Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 32 AL 247/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 29/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Dezember 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander für beide Rechtszüge keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Zeit ab 28. Juni 2014.
Vor seiner Existenzgründung war der 1982 geborene Kläger zuletzt vom 19. September 2011 bis 30. September 2013 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Danach hielt er sich zur Arbeitsuche in Asien auf. Am 28. Februar 2014 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos. Diese bewilligte ihm antragsgemäß Arbeitslosengeld von diesem Tag an für die Dauer von 270 Tagen, also bis einschließlich 29. November 2014 (Bescheid vom 25. März 2014). Bei einem persönlichen Beratungsgespräch mit der für ihn zuständigen Arbeitsvermittlerin am 17. März 2014 wurde als "gemeinsames Ziel" die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zum 1. Juli 2014 festgelegt. Der Kläger wurde über die Möglichkeit der Förderung mit einem Gründungzuschuss beraten und erhielt das entsprechende Antragsformular und einen "Flyer". In einer Eingliederungsvereinbarung vom selben Tag sagte der Kläger u.a. zu, den vollständigen Antrag bis zum 16. Juni 2014 bei der zuständigen Arbeitsagentur einzureichen. Unter dem 2. Juni 2014 erklärte der Kläger auf dem Vordruck, er werde am 1. Juli 2014 eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit als freiberuflich beratender Volks- und Betriebswirt sowie Wirtschaftsinformatiker aufnehmen. Dafür werde er etwa 40 Stunden in der Woche aufwenden. Dem Antrag waren ein Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle und ein Businessplan mit Anlagen beigefügt.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses ab. Der Kläger verfüge bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht mehr über einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 150 Tagen. Dagegen erhob der Kläger unter dem 24. Juli 2014 Widerspruch. Er habe seine selbständige Tätigkeit entgegen seiner Planung bereits am 28. Juni 2014 aufgenommen. Dies ergebe sich auch aus einer Bestätigung des Finanzamts A-Stadt. Der ursprünglich genannte Termin sei in Absprache mit seiner Arbeitsvermittlerin ins Auge gefasst worden. Diese habe ihm noch am 26. Juni 2014 telefonisch die Gewährung des beantragten Gründungszuschusses zugesagt. Der Beratungsmangel dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2014 wurde der Widerspruch von der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. Die Behauptung des Klägers, seine Geschäftstätigkeit schon früher aufgenommen zu haben, sei nicht glaubhaft. Nach Erlass des Ablehnungsbescheids habe er zunächst bei der Beklagten angerufen und die Ansicht vertreten, ab 1. Juli 2014 bestünde – wie mit der Arbeitsvermittlerin errechnet – noch ein Restanspruch von 150 Tagen. Auch das Schreiben des Finanzamts A-Stadt rechtfertige keine andere Bewertung. Schließlich sei der Gründungszuschuss dem Kläger auch nicht schriftlich zugesichert worden. Ob der Kläger falsch beraten worden sei, spiele für die Entscheidung keine Rolle, weil sich die Restanspruchsdauer von 150 Tagen nicht fingieren lasse.
Dagegen hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, am 10. Oktober 2014 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Begründung hat er sich auf eine Bestätigung des Zeugen C. gestützt, mit dem er am Samstag, dem 28. Juni 2014, telefoniert habe, um eine geschäftliche Beziehung aufzunehmen (Bl. 29 d.A.). Das fälschlicherweise zunächst angegebene Datum der Existenzgründung am 1. Juli 2014 beruhe auf einem Beratungsmangel der Beklagten. Das Sozialgericht hat dem Kläger aufgegeben, unter Vorlage von Nachweisen darzulegen, "ob und welche weiteren (vorbereitenden) Tätigkeiten er für die Aufnahme seine selbstständige Tätigkeit vor dem 1. Juli 2014 getroffen habe". Daraufhin hat der Kläger eine persönliche Erklärung vom 27. November 2016 und eine Bestätigung seines Steuerberaters vom 15. Mai 2014 zur Akte gereicht, auf die Bezug genommen wird (Bl. 47 ff. d.A.). Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C. im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 7. Dezember 2017. Wegen der Angaben des Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen (Bl. 106 ff. d.A.).
Mit Urteil vom 7. Dezember 2017 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 2014 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "dem Kläger Gründungszuschuss dem Grunde nach zu gewähren". Die Voraussetzungen für den Erlass eines solchen Grundurteils seien erfüllt, weil der Kläger für den Zeitraum ab 28. Juni 2014 Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses habe. Die Klage sei hinsichtlich des Hauptantrags als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig und begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 14. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 2014 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Ihm stehe auf Grund einer Ermessensreduzierung auf Null ein gebundener Anspruch auf Gewährung von Gründungszuschuss nach § 93 SGB III zu. Danach könnten Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III könne ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage betrage und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruhe, der Existenzgründer der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung nachweise und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlege. Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 SGB III habe der Arbeitnehmer zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle (Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute) vorzulegen.
Der Kläger sei Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift, er habe eine Stellungnahme eines Steuerberaters als fachkundiger Stelle vorgelegt, wonach seine Existenzgründung tragfähig sei, und durch sein Studium zum Diplom-Wirtschaftsinformatiker, seine Tätigkeit in der Wirtschaftsprüfung bei D. sowie in der Konzernrevision bei E. ausreichend nachgewiesen, dass er über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in diesem Bereich verfüge. Der Kläger habe eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit als freiberuflicher Betriebs- und Volkswirt sowie Wirtschaftsinformatiker aufgenommen und dadurch seine Beschäftigungslosigkeit beendet. Vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit habe der Kläger Arbeitslosengeld bezogen. Für das Gericht seien schließlich keine Ausschlussgründe nach § 93 Abs. 3 SGB III erkennbar.
