Buchstabe c) der Richtlinie 2004/38 auf mindestens sechs Monate nicht greifen soll, wenn ein Jahr Erwerbstätigkeit zurückgelegt wurde, weshalb sie im Falle eines befristeten Vertrags mit dessen Ablauf auch nur bei einer Laufzeit von weniger als einem Jahr eintritt.
Nur diese Auslegung wird auch dem europarechtlichen Gebot des effet utile gerecht, wonach gemeinschaftsrechtliche Regelungen möglichst wirksam umzusetzen sind (hierzu z.B. BSG, Urteil v. 30. Juni 2009, B 1 KR 22/08 R, Rn. 24). Die Richtlinie 2004/38 ist auf die Erwägung gestützt, dass die Unionsbürgerschaft jedem Bürger der Union das elementare und persönliche Recht verleiht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Die Freizügigkeit von Personen stellt eine der Grundfreiheiten des Binnenmarkts dar, der einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem diese Freiheit gemäß den Bestimmungen des Vertrags gewährleistet ist (Richtlinie 2004/38 Erwägungsgründe 1 und 2). Die Richtlinie dient also der Verwirklichung der Freizügigkeit als einer der Grundfreiheiten des europäischen Rechts. Gemäß Erwägungsgrund 19 der Richtlinie sollten bestimmte für abhängig oder selbstständig erwerbstätige Unionsbürger und ihre Familienangehörigen geltende Vergünstigungen aufrechterhalten werden, die diesen Personen gegebenenfalls gestatten, ein Recht auf Daueraufenthalt zu erwerben, bevor sie einen Aufenthalt von fünf Jahren in dem Aufnahmemitgliedstaat vollendet haben.
Auf der Grundlage der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Neculai Tarola und unter dem europarechtlichen Gebot des effet utile ist die planwidrige Regelungslücke daher europarechtsfreundlich und damit freizügigkeitsfreundlich dadurch zu schließen, dass auf den Kläger, der ein Jahr aufgrund eines auf ein Jahr befristeten Vertrages beschäftigt war, die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügigG/EU anzuwenden ist. Der Kläger verfügte damit über ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht und war damit im streitgegenständlichen Zeitraum 8. Oktober 2013 bis 31. März 2014 nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Hinsichtlich der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere der Erwerbsfähigkeit des Klägers i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 SGB II und der Hilfebedürftigkeit des Klägers i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 und 4 SGB II verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung und macht sich diese zu eigen.
Über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen ist vom Beklagten nach Erledigung der Ausführungsbescheide mit Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren durch Bescheid zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision gegen dieses Urteil wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die zu treffende Entscheidung sich über den Einzelfall hinaus auswirkt (Breitenwirkung) und von der Antwort auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage abhängt. Breitenwirkung besitzt die Frage, wenn sie über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung in unbestimmt vielen Fällen oder wenigstens einer Mehrzahl weiterer Fälle hat, d.h. wenn sie im Interesse der Allgemeinheit das Recht fortentwickelt oder vereinheitlicht. Die Zulassung scheidet dann aus, wenn die Klage zwar eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, der Rechtsstreit aber bereits aus anderen Gründen zu entscheiden ist und es daher auf die aufgeworfene Rechtsfrage nicht ankommt. In diesem Fall ist die Frage nicht entscheidungserheblich bzw. nicht klärungsfähig und daher - jedenfalls aus diesem Grund - nicht zuzulassen. Die grundsätzliche Bedeutung dient der Herstellung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, § 160 Rn. 6 ff.).
Die hier erhebliche Rechtsfrage, ob eine Beschäftigung von genau einjähriger Dauer aufgrund eines befristeten Vertrages unter § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU fällt, ist soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden und entscheidungserheblich. Sie hat auch die erforderliche Breitenwirkung, weil der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von großer praktischer Bedeutung ist und auf ein Jahr befristete Verträge im Arbeitsleben durchaus üblich und nach deutschem Recht zulässig sind (§ 14 Abs. 2 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge -TzBfG).
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