Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 7 AY 5/11 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 AY 10/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 5. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Anordnung über die Höhe der Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Die Antragsteller halten sich seit 2011 ohne Passpapiere in der Bundesrepublik Deutschland auf und sind nach § 60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geduldet. Am 28. Juni 2011 wurden sie durch das Regierungspräsidium Darmstadt gem. § 15a Abs. 4 AufenthG i. V. m. § 2 Abs. 2 und 3 des Hessischen Gesetzes über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge und anderer Personen dem Beklagten zugewiesen. Sie leben seither in der Gemeinschaftsunterkunft, A-Straße in A-Stadt. Der Beklagte bewilligte ihnen Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG einschließlich Hausrats-Beihilfe (182 EUR).
Mit Bescheid vom 9. August 2011 setzte der Beklagte die Leistungen mit Wirkung ab 1. September 2011 auf insgesamt 815,49 EUR monatlich fest. Mit Bescheid vom 18. August 2011 leistete der Beklagte Einschulungsbeihilfe i. H. v. 276 EUR und setzte im Weiteren mit Änderungsbescheid vom 18. August 2011 die laufenden Leistungen ab 1. September 2011 auf insgesamt 815,49 EUR monatlich fest.
Gegen den Bescheid vom 9. August 2011 legten die Antragsteller am 18. August 2011 Widerspruch ein und begehrten Leistungen mindestens in Höhe der Regelsätze des SGB II. Die Bedarfssätze nach dem AsylbLG seien seit dem 1. Januar 1993 unverändert, während sowohl die Lebensunterhaltskosten als auch die Regelsätze nach dem SGB II und dem SGB XII gestiegen seien. Im Bereich der sozialstaatlichen Existenzsicherung sei es von Verfassungs wegen erforderlich, dass die Bedarfsermittlung und die Festsetzung der Leistungshöhe auf einem transparenten, empirisch belegten und in sich schlüssigen Verfahren beruhe. Die Festsetzung der Leistungen im Jahr 1993 beruhe demgegenüber nicht auf Ermittlungen zu den tatsächlichen Bedarfen der Asylbewerber und der sonstigen anspruchsberechtigten Ausländer. Folge der zwischenzeitlich erfolgten Kostensteigerung sei, dass das Existenzminimum nicht mehr abgesichert sei. Mangels anderer Maßstäbe seien die Sätze des SGB II und SGB XII festzulegen. Es sei nicht festzustellen, dass unter das AsylbLG fallende Personen für ein menschenwürdiges Existenzminimum weniger benötigten als andere Hilfsbedürftige. Insbesondere sei ein Verzicht auf Leistungen zur Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben nicht zumutbar. Die Gewährung höherer Leistungen könne nach § 6 AsylbLG erfolgen, es bestehe ein besonders dringlicher Bedarf.
Am 23. August 2011 haben die Antragsteller mit gleicher Begründung beim Sozialgericht Fulda den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Die einstweilige Anordnung sei zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich, da die Leistungen nach dem AsylbLG offensichtlich verfassungswidrig seien. Ihnen könne nicht zugemutet werden, auf eine Gesetzesänderung zu warten. Der Antragsgegner hat ausgeführt, es bestehe weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch. Es sei nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen, dass durch die aktuell gewährten Leistungen das Existenzminimum der Antragsteller evident nicht gesichert wäre. Aus verfassungsrechtlichen Gründen scheide eine fachgerichtliche Erhöhung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG aus.