Die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger bereits am 28. Juni 2014 die selbständige Tätigkeit aufgenommen habe, so dass bei ihm zu diesem Zeitpunkt noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld mit einer Dauer von mehr als 150 Tagen bestanden habe. Eine selbständige Tätigkeit werde aufgenommen, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen werde. Vorbereitungshandlungen könnten nur dann bereits als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gewertet werden, wenn sie zielgerichtet und unmittelbar dazu bestimmt seien, hieraus den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liege eine Aufnahme der selbständigen Tätigkeit vor, wenn Vorbereitungshandlungen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalteten und sie ferner nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet seien. Anhaltspunkte für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit könnten dabei die Anmietung von Gewerbe- oder Geschäftsräumen und deren Ausstattung (Telefon, Fax, Internetauftritt), die Bestellung von Waren oder Produktionsmitteln, Außenwerbung, Buchhaltung, Rechnungslegung, Einrichtung von Geschäftskonten und die Kundenwerbung darstellen. Dafür reiche die rückwirkende Zuteilung einer Steuernummer durch das Finanzamt nicht aus. Der Kläger habe jedoch bereits am 28. Juni 2014 mit dem Zeugen einen Vertrag über eine Tätigkeit für dessen Unternehmen geschlossen und den Stundensatz von 62,50 Euro vereinbart. Dadurch habe diese Vorbereitungshandlung Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfaltet. Dies komme bereits dadurch zum Ausdruck, dass der Kläger im Anschluss an dieses Telefonat für das Unternehmen des Zeugen über 1 ½ Jahre selbständig tätig war. Die vorbereitende Maßnahme sei zudem nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet gewesen. Nach der Aussage des Zeugen habe das Aufgabengebiet des Klägers während der selbständigen Tätigkeit für sein Unternehmen Sicherheitsaspekte, Datenschutz und Prozessoptimierung umfasst. Dies entspreche dem Businessplan des Klägers. Dieser sei auch danach nicht etwa über mehrere Wochen hinweg untätig geblieben. Zwar habe er wegen des bevorstehenden Urlaubs des Zeugen nicht sofort mit der Ausführung seines ersten Auftrags beginnen können. Dies sei indes nicht vom Willen des Klägers abhängig gewesen. Der Kläger sei aber in der Folgezeit auch nicht gänzlich untätig gewesen, sondern habe seine selbständige Tätigkeit beim Finanzamt A-Stadt angezeigt, das ihm daraufhin eine Steuernummer zugeordnet habe.
Die Existenzgründung des Klägers sei auch tragfähig gewesen. Davon sei auszugehen, wenn eine Existenzgrundlage geschaffen werde, die den Gründer unabhängig von dem Bezug von Sozialleistungen mache. Dies sei auch noch im Klageverfahren zu überprüfen. Maßgebend sei eine Prognose nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung für die Zeit nach Ablauf der ersten sechs Monate (Anlaufphase). Dabei sei weder die Beklagte noch das Gericht an die Einschätzung der fachkundigen Stelle gebunden. Auf dieser Grundlage sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach sechs Monaten in der Lage sein werde, seinen Lebensunterhalt durch die selbständige Tätigkeit selbst zu erzielen. Dafür müssten die individuellen Verhältnisse des Existenzgründers Berücksichtigung finden. Für das Jahr 2015 würde sich ein grundsicherungsrechtlicher Bedarf für den Kläger i. H. v. 1.050 Euro monatlich ergeben, welcher auch bei Abzug der gezahlten Steuern sowie der Freibeträge komplett von dem nach dem Businessplan zu erwartenden Einkommen des Klägers aus der selbständigen Tätigkeit gedeckt werden könne.
Zwar habe das Gericht grundsätzlich das Ermessen der Behörde lediglich auf Ermessensfehler zu überprüfen. Vorliegend habe die Beklagte auf Grund des Umstandes, dass sie bereits einen Anspruch auf Gründungszuschuss tatbestandlich verneint habe, kein Ermessen ausgeübt. Allerdings sei im Fall des Klägers das der Beklagten grundsätzlich zustehende Ermessen auf Null reduziert, so dass dem Kläger sogar ein gebundener Anspruch auf Gewährung von Gründungszuschuss zustehe und die Beklagte nur diese eine mögliche Entscheidung hätte treffen dürfen. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte mit dem Kläger in der Eingliederungsvereinbarung vom 17. März 2014 als Ziel die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vereinbart habe. Sie könne sich daher nicht mehr auf den Vermittlungsvorrang nach § 4 SGB III berufen. Das Gericht könne auch nicht erkennen, dass bei dem Kläger aus der selbständigen Tätigkeit eine Eigen-leistungsfähigkeit bestünde, welche die Beklagte zur Leistungsablehnung berechtigen würde. Dieser habe in den ersten sechs Monaten seiner selbständigen Tätigkeit nur ein Einkommen i.H.v. insgesamt 2.291 Euro erzielt. Hinzu komme, dass dem Kläger nach seinem unbestrittenen Vortrag seitens der Beklagten auch die Gewährung von Gründungszuschuss mündlich zugesagt worden sei.
Gegen das ihr am 28. Februar 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. März 2018 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt erhoben.
Sie weist darauf hin, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die als Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit anzusehenden Vorbereitungshandlungen die Arbeitslosigkeit beendet werden müsse. Dies erfordere einen Zeitaufwand von mindestens 15 Wochenstunden. Davon sei hier nicht vor dem 1. Juli 2014 auszugehen. Das vom Sozialgericht berücksichtigte Telefonat des Klägers mit dem Zeugen C. am 28. Juni 2014 habe weniger als 30 Minuten gedauert. Die seinerzeit vereinbarte Tätigkeit habe erst im August 2014 begonnen. Zudem fehle es auch an der Tragfähigkeit der Existenzgründung. Nach dem Businessplan des Klägers sei prognostisch für das Jahr 2015 von monatlichen Gewinnen in Höhe von 1.250 Euro auszugehen, denen zu erwartende Lebenshaltungskosten von 1.730 Euro monatlich gegenüberstünden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Dezember 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Nach dem Hinweis der Beklagten auf die 15-Stunden-Grenze hat der Kläger eine weitere Aufstellung mit Tätigkeiten vorgelegt, die er bereits im Zeitraum März bis Juli 2014 entfaltet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen (Bl. 188 ff. d. A.).
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, denn sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Sein Urteil ist daher aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 2014 ist nicht aufzuheben, weil er rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses für die Zeit ab 28. Juni 2014 zu.
Gemäß § 93 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Dies setzt u.a. voraus, dass der Existenzgründer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III).
