L 3 U 54/18

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 139/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 54/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Umstand, dass der Versicherte im Unfallzeitpunkt mit einer Verrichtung befasst war, die im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand und dieser zuzuordnen ist, muss im Vollbeweis nachgewiesen sein.
2. Im konkreten Fall bestehende Beweisschwierigkeiten – etwa aufgrund einer unfallbedingten Erinnerungslücke des Betroffenen – sind im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 SGG) durch das Gericht zu berücksichtigen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. November 2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses vom 4. März 2014 als Arbeitsunfall in Form eines Betriebswegeunfalls.

Der 1987 geborene Kläger arbeitete im Zeitpunkt des Unfalls bei der Firma C. GmbH in C Stadt hauptsächlich als Bodenverleger und Auslieferungsfahrer und war in dieser Tätigkeit nach den Feststellungen der Beklagten bei dieser gesetzlich unfallversichert. Bei dem Kläger besteht eine seit dem 15. Lebensjahr bekannte Epilepsie mit seltenen Krampfanfällen (nach seinen Angaben bis zum Unfalltag maximal acht Anfälle). Zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls besaß er eine ihm auf der Grundlage eines Gutachtens des ihn behandelnden Neurologen im Mai 2013 erteilte Fahrerlaubnis mit der Auflage, sich unaufgefordert halbjährlich einer neurologischen Kontrolluntersuchung zu unterziehen. Dem war der Kläger zuletzt am 12. Dezember 2013 nachgekommen. Die fachärztliche Bescheinigung bestätigte ihm Fahrtauglichkeit.

Am Morgen des 4. März 2014 befuhr der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit die A 45 von C-Stadt kommend in Richtung D-Stadt als Fahrer eines Sprinters mit Ziel E Stadt (Gesamtstrecke laut Routenplaner: 34 km). Dort sollte er Ware an einen Kunden ausliefern. Nach ca. 9,1 km verließ er gegen 8:40 Uhr in Höhe der Raststätte F. über die Ausfahrspur die A 45 in Richtung des Tankstellen- und Raststättengeländes, wo er in gerader Linie und vollkommen ungebremst auf das Gebäude der Tankstelle zufuhr, Wand bzw. Fenster des Verkaufsraumes durchbrach und erst kurz vor dem Ende desselben zum Stillstand kam. Dabei wurde ein Mitarbeiter der Raststätte getötet, eine weitere Mitarbeiterin erlitt leichte Verletzungen. Der Kläger wurde mit dem Rettungshubschrauber ins Klinikum Siegen geflogen. Dort diagnostizierte der Durchgangsarzt eine parietale Schädelfraktur mit intrakraniellem Hämatom. Weiter ist im Durchgangsarztbericht festgehalten, dass der Kläger beim Eintreffen noch wach, aber desorientiert gewesen sei. Der Zwischenbericht des Klinikums führt als Komplikation einen operativ zu versorgenden Duraeinriss auf. Bis heute leidet der Kläger unter neurologischen Defiziten, die er auf die bei dem Unfall erlittenen Verletzungen zurückführt.

Nach erfolgter Erstbehandlung in Siegen wurde der Kläger zur medizinischen Rehabilitation in die Neurologische Rehabilitationsklinik Braunfels verlegt. Hier fanden mehrere Gespräche zwischen Reha-Beratern der Beklagten und dem Kläger statt. In einem Besuchsvermerk vom 27. März 2014 ist festgehalten, dass der Kläger keinerlei Erinnerungen an den Unfall habe. Diese Angabe wiederholte er in einem Telefonat vom 23. April 2014 mit der Beklagten. Im ärztlichen Entlassungsbericht der Reha-Klinik Braunfels ist ausgeführt, dass der Kläger bei der Anamnese angegeben habe, dass er sich hinsichtlich des Unfalltages nur noch erinnere, sein Fahrzeug beladen zu haben, nicht aber mehr an die Fahrt. Bei dem Kläger sei eine generalisierte Epilepsie seit dem 15. Lebensjahr bekannt. Er habe lange Intervalle ohne Anfälle gehabt. Anfälle seien vor allem dann aufgetreten, wenn er seine antiepileptische Medikation nicht regelmäßig eingenommen habe.

Nach seiner Entlassung aus der Reha-Klinik wurde der Kläger psychologisch weiter betreut durch das Psychotraumatologische Zentrum für Diagnostik und Therapieplanung an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main (BGU). Hier wurde nochmals der Hergang des Unfallereignisses aufgearbeitet. Der Kläger gab dazu an, seine letzten Erinnerungen würden von der Beladung des Transportfahrzeuges stammen. Auch könne er sich noch daran erinnern, die Autobahnauffahrt genommen zu haben. Er sei dann, das wisse er aus Erzählungen von Dritten, mit seinem Transporter in eine Tankraststätte gefahren. Die Unfallursache sei bis dato unklar. Ein erstes neurologisch-psychiatrisches Zusammenhangsgutachten holte die Beklagte bei Dr. G., BGU, ein. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 3. September 2014 zu dem Ergebnis, wegen der Folgen des Unfalls sei eine MdE von 30 v. H. festzustellen.