Mit Beschluss vom 5. Oktober 2011 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsteller hätten schon einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die Höhe des menschenwürdigen Existenzminimums bedürfe der Konkretisierung und der stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an den jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten habe. Dabei stehe dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der auch vom Bundesverfassungsgericht nur zurückhaltend kontrolliert werden könne (Hinweis auf: BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - NJW 2010, 505 (507, 508) Rn. 133, 141). Insbesondere stehe es im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Asylbewerber - was mit dem Asylbewerberleistungsgesetz geschehen sei - ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen (Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - NVwZ 2007, 436 m. w. N.). Bei dieser Sachlage fehle es gegenwärtig an einem evidenten, über § 3 AsylbLG hinausgehenden und bezifferbaren Anordnungsanspruch der Antragsteller, der es ausnahmsweise erlauben würde, von dem Erfordernis der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes abzusehen. Wolle darüber hinaus das Sozialgericht in einem Hauptsacheverfahren gleichen Inhalts der Auffassung der Antragsteller näher treten, die bislang auf der Grundlage von § 3 AsylbLG gewährten Leistungen könnten das menschenwürdige Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nicht gewährleisten, so wäre es gehindert, den Antragstellern die entsprechenden, § 3 AsylbLG übersteigenden Beträge aus eigener Zuständigkeit zuzusprechen. Die damit einhergehende Kompetenz, es nicht bei den vom Gesetzgeber beschlossenen Leistungen nach § 3 AsylbLG zu belassen, sondern darüber hinausgehende Leistungen zuzusprechen, stehe dem Sozialgericht nicht zu. Für alle nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassenen Gesetze sei die ausschließliche Verwerfungszuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG gegeben (Hinweis auf: BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1983 - BVerfG GE 63, 131 ff m. w. N.). § 3 AsylbLG sei so lange geltendes Recht, bis es vom Bundesverfassungsgericht - gegebenenfalls nach einer entsprechenden Richtervorlage - kraft der ihm zukommenden Verwerfungskompetenz für mit dem Grundgesetz unvereinbar und gegebenenfalls nichtig erklärt worden sei. Die Antragsteller könnten im vorliegenden Eilverfahren nicht mehr erlangen als in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren. Auch das Bundesverfassungsgericht (Hinweis auf: Beschluss vom 24. Juni 1992 - NJW 1992, 2749 (2750) gehe davon aus, dass die Fachgerichte vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz gewähren könnten, wenn dies nach den Umständen des Falles im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheine und die Hauptsacheentscheidung dadurch nicht vorweg genommen werde. Gerade dies wäre jedoch bei der von den Antragstellern begehrten Entscheidung der Fall. Denn bei einer Gewährung von Leistungen über den in § 3 AsylbLG geregelten Umfang stelle sich dies bei den Vermögensverhältnissen der Antragsteller als verlorener Zuschuss und damit jedenfalls als faktische Vorwegnahme der Hauptsache dar.
Gegen den ihnen am 10. Oktober 2011 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 2. November 2011 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt und zugleich Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2011 hat das Regierungspräsidium Darmstadt den Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. August 2011 zurückgewiesen, hiergegen haben die Antragsteller unter der Aktenzeichen S 7 AY 8/11 Klage zum Sozialgericht Fulda erhoben.
Die Antragsteller wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag und führen weiter aus, höhere Leistungen könnten ohne Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip erbracht werden § 3 Abs. 3 AsylbLG erlaube es, die gesetzlich festgelegten Leistungssätze selbst auszufüllen, da eine Festsetzung (durch den Verordnungsgeber) noch nie erfolgt sei, könne dies ersatzweise durch das Gericht erfolgen, ohne in die Befugnisse des parlamentarischen Gesetzgebers einzugreifen.
Die Antragsteller beantragen (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda aufzuheben und den Antragsteller zu verpflichten, ihnen vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens spätestens bis zu Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 2011, Az. L 20 AY 13/09, laufende Leistungen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Höhe, mindestens jedoch in Höhe der Regelsätze des SGB II bzw. des SGB XII zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend entschieden, dass es weder eine Verwerfungskompetenz hinsichtlich § 3 AsylbLG habe, noch eine Vorwegnahme der Hauptsache durch eine Zahlung als verlorener Zuschuss statthaft sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht im angefochtenen Beschluss das Bestehen eines Anordnungsanspruchs verneint.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage dagegen offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, 927, und vom 15. Januar 2007, 1 BvR 2971/06, juris). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d. h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung des HLSG, bspw. Beschluss vom 29. Januar 2008, L 9 AS 421/07 ER m.w.N., juris). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2009, § 86b Rdnr. 28).