Aufgrund des bestandskräftigen Bewilligungsbescheids der Beklagten vom 25. März 2014 steht zwischen den Beteiligten gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindend fest, dass der klägerische Arbeitslosengeldanspruch von 270 Tagen am 28. Februar 2014 begonnen hat. In der Folgezeit hat der Kläger diese Versicherungsleistung bis einschließlich 30. Juni 2014 in Anspruch genommen. Gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 1 SGB III mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit erfüllt worden ist. Das Arbeitslosengeld wird für Kalendertage berechnet und geleistet; ist es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 154 SGB III). Durch die Erfüllung ist daher eine Minderung der Anspruchsdauer um 121 Tage eingetreten, so dass dem Kläger am 1. Juli 2014 nur noch eine Restanspruchsdauer von 149 Tagen zur Verfügung stand.
Der Senat ist gemäß § 128 Abs. 1 SGG nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Berücksichtigung der vom Sozialgericht durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht vor dem 1. Juli 2014 durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit seine damalige Arbeitslosigkeit beendet hat. Wie sich schon aus diesem Wortlaut des gesetzlichen Tatbestands eindeutig ergibt, muss die selbständige Tätigkeit einen Umfang einnehmen, der die Arbeitslosigkeit beendet. Der Rechtsbegriff der Arbeitslosigkeit setzt gemäß § 138 Abs. 1 SGB III Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit voraus. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit oder sonstigen Erwerbstätigkeit schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 138 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Das BSG hat bereits klargestellt, dass diese zeitliche Grenze auch für die Frage maßgebend ist, ob durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendet worden ist, wie es § 93 Abs. 1 SGB III verlangt (BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 13/16 R, BSGE 123, 224 ff. = SozR 4-4300 § 93 Nr. 1 = NZS 2018, 225 ff. m. insoweit zust. Anm. Pitz = SGb 2018, 443 ff. m. insoweit zust. Anm. Petzold). Dies entspricht auch allgemeiner Auffassung in der arbeitsförderungsrechtlichen Literatur (siehe nur Böttiger in: Böttiger/Körtek/ Schaumberg, SGB III, 3. Aufl. 2019, § 93 Rn. 12; Hassel in: Brand, SGB III, 8. Aufl. 2018, § 93 Rn. 8; Jüttner in: Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, SGB III – Arbeitsförderung, 7. Aufl. 2021, § 93 Rn. 38; Kuhnke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, § 93 Rn. 27; Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 05/20, § 93 SGB III Rn. 10; Schneil in: Gagel, SGB II / SGB III, § 93 SGB III Rn. 44). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Andernfalls könnten Existenzgründer u.U. Gründungszuschuss und Arbeitslosengeld parallel beziehen. Dass dies nicht der gesetzgeberischen Intention entspricht, zeigt die Regelung des § 94 Abs. 1 SGB III, wonach als Gründungszuschuss für die Dauer von sechs Monaten der Betrag geleistet wird, den der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen hat, zuzüglich monatlich 300 Euro.
Bei der Feststellung des Umfangs der Erwerbstätigkeit ist nicht nur der Zeitaufwand zu berücksichtigen, der unmittelbar der Erzielung von Einnahmen dient und auf diese Weise die Tragfähigkeit der Existenzgründung begründen kann. Da die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in aller Regel kein punktuelles Ereignis darstellt, sondern einen gewissen Zeitraum in Anspruch nimmt, geht der Senat vielmehr im Anschluss an die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, dass u.U. auch bloße Vorbereitungshandlungen ausreichen können, um die Arbeitslosigkeit zu beenden. Danach sind vorbereitende Maßnahmen als "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit” zu werten, wenn sie Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und sie ferner nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 11 AL 28/09 R, SozR 4–4300 § 57 Nr. 5 = SGb 2011, 281 ff. m. Anm. Petzold = NZS 2011, 396 ff.; Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 13/16 R, BSGE 123, 224 ff. = SozR 4-4300 § 93 Nr. 1 = NZS 2018, 225 ff. m. insoweit zust. Anm. Pitz = SGb 2018, 443 ff. m. insoweit zust. Anm. Petzold).
Im Ergebnis der sozialgerichtlichen Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger seine eigentliche selbständige Tätigkeit im Sinne einer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichteten und der Gewinnerzielung dienenden Handlungen mit Außenwirkung frühestens im August 2014 aufgenommen hat. Denn sein (nach eigenen Angaben) erster Kunde, der Zeuge C., konnte seine am 28. Juni 2014 telefonisch vereinbarten Dienstleistungen erst nach den Sommerferien in Anspruch nehmen. Abrechenbare Stunden als freiberuflicher Berater hat der Kläger vorher nicht erbracht.