Zur weiteren Aufklärung des Unfallhergangs zog die Beklagte die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Limburg bei. Daraus ergibt sich, dass u. a. der Arbeitgeber des Klägers zum Zwischenhalt befragt wurde. Die Geschäftsführer der Firma haben dabei angegeben, dass der Kläger Raucher gewesen sei und sich seine Verpflegung stets unterwegs besorgt habe. Deshalb werde von ihnen vermutet, dass er auf der Tank- und Rastanlage F. Etwaiges habe besorgen wollen. Des Weiteren ist in der Ermittlungsakte ein Gutachten des Prof. Dr. H., Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM), vom 26. Mai 2014 dokumentiert. Dieser gab an, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bereits mit Schreiben vom 27. März 2014 darauf hingewiesen habe, dass ein behandelnder Arzt des Krankenhauses in Siegen der Mutter des Klägers mitgeteilt habe, dass der Kläger unterzuckert gewesen sei. Eine dem Kläger am Unfalltag um 12:00 Uhr entnommene Blutprobe habe zudem einen positiven Nachweis von Tetrahydrocannabinol ergeben (die THC-Konzentration lag laut Laborergebnis bei 54 µg/ml). Der Glucosewert habe mit 72 mg/dl im Normbereich (55-100) gelegen. Das Antiepileptikum Valproinsäure (Ergenyl) habe in therapeutischer Konzentration (54 mg/l) nachgewiesen werden können. Der Ausdruck der Laborergebnisse enthielt die Bewertung des forensischen Chemikers Dr. J., wonach ohne Weiteres davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mittel (THC) gestanden habe. Prof. Dr. H. kam demgegenüber zu dem Schluss, dass dringend davon auszugehen sei, dass dem Unfall ursächlich ein epileptischer Krampfanfall zugrunde gelegen habe. Cannabis wirke im Zusammenhang mit Valproinsäure nicht anfallsfördernd. Im Gegenteil belegten Studien, dass die Einnahme von Cannabinoiden das Risiko für das Auftreten epileptischer Anfälle eher mindere. Der nachgewiesene Valproatspiegel belege, dass der Kläger die verordnete antiepileptische Therapie ordnungsgemäß eingenommen habe. Der vorliegenden "Fahrerlaubnisakte" könne entnommen werden, dass der Kläger erstmals bewusst im November 2003 einen epileptischen Anfall erlitten habe. Nach einem weiteren Anfall 2004 habe er sich in fachärztliche Behandlung begeben und mit einer medikamentösen Therapie begonnen. Der letzte Anfall vor dem Unfall habe sich am 13. November 2012 im Rahmen eines Infektes ereignet. Zu der Frage, ob ein epileptischer Krampfanfall sich ankündige, erklärte der Gutachter, dass dies vom klinischen Anfallstyp abhänge. "Große", primär generalisierte Anfälle kündigten sich nicht an und kämen für den Betroffenen unvorhersehbar. Jedenfalls könnten keine Maßnahmen mehr ergriffen werden, um irgendwelche (Schutz-)Vorkehrungen zu treffen. Daneben gebe es so genannte partielle Anfälle, die "bewusst" erlebt würden, sowie Anfälle, die sich für den Betroffenen zunächst ankündigten und dann im Verlauf in einen generalisierten Anfall mit komplettem Bewusstseinsverlust übergingen. Aus den vorliegenden Unterlagen ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Kläger in der Vorgeschichte partielle Anfälle vorgelegten hätten. Bei den bei ihm auftretenden Anfällen handele es sich damit mit aller Wahrscheinlichkeit um große generalisierte Anfälle, die für den Kläger unvorhersehbar aufträten.

Mit Bescheid vom 27. November 2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf die im Unfallzeitpunkt beim Kläger bestehende THC-Konzentration und führte aus, dass der Drogenkonsum als die allein wesentliche Unfallursache anzusehen sei. Ein epileptischer Anfall als Unfallursache könne demgegenüber angesichts der ordnungsgemäßen Einnahme der antiepileptischen Therapie am Unfalltag sowie des Umstandes, dass der Cannabiskonsum als Verursacher eines epileptischen Krampfanfalls vom Gutachter ausdrücklich ausgeschlossen worden sei, allenfalls vermutet, nicht jedoch voll bewiesen werden. Es könne damit dahingestellt bleiben, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt überhaupt bei einer versicherten Tätigkeit gewesen sei. Der Bescheid enthält weder Ausführungen zu den Unfallfolgen noch zu den abgelehnten "Entschädigungsleistungen" im Einzelnen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 4. Dezember 2014 Widerspruch ein. Die Beklagte zog im Widerspruchsverfahren nochmals die Akten der Staatsanwaltschaft bei. Im dortigen Ermittlungsverfahren war zusätzlich ein Unfallgutachten des Prof. Dr. I., Institut für Methodische Analysen, beigezogen worden. Diesem lässt sich entnehmen, dass der Kläger von der Abfahrtspur der A 45 kommend ab etwa 180 m vor dem Kollisionsbeginn in gerader Fahrlinie und mit freier Sicht auf den Verkaufsraum der Tankstelle zugefahren sei. Nach dem Einbiegevorgang auf die Raststätte sei es zu keinerlei Lenk- oder Bremsreaktion mehr gekommen. Der Kläger müsse spätestens etwa 150 m vor dem Beginn der Kollision die Lenkkontrolle über das Fahrzeug verloren haben. Witterungsbedingte Einflussfaktoren auf die Sicht oder auf die Griffigkeit der Fahrbahnoberfläche seien zum Unfallzeitpunkt nicht vorhanden gewesen, die Lichtverhältnisse hätten eine gute Sicht ermöglicht, Verunreinigungen oder sonstige, die Fahrzeugverzögerung beeinflussende Störgrößen könnten ausgeschlossen werden. Die Bremsanlage sei voll funktionsfähig gewesen, für Mängel an der Fahrzeuglenkung lägen keine Anhaltspunkte vor. Der Gurt des Klägers sei im Unfallzeitpunkt geschlossen gewesen, das 6-Gangschaltgetriebe habe sich im Leerlauf befunden. Die Auslesung der elektronischen Fahrzeugeinrichtungen mittels EOBD-Diagnoseabfrage habe eine Aufprallgeschwindigkeit von 79 km/h ergeben.

Die staatsanwaltliche Ermittlungsakte enthielt weiterhin eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. H., UKGM, vom 10. November 2014, die dieser nach Überlassung der Krankenakte des Klägers gefertigt hatte. Darin stellt er fest, dass im ersten Narkoseprotokoll vom Unfalltag ein Blutzucker-Wert von 46 mg/dl dokumentiert sei; die genaue Uhrzeit für die Entnahme sei nicht entzifferbar (10: ? Uhr). Der nächste gemessene Wert sei der aus der um 12:00 Uhr entnommenen Blutprobe (Blutzucker-Wert von 72 mg/dl) gewesen. Dieser sei vermutlich damit zu erklären, dass während der ersten Narkose zwischen 9:30 Uhr und 11:15 Uhr ein Ausgleich des Blutzuckerwertes vorgenommen worden sei. Möglicherweise habe damit zum Zeitpunkt des Unfalls eine Hypoglykämie vorgelegen. Eine Unterzuckerung sei anerkanntermaßen ein Reiz für die Provokation eines epileptischen Anfalles, insbesondere wenn bereits eine Epilepsie vorbekannt sei. Eine solche Unterzuckerung müsse damit als auslösende Ursache des Krampfanfalles in Erwägung gezogen werden. Dass der Unfall unmittelbar durch die Hypoglykämie ausgelöst worden sei, halte er demgegenüber für weniger wahrscheinlich, weil der Kläger nach dem Unfall wach und ansprechbar gewesen sei und zu diesem Zeitpunkt definitiv kein hypoglykämisches Koma vorgelegen habe.

Des Weiteren war von der Staatsanwaltschaft ein rechtsmedizinisches Gutachten bei Prof. Dr. K. eingeholt worden. Zusammengefasst kommt der Gutachter darin zu dem Ergebnis, aus forensisch-toxikologischer Sicht spreche der vorliegende Unfallablauf (ca. 150 Meter vor der ersten Kollision Lenkkontrolle über das Fahrzeug verloren, keine Bremsreaktion) nicht für einen Fahrfehler, der kausal allein auf den Konsum von Cannabinoiden zurückgeführt werden könne.

