Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 1/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 13/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 SF 1/20 R
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Sozialrechtsweg ist für Streitigkeiten über die Heranziehung von Privatärzten zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung eröffnet, wenn durch das landesrechtliche Berufsrecht lediglich eine Ermächtigung dafür geschaffen wird, dass der Privatarzt in den Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung integriert wird, im Übrigen aber die Rechtsgrundlagen des Bereitschaftsdienstes auf vertragsarztrechtlicher Grundlage durch Satzungsrecht der Kassenärztlichen Vereinigung ohne Beteiligung der Landesärztekammer geregelt sind.
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 11. Mai 2020 aufgehoben und der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für zulässig erklärt.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten bezüglich der Beschwerde hat der Kläger zu tragen.
Die weitere Beschwerde an das Bundessozialgericht wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um den Rechtsweg für eine Klage gegen die Heranziehung des Klägers zu Beiträgen zur Finanzierung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD). Der Kläger ist ein 70 Jahre alter, ausschließlich privatärztlich tätiger, in eigener Praxis niedergelassener Arzt. Mit Bescheid vom 18. September 2019 erhob die Beklagte auf der Grundlage der von ihr erlassenen Bereitschaftsdienstordnung (BDO) Beiträge für die Quartale III/2019 und IV/2019 jeweils in Höhe von 750 EUR. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 11. Dezember 2019 zurückgewiesen.
Der Kläger wendet sich mit der am 2. Januar 2020 erhobenen Klage gegen die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst als solche und rügt die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers zum Erlass von § 23 Nr. 2 Hessisches Heilberufegesetz (HessHBerG). Der Bundesgesetzgeber habe abschließend die Einbeziehung von Nichtvertragsärzten in den Notdienst im Sinne der Berechtigung, aber nicht der Verpflichtung, Gebrauch gemacht. Der Kläger sei nicht Mitglied der Beklagten und unterliege nicht der Aufsicht und dem Disziplinarrecht der Beklagten. Ferner rügt er eine Verletzung des Grundsatzes der Beitragsgerechtigkeit hinsichtlich Grund und Höhe der Beiträge der Beklagten.
Der Kläger ist der Rechtsauffassung, der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet, da es sich um die Rechtsmaterie des ärztlichen Berufsrechts handele und hat die Vorabentscheidung über den Rechtsweg nach § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) beantragt.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 11. Mai 2020 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesen.
Die Beklagte vertritt mit ihrer hiergegen gerichteten, am 4. Juni 2020 eingegangenen Beschwerde die Rechtsauffassung, der Sozialrechtsweg sei eröffnet, da die streitentscheidenden Normen dem Vertragsarztrecht zuzurechnen seien. Die Rechte und Pflichten aus § 23 Nr. 2 HessHBerG würden durch ihre BDO konkretisiert. Das HessHBerG treffe keine Regelungen über das "wie" der Einbeziehung.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht verfristet. Wie die Beklagte im Ansatz zutreffend hervorhebt, sind als Verfahrensvorschriften der "sofortigen Beschwerde" nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG die Normen der §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) heranzuziehen, mithin die Frist des § 173 SGG. Dort ist nicht eine Zwei-Wochen-Frist, sondern eine Monatsfrist geregelt. Der Beschluss ist der Beklagten am 13. Mai 2020 zugestellt worden, die Beschwerde ist am Hessischen Landessozialgericht am 4. Juni 2020 eingegangen.
Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eröffnet.
Die Abgrenzung von § 51 SGG zu § 40 VwGO vollzieht sich bei der Auslegung des Kataloges des § 51 Abs. 1 SGG aufgrund der Funktion des § 51 SGG als abdrängende Sonderzuweisung. Dabei bestehen keine Bedenken gegen eine weite Auslegung des Begriffs der § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG (Hessisches LSG, Beschluss vom 1. Juni 2010 – L 1 KR 89/10 KL –, juris Rn. 6; auch zum Folgenden: Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 481 f.). Die verbreitete Auslegungsregel, Ausnahmevorschriften eng auszulegen, kann bei der Auslegung von abdrängenden Sonderzuweisungen erst dann Bedeutung gewinnen, wenn sich ein bestimmter Wille des Gesetzgebers nicht ermitteln lässt. Rechtswegregelungen sind in besonderem Maße von Zweckmäßigkeitsüberlegungen des Gesetzgebers bestimmt und dienen, basierend auf dem Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Gerichtszweige, einer sachgemäßen Arbeitsverteilung unter den verschiedenen Gerichtsbarkeiten (BVerwGE 47, 255 (259)). Auch kann § 51 SGG kein beschränkender Systemgedanken entnommen werden, etwa im Sinne einer "Sozialversicherungsgerichtsbarkeit"; vielmehr bilden § 51 SGG und die sonstigen bundes- und landesrechtlichen Zuweisungen ein Konglomerat verschiedenster Materien ab, die aus unterschiedlichen Gründen, oft anlassbedingt und ohne systematischen Gesamtregelungsansatz zugewiesen wurden (Gärditz, Verw 43 (2010), 309 (314)).