Was die Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung angeht, geht der Senat aufgrund der Angaben des Klägers davon aus, dass dieser seine Existenzgründung spätestens seit März 2014 intensiv betrieben hat. Er hat in der mündlichen Verhandlung insoweit selbst von einem fließenden Übergang gesprochen. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass für die vom Kläger dargelegten Tätigkeiten mit Außenwirkung im Geschäftsverkehr bis mindestens zum 1. Juli 2014 kein wöchentlicher Zeitaufwand von 15 Stunden angefallen ist. Vielmehr lag der Schwerpunkt des Zeitaufwands in diesem Zeitraum nach den Angaben des Klägers in der Erarbeitung eines Geschäftskonzepts und in der Vorbereitung seines Internetauftritts. Dagegen hat der Kläger mit Blick auf seine bevorstehende Selbständigkeit nur sporadisch einzelne Handlungen mit Außenwirkung im Geschäftsverkehr vorgenommen. Diesbezüglich hat das BSG bereits entschieden, dass Vorbereitungshandlungen in dem erforderlichen Umfang nicht verrichtet werden, wenn ein Gründer erst "mit zeitlichem Abstand nach und nach die Voraussetzungen dafür schafft, zu einem späteren Zeitpunkt eine selbständige Tätigkeit aufnehmen zu können" (BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 13/16 R, BSGE 123, 224 ff. = SozR 4-4300 § 93 Nr. 1 = NZS 2018, 225 ff. m. Anm. Pitz = SGb 2018, 443 ff. m. Anm. Petzold). So liegt der Fall auch hier. Der Kläger hat bereits in der Zeit ab März 2014 im Rahmen der Erstellung seines bei der fachkundigen Stelle und der Beklagten vorgelegten Businessplans eine sog. Meilensteinplanung entworfen. Sodann hat er sich mit seinem Steuerberater abgestimmt, bis dieser unter dem 15. Mai 2014 eine positive Stellungnahme als fachkundige Stelle abgegeben hat. Etwa ab Mai 2014 bewarb der Kläger den bevorstehenden Start seiner selbständigen Tätigkeit auch bei früheren Arbeitskollegen. Die Anmeldung der selbständigen Tätigkeit beim Finanzamt A-Stadt erfolgte durch den Kläger persönlich Anfang Juni 2014. Am 28. Juni 2014 hat der Kläger (nach eigenen Angaben etwa 15 bis 30 Minuten) mit dem Zeugen C. telefoniert und die Grundlagen seines ersten Auftrags vereinbart. Am Sonntag, dem 29. Juni 2014, wurde dem Kläger um 23:01 Uhr per E-Mail bestätigt, dass sein Auftrag für ein "Handle" erfolgreich durchgeführt worden sei. Am 30. Juni 2014 wurde dem Kläger ein Versicherungsschein übersandt. In der Folgezeit bis August 2014 bereitete sich der Kläger inhaltlich und organisatorisch auf die Erledigung seines ersten Auftrags vor. Am 3. Juli 2014 reichte der Kläger bei der Datenbank "F." eine Frage zur Privatsphäre-Einstellung ein. Am 21. Juli 2014 schloss er einen Mobilfunkvertrag mit Aktivierung zum 28. Juli 2014 ab. Angesichts dieser Daten kann der Senat dahinstehen lassen, ob der vom Kläger nach eigenen Angaben am 30. Juni 2014 getätigte Abschluss einer privaten Krankenversicherung seiner selbständigen Tätigkeit oder nicht eher seinem privaten Lebensbereich zuzuordnen ist. Zumindest lassen seine Angaben zur damaligen Vorgehensweise erkennen, dass er vor dem 1. Juli 2014 nur einzelne, zeitlich zu vernachlässigende Aktivitäten zur Vorbereitung seiner Existenzgründung vorgenommen hat, die Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfaltet haben. Eine geregelte selbständige Tätigkeit mit mindestens 15 Wochenstunden hat er dagegen erst im Juli oder August 2014 aufgenommen. Das erscheint auch deshalb verständlich, weil der Kläger seine Existenzgründung von der Förderungszusage der Beklagten abhängig machen wollte. Erst als er von dieser am 26. Juni 2014 die telefonische Zusage erhalten hatte, dass ihm Gründungszuschuss gewährt wird, hat er sich endgültig entschieden, sich – wie geplant – im Juli 2014 selbständig zu machen. Dies ergibt sich aus der schriftlichen Mitteilung des Zeugen C. vom 17. Dezember 2014, der angab, noch an seinem Geburtstag, dem 23. Juni 2014, sei sich der Kläger nicht sicher gewesen, ob die geplante Geschäftsbeziehung zustandekommen würde. Für einen solchen (inneren) Vorbehalt des Klägers spricht auch, dass er im Juni 2014 noch keine Verträge für seine freiberufliche Tätigkeit abgeschlossen hat. Schließlich ergibt sich ein anderes Ergebnis auch nicht aus der Bestätigung des Finanzamts A-Stadt vom 22. Juli 2014, auf die der Kläger seinen Widerspruch gestützt hatte, weil für den Senat nicht ersichtlich ist, auf welcher Tatsachengrundlage das Finanzamt davon ausgeht, der Kläger habe seine selbständige Tätigkeit am 28. Juni 2014 aufgenommen.
Wollte man zugunsten des Klägers davon ausgehen, dass seine Entscheidung, die freiberufliche Tätigkeit als Berater nicht vor dem 1. Juli 2014 aufzunehmen, auf einem Beratungsfehler der Beklagten beruhte, würde dies der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs anerkannt, um die Folgen einer behördlichen Falschberatung auszugleichen. Es hat sich durch richterliche Rechtsfortbildung entwickelt und inzwischen gewohnheitsrechtlich verfestigt (Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 395 f.). Der Herstellungsanspruch betrifft gerade Fälle, in denen Verwaltungsfehler nicht "schlicht" zu einer rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung führen, sondern beim Versicherten bewirken, dass er eine für sich selbst ungünstige Entscheidung trifft (so Kallert in: Gagel, SGB II / SGB III, Vorbemerkung zu § 323 SGB III Rn. 106). Allerdings handelt es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch, so dass seine Rechtsfolge auch keine umfassende Naturalrestitution beinhaltet. Sein Anwendungsbereich ist vielmehr auf solche Fälle begrenzt, in denen der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung der zuständigen Behörde beseitigt werden kann. Daran fehlt es, wenn man ein tatsächliches (außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegendes) Verhalten des Versicherten fingieren müsste, obwohl durch das reale, wenn auch auf dem Verwaltungsfehler beruhende Verhalten Fakten geschaffen wurden, auf Grund derer es an wesentlichen materialen Voraussetzungen für den Leistungsanspruch fehlt (siehe zum Ganzen Kallert a.a.O. Rn. 112 m.w.N.; vgl. auch Spellbrink in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Vorbemerkungen zu §§ 13 – 15 SGB I Rn. 33). So liegt der Fall auch hier. Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als tatsächlicher Vorgang in der Lebenswirklichkeit lässt sich nicht nachträglich vorverlegen (ebenso LSG Hamburg, Urteil vom 7. November 2018 – L 2 AL 5/18; Kuhnke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, § 93 Rn. 27 m.w.N.). Ebenso wenig lässt sich fingieren, dass dem Kläger bei seiner Existenzgründung im Juli oder August 2014 noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 150 Tagen zugestanden hat. Die Folgen eines eventuellen Beratungsfehlers lassen sich in diesem Fall ausschließlich im Wege des Schadensersatzes ausgleichen. Über einen solchen Amtshaftungsanspruch aus § 839 Bürgerliches Gesetzbuch hat der Senat indes nicht zu entscheiden (Art. 34 Satz 3 Grundgesetz).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG ist nicht gegeben.