In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. H. vom 7. Mai 2015 bestätigt dieser, dass nach den Umständen des Unfallhergangs ein sehr kurzfristig eingetretener vollständiger Kontrollverlust des Fahrers vorgelegen haben müsse. Daraus, dass das 6 Gang-Schaltgetriebe sich laut Unfallgutachten in Leerlaufposition befunden habe, schließe er, dass der Kläger beim Einfahren in die Raststätte (nur) noch ausgekuppelt habe. Dies schließe seines Erachtens Ursachen (z. B. Unterzuckerung), die sich durch subjektives Unwohlsein über einen längeren Zeitraum ankündigten, aus oder mache diese zumindest eher unwahrscheinlich. Für Krampfanfälle sei es typisch, dass sie plötzlich ohne Vorwarnung für den Betroffenen aufträten und unmittelbar zur Bewusstlosigkeit führten. Da bei dem Kläger eine Epilepsie bestehe und bereits mehrere Krampfanfälle aufgetreten seien, sehe er daher diese Interpretation für dringend wahrscheinlich an.

Ausweislich der Akte stellte die Staatsanwaltschaft Limburg gestützt auf diese unfalltechnischen und medizinischen Erkenntnisse das Ermittlungsverfahren mit Beschluss vom 27. Mai 2015 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung – StPO –, § 47 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten – OWiG – ein.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2015 zurück. Zur Begründung verwies sie nochmals auf den ihrer Auffassung nach erheblichen Umfang des Cannabis-Einflusses. Nach den Arzneimittelinformationen über das vom Kläger ständig eingenommene Antiepileptikum (Ergenyl) müsse davon ausgegangen werden, dass der gleichzeitige Einfluss des Medikaments und des Cannabis zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit des Klägers geführt habe. Im Gegensatz zu der Würdigung des im Strafverfahren gehörten neurologischen Sachverständigen halte es die Beklagte aufgrund fehlender tatsächlicher Anknüpfungspunkte nicht für voll bewiesen, dass ein unvermittelt aufgetretener Krampfanfall zur Kollision geführt habe. Als weitere, erstmals im Widerspruchsverfahren eingeführte Begründung verwies die Beklagte darauf, dass auch nicht voll bewiesen sei, dass der Kläger sich, nachdem er von der Autobahn abgefahren und auf das Gelände der Tank- und Rastanlage eingebogen sei, bei einer versicherten Tätigkeit befunden habe. Es kämen nach Sachlage sowohl versicherte als auch unversicherte Motive für das Verlassen der Autobahn in Betracht. Fest stehe jedoch, dass der Kläger damit seinen eigentlichen Betriebsweg unterbrochen habe. Auch auf Betriebswegen gelte, dass während der Zeit einer Unterbrechung kein Versicherungsschutz bestehe, wenn nicht während der Unterbrechung Tätigkeiten verrichtet würden, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stünden.

Hiergegen hat der Kläger Klage am 1. Oktober 2015 zum Sozialgericht Gießen erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2015 zu verurteilen, das Ereignis vom 4. März 2014 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren. Sein Cannabis-Konsum sei nicht wesentliche Ursache für den Unfall gewesen. Im Übrigen erinnere er sich auch weiterhin nicht daran, was kurz vor dem Unfall geschehen sei. Selbst eine kurze Rast oder Pause oder aber auch der Kauf eines Getränks oder der Gang zur Toilette seien aber noch von dem Begriff des Wegeunfalls bzw. im Rahmen des § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII als versicherte Tätigkeit abgedeckt. Er könne nicht verstehen, wie sein Arbeitgeber überhaupt auf die Idee habe kommen können, dass er sich auf der Raststätte sein Frühstück habe holen wollen. Er habe sein Frühstück immer von zu Hause mitgebracht. Auch habe er im Auto rauchen können und hätte dazu nicht auf die Raststätte fahren müssen. Man habe schließlich auch Zigaretten in seinem Kfz gefunden.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Den Kläger treffe die Beweislast dafür, dass die Wegeabweichung noch dem versicherten Bereich zuzuordnen sei. Dies sei ihm nach seinem bisherigen Vortrag nicht möglich. Zu ihrer Überzeugung sei der Unfall zudem allein rechtlich wesentlich durch absolute Fahruntüchtigkeit infolge des Konsums von Cannabis bei gleichzeitiger Einnahme von Valproinsäure verursacht worden.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nach Aktenlage bei Dr. L., Bad Oeynhausen. Die Sachverständige kommt in ihrem Gutachten vom 14. September 2016 zu dem Ergebnis, die konkurrierende Ursache des Cannabis-Konsums sei nicht die überwiegend wesentliche Ursache im Sinne der sozialrechtlichen Kausalitätslehre. Nach den Behandlungsunterlagen vom Unfalltag habe der Kläger sich im Unfallzeitpunkt nicht mehr in einer akuten Phase des Cannabiskonsums befunden (keine entsprechenden Auffälligkeiten sowohl in Bezug auf die Pupillenreaktion als auch kardiopulmonal). Auch könne sie den Ausführungen von Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 26. Mai 2014 beitreten, insofern als nach dem wissenschaftlichen Sachstand durch Cannabis-Konsum keine Auslösung von Krampfanfällen, sondern eher eine Reduktion der Anfallsfrequenz beobachtet werden könne. Wahrscheinlich sei, dass dem Unfall ein generalisierter Krampfanfall ohne Vorzeichen vorausgegangen sei. Es bestehe eine unfallbedingte MdE in Höhe von 30 v.H.