Für das im Wege der einstweiligen Anordnung verfolgte Begehren der Antragsteller auf "Leistungen in Höhe der Sätze des SGB II bzw. des SGB XII", besteht keine rechtliche Grundlage.
Zunächst haben die Antragsteller, die gegenwärtig laufende Leistungen nach dem AsylbLG im Sinne der Grundleistungen gem. § 3 AsylbLG beziehen, keinen Anspruch auf die höheren sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Denn die Antragssteller sind erst 2011 in die Bundesrepublik eingereist. Sie sind im Besitz von Duldungen und gehören damit zu dem nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis (vgl. § 1 Nr. 4 AsylbLG). In Anbetracht des kurzen Zeitraums des Bezugs von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ist die nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erforderliche Vorbezugszeit von 48 Monaten nicht erfüllt. Diese Regelung begegnet im Übrigen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss BVerfG vom 30. Oktober 2010 - 1 BvR 2037/10 -; ferner Bundesssozialgericht (BSG) BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr. 2) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Eine sonstige gesetzliche Grundlage für das Begehren der Antragsteller ist nicht ersichtlich. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende scheiden aus, weil die Antragsteller als Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II vom Bezug derartiger Leistungen ausgeschlossen sind (vgl. BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr. 10; BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 40/07 R - und 7. Mai 2009 - B 14 AS 41/07 R - (beide juris). Ferner kommen Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII wegen des Leistungsausschlusses in § 23 Abs. 2 SGB XII nicht in Betracht.
Soweit die Antragsteller ihr Begehren auf höhere Leistungen im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit verfassungsrechtlichen Erwägungen, gestützt auf Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, begründen, vermag dies einen Anordnungsanspruch nicht zu begründen.
Die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG steht nicht erst seit dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09; 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - (BVerfGE 125, 175) zur Diskussion (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. April 2010 - L 7 AY 3482/09 B - InfAuslR 2010, 307 = info also 2010, 180 m. Anm. Armborst/Berlit (jeweils m.w.N.)). Hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 3 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 3, Satz 3 AsylbLG mit dem GG sind beim BVerfG mittlerweile auch zwei Normenkontrollverfahren (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) aufgrund von Vorlagebeschlüssen des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 2010 (L 20 AY 13/09) und vom 22. November 2010 (L 20 AY 1/09) anhängig.
Die mögliche Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 2 AsylbLG rechtfertigt die erstrebte einstweilige Anordnung jedoch nicht. Denn den Gerichten ist es nicht gestattet, den zuständigen Träger allein auf der Grundlage von Verfassungsrecht, hier also des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG), zur Leistungsgewährung zu verpflichten. Die Konkretisierung dieses Grundrechts, das als Geldleistungsanspruch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für öffentliche Haushalte verbunden ist, ist vielmehr ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten; wie er den Umfang der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums durch Geld-, Sach- und Dienstleistungen sichert, bleibt grundsätzlich ihm überlassen (vgl. BVerfGE 125, 175 (Rdnr. 138); BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 a.a.O. (Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde gegen u.a. den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2010 - L 20 AY 4/10 B ER -)). Der Senat ist deshalb nicht befugt, den Antragstellern unmittelbar gestützt auf Normen der Verfassung die im einstweiligen Rechtsschutz erstrebten höheren Leistungen zuzusprechen (vgl. nochmals BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 a.a.O.; so auch die - soweit ersichtlich - ständige obergerichtliche Rechtsprechung; vgl. nur LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – L 7 AY 3998/11 ER-B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 23. September 2010 - L 20 AY 69/10 B ER - und 10. Januar 2011 - L 20 AY 178/10 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 18. April 2011 - L 15 AY 5/11 B ER - und 19. April 2011 - L 23 AY 7/11 B ER u.a. - (alle juris); a.A. SG Mannheim Beschluss vom 10. August 2011 – S 9 AY 2678/11).