II. Die Beteiligten haben einander für beide Rechtszüge keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Zeit ab 28. Juni 2014.
Vor seiner Existenzgründung war der 1982 geborene Kläger zuletzt vom 19. September 2011 bis 30. September 2013 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Danach hielt er sich zur Arbeitsuche in Asien auf. Am 28. Februar 2014 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos. Diese bewilligte ihm antragsgemäß Arbeitslosengeld von diesem Tag an für die Dauer von 270 Tagen, also bis einschließlich 29. November 2014 (Bescheid vom 25. März 2014). Bei einem persönlichen Beratungsgespräch mit der für ihn zuständigen Arbeitsvermittlerin am 17. März 2014 wurde als "gemeinsames Ziel" die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zum 1. Juli 2014 festgelegt. Der Kläger wurde über die Möglichkeit der Förderung mit einem Gründungzuschuss beraten und erhielt das entsprechende Antragsformular und einen "Flyer". In einer Eingliederungsvereinbarung vom selben Tag sagte der Kläger u.a. zu, den vollständigen Antrag bis zum 16. Juni 2014 bei der zuständigen Arbeitsagentur einzureichen. Unter dem 2. Juni 2014 erklärte der Kläger auf dem Vordruck, er werde am 1. Juli 2014 eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit als freiberuflich beratender Volks- und Betriebswirt sowie Wirtschaftsinformatiker aufnehmen. Dafür werde er etwa 40 Stunden in der Woche aufwenden. Dem Antrag waren ein Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle und ein Businessplan mit Anlagen beigefügt.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses ab. Der Kläger verfüge bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht mehr über einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 150 Tagen. Dagegen erhob der Kläger unter dem 24. Juli 2014 Widerspruch. Er habe seine selbständige Tätigkeit entgegen seiner Planung bereits am 28. Juni 2014 aufgenommen. Dies ergebe sich auch aus einer Bestätigung des Finanzamts A-Stadt. Der ursprünglich genannte Termin sei in Absprache mit seiner Arbeitsvermittlerin ins Auge gefasst worden. Diese habe ihm noch am 26. Juni 2014 telefonisch die Gewährung des beantragten Gründungszuschusses zugesagt. Der Beratungsmangel dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2014 wurde der Widerspruch von der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. Die Behauptung des Klägers, seine Geschäftstätigkeit schon früher aufgenommen zu haben, sei nicht glaubhaft. Nach Erlass des Ablehnungsbescheids habe er zunächst bei der Beklagten angerufen und die Ansicht vertreten, ab 1. Juli 2014 bestünde – wie mit der Arbeitsvermittlerin errechnet – noch ein Restanspruch von 150 Tagen. Auch das Schreiben des Finanzamts A-Stadt rechtfertige keine andere Bewertung. Schließlich sei der Gründungszuschuss dem Kläger auch nicht schriftlich zugesichert worden. Ob der Kläger falsch beraten worden sei, spiele für die Entscheidung keine Rolle, weil sich die Restanspruchsdauer von 150 Tagen nicht fingieren lasse.
Dagegen hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, am 10. Oktober 2014 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Begründung hat er sich auf eine Bestätigung des Zeugen C. gestützt, mit dem er am Samstag, dem 28. Juni 2014, telefoniert habe, um eine geschäftliche Beziehung aufzunehmen (Bl. 29 d.A.). Das fälschlicherweise zunächst angegebene Datum der Existenzgründung am 1. Juli 2014 beruhe auf einem Beratungsmangel der Beklagten. Das Sozialgericht hat dem Kläger aufgegeben, unter Vorlage von Nachweisen darzulegen, "ob und welche weiteren (vorbereitenden) Tätigkeiten er für die Aufnahme seine selbstständige Tätigkeit vor dem 1. Juli 2014 getroffen habe". Daraufhin hat der Kläger eine persönliche Erklärung vom 27. November 2016 und eine Bestätigung seines Steuerberaters vom 15. Mai 2014 zur Akte gereicht, auf die Bezug genommen wird (Bl. 47 ff. d.A.). Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C. im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 7. Dezember 2017. Wegen der Angaben des Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen (Bl. 106 ff. d.A.).
Mit Urteil vom 7. Dezember 2017 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 2014 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "dem Kläger Gründungszuschuss dem Grunde nach zu gewähren". Die Voraussetzungen für den Erlass eines solchen Grundurteils seien erfüllt, weil der Kläger für den Zeitraum ab 28. Juni 2014 Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses habe. Die Klage sei hinsichtlich des Hauptantrags als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig und begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 14. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 2014 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Ihm stehe auf Grund einer Ermessensreduzierung auf Null ein gebundener Anspruch auf Gewährung von Gründungszuschuss nach § 93 SGB III zu. Danach könnten Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III könne ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage betrage und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruhe, der Existenzgründer der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung nachweise und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlege. Nach § 93 Abs. 2 Satz 2 SGB III habe der Arbeitnehmer zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle (Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute) vorzulegen.
Der Kläger sei Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift, er habe eine Stellungnahme eines Steuerberaters als fachkundiger Stelle vorgelegt, wonach seine Existenzgründung tragfähig sei, und durch sein Studium zum Diplom-Wirtschaftsinformatiker, seine Tätigkeit in der Wirtschaftsprüfung bei D. sowie in der Konzernrevision bei E. ausreichend nachgewiesen, dass er über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in diesem Bereich verfüge. Der Kläger habe eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit als freiberuflicher Betriebs- und Volkswirt sowie Wirtschaftsinformatiker aufgenommen und dadurch seine Beschäftigungslosigkeit beendet. Vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit habe der Kläger Arbeitslosengeld bezogen. Für das Gericht seien schließlich keine Ausschlussgründe nach § 93 Abs. 3 SGB III erkennbar.