Mit Urteil vom 24. November 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls seien nicht gegeben. Dabei habe die Beklagte ihren angegriffenen Bescheid vom 27. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2015 zu Unrecht hauptsächlich damit begründet, dass im Rahmen der Kausalität der konkurrierenden Ursache des Cannabis-Konsums überragende Bedeutung zukomme. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Cannabis-Konsum allein oder überwiegend die wesentliche Ursache für den Unfall gewesen sei. Dennoch könne das Ereignis nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden, da nicht nachgewiesen sei, dass die von dem Kläger verübte Verrichtung im Zeitpunkt des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen gewesen sei. Danach müsse ein im Vollbeweis nachweisbarer sachlicher Zusammenhang zwischen dem Abweg des Klägers von der A 45 und seiner versicherten Tätigkeit bestehen. Fest stehe nach den Ermittlungen, dass der Kläger auf der Rastanlage keinen Arbeitsauftrag auszuführen gehabt habe. Auch gebe es wohl keine Vereinbarung zwischen dem Firmeninhaber und der Raststätte, dass ausschließlich hier das Betanken der Betriebswagen durchgeführt werde. Auch weitere Gründe für das Abbiegen auf die Rastanlage hätten nicht ermittelt werden können. Der Kläger habe insoweit zu allen Zeiten angegeben, er könne sich an praktisch nichts mehr erinnern. Letztlich stehe damit auch nicht fest, in welchem Zeitpunkt der Fahrt der Kläger wahrscheinlich einen Krampfanfall mit Bewusstlosigkeit erlitten habe. Dass im Schaltgetriebe des verunglückten Fahrzeugs der Leerlauf eingelegt gewesen sei, sei für die Kammer nur ein Indiz dafür, dass der Kläger bewusst und gewollt die A 45 verlassen habe, um auf die Rastanlage abzubiegen. Mit fast gleicher Wahrscheinlichkeit sei möglich, dass der Kläger durch den Krampfanfall noch um sich geschlagen und dabei den Gang herausgerissen habe. Allerdings komme nach Ansicht des Gerichts einem anderen Indiz entscheidende Bedeutung zu. Fest stehe nämlich, dass der Kläger auf geradem Weg und völlig ungebremst in das Kassenhäuschen der Tank- und Rastanlage gefahren sei. Er habe also willentlich keine Lenkbewegungen mehr durchgeführt. Aus dem Straßenverlauf ergebe sich, dass zum Aufsuchen der Ausfahrt eine bewusste Lenkbewegung habe erfolgen müssen. Die Ausfahrspur bewege sich dann in einer leichten Rechtskurve auf die Tank- und Rastanlage zu. Eine Kollision mit dem Kassenhäuschen komme nur in Betracht, wenn der Kläger erst etliche Meter nach Verlassen der Fahrspuren der Autobahn im Ausfahrtstreifen die Hauptspur verlassen habe und gerade weitergefahren sei. Dies werde anhand der im Verfahren beigezogenen Satellitenaufnahme der Tankstelle deutlich an den klar erkennbaren Hauptspuren in der Ausfahrt, die sich halblinks und halbrechts aufteilten, während nur die gerade Linie über den Tankbereich zum Kassenhäuschen führe. Demgegenüber erscheine es unmöglich, dass der Kläger schon auf der Autobahn selbst bewusstlos geworden sei, da er dann einen anderen Weg hätte nehmen müssen. Er wäre dann – so das Sozialgericht – entweder in die die Autobahn begrenzenden Büsche gefahren oder in einem wesentlich steileren Winkel in die Tank- und Rastanlage. Hierbei wäre es unmöglich gewesen, das Kassenhäuschen zu treffen. Nur unter der Annahme, dass der Kläger noch bewusst von der Autobahn abgefahren sei und erst bei Aufteilung der Hauptspuren um die Tankstelle herum das Bewusstsein verloren habe, sei die Kollision überhaupt zu erklären. Das bedeute im Ergebnis, dass eine Handlungstendenz des Klägers zum Aufsuchen der Tank- und Rastanlage nachgewiesen sei. Nicht nachgewiesen sei demgegenüber, warum der Kläger vom versicherten Weg abgebogen sei und ob es hierfür dem Versicherungsschutz zuzurechnende Gründe gegeben habe. Dies lasse sich nicht mehr aufklären. Die Beweislast hierfür als anspruchsbegründende Tatsache treffe den Kläger. Da kein Grund für das Verlassen der A 45 aus versicherter Tätigkeit nachgewiesen sei, könne das Ereignis nicht als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII anerkannt werden.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 20. März 2018 Berufung eingelegt und hierbei vertreten, dass sich der Unfall während seiner Arbeit und in Verrichtung seiner Tätigkeit als Auslieferungsfahrer ereignet habe. Er habe sich an diesem Tag auf der A 45 auf direktem Weg zu einem Kunden befunden. Bereits die Annahme, dass er willentlich auf die Ausfahrt zur Raststätte gesteuert sei, sei reine Spekulation. Das Sozialgericht habe insofern in Ermangelung der erforderlichen eigenen Sachkunde nicht vom Straßenverlauf auf einen bestimmten Unfallhergang schließen dürfen, ohne zuvor ein unfallanalytisches Gutachten zum zeitlichen Beginn des Kontrollverlustes bzw. des Abkommens von der Autobahn einzuholen. Der Kläger habe im Übrigen keinen Anlass gehabt, sich etwas zu essen oder zu trinken oder Zigaretten zu holen; normalerweise frühstücke er zu Hause und habe eigene Verpflegung dabei, auch Zigaretten habe man nach dem Unfall im Auto gefunden. Auch sonst habe es keinerlei Veranlassung zu einer privaten Tätigkeit gegeben. Angesichts des Umstandes, dass feststehe, dass der Kläger sich noch Sekunden vor dem Unfall auf einem versicherten Betriebsweg befunden habe, treffe die Beweislast dafür, dass er diesen vor Einsetzen des epileptischen Anfalls verlassen habe, die Beklagte. Insofern gälten dieselben Grundsätze zur Beweislastumkehr wie bei Unfällen am Arbeitsplatz. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass der Kläger die Raststätte willentlich angesteuert habe, bedeute dies noch nicht, dass er damit seine versicherte Tätigkeit unterbrochen habe. Denn geringfügige Unterbrechungen, die auf einer Verrichtung beruhten, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen seien und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden könnten, berührten den Versicherungsschutz nicht. Autobahnraststätten seien zur Ermöglichung einer Auszeit und Pause für den Autofahrer gedacht; bei lebensnaher Betrachtung könne insofern allenfalls von einer kurzen Unterbrechung, nicht jedoch von einer dauerhaften Abkehr von der beruflichen Tätigkeit ausgegangen werden. Auch die während der Zurücklegung eines Betriebsweges auf einer Autobahn genommene Ausfahrt auf eine Raststätte sei insofern vom Schutzbereich der Norm – Unfallversicherungsschutz beim Zurücklegen von Betriebswegen – umfasst. Bei natürlicher Betrachtung sei schließlich davon auszugehen, dass der Kläger Anzeichen für sein Unwohlsein verspürt und instinktiv die Ausfahrt zur Raststätte genommen habe, um dort eine kurze Verschnaufpause einzulegen. Wegen des erfolgten Cannabis-Konsums könne der Versicherungsschutz schließlich nur ausgeschlossen werden, wenn die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit im Vollbeweis nachgewiesen sei. Diese Annahme hätten die Mediziner aber übereinstimmend abgelehnt. Auch insoweit liege die Beweislast bei der Beklagten.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. November 2017, Az.: S 1 U 139/15, aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2015 aufzuheben und das Ereignis vom 4. März 2014 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Nach wie vor sei nicht nachgewiesen, dass der Unfall durch einen Krampfanfall und nicht allein wesentlich durch die kombinierte Wirkung des Cannabis-Konsums und der Epilepsie-Medikation verursacht worden sei. Auch treffe den Kläger die Beweislast dafür, dass er sich im Zeitpunkt des Unfalls auf einem versicherten Betriebsweg befunden habe, das von ihm behauptete Unwohlsein bzw. der Krampfanfall also noch auf der direkten Wegstrecke eingetreten sei oder doch zumindest die Wegeabweichung noch der versicherten Zurücklegung des Betriebsweges zuzurechnen sei.