Demgemäß besteht weitgehende Einigkeit dahingehend, dass § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG das gesamte Vertragsarztrecht umfasst (statt vieler: Flint in: Schlegel/Voelzke (Hrsg.), jurisPK-SGG, § 51 Rn. 96 ff.), was sich bereits aus der vom Sozialgericht zutreffend hervorgehobenen systematischen Auslegung mit § 57a SGG ergibt. Dabei sind nicht nur die Rechtsverhältnisse in Bezug auf die Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung erfasst, sondern auch die Rechtsbeziehungen der Beklagten zu Leistungserbringern. Diese sind auch nicht notwendigerweise auf Mitglieder der Beklagten beschränkt (vgl. inzident BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 34/10 R –, SozR 4-2500 § 119 Nr. 1 (Ermächtigung); BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 34/12 R –, SozR 4-2500 § 81 Nr. 6 (freiwillige Teilnahme des Nichtvertragsarztes am Notdienst der KV); BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R –, BSGE 127, 109-122, SozR 4-2500 § 95 Nr 35 (Bereitschaftsdienst bei ermächtigten Krankenhausärzten)), jedenfalls dann, wenn das maßgebliche Rechtsverhältnis (dazu unten) durch Normen des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung geprägt wird. Die Frage, wann bei Streitigkeiten um die Einbeziehung in den Bereitschaftsdienst von Nichtvertragsärzten der Sozialrechtsweg eröffnet ist, kann nur im Wege einer konkreten Betrachtung des streitigen Rechtsverhältnisses ermittelt werden, was angesichts der sehr unterschiedlichen Modelle in den einzelnen Bundesländern (dazu BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 39/12 R –, SozR 4-2500 § 75 Nr. 14, zitiert nach juris Rn. 13; Hesral in: Schlegel/Voelzke (Hrsg.), jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 75 SGB V (Stand: 15.06.2020) Rn. 143) und den unterschiedlichen Streitfragen auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann (vgl. einerseits inzident BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1982 – 3 C 21/81 –, BVerwGE 65, 362; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3. November 1998 – 9 S 3399/96 –, juris und andererseits inzident OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 13 E 1138/12 –, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. September 2009 – L 11 (10) KA 62/07 –, juris).
Bei der Subsumtion unter den Katalog des § 51 Abs. 1 SGG ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, maßgeblich (auch zum Folgenden: BSG, Beschluss vom 28. September 2010 – B 1 SF 1/10 R –, SozR 4-1500 § 51 Nr. 9; BSGE 58, 247 (248); vgl. bereits GmSOGB, BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr. 2 = NJW 1974, 2087). Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von § 40 VwGO und § 51 Abs. 1 SGG. Dabei kommt es primär darauf an, welche Regelungsbereiche den prozessualen Anspruch unmittelbar (Thüringer LSG, Beschluss vom 4. Dezember 2017 – L 1 SV 1411/17 B –, juris Rn. 8) erfassen. Fehlt es an einem derartigen unmittelbaren Bezug, genügt es, wenn eine Zuweisung zwar nicht unmittelbar ausgesprochen ist, sich der dahinterstehende Wille des Gesetzes jedoch aus dem Gesamtgehalt der Regelung und dem Sachzusammenhang in Verbindung mit der Sachnähe eindeutig und logisch zwingend ergibt (BSG, Beschluss vom 1. April 2009 B 14 SF 1/08 R –, SozR 4-1500 § 51 Nr. 6, zitiert nach juris Rn. 15 f. m.w.N. auch zur Gegenauffassung, dort zur Problematik eines Hausverbots). Nur subsidiär (ungenau insoweit SG Marburg, Beschluss vom 3. Juni 2020 – S 12 KA 305/19) kommen damit normative Erwägungen einer Gesamtbetrachtung und (auch) faktische Erwägungen einer Sachnähe zum Zuge.