Ebenso ist der Senat nicht berechtigt, höhere Leistungen "ersatzweise" gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG festzusetzen. Hiernach ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium der Finanzen berechtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Beträge nach § 3 Abs. 1 Satz 4 und Absatz 2 Satz 2 AsylbLG jeweils zum 1. Januar eines Jahres neu festzusetzen, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung des tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des in Absatz 1 genannten Bedarfs erforderlich ist. Es handelt sich bei dieser Norm ersichtlich um eine Verordnungsermächtigung im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Grundgesetz (GG), von der der Verordnungsgeber – worauf die Antragsteller zutreffend hinweisen – bislang noch keinen Gebrauch gemacht haben. Adressat der Ermächtigung sind indes die genannten Bundesministerien, die ihrerseits auch nur mit Zustimmung des Bundesrates tätig werden dürfen, nicht die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Diesen steht zwar ein inzidentes Prüfungsrecht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Rechtsverordnung zu (vgl. hierzu Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 17. Auflage 2009, § 13 RdNr. 18 ff), die Gericht dürfen sich jedoch nicht über die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes hinweg setzen und selbst rechtssetzend tätig werden.
Da eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen der hier nur möglichen vorläufigen Klärung sowie der gebotenen zeitnahen Entscheidung nicht in Betracht kommt (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 a.a.O.), kann der Senat davon absehen, im Einzelnen auf die von den Antragstellern geltend gemachte Verletzung des Grundrechts auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch die Regelungen in § 3 Abs. 2 AsylbLG einzugehen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war aus den genannten Gründen wegen fehlender Erfolgsaussicht abzulehnen (§§ 73a SGG i.V.m. 114 ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Anordnung über die Höhe der Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Die Antragsteller halten sich seit 2011 ohne Passpapiere in der Bundesrepublik Deutschland auf und sind nach § 60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geduldet. Am 28. Juni 2011 wurden sie durch das Regierungspräsidium Darmstadt gem. § 15a Abs. 4 AufenthG i. V. m. § 2 Abs. 2 und 3 des Hessischen Gesetzes über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge und anderer Personen dem Beklagten zugewiesen. Sie leben seither in der Gemeinschaftsunterkunft, A-Straße in A-Stadt. Der Beklagte bewilligte ihnen Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG einschließlich Hausrats-Beihilfe (182 EUR).
Mit Bescheid vom 9. August 2011 setzte der Beklagte die Leistungen mit Wirkung ab 1. September 2011 auf insgesamt 815,49 EUR monatlich fest. Mit Bescheid vom 18. August 2011 leistete der Beklagte Einschulungsbeihilfe i. H. v. 276 EUR und setzte im Weiteren mit Änderungsbescheid vom 18. August 2011 die laufenden Leistungen ab 1. September 2011 auf insgesamt 815,49 EUR monatlich fest.