Der Senat hat einen Befundbericht bei dem den Kläger gegenwärtig behandelnden neurologischen Facharzt Dr. M. sowie die Behandlungsunterlagen des den Kläger vor dem Unfallzeitpunkt behandelnden Dr. N. beigezogen. Anschließend hat er ein neurologisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage bei Prof. Dr. O., Kiel, eingeholt. Dieser kommt in seinem Gutachten vom 5. Oktober 2020 zu dem Schluss, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass der Kläger vor dem Unfall einen epileptischen Anfall erlitten habe. Der Unfallhergang lasse auf einen kurzzeitigen vollständigen Kontrollverlust über das Fahrzeug schließen, der nur mit einer plötzlichen Bewusstlosigkeit zu erklären sei. Eine kreislaufbedingte Bewusstlosigkeit sei bei dem jungen, ansonsten gesunden Mann unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher sei angesichts des bestehenden Grundleidens, dass die Bewusstlosigkeit auf einen zerebralen Anfall zurückzuführen sei. Zwar habe eine das Risiko eines Anfalls vermindernde antikonvulsive Medikation bestanden. Diese schließe aber das Auftreten von epileptischen Anfällen nicht vollständig aus. Zudem zeige die Krankengeschichte des Klägers, dass dieser nur unter relativ hohen Valproinsäure-Blutspiegeln anfallsfrei gewesen sei. Es fände sich diesbezüglich ein Eintrag in der Akte des behandelnden Neurologen. Obwohl die Blutspiegel während der gesamten Behandlung im theoretischen therapeutischen Bereich gewesen seien, hätten sich im Spiegelbereich zwischen 50 und 65 µg/ml in den Jahren 2010 bis 2012 mindestens drei zerebrale Anfälle ereignet. Im Juni 2013 sei die Dosis (gegenüber einer zuvor erfolgten Anhebung auf 1500 mg pro Tag) auf 1250 mg pro Tag reduziert worden, was einen Abfall des Valproatspiegels von vorher um die 100 µg/ml auf 85 µg/ml zur Folge gehabt habe. Weitere Blutwerte lägen nicht vor. Am Unfalltag habe der Spiegel nur 54 µg/ml betragen. Des Weiteren sei während der Erstversorgung im Krankenhaus ein niedriger Blutzuckerwert von 46 mg/dl gemessen worden. Es hätten also zum Unfallzeitpunkt zwei Umstände bestanden, die das Auftreten eines epileptischen Anfalls begünstigten. Daraus folge, dass trotz der antikonvulsiven Behandlung und regelmäßiger Einnahme der Medikamente das Auftreten eines epileptischen Anfalls in der gegenständlichen Situation "sehr sehr gut nachzuvollziehen" sei. Die ermittelte Blutkonzentration der Cannabis-Droge sei demgegenüber nicht geeignet gewesen, einen vollständigen Bewusstseins- und Kontrollverlust herbeizuführen. Vielmehr hätte ein cannabisinduzierter Rausch zu einem auffälligen Fahrverhalten geführt. Darüber hinaus dürfe man annehmen, dass der Kläger auch unter dem leichten Drogeneinfluss durchaus in der Lage gewesen wäre, das Fahrzeug abzubremsen bzw. die Kollision mit einem Gebäude zu vermeiden. Der Cannabiskonsum vor dem Unfalltag habe auch für die Auslösung des Anfalls keine Rolle gespielt. Vielmehr müsse man – wie schon im neurologischen Gutachten von Prof. Dr. H. angeführt – davon ausgehen, dass die Substanz eher zu einer Minderung des Anfallsrisikos beigetragen habe. Wahrscheinlich seien die am Unfalltag gemessenen niedrigen Serumkonzentrationen an Cannabinoiden in Bezug auf die Epilepsie aber in keiner relevanten Weise pharmakologisch wirksam gewesen. Schließlich sei wohl möglich, dass sich ein epileptischer Anfall mit sofortigem Eintritt der Bewusstlosigkeit noch auf der Autobahn und zufällig genau in Höhe der Raststätte ereignet habe; daraus resultierende unfalltechnische Überlegungen seien nicht Aufgabe eines Mediziners. Epileptische Anfälle könnten sich aber auch durch vorausgehende Wahrnehmungsveränderungen, sogenannte Auren ankündigen. Bei diesen ersten Zeichen eines epileptischen Anfalls müsse es noch nicht zum Bewusstseinsverlust kommen, so dass die Betroffenen Maßnahmen ergreifen könnten, um sich nicht zu verletzen. Insofern sei es "durchaus möglich", dass das beginnende Anfallsgeschehen Symptome verursacht habe, die den Kläger dazu veranlassten, die Autobahn zu verlassen und eine Raststätte aufzusuchen, und dass der Anfall und der damit einhergehende Kontrollverlust dann beim Einfahren in die Raststätte aufgetreten seien.

Die Beteiligten haben ihre Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der Beratung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis vom 4. März 2014 um einen Arbeits- bzw. Betriebswegeunfall handelt.

Der Kläger hat bei dem Verkehrsunfall am 4. März 2014 keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII erlitten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang). Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod der Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 15/15 R – juris Rn. 14; stRspr.).

In den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 SGB VII fallen auch Betriebswege, d.h. Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden. Sie sind Teil der versicherten Tätigkeit bzw. stehen dieser gleich, weil sie in unmittelbarem Betriebsinteresse unternommen werden und nicht – wie die dem § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unterfallenden Wege von und nach dem Ort der Tätigkeit – lediglich der versicherten Tätigkeit voran- oder ihr nachgehen (stRspr.; vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 19/18 R – juris Rn. 15 m.w.N.). Ob der Weg, den ein Versicherter im Zeitpunkt des Unfallereignisses zurücklegte, im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt wurde und deswegen als sogenannter Betriebsweg im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand, bestimmt sich grundsätzlich nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten, also danach, ob dieser eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit (subjektiv) ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (stRspr. seit BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 23/03 R – juris). Zur Objektivierung der Handlungstendenz sind stets alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Unfallzeitpunkt, der konkrete Ort des Unfallgeschehens sowie dessen objektive Zweckbestimmung, als äußere Indizien (Hilfstatsachen) zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 27. November 2018 – B 2 U 8/17 R – juris Rn. 13 m.w.N.). Maßgebend für die Prüfung ist regelmäßig die kleinste beobachtbare Handlungssequenz (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 8/14 R – juris Rn. 14; Spellbrink, WzS 2011, 351, 354).