Ausgehend von diesen Maßstäben ist für eine Klage eines Nichtvertragsarztes gegen den Bescheid der Beklagten zum ÄBD der Sozialrechtsweg eröffnet.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich die verpflichtende Heranziehung von Nichtvertragsärzten zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst in Hessen aus einem Zusammenwirken von ärztlichem Berufsrecht und Vertragsarztrecht ergibt. Im Ansatz zutreffend weisen Kläger und Sozialgericht auf die zentrale Stellung der Norm des § 23 Nr. 2 HessHBerG hin. Hiernach haben die Kammerangehörigen – d.h. hier: die Mitglieder der Landesärztekammer Hessen -, die ihren Beruf ausüben, insbesondere die Pflicht, soweit sie als Berufsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in eigener Praxis tätig sind, am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen und sich an den Kosten des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zu beteiligen. Damit ist § 23 Nr. 2 HessHBerG conditio sine qua non zwar für das Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagten. Dieses Rechtsverhältnis ist jedoch – anders als in anderen Bundesländern – bereits nach dem Wortlaut dadurch gekennzeichnet, dass der Bereitschaftsdienst nicht als Gemeinschaftsaufgabe von Landesärztekammer und Beklagter beschrieben wird, sondern eine berufsrechtliche Pflicht zur Teilnahme am allein von der Beklagten verantworteten Bereitschaftsdienst begründet wird. Diese Lesart entspricht auch der Entstehungsgeschichte: "Mit der Änderung wird die Möglichkeit eröffnet, dass auch ausschließlich privatärztlich niedergelassene Ärzte verpflichtend am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilnehmen und sich auch an den dabei entstehenden Kosten zu beteiligen haben" (so ausdrücklich LT-Drs. 19/3742, S. 9). Zwar konkretisiert die Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BerO) zunächst diese Rechte und Pflichten weiter berufsrechtlich in § 26 BerO, der wie folgt lautet:
"§ 26 Ärztlicher Bereitschaftsdienst
(1) Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, am ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen. Auf Antrag einer Ärztin oder eines Arztes kann aus schwerwiegenden Gründen eine Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ganz, teilweise oder vorübergehend erteilt werden. Die Befreiung wird, bei Vorliegen eines Befreiungsgrundes, auch für die nicht vertragsärztlich tätigen Mitglieder der Landesärztekammer Hessen auf Antrag von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen erteilt.
(2) Für die Einrichtung und Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Einzelnen ist für alle nach § 23 des Heilberufsgesetzes verpflichteten Berufsangehörigen die Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der von der Vertreterversammlung am 25.05.2013 beschlossenen Fassung, in Kraft getreten am 01.10.2013, zuletzt geändert am 27.10.2018, maßgebend. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst gilt für die von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen festgelegten Bezirke des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes.
(3) Die Einrichtung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes entbindet die behandelnden Ärztinnen und Ärzte nicht von ihrer Verpflichtung, für die Betreuung ihrer Patientinnen und Patienten in dem Umfange Sorge zu tragen, wie es deren Krankheitszustand erfordert.
(4) Ärztinnen und Ärzte haben sich auch für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst fortzubilden, wenn sie gemäß Absatz 1 nicht auf Dauer von der Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst befreit sind."
Diese weitere Konkretisierung der Rechte und Pflichten durch die Berufsordnung erschöpft sich aber in einer weitgehenden Verweisung auf vertragsärztliche Normen. Auch die Befreiungsmöglichkeit soll offenbar – untechnisch gesprochen – an die Beklagte "delegiert" werden (§ 26 Abs. 1 Satz 3 BerO).
Der Ärztliche Bereitschaftsdienst als solcher ist indes wesentlich durch Normen des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt. Mit der Ausgestaltung und Organisation dieses Bereitschaftsdienstes wird die Beklagte ihrer Verpflichtung nach § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auch zu den sprechstundenfreien Zeiten gerecht (stRspr. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 39/12 R –, SozR 4-2500 § 75 Nr. 14, juris Rn. 14). Bereits zur Vorläuferregelung der BDO hat das Bundessozialgericht auf der Basis der Tatsachenfeststellung des Senats festgestellt, dass sie allein von der Beklagten und damit ohne Beteiligung der Ärztekammer erlassen worden ist (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R –, BSGE 127, 109-122, SozR 4-2500 § 95 Nr. 35, juris Rn. 28). Darüber hinaus knüpft die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Frage der Teilnahmepflicht am Status der Zulassung bzw. an den Graden der Einbeziehung in die vertragsärztliche Versorgung an (zur Ermächtigung ausführlich BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R , BSGE 127, 109-122, SozR 4-2500 § 95 Nr. 35, juris Rn. 33 ff.). Bei der Beklagten handelt es sich um eine nach § 77 Abs. 1 SGB V und damit einer krankenversicherungsrechtlichen Norm gebildete Körperschaft. Den KÄV steht als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit einer durch einfachgesetzliche krankenversicherungsrechtliche Normen begründete Selbstverwaltung eine Satzungsautonomie zu (§ 77 Abs. 5 SGB V, § 79 Abs. 1 SGB V, § 81 SGB V). In Ausübung der vertragsarztrechtlichen Satzungsautonomie hat die Beklagte § 3 Nr. 3 BDO, wonach am ÄBD grundsätzlich die privat niedergelassenen Ärzte (Privatarzt) am Ort ihres Praxissitzes entsprechend ihrer Verpflichtung aus dem Hessischen Heilberufegesetz teilnehmen, und § 8 BDO zur Finanzierung des ÄBD erlassen. Im Falle ihrer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht sind dies die unmittelbar streitentscheidenden untergesetzlichen Rechtsnormen.