Gegen den Bescheid vom 9. August 2011 legten die Antragsteller am 18. August 2011 Widerspruch ein und begehrten Leistungen mindestens in Höhe der Regelsätze des SGB II. Die Bedarfssätze nach dem AsylbLG seien seit dem 1. Januar 1993 unverändert, während sowohl die Lebensunterhaltskosten als auch die Regelsätze nach dem SGB II und dem SGB XII gestiegen seien. Im Bereich der sozialstaatlichen Existenzsicherung sei es von Verfassungs wegen erforderlich, dass die Bedarfsermittlung und die Festsetzung der Leistungshöhe auf einem transparenten, empirisch belegten und in sich schlüssigen Verfahren beruhe. Die Festsetzung der Leistungen im Jahr 1993 beruhe demgegenüber nicht auf Ermittlungen zu den tatsächlichen Bedarfen der Asylbewerber und der sonstigen anspruchsberechtigten Ausländer. Folge der zwischenzeitlich erfolgten Kostensteigerung sei, dass das Existenzminimum nicht mehr abgesichert sei. Mangels anderer Maßstäbe seien die Sätze des SGB II und SGB XII festzulegen. Es sei nicht festzustellen, dass unter das AsylbLG fallende Personen für ein menschenwürdiges Existenzminimum weniger benötigten als andere Hilfsbedürftige. Insbesondere sei ein Verzicht auf Leistungen zur Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben nicht zumutbar. Die Gewährung höherer Leistungen könne nach § 6 AsylbLG erfolgen, es bestehe ein besonders dringlicher Bedarf.
Am 23. August 2011 haben die Antragsteller mit gleicher Begründung beim Sozialgericht Fulda den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Die einstweilige Anordnung sei zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich, da die Leistungen nach dem AsylbLG offensichtlich verfassungswidrig seien. Ihnen könne nicht zugemutet werden, auf eine Gesetzesänderung zu warten. Der Antragsgegner hat ausgeführt, es bestehe weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch. Es sei nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen, dass durch die aktuell gewährten Leistungen das Existenzminimum der Antragsteller evident nicht gesichert wäre. Aus verfassungsrechtlichen Gründen scheide eine fachgerichtliche Erhöhung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG aus.
Mit Beschluss vom 5. Oktober 2011 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsteller hätten schon einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die Höhe des menschenwürdigen Existenzminimums bedürfe der Konkretisierung und der stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an den jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten habe. Dabei stehe dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der auch vom Bundesverfassungsgericht nur zurückhaltend kontrolliert werden könne (Hinweis auf: BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - NJW 2010, 505 (507, 508) Rn. 133, 141). Insbesondere stehe es im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Asylbewerber - was mit dem Asylbewerberleistungsgesetz geschehen sei - ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen (Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - NVwZ 2007, 436 m. w. N.). Bei dieser Sachlage fehle es gegenwärtig an einem evidenten, über § 3 AsylbLG hinausgehenden und bezifferbaren Anordnungsanspruch der Antragsteller, der es ausnahmsweise erlauben würde, von dem Erfordernis der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes abzusehen. Wolle darüber hinaus das Sozialgericht in einem Hauptsacheverfahren gleichen Inhalts der Auffassung der Antragsteller näher treten, die bislang auf der Grundlage von § 3 AsylbLG gewährten Leistungen könnten das menschenwürdige Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nicht gewährleisten, so wäre es gehindert, den Antragstellern die entsprechenden, § 3 AsylbLG übersteigenden Beträge aus eigener Zuständigkeit zuzusprechen. Die damit einhergehende Kompetenz, es nicht bei den vom Gesetzgeber beschlossenen Leistungen nach § 3 AsylbLG zu belassen, sondern darüber hinausgehende Leistungen zuzusprechen, stehe dem Sozialgericht nicht zu. Für alle nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassenen Gesetze sei die ausschließliche Verwerfungszuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG gegeben (Hinweis auf: BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1983 - BVerfG GE 63, 131 ff m. w. N.). § 3 AsylbLG sei so lange geltendes Recht, bis es vom Bundesverfassungsgericht - gegebenenfalls nach einer entsprechenden Richtervorlage - kraft der ihm zukommenden Verwerfungskompetenz für mit dem Grundgesetz unvereinbar und gegebenenfalls nichtig erklärt worden sei. Die Antragsteller könnten im vorliegenden Eilverfahren nicht mehr erlangen als in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren. Auch das Bundesverfassungsgericht (Hinweis auf: Beschluss vom 24. Juni 1992 - NJW 1992, 2749 (2750) gehe davon aus, dass die Fachgerichte vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz gewähren könnten, wenn dies nach den Umständen des Falles im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheine und die Hauptsacheentscheidung dadurch nicht vorweg genommen werde. Gerade dies wäre jedoch bei der von den Antragstellern begehrten Entscheidung der Fall. Denn bei einer Gewährung von Leistungen über den in § 3 AsylbLG geregelten Umfang stelle sich dies bei den Vermögensverhältnissen der Antragsteller als verlorener Zuschuss und damit jedenfalls als faktische Vorwegnahme der Hauptsache dar.