Der Kläger war im Unfallzeitpunkt als Angestellter sozialversicherungspflichtig beschäftigt und damit Versicherter im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Er hat am 14. März 2014 einen Unfall in Form eines schweren Verkehrsunfalls und also ein zeitlich begrenztes, auf den Körper einwirkendes äußeres Ereignis erlitten, das zu einem Gesundheitserstschaden (parietale Schädelfraktur mit intrakraniellem Hämatom; Duraeinriss) geführt hat.

Die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall scheitert aber daran, dass es auch unter Berücksichtigung aller Aspekte des Falles an dem Nachweis fehlt, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls einer Verrichtung nachging, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist.

Dabei muss der Umstand, dass der Versicherte im Unfallzeitpunkt mit einer Verrichtung befasst war, die der versicherten Tätigkeit zuzuordnen ist, im Vollbeweis nachgewiesen sein (nur BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – B 2 U 16/15 R – juris Rn. 23; stRspr.). Beim Vollbeweis muss sich das Gericht grundsätzlich die volle Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen verschaffen. Ausreichend ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Tatsache in so hohem Maß wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu bilden (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Auflage 2020, § 128 Rn. 3b). Die Beweislast für das Vorliegen der den Arbeitsunfall begründenden Umstände als anspruchsbegründende Tatsachen trägt der Versicherte unabhängig von den Umständen, die gegebenenfalls zur Beweislosigkeit führen. Im konkreten Fall bestehende Beweisschwierigkeiten – etwa aufgrund einer unfallbedingten Erinnerungslücke des Betroffenen – sind im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 SGG) durch das Gericht zu berücksichtigen (zuletzt BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 – B 2 U 9/19 R – Terminbericht 37/20; stRspr., etwa auch BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 – B 2 U 18/98 R – juris Rn. 27; Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 25/03 R – juris Rn. 17; Urteil vom 2. November 1999 – B 2 U 42/98 R – juris, Rn. 20; Urteil vom 18. April 2000 – B 2 U 7/99 R – juris Rn. 29; Ricke in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand 110. EL Juli 2020, § 8 SGB VII Rn. 270; Jung/Brose in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB VII, 2. Auflage, 2019, § 8 Rn. 93). Ist der Sachverhalt letztlich nicht endgültig aufklärbar, führen aber sämtliche in Betracht kommenden Tatbestandsvarianten dazu, dass dabei Unfallversicherungsschutz bestand, ist der Klageanspruch im Wege der Wahlfeststellung begründet (BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 – B 2 U 23/99 R – juris Rn. 22 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnte der Senat nicht zu seiner vollen Überzeugung feststellen, dass die vom Versicherten im Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung in einem inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Auslieferungsfahrer gestanden hat.

Fest steht für den Senat allerdings, dass der Kläger sich am Morgen des 4. März 2014 bei der Fahrt über die A 45 grundsätzlich auf dem Weg zu einem Kunden, dem er Ware seiner Firma ausliefern sollte, und damit auf einem versicherten Betriebsweg befand. Im Vollbeweis ist zur Überzeugung des Senats auch erwiesen, dass der Kläger vor dem Unfall einen epileptischen Anfall erlitt, der spätestens 150 m vor der Kollision zum vollständigen Kontrollverlust über das Fahrzeug führte. So legten bereits Prof. Dr. K. im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren wie später auch der Sachverständige im Berufungsverfahren Prof. Dr. O. überzeugend dar, dass der Unfallhergang mit einem schlichten cannabisbedingten Leistungsabfall bei der Führung des Fahrzeuges nicht erklärbar sei. Der Kläger ist vor dem Unfall über jedenfalls 150 m ohne jedwede Bremsaktivität oder irgendeinen Versuch, dem Zusammenstoß auszuweichen, auf den Verkaufsraum der Tankstelle zugefahren. Fahrunsicherheiten wegen einer cannabisbedingten Konzentrationsschwäche oder verfehlten Einschätzung der Verkehrssituation können ein solches Fahrverhalten auch zur Überzeugung des Senats nicht begründen, selbst wenn diese – wogegen sich Prof. Dr. O. hier allerdings ausgesprochen hat – durch die gleichzeitige Einnahme von Ergenyl verstärkt worden sein sollten. Angesichts des konkreten Unfallgeschehens ist vielmehr mit den Gutachtern und Sachverständigen davon auszugehen, dass der Kläger kurz vor der Kollision einen vollkommenen Kontrollverlust erlitten hat, der nur durch einen Krampfanfall und/oder eine Ohnmacht zu erklären ist. Bereits der Gutachter Prof. Dr. H. hat das Unfallgeschehen insofern als wahrscheinlich auf einen epileptischen Anfall des Klägers zurückgeführt. Der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. O. hat zudem überzeugend ausgeführt, dass in der gegebenen Situation zwei Faktoren zusammengekommen waren, die trotz der medikamentösen Therapie der Epilepsie ein solches Krampfgeschehen über das ohnehin bestehende Restrisiko hinaus begünstigten: zum einen der zwar noch therapeutisch wirksame, aber doch verhältnismäßig geringe und – wie aus der medizinischen Akte des Klägers bekannt – ein Anfallsgeschehen bei diesem nicht sicher ausschließende Valproatspiegel im Blut des Klägers, zum anderen die nachgewiesene Unterzuckerung zum Zeitpunkt des Unfalls, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet ist, einen epileptischen Schock zu provozieren. Zugleich haben Prof. Dr. H., Dr. L. und Prof. Dr. O. andere Ursachen für den Eintritt einer Bewusstlosigkeit – allgemeine Kreislaufproblematik, Hypoglykämie, Cannabiskonsum – im Fall des Klägers ausgeschlossen. Der Sachverständige Prof. Dr. O. ist damit – den Senat überzeugend – zu dem Schluss gekommen, dass der Unfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch ein epileptisches Krampfgeschehen während der Fahrt zurückzuführen ist.