Damit ist festzustellen, dass das "Nebeneinander" von ärztlichem Berufsrecht und Vertragsarztrecht bei der schnittmengenartigen Zielsetzung der Heranziehung von Privatärzten in Hessen zum ÄBD nicht durch eine gemeinschaftliche Verantwortlichkeit von Landesärztekammer und Kassenärztlicher Vereinigung bei untergesetzlicher Normierung, Verwaltungsorganisation, Verteilung von Vollzugskompetenzen und Finanzierung verwirklicht wurde, sondern durch eine vollständige Einbindung der Privatärzte in das vertragsärztliche System.
Das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, kann nach alledem am Besten damit umschrieben werden, einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit als Nicht-Vertragsarzt durch die Einbindung in ein vertragsärztliches Rechtsverhältnis abzuwehren. Der Kläger wehrt sich nicht unmittelbar gegen Rechtsakte der Landesärztekammer oder § 26 BerO, wofür ohne Zweifel die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig wäre. Er wendet sich vielmehr unmittelbar gegen einen Beitragsbescheid, der auf der untersten Konkretisierungsebene des Rechtsverhältnisses auf vertragsarztrechtlicher Grundlage erlassen wurde. Die Klage zielt darauf ab, gerade nicht den vertragsarztrechtlichen Normen – insbesondere nicht der BDO der Beklagten – unterworfen zu sein.
Die klägerische Argumentation und die Argumentation der Bevollmächtigten in Parallelverfahren stellen maßgeblich darauf ab, dass die vom hessischen Gesetzgeber gewählte Konstruktion mit höherrangigem Recht unvereinbar sei, weil Privatärzten allein berufsrechtliche Pflichten im Rahmen der berufsrechtlichen Selbstverwaltung nach dem HessHBerG auferlegt werden könnten. Die Rechtswegprüfung hat sich aber allein am Charakter des Rechtsverhältnisses zu orientieren, auf das sich der prozessuale Anspruch bezieht und dies ist hier unmittelbar die Abwehr einer in die Berufsausübungsfreiheit eingreifenden Rechtsfolge aus vertragsarztrechtlichen Normen. Ob die streitentscheidenden Normen mit höherrangigem Recht in Einklang stehen, ist für die Prüfung des Rechtsweges irrelevant. Anders als in der Konstellation, die BSG, Beschluss vom 28. September 2010 – B 1 SF 1/10 R –, zugrunde lag, besteht hier auch keine "ultra vires"-Konstellation und kein Streit über die Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen in unterschiedlicher Gerichtszuständigkeit (dort: eine Behörde, der Beklagte, berühmt sich einer kartellrechtlichen Kompetenz, die sich aber aus Sicht der dortigen Klägerin, einer anderen Behörde, in ihrer Rechtssphäre als angemaßte Sozialversicherungsaufsicht und als Verletzung ihrer Selbstverwaltung dargestellt hat). Vielmehr ist der Kläger der Rechtsauffassung, dass die Einbeziehung von Privatärzten in den allein vom Beklagten verantworteten Bereitschaftsdienst nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Der Gesetzgeber hat sich gerade gegen die Regelung eines konkurrierenden Rechtsverhältnisses beispielsweise im Verhältnis zur Landesärztekammer entschieden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG, 154 Abs. 2 VwGO. In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen. Die Regelung des § 17b Abs. 2 GVG, wonach im Falle der Verweisung des Rechtstreits an ein anderes Gericht die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht entstandenen Kosten als Teil der Kosten im Verfahren vor dem aufnehmenden Gericht behandelt werden und deshalb in dem Verweisungsbeschluss keine eigenständige Kostenentscheidung zu treffen ist, beschränkt sich auf die Kosten des ersten Rechtszugs.
Gerichtskosten entstehen nicht, da Nr. 7504 KV des Anhangs 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) in Verfahren über nicht besonders aufgeführte Beschwerden, nur Gerichtskosten vorsieht, wenn die Beschwerde (teilweise) verworfen oder zurückgewiesen wird. Die Entscheidung über (etwaige) außergerichtliche Kosten beruht auf dem Gedanken, dass dann, wenn nur eine Partei Beschwerde eingelegt, die andere die Kosten tragen muss (Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Werkstand Januar 2020, § 17a GVG Rn. 35), wenn sich – wie hier – trotz Erfolgs der Beschwerde eine unrichtige Sachbehandlung nicht feststellen lässt.
Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG).
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten bezüglich der Beschwerde hat der Kläger zu tragen.
Die weitere Beschwerde an das Bundessozialgericht wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um den Rechtsweg für eine Klage gegen die Heranziehung des Klägers zu Beiträgen zur Finanzierung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD). Der Kläger ist ein 70 Jahre alter, ausschließlich privatärztlich tätiger, in eigener Praxis niedergelassener Arzt. Mit Bescheid vom 18. September 2019 erhob die Beklagte auf der Grundlage der von ihr erlassenen Bereitschaftsdienstordnung (BDO) Beiträge für die Quartale III/2019 und IV/2019 jeweils in Höhe von 750 EUR. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 11. Dezember 2019 zurückgewiesen.
Der Kläger wendet sich mit der am 2. Januar 2020 erhobenen Klage gegen die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst als solche und rügt die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers zum Erlass von § 23 Nr. 2 Hessisches Heilberufegesetz (HessHBerG). Der Bundesgesetzgeber habe abschließend die Einbeziehung von Nichtvertragsärzten in den Notdienst im Sinne der Berechtigung, aber nicht der Verpflichtung, Gebrauch gemacht. Der Kläger sei nicht Mitglied der Beklagten und unterliege nicht der Aufsicht und dem Disziplinarrecht der Beklagten. Ferner rügt er eine Verletzung des Grundsatzes der Beitragsgerechtigkeit hinsichtlich Grund und Höhe der Beiträge der Beklagten.
Der Kläger ist der Rechtsauffassung, der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet, da es sich um die Rechtsmaterie des ärztlichen Berufsrechts handele und hat die Vorabentscheidung über den Rechtsweg nach § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) beantragt.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 11. Mai 2020 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesen.
Die Beklagte vertritt mit ihrer hiergegen gerichteten, am 4. Juni 2020 eingegangenen Beschwerde die Rechtsauffassung, der Sozialrechtsweg sei eröffnet, da die streitentscheidenden Normen dem Vertragsarztrecht zuzurechnen seien. Die Rechte und Pflichten aus § 23 Nr. 2 HessHBerG würden durch ihre BDO konkretisiert. Das HessHBerG treffe keine Regelungen über das "wie" der Einbeziehung.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht verfristet. Wie die Beklagte im Ansatz zutreffend hervorhebt, sind als Verfahrensvorschriften der "sofortigen Beschwerde" nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG die Normen der §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) heranzuziehen, mithin die Frist des § 173 SGG. Dort ist nicht eine Zwei-Wochen-Frist, sondern eine Monatsfrist geregelt. Der Beschluss ist der Beklagten am 13. Mai 2020 zugestellt worden, die Beschwerde ist am Hessischen Landessozialgericht am 4. Juni 2020 eingegangen.
Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eröffnet.
Die Abgrenzung von § 51 SGG zu § 40 VwGO vollzieht sich bei der Auslegung des Kataloges des § 51 Abs. 1 SGG aufgrund der Funktion des § 51 SGG als abdrängende Sonderzuweisung. Dabei bestehen keine Bedenken gegen eine weite Auslegung des Begriffs der § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG (Hessisches LSG, Beschluss vom 1. Juni 2010 – L 1 KR 89/10 KL –, juris Rn. 6; auch zum Folgenden: Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 481 f.). Die verbreitete Auslegungsregel, Ausnahmevorschriften eng auszulegen, kann bei der Auslegung von abdrängenden Sonderzuweisungen erst dann Bedeutung gewinnen, wenn sich ein bestimmter Wille des Gesetzgebers nicht ermitteln lässt. Rechtswegregelungen sind in besonderem Maße von Zweckmäßigkeitsüberlegungen des Gesetzgebers bestimmt und dienen, basierend auf dem Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Gerichtszweige, einer sachgemäßen Arbeitsverteilung unter den verschiedenen Gerichtsbarkeiten (BVerwGE 47, 255 (259)). Auch kann § 51 SGG kein beschränkender Systemgedanken entnommen werden, etwa im Sinne einer "Sozialversicherungsgerichtsbarkeit"; vielmehr bilden § 51 SGG und die sonstigen bundes- und landesrechtlichen Zuweisungen ein Konglomerat verschiedenster Materien ab, die aus unterschiedlichen Gründen, oft anlassbedingt und ohne systematischen Gesamtregelungsansatz zugewiesen wurden (Gärditz, Verw 43 (2010), 309 (314)).