Die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger bereits am 28. Juni 2014 die selbständige Tätigkeit aufgenommen habe, so dass bei ihm zu diesem Zeitpunkt noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld mit einer Dauer von mehr als 150 Tagen bestanden habe. Eine selbständige Tätigkeit werde aufgenommen, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen werde. Vorbereitungshandlungen könnten nur dann bereits als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gewertet werden, wenn sie zielgerichtet und unmittelbar dazu bestimmt seien, hieraus den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liege eine Aufnahme der selbständigen Tätigkeit vor, wenn Vorbereitungshandlungen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalteten und sie ferner nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet seien. Anhaltspunkte für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit könnten dabei die Anmietung von Gewerbe- oder Geschäftsräumen und deren Ausstattung (Telefon, Fax, Internetauftritt), die Bestellung von Waren oder Produktionsmitteln, Außenwerbung, Buchhaltung, Rechnungslegung, Einrichtung von Geschäftskonten und die Kundenwerbung darstellen. Dafür reiche die rückwirkende Zuteilung einer Steuernummer durch das Finanzamt nicht aus. Der Kläger habe jedoch bereits am 28. Juni 2014 mit dem Zeugen einen Vertrag über eine Tätigkeit für dessen Unternehmen geschlossen und den Stundensatz von 62,50 Euro vereinbart. Dadurch habe diese Vorbereitungshandlung Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfaltet. Dies komme bereits dadurch zum Ausdruck, dass der Kläger im Anschluss an dieses Telefonat für das Unternehmen des Zeugen über 1 ½ Jahre selbständig tätig war. Die vorbereitende Maßnahme sei zudem nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet gewesen. Nach der Aussage des Zeugen habe das Aufgabengebiet des Klägers während der selbständigen Tätigkeit für sein Unternehmen Sicherheitsaspekte, Datenschutz und Prozessoptimierung umfasst. Dies entspreche dem Businessplan des Klägers. Dieser sei auch danach nicht etwa über mehrere Wochen hinweg untätig geblieben. Zwar habe er wegen des bevorstehenden Urlaubs des Zeugen nicht sofort mit der Ausführung seines ersten Auftrags beginnen können. Dies sei indes nicht vom Willen des Klägers abhängig gewesen. Der Kläger sei aber in der Folgezeit auch nicht gänzlich untätig gewesen, sondern habe seine selbständige Tätigkeit beim Finanzamt A-Stadt angezeigt, das ihm daraufhin eine Steuernummer zugeordnet habe.
Die Existenzgründung des Klägers sei auch tragfähig gewesen. Davon sei auszugehen, wenn eine Existenzgrundlage geschaffen werde, die den Gründer unabhängig von dem Bezug von Sozialleistungen mache. Dies sei auch noch im Klageverfahren zu überprüfen. Maßgebend sei eine Prognose nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung für die Zeit nach Ablauf der ersten sechs Monate (Anlaufphase). Dabei sei weder die Beklagte noch das Gericht an die Einschätzung der fachkundigen Stelle gebunden. Auf dieser Grundlage sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach sechs Monaten in der Lage sein werde, seinen Lebensunterhalt durch die selbständige Tätigkeit selbst zu erzielen. Dafür müssten die individuellen Verhältnisse des Existenzgründers Berücksichtigung finden. Für das Jahr 2015 würde sich ein grundsicherungsrechtlicher Bedarf für den Kläger i. H. v. 1.050 Euro monatlich ergeben, welcher auch bei Abzug der gezahlten Steuern sowie der Freibeträge komplett von dem nach dem Businessplan zu erwartenden Einkommen des Klägers aus der selbständigen Tätigkeit gedeckt werden könne.
Zwar habe das Gericht grundsätzlich das Ermessen der Behörde lediglich auf Ermessensfehler zu überprüfen. Vorliegend habe die Beklagte auf Grund des Umstandes, dass sie bereits einen Anspruch auf Gründungszuschuss tatbestandlich verneint habe, kein Ermessen ausgeübt. Allerdings sei im Fall des Klägers das der Beklagten grundsätzlich zustehende Ermessen auf Null reduziert, so dass dem Kläger sogar ein gebundener Anspruch auf Gewährung von Gründungszuschuss zustehe und die Beklagte nur diese eine mögliche Entscheidung hätte treffen dürfen. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte mit dem Kläger in der Eingliederungsvereinbarung vom 17. März 2014 als Ziel die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vereinbart habe. Sie könne sich daher nicht mehr auf den Vermittlungsvorrang nach § 4 SGB III berufen. Das Gericht könne auch nicht erkennen, dass bei dem Kläger aus der selbständigen Tätigkeit eine Eigen-leistungsfähigkeit bestünde, welche die Beklagte zur Leistungsablehnung berechtigen würde. Dieser habe in den ersten sechs Monaten seiner selbständigen Tätigkeit nur ein Einkommen i.H.v. insgesamt 2.291 Euro erzielt. Hinzu komme, dass dem Kläger nach seinem unbestrittenen Vortrag seitens der Beklagten auch die Gewährung von Gründungszuschuss mündlich zugesagt worden sei.
Gegen das ihr am 28. Februar 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. März 2018 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt erhoben.
Sie weist darauf hin, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die als Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit anzusehenden Vorbereitungshandlungen die Arbeitslosigkeit beendet werden müsse. Dies erfordere einen Zeitaufwand von mindestens 15 Wochenstunden. Davon sei hier nicht vor dem 1. Juli 2014 auszugehen. Das vom Sozialgericht berücksichtigte Telefonat des Klägers mit dem Zeugen C. am 28. Juni 2014 habe weniger als 30 Minuten gedauert. Die seinerzeit vereinbarte Tätigkeit habe erst im August 2014 begonnen. Zudem fehle es auch an der Tragfähigkeit der Existenzgründung. Nach dem Businessplan des Klägers sei prognostisch für das Jahr 2015 von monatlichen Gewinnen in Höhe von 1.250 Euro auszugehen, denen zu erwartende Lebenshaltungskosten von 1.730 Euro monatlich gegenüberstünden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Dezember 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Nach dem Hinweis der Beklagten auf die 15-Stunden-Grenze hat der Kläger eine weitere Aufstellung mit Tätigkeiten vorgelegt, die er bereits im Zeitraum März bis Juli 2014 entfaltet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen (Bl. 188 ff. d. A.).
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, denn sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Sein Urteil ist daher aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 2014 ist nicht aufzuheben, weil er rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses für die Zeit ab 28. Juni 2014 zu.
Gemäß § 93 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Dies setzt u.a. voraus, dass der Existenzgründer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III).