Gegen den ihnen am 10. Oktober 2011 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 2. November 2011 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt und zugleich Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2011 hat das Regierungspräsidium Darmstadt den Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. August 2011 zurückgewiesen, hiergegen haben die Antragsteller unter der Aktenzeichen S 7 AY 8/11 Klage zum Sozialgericht Fulda erhoben.
Die Antragsteller wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag und führen weiter aus, höhere Leistungen könnten ohne Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip erbracht werden § 3 Abs. 3 AsylbLG erlaube es, die gesetzlich festgelegten Leistungssätze selbst auszufüllen, da eine Festsetzung (durch den Verordnungsgeber) noch nie erfolgt sei, könne dies ersatzweise durch das Gericht erfolgen, ohne in die Befugnisse des parlamentarischen Gesetzgebers einzugreifen.
Die Antragsteller beantragen (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda aufzuheben und den Antragsteller zu verpflichten, ihnen vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens spätestens bis zu Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 2011, Az. L 20 AY 13/09, laufende Leistungen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Höhe, mindestens jedoch in Höhe der Regelsätze des SGB II bzw. des SGB XII zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend entschieden, dass es weder eine Verwerfungskompetenz hinsichtlich § 3 AsylbLG habe, noch eine Vorwegnahme der Hauptsache durch eine Zahlung als verlorener Zuschuss statthaft sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht im angefochtenen Beschluss das Bestehen eines Anordnungsanspruchs verneint.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage dagegen offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, 927, und vom 15. Januar 2007, 1 BvR 2971/06, juris). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d. h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung des HLSG, bspw. Beschluss vom 29. Januar 2008, L 9 AS 421/07 ER m.w.N., juris). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2009, § 86b Rdnr. 28).
Für das im Wege der einstweiligen Anordnung verfolgte Begehren der Antragsteller auf "Leistungen in Höhe der Sätze des SGB II bzw. des SGB XII", besteht keine rechtliche Grundlage.
Zunächst haben die Antragsteller, die gegenwärtig laufende Leistungen nach dem AsylbLG im Sinne der Grundleistungen gem. § 3 AsylbLG beziehen, keinen Anspruch auf die höheren sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Denn die Antragssteller sind erst 2011 in die Bundesrepublik eingereist. Sie sind im Besitz von Duldungen und gehören damit zu dem nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis (vgl. § 1 Nr. 4 AsylbLG). In Anbetracht des kurzen Zeitraums des Bezugs von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ist die nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erforderliche Vorbezugszeit von 48 Monaten nicht erfüllt. Diese Regelung begegnet im Übrigen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss BVerfG vom 30. Oktober 2010 - 1 BvR 2037/10 -; ferner Bundesssozialgericht (BSG) BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr. 2) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Eine sonstige gesetzliche Grundlage für das Begehren der Antragsteller ist nicht ersichtlich. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende scheiden aus, weil die Antragsteller als Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II vom Bezug derartiger Leistungen ausgeschlossen sind (vgl. BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr. 10; BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 40/07 R - und 7. Mai 2009 - B 14 AS 41/07 R - (beide juris). Ferner kommen Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII wegen des Leistungsausschlusses in § 23 Abs. 2 SGB XII nicht in Betracht.
Soweit die Antragsteller ihr Begehren auf höhere Leistungen im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit verfassungsrechtlichen Erwägungen, gestützt auf Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, begründen, vermag dies einen Anordnungsanspruch nicht zu begründen.