Demgemäß besteht weitgehende Einigkeit dahingehend, dass § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG das gesamte Vertragsarztrecht umfasst (statt vieler: Flint in: Schlegel/Voelzke (Hrsg.), jurisPK-SGG, § 51 Rn. 96 ff.), was sich bereits aus der vom Sozialgericht zutreffend hervorgehobenen systematischen Auslegung mit § 57a SGG ergibt. Dabei sind nicht nur die Rechtsverhältnisse in Bezug auf die Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung erfasst, sondern auch die Rechtsbeziehungen der Beklagten zu Leistungserbringern. Diese sind auch nicht notwendigerweise auf Mitglieder der Beklagten beschränkt (vgl. inzident BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 34/10 R –, SozR 4-2500 § 119 Nr. 1 (Ermächtigung); BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 34/12 R –, SozR 4-2500 § 81 Nr. 6 (freiwillige Teilnahme des Nichtvertragsarztes am Notdienst der KV); BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R –, BSGE 127, 109-122, SozR 4-2500 § 95 Nr 35 (Bereitschaftsdienst bei ermächtigten Krankenhausärzten)), jedenfalls dann, wenn das maßgebliche Rechtsverhältnis (dazu unten) durch Normen des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung geprägt wird. Die Frage, wann bei Streitigkeiten um die Einbeziehung in den Bereitschaftsdienst von Nichtvertragsärzten der Sozialrechtsweg eröffnet ist, kann nur im Wege einer konkreten Betrachtung des streitigen Rechtsverhältnisses ermittelt werden, was angesichts der sehr unterschiedlichen Modelle in den einzelnen Bundesländern (dazu BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 39/12 R –, SozR 4-2500 § 75 Nr. 14, zitiert nach juris Rn. 13; Hesral in: Schlegel/Voelzke (Hrsg.), jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 75 SGB V (Stand: 15.06.2020) Rn. 143) und den unterschiedlichen Streitfragen auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann (vgl. einerseits inzident BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1982 – 3 C 21/81 –, BVerwGE 65, 362; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3. November 1998 – 9 S 3399/96 –, juris und andererseits inzident OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 13 E 1138/12 –, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. September 2009 – L 11 (10) KA 62/07 –, juris).
Bei der Subsumtion unter den Katalog des § 51 Abs. 1 SGG ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, maßgeblich (auch zum Folgenden: BSG, Beschluss vom 28. September 2010 – B 1 SF 1/10 R –, SozR 4-1500 § 51 Nr. 9; BSGE 58, 247 (248); vgl. bereits GmSOGB, BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr. 2 = NJW 1974, 2087). Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von § 40 VwGO und § 51 Abs. 1 SGG. Dabei kommt es primär darauf an, welche Regelungsbereiche den prozessualen Anspruch unmittelbar (Thüringer LSG, Beschluss vom 4. Dezember 2017 – L 1 SV 1411/17 B –, juris Rn. 8) erfassen. Fehlt es an einem derartigen unmittelbaren Bezug, genügt es, wenn eine Zuweisung zwar nicht unmittelbar ausgesprochen ist, sich der dahinterstehende Wille des Gesetzes jedoch aus dem Gesamtgehalt der Regelung und dem Sachzusammenhang in Verbindung mit der Sachnähe eindeutig und logisch zwingend ergibt (BSG, Beschluss vom 1. April 2009 B 14 SF 1/08 R –, SozR 4-1500 § 51 Nr. 6, zitiert nach juris Rn. 15 f. m.w.N. auch zur Gegenauffassung, dort zur Problematik eines Hausverbots). Nur subsidiär (ungenau insoweit SG Marburg, Beschluss vom 3. Juni 2020 – S 12 KA 305/19) kommen damit normative Erwägungen einer Gesamtbetrachtung und (auch) faktische Erwägungen einer Sachnähe zum Zuge.