Der eigentliche Unfall – die Kollision mit dem Tankstellengebäude – ereignete sich jedoch nicht auf der Autobahn und damit auf dem direkten Betriebsweg, sondern auf der an der Autobahn liegenden Raststätte F. Das Gleiche gilt für den im Vollbeweis feststehenden spätesten Zeitpunkt des vollständigen Kontrollverlustes des Klägers über sein Fahrzeug. Soweit der Kläger die Abfahrt zur Raststätte zur Erledigung einer privaten Verrichtung genommen hat, hätte er damit im Moment des – bewiesenen – Anfallsgeschehens bzw. der Kollision den versicherten Weg zuvor verlassen. Denn anders als der Kläger meint, stellt eine bewusste Abfahrt von der Autobahn zur Erledigung einer privaten Verrichtung keine nur geringfügige (versicherte) Unterbrechung des Weges dar, die so unerheblich wäre, dass sie sich bei natürlicher Betrachtung zeitlich und räumlich noch als Teil des Betriebsweges darstellen würde. Eine Unterbrechung ist nur dann als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie zu keiner erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2019 – B 2 U 31/17 R – juris Rn. 20: Anhalten mit dem Pkw, um einen Brief in den Briefkasten einzuwerfen, als nicht mehr geringfügige Unterbrechung). Hiervon kann bei der Abfahrt von der Autobahn auf eine Tankstelle bzw. Raststätte zum Zweck der Einlegung einer Pause oder der Erledigung einer Besorgung nicht mehr ausgegangen werden. Widmet sich der Versicherte aber auf einem Betriebsweg erkennbar der Erledigung einer nicht nur kurzfristigen privatnützigen (eigenwirtschaftlichen) Verrichtung, dann ist seine Handlungstendenz von diesem Zeitpunkt an nicht mehr auf das Zurücklegen des Betriebsweges gerichtet (vgl. auch Wagner in: jurisPK-SGB VII, 2. Auflage, 2014, Stand 26. Mai 2020, § 8 Rn. 205 ff. mit weiteren Beispielen).

Damit kommt es vorliegend, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, für die Anerkennung des Unfallereignisses entscheidend darauf an, ob sich bei den gegebenen Parametern im Vollbeweis feststellen lässt, dass der epileptische Anfall den Kläger entweder noch während seiner Fahrt auf der A 45 ereilte und den Abweg auf die Raststätte bewirkte, oder aber, falls der Krampfanfall überraschend auftrat, nachdem der Kläger den Abbiegevorgang aus einem anderen Grund eingeleitet hatte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein inhaltlicher Zusammenhang bestand zwischen dem – dann frei gewählten – Abweg des Klägers von der A 45 in Richtung der Tankstelle/Raststätte und seiner versicherten Tätigkeit. Hiervon konnte der Senat sich jedoch im Ergebnis nicht auch nicht in Form der Wahlfeststellung – mit der erforderlichen Sicherheit überzeugen. Der Kläger hat an das Unfallereignis an sich keinerlei Erinnerung. Ebenso wenig kann er sagen, ob er unmittelbar vor dem Unfall noch bewusst von der Autobahn in Richtung der Raststätte abgebogen ist (sowie gegebenenfalls, aus welchem Grund) oder nicht. Das Geschehen vor der Kollision wurde nicht von Zeugen beobachtet; auch sämtliche sonstigen Aufklärungsansätze der Staatsanwaltschaft – wie etwa die Auswertung der Videoaufzeichnungen an der Tankstelle – gingen ins Leere. Damit kann zur Konkretisierung des dem Unfall unmittelbar vorangehenden Geschehens nur auf die sonstigen vorhandenen Indizien zurückgegriffen werden. Danach sind allerdings verschiedene Szenarien denkbar bzw. möglich, bei denen von einem bestehenden Unfallschutz des Klägers auszugehen wäre. Ebenso möglich ist aber ein Geschehensablauf, bei dem der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls bzw. des Einsetzens des epileptischen Anfalls nicht mehr bei einer versicherten Verrichtung war. Dabei musste der Senat nicht abschließend aufklären, ob es – wie das Sozialgericht angenommen hat – angesichts des Straßenverlaufs und der bekannten Umstände tatsächlich unmöglich war, dass der Kläger noch auf der Autobahn, auf Höhe der Abfahrt, ohnmächtig wurde und der Sprinter von dort aus – ohne gezielte Lenkbewegung des Klägers – auf die Abfahrt abkam und weiter in den Tankstellenverkaufsraum fuhr. Denn genauso möglich ist es nach der insofern nachvollziehbaren Auskunft des Sachverständigen Prof. Dr. O., dass sich der epileptische Anfall dem Kläger noch auf der Autobahn ankündigte und er die Ausfahrt nur aus diesem Grund (noch) bewusst nahm mit dem Ziel, seine Fahrt zu unterbrechen oder jedenfalls ein Anfallsgeschehen im fließenden Verkehr auf der Autobahn selbst zu verhindern. Dass der Kläger sich bei diesem Szenario im Moment der eigentlichen Kollision dann nicht mehr auf dem Betriebsweg befand, dürfte sich versicherungsrechtlich nicht nachteilig auswirken. Denn die Unvermeidbarkeit des Unfallereignisses (das der Kläger bei dieser Sachverhaltsvariante erfolglos abzuwenden versuchte) hätte sich bereits auf dem Betriebsweg begründet. Nach dem der Betriebswegeversicherung zu Grunde liegenden Schutzzweck – Absicherung der Risiken, die dem Versicherten durch das Zurücklegen von Wegen im Interesse des Unternehmens entstehen – wäre auch bei diesem Szenario von einem Unfallgeschehen "während" der versicherten Tätigkeit auszugehen.

Genauso möglich ist aber auch, dass der Kläger den Abweg von der A 45 in Richtung der Raststätte aus einem ganz anderen Grund wählte und der Krampfanfall ihn ohne Vorankündigung ereilte, erst nachdem er den Abbiegevorgang eingeleitet hatte. In diesem Fall läge ein versicherter Betriebswegeunfall (nur) vor, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Abweg des Klägers von der A 45 und seiner versicherten Tätigkeit bestand, der Kläger die Abfahrt also nicht mit privater Handlungstendenz gewählt hätte. Warum der Kläger gegebenenfalls vom versicherten Weg abgebogen ist, lässt sich indes ebenso wenig im Vollbeweis aufklären wie die Tatsache, ob er dies überhaupt absichtsvoll und vor allem unbeeindruckt von einem sich ankündigenden Krampfereignis tat.