Aufgrund des bestandskräftigen Bewilligungsbescheids der Beklagten vom 25. März 2014 steht zwischen den Beteiligten gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindend fest, dass der klägerische Arbeitslosengeldanspruch von 270 Tagen am 28. Februar 2014 begonnen hat. In der Folgezeit hat der Kläger diese Versicherungsleistung bis einschließlich 30. Juni 2014 in Anspruch genommen. Gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 1 SGB III mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit erfüllt worden ist. Das Arbeitslosengeld wird für Kalendertage berechnet und geleistet; ist es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 154 SGB III). Durch die Erfüllung ist daher eine Minderung der Anspruchsdauer um 121 Tage eingetreten, so dass dem Kläger am 1. Juli 2014 nur noch eine Restanspruchsdauer von 149 Tagen zur Verfügung stand.
Der Senat ist gemäß § 128 Abs. 1 SGG nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Berücksichtigung der vom Sozialgericht durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht vor dem 1. Juli 2014 durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit seine damalige Arbeitslosigkeit beendet hat. Wie sich schon aus diesem Wortlaut des gesetzlichen Tatbestands eindeutig ergibt, muss die selbständige Tätigkeit einen Umfang einnehmen, der die Arbeitslosigkeit beendet. Der Rechtsbegriff der Arbeitslosigkeit setzt gemäß § 138 Abs. 1 SGB III Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit voraus. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit oder sonstigen Erwerbstätigkeit schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 138 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Das BSG hat bereits klargestellt, dass diese zeitliche Grenze auch für die Frage maßgebend ist, ob durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendet worden ist, wie es § 93 Abs. 1 SGB III verlangt (BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 13/16 R, BSGE 123, 224 ff. = SozR 4-4300 § 93 Nr. 1 = NZS 2018, 225 ff. m. insoweit zust. Anm. Pitz = SGb 2018, 443 ff. m. insoweit zust. Anm. Petzold). Dies entspricht auch allgemeiner Auffassung in der arbeitsförderungsrechtlichen Literatur (siehe nur Böttiger in: Böttiger/Körtek/ Schaumberg, SGB III, 3. Aufl. 2019, § 93 Rn. 12; Hassel in: Brand, SGB III, 8. Aufl. 2018, § 93 Rn. 8; Jüttner in: Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, SGB III – Arbeitsförderung, 7. Aufl. 2021, § 93 Rn. 38; Kuhnke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, § 93 Rn. 27; Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 05/20, § 93 SGB III Rn. 10; Schneil in: Gagel, SGB II / SGB III, § 93 SGB III Rn. 44). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Andernfalls könnten Existenzgründer u.U. Gründungszuschuss und Arbeitslosengeld parallel beziehen. Dass dies nicht der gesetzgeberischen Intention entspricht, zeigt die Regelung des § 94 Abs. 1 SGB III, wonach als Gründungszuschuss für die Dauer von sechs Monaten der Betrag geleistet wird, den der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld zuletzt bezogen hat, zuzüglich monatlich 300 Euro.
Bei der Feststellung des Umfangs der Erwerbstätigkeit ist nicht nur der Zeitaufwand zu berücksichtigen, der unmittelbar der Erzielung von Einnahmen dient und auf diese Weise die Tragfähigkeit der Existenzgründung begründen kann. Da die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in aller Regel kein punktuelles Ereignis darstellt, sondern einen gewissen Zeitraum in Anspruch nimmt, geht der Senat vielmehr im Anschluss an die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, dass u.U. auch bloße Vorbereitungshandlungen ausreichen können, um die Arbeitslosigkeit zu beenden. Danach sind vorbereitende Maßnahmen als "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit” zu werten, wenn sie Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und sie ferner nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 11 AL 28/09 R, SozR 4–4300 § 57 Nr. 5 = SGb 2011, 281 ff. m. Anm. Petzold = NZS 2011, 396 ff.; Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 13/16 R, BSGE 123, 224 ff. = SozR 4-4300 § 93 Nr. 1 = NZS 2018, 225 ff. m. insoweit zust. Anm. Pitz = SGb 2018, 443 ff. m. insoweit zust. Anm. Petzold).
Im Ergebnis der sozialgerichtlichen Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger seine eigentliche selbständige Tätigkeit im Sinne einer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichteten und der Gewinnerzielung dienenden Handlungen mit Außenwirkung frühestens im August 2014 aufgenommen hat. Denn sein (nach eigenen Angaben) erster Kunde, der Zeuge C., konnte seine am 28. Juni 2014 telefonisch vereinbarten Dienstleistungen erst nach den Sommerferien in Anspruch nehmen. Abrechenbare Stunden als freiberuflicher Berater hat der Kläger vorher nicht erbracht.