Ausgehend von diesen Maßstäben ist für eine Klage eines Nichtvertragsarztes gegen den Bescheid der Beklagten zum ÄBD der Sozialrechtsweg eröffnet.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich die verpflichtende Heranziehung von Nichtvertragsärzten zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst in Hessen aus einem Zusammenwirken von ärztlichem Berufsrecht und Vertragsarztrecht ergibt. Im Ansatz zutreffend weisen Kläger und Sozialgericht auf die zentrale Stellung der Norm des § 23 Nr. 2 HessHBerG hin. Hiernach haben die Kammerangehörigen – d.h. hier: die Mitglieder der Landesärztekammer Hessen -, die ihren Beruf ausüben, insbesondere die Pflicht, soweit sie als Berufsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in eigener Praxis tätig sind, am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen und sich an den Kosten des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zu beteiligen. Damit ist § 23 Nr. 2 HessHBerG conditio sine qua non zwar für das Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagten. Dieses Rechtsverhältnis ist jedoch – anders als in anderen Bundesländern – bereits nach dem Wortlaut dadurch gekennzeichnet, dass der Bereitschaftsdienst nicht als Gemeinschaftsaufgabe von Landesärztekammer und Beklagter beschrieben wird, sondern eine berufsrechtliche Pflicht zur Teilnahme am allein von der Beklagten verantworteten Bereitschaftsdienst begründet wird. Diese Lesart entspricht auch der Entstehungsgeschichte: "Mit der Änderung wird die Möglichkeit eröffnet, dass auch ausschließlich privatärztlich niedergelassene Ärzte verpflichtend am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilnehmen und sich auch an den dabei entstehenden Kosten zu beteiligen haben" (so ausdrücklich LT-Drs. 19/3742, S. 9). Zwar konkretisiert die Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen (BerO) zunächst diese Rechte und Pflichten weiter berufsrechtlich in § 26 BerO, der wie folgt lautet:
"§ 26 Ärztlicher Bereitschaftsdienst
(1) Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, am ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen teilzunehmen. Auf Antrag einer Ärztin oder eines Arztes kann aus schwerwiegenden Gründen eine Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst ganz, teilweise oder vorübergehend erteilt werden. Die Befreiung wird, bei Vorliegen eines Befreiungsgrundes, auch für die nicht vertragsärztlich tätigen Mitglieder der Landesärztekammer Hessen auf Antrag von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen erteilt.
(2) Für die Einrichtung und Durchführung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Einzelnen ist für alle nach § 23 des Heilberufsgesetzes verpflichteten Berufsangehörigen die Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der von der Vertreterversammlung am 25.05.2013 beschlossenen Fassung, in Kraft getreten am 01.10.2013, zuletzt geändert am 27.10.2018, maßgebend. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst gilt für die von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen festgelegten Bezirke des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes.
(3) Die Einrichtung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes entbindet die behandelnden Ärztinnen und Ärzte nicht von ihrer Verpflichtung, für die Betreuung ihrer Patientinnen und Patienten in dem Umfange Sorge zu tragen, wie es deren Krankheitszustand erfordert.
(4) Ärztinnen und Ärzte haben sich auch für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst fortzubilden, wenn sie gemäß Absatz 1 nicht auf Dauer von der Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienst befreit sind."
Diese weitere Konkretisierung der Rechte und Pflichten durch die Berufsordnung erschöpft sich aber in einer weitgehenden Verweisung auf vertragsärztliche Normen. Auch die Befreiungsmöglichkeit soll offenbar – untechnisch gesprochen – an die Beklagte "delegiert" werden (§ 26 Abs. 1 Satz 3 BerO).
Der Ärztliche Bereitschaftsdienst als solcher ist indes wesentlich durch Normen des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt. Mit der Ausgestaltung und Organisation dieses Bereitschaftsdienstes wird die Beklagte ihrer Verpflichtung nach § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auch zu den sprechstundenfreien Zeiten gerecht (stRspr. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 39/12 R –, SozR 4-2500 § 75 Nr. 14, juris Rn. 14). Bereits zur Vorläuferregelung der BDO hat das Bundessozialgericht auf der Basis der Tatsachenfeststellung des Senats festgestellt, dass sie allein von der Beklagten und damit ohne Beteiligung der Ärztekammer erlassen worden ist (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R –, BSGE 127, 109-122, SozR 4-2500 § 95 Nr. 35, juris Rn. 28). Darüber hinaus knüpft die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Frage der Teilnahmepflicht am Status der Zulassung bzw. an den Graden der Einbeziehung in die vertragsärztliche Versorgung an (zur Ermächtigung ausführlich BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 6 KA 50/17 R , BSGE 127, 109-122, SozR 4-2500 § 95 Nr. 35, juris Rn. 33 ff.). Bei der Beklagten handelt es sich um eine nach § 77 Abs. 1 SGB V und damit einer krankenversicherungsrechtlichen Norm gebildete Körperschaft. Den KÄV steht als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit einer durch einfachgesetzliche krankenversicherungsrechtliche Normen begründete Selbstverwaltung eine Satzungsautonomie zu (§ 77 Abs. 5 SGB V, § 79 Abs. 1 SGB V, § 81 SGB V). In Ausübung der vertragsarztrechtlichen Satzungsautonomie hat die Beklagte § 3 Nr. 3 BDO, wonach am ÄBD grundsätzlich die privat niedergelassenen Ärzte (Privatarzt) am Ort ihres Praxissitzes entsprechend ihrer Verpflichtung aus dem Hessischen Heilberufegesetz teilnehmen, und § 8 BDO zur Finanzierung des ÄBD erlassen. Im Falle ihrer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht sind dies die unmittelbar streitentscheidenden untergesetzlichen Rechtsnormen.