Fest steht nach den Ermittlungen allerdings, dass der Kläger auf der Rastanlage keinen Arbeitsauftrag auszuführen hatte. Der Kläger hatte auch zu keinem der an dem Tag auf der Tankstelle Beschäftigten persönliche Kontakte, die einen Abstecher zum Zwecke des Besuchs nahelegen würden. Auch gibt es wohl keine Vereinbarung zwischen dem Firmeninhaber und der Tankstelle, nach der das Betanken der Betriebswagen ausschließlich auf dieser durchgeführt wird. Dem Sozialgericht ist darin zuzustimmen, dass dies bei lebensnaher Betrachtungsweise auch geradezu ausgeschlossen scheint, da an den Tank- und Rastanlagen der Bundesautobahnen die Kraftstoffpreise regelmäßig höher sind. Vor allem aber haben die von der Polizei vernommenen Arbeitgeber des Klägers keinerlei Angaben in diese Richtung gemacht, sondern stattdessen die Vermutung geäußert, dass der Kläger sich an der Raststätte mit Nahrungsmitteln und/oder Zigaretten habe versorgen wollen.

Nur in ersterem Fall und nur, wenn der Kläger Nahrung zum baldigen Verzehr hätte kaufen wollen, wäre allerdings von einer versicherten Verrichtung auszugehen. Auf einem während einer Arbeitspause zurückgelegten Weg zur Nahrungsaufnahme oder zum Einkauf von Lebensmitteln für den alsbaldigen Verzehr am Arbeitsplatz wird regelmäßig anders als bei einem Einkauf von Lebensmitteln vor Arbeitsantritt – der erforderliche innere Zusammenhang zu der beruflichen Tätigkeit bejaht. Dies findet seinen Grund zum einen darin, dass es sich um einen Weg handelt, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt ist, persönlich im Beschäftigungsbetrieb anwesend zu sein und dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten. Zum anderen dient die beabsichtigte Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit im Gegensatz zur bloßen Vorbereitungshandlung vor der Arbeit der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und damit der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit. Aufgrund des Zusammentreffens dieser beiden betriebsbezogenen Merkmale, das Handlungsziel und die Betriebsbedingtheit des Weges, ist der wesentliche innere Zusammenhang zwischen dem Betrieb und einem zur Nahrungsaufnahme zurückgelegten Weg angenommen worden (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 – B 2 U 17/07 R – juris Rn. 30; Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 1/16 R – juris Rn. 18, m.w.N.). Nichts anderes gilt aber bei der Nahrungsaufnahme oder Nahrungsbeschaffung zum unmittelbaren Verzehr bei Zurücklegung eines Betriebsweges. Denn auch hier sind Ausgangs- und Zielpunkt des Abweges von dem eigentlichen Betriebsweg und damit der Notwendigkeit, sich auf diesem zu bewegen, geprägt, und auch hier dient die Nahrungsaufnahme der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit. Es gibt auch Indizien, die für eine Abfahrt auf die Tankstelle zur Beschaffung von Verpflegung sprechen. So sprechen der Umstand, dass der Unfall sich an einem Montagmorgen, also nach dem Wochenende mit den diesen eigenen eingeschränkten Einkaufsmöglichkeiten ereignete, ebenso wie der bei der ersten Blutabnahme im Krankenhaus ermittelte niedrige Blutzuckerspiegel dafür, dass der Kläger an diesem Morgen auf die Raststätte abbog, um dort zu frühstücken oder sich mit Proviant in irgendeiner Form zu versorgen. Der Kläger hat diese Möglichkeit jedoch wiederholt ausdrücklich ausgeschlossen und dargelegt, dass er stets zu Hause frühstücke oder seine Verpflegung jedenfalls von zu Hause mit zur Arbeit bringe. Warum er sich, wenn dies stets der Fall war, gerade am Unfalltag hätte anders verhalten haben sollen, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund war es dem Senat nicht möglich, sich entgegen der ausdrücklichen Angaben des Klägers noch mit der erforderlichen Sicherheit von einem anderen Geschehensablauf zu überzeugen.

Denkbar ist im Übrigen auch, dass der Kläger die Tankstelle/Raststätte ansteuerte, um dort die Toilette aufzusuchen. In diesem Fall wäre von einer versicherten Verrichtung auszugehen. Für den Weg zur Toilette auf der Betriebsstätte wird Unfallversicherungsschutz angenommen, weil der Versicherte durch die Anwesenheit auf der Betriebsstätte gezwungen ist, seine Notdurft an einem anderen Ort zu verrichten, als er dies von seinem häuslichen Bereich aus getan haben würde (nur BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 2 RU 5/89 – juris Rn. 15; Wagner in: jurisPK-SGB VII, 2. Auflage, Stand 26. Mai 2020, § 8 Rn. 69). Auch hier gilt nichts anderes, wenn der Versicherte während eines Betriebsweges gezwungen ist, die Toilette aufzusuchen. Angesichts des nur wenige Kilometer zuvor erfolgten Antritts der Fahrt und der insgesamt nur 34 km langen Wegstrecke erscheint dies dem Senat allerdings zwar möglich, aber zugleich unwahrscheinlich. Jedenfalls liegen auch insofern keine Indizien vor, die es dem Senat ermöglichen würden, sich die volle Überzeugung davon zu bilden, dass dieser Geschehensablauf gegeben war.

Im Ergebnis könnte der Kläger damit auch jede andere Besorgung mit privater Handlungstendenz auf der Tankstelle beabsichtigt haben. So spricht insbesondere der von dem Kläger vorgetragene Umstand, dass sich noch Zigaretten in seinem Auto befunden hätten, noch nicht dagegen, dass er sich mit weiteren Zigaretten für die nächste Zeit hat versorgen wollen. Auch jede andere private Besorgung, die heutzutage angesichts des gegenüber früher deutlich erweiterten Warenangebots auf einer Tankstelle erledigt werden kann, kommt in Betracht. Da die vorliegend nachweisbaren Umstände und Indizien nicht ausreichen, um den Senat gestützt auf diese mit der hinreichenden Sicherheit von einem bestimmten Geschehensablauf zu überzeugen, bleibt es damit dabei, dass sich nicht ausschließen lässt, dass der Kläger die Tankstelle bewusst und mit privater Handlungstendenz ansteuerte, bevor das Krampfgeschehen sich ereignete. Die Beweislast für das Vorliegen einer versicherten Verrichtung im Unfallzeitpunkt als anspruchsbegründende Tatsache hat aber auch im Falle nachvollziehbarer Beweisschwierigkeiten der Versicherte zu tragen (zuletzt BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020 – B 2 U 9/19 R – Terminbericht 37/20). Da sich weder im Vollbeweis nachweisen lässt, dass der epileptische Anfall den Kläger noch auf der Fahrspur der Autobahn ereilte, noch dass der Kläger die A 45 aus einem versicherten Grund verlassen hat und auch nicht, dass nur die eine oder andere Möglichkeit besteht, sondern stattdessen auch andere, nicht versicherte Geschehensabläufe nach wie vor ebenso denkbar sind, kann das Ereignis nicht als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII anerkannt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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