Was die Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung angeht, geht der Senat aufgrund der Angaben des Klägers davon aus, dass dieser seine Existenzgründung spätestens seit März 2014 intensiv betrieben hat. Er hat in der mündlichen Verhandlung insoweit selbst von einem fließenden Übergang gesprochen. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass für die vom Kläger dargelegten Tätigkeiten mit Außenwirkung im Geschäftsverkehr bis mindestens zum 1. Juli 2014 kein wöchentlicher Zeitaufwand von 15 Stunden angefallen ist. Vielmehr lag der Schwerpunkt des Zeitaufwands in diesem Zeitraum nach den Angaben des Klägers in der Erarbeitung eines Geschäftskonzepts und in der Vorbereitung seines Internetauftritts. Dagegen hat der Kläger mit Blick auf seine bevorstehende Selbständigkeit nur sporadisch einzelne Handlungen mit Außenwirkung im Geschäftsverkehr vorgenommen. Diesbezüglich hat das BSG bereits entschieden, dass Vorbereitungshandlungen in dem erforderlichen Umfang nicht verrichtet werden, wenn ein Gründer erst "mit zeitlichem Abstand nach und nach die Voraussetzungen dafür schafft, zu einem späteren Zeitpunkt eine selbständige Tätigkeit aufnehmen zu können" (BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 13/16 R, BSGE 123, 224 ff. = SozR 4-4300 § 93 Nr. 1 = NZS 2018, 225 ff. m. Anm. Pitz = SGb 2018, 443 ff. m. Anm. Petzold). So liegt der Fall auch hier. Der Kläger hat bereits in der Zeit ab März 2014 im Rahmen der Erstellung seines bei der fachkundigen Stelle und der Beklagten vorgelegten Businessplans eine sog. Meilensteinplanung entworfen. Sodann hat er sich mit seinem Steuerberater abgestimmt, bis dieser unter dem 15. Mai 2014 eine positive Stellungnahme als fachkundige Stelle abgegeben hat. Etwa ab Mai 2014 bewarb der Kläger den bevorstehenden Start seiner selbständigen Tätigkeit auch bei früheren Arbeitskollegen. Die Anmeldung der selbständigen Tätigkeit beim Finanzamt A-Stadt erfolgte durch den Kläger persönlich Anfang Juni 2014. Am 28. Juni 2014 hat der Kläger (nach eigenen Angaben etwa 15 bis 30 Minuten) mit dem Zeugen C. telefoniert und die Grundlagen seines ersten Auftrags vereinbart. Am Sonntag, dem 29. Juni 2014, wurde dem Kläger um 23:01 Uhr per E-Mail bestätigt, dass sein Auftrag für ein "Handle" erfolgreich durchgeführt worden sei. Am 30. Juni 2014 wurde dem Kläger ein Versicherungsschein übersandt. In der Folgezeit bis August 2014 bereitete sich der Kläger inhaltlich und organisatorisch auf die Erledigung seines ersten Auftrags vor. Am 3. Juli 2014 reichte der Kläger bei der Datenbank "F." eine Frage zur Privatsphäre-Einstellung ein. Am 21. Juli 2014 schloss er einen Mobilfunkvertrag mit Aktivierung zum 28. Juli 2014 ab. Angesichts dieser Daten kann der Senat dahinstehen lassen, ob der vom Kläger nach eigenen Angaben am 30. Juni 2014 getätigte Abschluss einer privaten Krankenversicherung seiner selbständigen Tätigkeit oder nicht eher seinem privaten Lebensbereich zuzuordnen ist. Zumindest lassen seine Angaben zur damaligen Vorgehensweise erkennen, dass er vor dem 1. Juli 2014 nur einzelne, zeitlich zu vernachlässigende Aktivitäten zur Vorbereitung seiner Existenzgründung vorgenommen hat, die Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfaltet haben. Eine geregelte selbständige Tätigkeit mit mindestens 15 Wochenstunden hat er dagegen erst im Juli oder August 2014 aufgenommen. Das erscheint auch deshalb verständlich, weil der Kläger seine Existenzgründung von der Förderungszusage der Beklagten abhängig machen wollte. Erst als er von dieser am 26. Juni 2014 die telefonische Zusage erhalten hatte, dass ihm Gründungszuschuss gewährt wird, hat er sich endgültig entschieden, sich – wie geplant – im Juli 2014 selbständig zu machen. Dies ergibt sich aus der schriftlichen Mitteilung des Zeugen C. vom 17. Dezember 2014, der angab, noch an seinem Geburtstag, dem 23. Juni 2014, sei sich der Kläger nicht sicher gewesen, ob die geplante Geschäftsbeziehung zustandekommen würde. Für einen solchen (inneren) Vorbehalt des Klägers spricht auch, dass er im Juni 2014 noch keine Verträge für seine freiberufliche Tätigkeit abgeschlossen hat. Schließlich ergibt sich ein anderes Ergebnis auch nicht aus der Bestätigung des Finanzamts A-Stadt vom 22. Juli 2014, auf die der Kläger seinen Widerspruch gestützt hatte, weil für den Senat nicht ersichtlich ist, auf welcher Tatsachengrundlage das Finanzamt davon ausgeht, der Kläger habe seine selbständige Tätigkeit am 28. Juni 2014 aufgenommen.
Wollte man zugunsten des Klägers davon ausgehen, dass seine Entscheidung, die freiberufliche Tätigkeit als Berater nicht vor dem 1. Juli 2014 aufzunehmen, auf einem Beratungsfehler der Beklagten beruhte, würde dies der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs anerkannt, um die Folgen einer behördlichen Falschberatung auszugleichen. Es hat sich durch richterliche Rechtsfortbildung entwickelt und inzwischen gewohnheitsrechtlich verfestigt (Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 395 f.). Der Herstellungsanspruch betrifft gerade Fälle, in denen Verwaltungsfehler nicht "schlicht" zu einer rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung führen, sondern beim Versicherten bewirken, dass er eine für sich selbst ungünstige Entscheidung trifft (so Kallert in: Gagel, SGB II / SGB III, Vorbemerkung zu § 323 SGB III Rn. 106). Allerdings handelt es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch, so dass seine Rechtsfolge auch keine umfassende Naturalrestitution beinhaltet. Sein Anwendungsbereich ist vielmehr auf solche Fälle begrenzt, in denen der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung der zuständigen Behörde beseitigt werden kann. Daran fehlt es, wenn man ein tatsächliches (außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegendes) Verhalten des Versicherten fingieren müsste, obwohl durch das reale, wenn auch auf dem Verwaltungsfehler beruhende Verhalten Fakten geschaffen wurden, auf Grund derer es an wesentlichen materialen Voraussetzungen für den Leistungsanspruch fehlt (siehe zum Ganzen Kallert a.a.O. Rn. 112 m.w.N.; vgl. auch Spellbrink in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Vorbemerkungen zu §§ 13 – 15 SGB I Rn. 33). So liegt der Fall auch hier. Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als tatsächlicher Vorgang in der Lebenswirklichkeit lässt sich nicht nachträglich vorverlegen (ebenso LSG Hamburg, Urteil vom 7. November 2018 – L 2 AL 5/18; Kuhnke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, § 93 Rn. 27 m.w.N.). Ebenso wenig lässt sich fingieren, dass dem Kläger bei seiner Existenzgründung im Juli oder August 2014 noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 150 Tagen zugestanden hat. Die Folgen eines eventuellen Beratungsfehlers lassen sich in diesem Fall ausschließlich im Wege des Schadensersatzes ausgleichen. Über einen solchen Amtshaftungsanspruch aus § 839 Bürgerliches Gesetzbuch hat der Senat indes nicht zu entscheiden (Art. 34 Satz 3 Grundgesetz).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG ist nicht gegeben.
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