Damit ist festzustellen, dass das "Nebeneinander" von ärztlichem Berufsrecht und Vertragsarztrecht bei der schnittmengenartigen Zielsetzung der Heranziehung von Privatärzten in Hessen zum ÄBD nicht durch eine gemeinschaftliche Verantwortlichkeit von Landesärztekammer und Kassenärztlicher Vereinigung bei untergesetzlicher Normierung, Verwaltungsorganisation, Verteilung von Vollzugskompetenzen und Finanzierung verwirklicht wurde, sondern durch eine vollständige Einbindung der Privatärzte in das vertragsärztliche System.
Das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, kann nach alledem am Besten damit umschrieben werden, einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit als Nicht-Vertragsarzt durch die Einbindung in ein vertragsärztliches Rechtsverhältnis abzuwehren. Der Kläger wehrt sich nicht unmittelbar gegen Rechtsakte der Landesärztekammer oder § 26 BerO, wofür ohne Zweifel die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig wäre. Er wendet sich vielmehr unmittelbar gegen einen Beitragsbescheid, der auf der untersten Konkretisierungsebene des Rechtsverhältnisses auf vertragsarztrechtlicher Grundlage erlassen wurde. Die Klage zielt darauf ab, gerade nicht den vertragsarztrechtlichen Normen – insbesondere nicht der BDO der Beklagten – unterworfen zu sein.
Die klägerische Argumentation und die Argumentation der Bevollmächtigten in Parallelverfahren stellen maßgeblich darauf ab, dass die vom hessischen Gesetzgeber gewählte Konstruktion mit höherrangigem Recht unvereinbar sei, weil Privatärzten allein berufsrechtliche Pflichten im Rahmen der berufsrechtlichen Selbstverwaltung nach dem HessHBerG auferlegt werden könnten. Die Rechtswegprüfung hat sich aber allein am Charakter des Rechtsverhältnisses zu orientieren, auf das sich der prozessuale Anspruch bezieht und dies ist hier unmittelbar die Abwehr einer in die Berufsausübungsfreiheit eingreifenden Rechtsfolge aus vertragsarztrechtlichen Normen. Ob die streitentscheidenden Normen mit höherrangigem Recht in Einklang stehen, ist für die Prüfung des Rechtsweges irrelevant. Anders als in der Konstellation, die BSG, Beschluss vom 28. September 2010 – B 1 SF 1/10 R –, zugrunde lag, besteht hier auch keine "ultra vires"-Konstellation und kein Streit über die Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen in unterschiedlicher Gerichtszuständigkeit (dort: eine Behörde, der Beklagte, berühmt sich einer kartellrechtlichen Kompetenz, die sich aber aus Sicht der dortigen Klägerin, einer anderen Behörde, in ihrer Rechtssphäre als angemaßte Sozialversicherungsaufsicht und als Verletzung ihrer Selbstverwaltung dargestellt hat). Vielmehr ist der Kläger der Rechtsauffassung, dass die Einbeziehung von Privatärzten in den allein vom Beklagten verantworteten Bereitschaftsdienst nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Der Gesetzgeber hat sich gerade gegen die Regelung eines konkurrierenden Rechtsverhältnisses beispielsweise im Verhältnis zur Landesärztekammer entschieden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG, 154 Abs. 2 VwGO. In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen. Die Regelung des § 17b Abs. 2 GVG, wonach im Falle der Verweisung des Rechtstreits an ein anderes Gericht die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht entstandenen Kosten als Teil der Kosten im Verfahren vor dem aufnehmenden Gericht behandelt werden und deshalb in dem Verweisungsbeschluss keine eigenständige Kostenentscheidung zu treffen ist, beschränkt sich auf die Kosten des ersten Rechtszugs.
Gerichtskosten entstehen nicht, da Nr. 7504 KV des Anhangs 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) in Verfahren über nicht besonders aufgeführte Beschwerden, nur Gerichtskosten vorsieht, wenn die Beschwerde (teilweise) verworfen oder zurückgewiesen wird. Die Entscheidung über (etwaige) außergerichtliche Kosten beruht auf dem Gedanken, dass dann, wenn nur eine Partei Beschwerde eingelegt, die andere die Kosten tragen muss (Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Werkstand Januar 2020, § 17a GVG Rn. 35), wenn sich – wie hier – trotz Erfolgs der Beschwerde eine unrichtige Sachbehandlung nicht feststellen lässt.
Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG).
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