Die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG steht nicht erst seit dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09; 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - (BVerfGE 125, 175) zur Diskussion (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. April 2010 - L 7 AY 3482/09 B - InfAuslR 2010, 307 = info also 2010, 180 m. Anm. Armborst/Berlit (jeweils m.w.N.)). Hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 3 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 3, Satz 3 AsylbLG mit dem GG sind beim BVerfG mittlerweile auch zwei Normenkontrollverfahren (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) aufgrund von Vorlagebeschlüssen des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 2010 (L 20 AY 13/09) und vom 22. November 2010 (L 20 AY 1/09) anhängig.
Die mögliche Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 2 AsylbLG rechtfertigt die erstrebte einstweilige Anordnung jedoch nicht. Denn den Gerichten ist es nicht gestattet, den zuständigen Träger allein auf der Grundlage von Verfassungsrecht, hier also des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG), zur Leistungsgewährung zu verpflichten. Die Konkretisierung dieses Grundrechts, das als Geldleistungsanspruch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für öffentliche Haushalte verbunden ist, ist vielmehr ausschließlich dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten; wie er den Umfang der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums durch Geld-, Sach- und Dienstleistungen sichert, bleibt grundsätzlich ihm überlassen (vgl. BVerfGE 125, 175 (Rdnr. 138); BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 a.a.O. (Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde gegen u.a. den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2010 - L 20 AY 4/10 B ER -)). Der Senat ist deshalb nicht befugt, den Antragstellern unmittelbar gestützt auf Normen der Verfassung die im einstweiligen Rechtsschutz erstrebten höheren Leistungen zuzusprechen (vgl. nochmals BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 a.a.O.; so auch die - soweit ersichtlich - ständige obergerichtliche Rechtsprechung; vgl. nur LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – L 7 AY 3998/11 ER-B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 23. September 2010 - L 20 AY 69/10 B ER - und 10. Januar 2011 - L 20 AY 178/10 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 18. April 2011 - L 15 AY 5/11 B ER - und 19. April 2011 - L 23 AY 7/11 B ER u.a. - (alle juris); a.A. SG Mannheim Beschluss vom 10. August 2011 – S 9 AY 2678/11).
Ebenso ist der Senat nicht berechtigt, höhere Leistungen "ersatzweise" gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG festzusetzen. Hiernach ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium der Finanzen berechtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Beträge nach § 3 Abs. 1 Satz 4 und Absatz 2 Satz 2 AsylbLG jeweils zum 1. Januar eines Jahres neu festzusetzen, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung des tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des in Absatz 1 genannten Bedarfs erforderlich ist. Es handelt sich bei dieser Norm ersichtlich um eine Verordnungsermächtigung im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Grundgesetz (GG), von der der Verordnungsgeber – worauf die Antragsteller zutreffend hinweisen – bislang noch keinen Gebrauch gemacht haben. Adressat der Ermächtigung sind indes die genannten Bundesministerien, die ihrerseits auch nur mit Zustimmung des Bundesrates tätig werden dürfen, nicht die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Diesen steht zwar ein inzidentes Prüfungsrecht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Rechtsverordnung zu (vgl. hierzu Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 17. Auflage 2009, § 13 RdNr. 18 ff), die Gericht dürfen sich jedoch nicht über die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes hinweg setzen und selbst rechtssetzend tätig werden.
Da eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen der hier nur möglichen vorläufigen Klärung sowie der gebotenen zeitnahen Entscheidung nicht in Betracht kommt (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 a.a.O.), kann der Senat davon absehen, im Einzelnen auf die von den Antragstellern geltend gemachte Verletzung des Grundrechts auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch die Regelungen in § 3 Abs. 2 AsylbLG einzugehen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war aus den genannten Gründen wegen fehlender Erfolgsaussicht abzulehnen (§§ 73a SGG i.V.m. 114 ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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