S 2 SO 285/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 285/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2012 wird abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur angemessenen Schulbildung durch Übernahme auch der Kosten des Integrationshelfers für die Stunden, da der Kläger an der Offenen Ganztags-schule teilnimmt, zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers auch für den Zeitraum der Offenen Ganztagsschule (OGS) über den Pflichtunterricht am Vormittag hinaus.

Der am 00.00.2006 geborene Kläger ist aufgrund einer Trisomie 21 schwerbehindert mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen G und H. Er erfüllt die Voraussetzungen der Pflegestufe II der Pflegeversicherung. Bei ihm wurde ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt. Auf den Inhalt des Gutachtens vom 22.02.2012 der Sonderpädagogin U, das den Förderbedarf beschreibt, wird Bezug genommen. Der Kläger lebt bei seinen Eltern in der Familie und hat noch eine weitere Schwester, die am 00.00.2007 geboren wurde.

Er besucht seit August 2013 die S-schule in C im regulären Schulunterricht am Vormittag und in der Offenen Ganztagsbetreuung am Nachmittag. Er besucht dort eine sogenannte GU-Klasse, in der gemeinsamer Unterricht von Kindern mit und ohne Förderbedarf stattfindet. Sämtliche Kinder nehmen an der OGS teil.

Der Kläger beantragte am 07.02.2012 die Übernahme der Kosten für die Person eines Integrationshelfers für den gesamten Schulbesuch, klarstellend am 11.05.2012 ausdrücklich auch für die Zeit der Offenen Ganztagsschule am Nachmittag. Mit Bescheid vom 23.07.2012 bewilligte die Beklagte 24 Fachleistungsstunden für die OGS lediglich unter Zuzahlung von 1.716,88 Euro monatlich für die Monate August und September und ab Oktober von 1.616,50 Euro jeden Monat ausgehend von einem um 13,90 Euro bereinigten Nettogesamteinkommen der Eltern inklusive Kindergeld in Höhe von 3.990,50 Euro. Ferner sei einmalig das über der Vermögensfreigrenze von 3.982 Euro liegende Vermögen aus dem Rückkaufswert einer Kapitallebensversicherung mit 3.543,00 Euro, dem Bausparguthaben von 1.380,12 Euro und dem Betrag von 705,53 Euro auf dem Tagesgeldkonto jenseits des Freibetrags von 3.982 Euro, mithin in Höhe von 1.646,65 Euro, zu verwerten.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Hilfe zur angemessenen Schulbildung schließe den Besuch der OGS ein. An der S-schule sei die gesamte GU-Klasse in der OGS. Es würde eine Diskriminierung des Klägers darstellen, sollte er auf Grund der fehlenden Integrationskraft nicht die Möglichkeit erhalten, den Tag im Klassenverband zu verbringen. Dies sei nur mit Integrationshelfer auch während der OGS möglich. Der Kläger habe ein Recht auf Bildung ohne Diskriminierung und auf der Grundlage von Chancengleichheit. Die Eltern könnten die geforderte Zuzahlung zum Integrationshelfer nicht bezahlen. Um dem Kläger auch auf privater Ebene Chancengleichheit zu bieten, seien die Eltern des Klägers schon privat mit einem höheren Kostenbeitrag gefordert, als Eltern von "normalen" Kindern seien, da einige Therapien, wie beispielsweise therapeutisches Reiten, nicht von anderen Trägern bezahlt würden oder etwa ein Schwimmkurs nicht beim ersten Mal mit einem Seepferdchen abgeschlossen werde und der Beitrag dementsprechend mehrfach von den Eltern gezahlt werden müsse. Der Kläger sei es gewohnt, im Nachmittagsbereich in der Betreuung zu sein. Er habe bereits im Regelkindergarten in den vergangenen vier Jahren immer einen 45-Stunden-Platz gehabt, so dass es ihm vertraut sei, mit anderen Kindern den Nachmittag zu verbringen. So habe er in der Vergangenheit Freunde gewinnen können und sei zu Geburtstagen eingeladen worden, ohne dass diese Kontakte von den Eltern des Klägers forciert worden wären. Das würde ihm verloren gehen, wenn er nur am Vormittagsunterricht teilnehmen könne. Die Beklagte führe derzeit die Werbeaktion "C - eine Stadt für alle". Hier wäre es ein Schritt in diese Richtung, Eltern behinderter Kinder nicht immer wieder Steine in den Weg zur Inklusion zu legen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Widerspruchsbegründung vom 22.08.2012 und vom 04.09.2012 Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch im Wesentlichen zurück. Die Zuzahlungsbeträge wurden rechnerisch leicht reduziert, indem ab September 2012 nun ein Einkommenseinsatz von 1.439,58 Euro und ab Oktober 2012 ein Einkommenseinsatz von monatlich 1.339,19 Euro verlangt wurde und der Einsatz des vorhandenen Vermögens nun nach erneuter Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse wegen Unterschreitens des Vermögensfreibetrags nicht mehr gefordert wurde. Der Kläger gehöre aufgrund seiner Behinderung unbestritten zum Personenkreis der Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII. Bei der OGS handle es sich nicht um eine Maßnahme der angemessenen Schulausbildung, sondern um eine Maßnahme zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII werde Eingliederungshilfe geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern, und wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels nicht zuzumuten sei. Hiervon mache § 92 Abs. 2 SGB XII eine Ausnahme, unter die jedoch nur die Eingliederungshilfe zur Teilhabe in Form der angemessenen Schulbildung und nicht die Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft falle. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid vom 28.09.2012 Bezug genommen.

Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter und wiederholt seine Argumentation.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2012 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm Leistungen der Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für eine Begleitpersonen (Integrationshelfer) auch für die Offene Ganztagsschule am Nachmittag zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihre bisherigen Ausführungen.

Für die weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte des Verwaltungsverfahrens. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Die Beteiligten haben einer gerichtlichen Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.

Der zulässige Antrag ist begründet. Der Kläger ist im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2012 ist rechtswidrig und der Kläger in seinen Rechten verletzt, indem dort eine Zuzahlung zu den Kosten des In-tegrationshelfers für die OGS verlangt wird.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe unter dem Aspekt der angemessenen Schulbildung auch für die Stunden der OGS an der Grundschule. Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Von einer Behinderung bedroht sind gemäß § 53 Abs. 2 SGB XII Personen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies gilt für Personen, für die vorbeugende Gesundheitshilfe und Hilfe bei Krankheit nach den §§ 47 und 48 erforderlich ist, nur, wenn auch bei Durchführung dieser Leistungen eine Behinderung einzutreten droht. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es gemäß § 53 Abs. 3 SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten gemäß § 53 Abs. 4 SGB XII die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus diesem Buch und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach diesem Buch.

Leistungen der Eingliederungshilfe sind gemäß § 54 Abs. 1 SGB XII neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 des Neunten Buches insbesondere

1. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt,
2. Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule,
3. Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit,
4. Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten nach § 56,
5. nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben ent-sprechen jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit.

Erfordert die Behinderung Leistungen für eine stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen, sind die Leistungen hierfür gemäß § 92 Abs. 1 SGB XII auch dann in vollem Umfang zu erbringen, wenn den in § 19 Abs. 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist. In Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen; mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner. Den in § 19 Abs. 3 genannten Personen ist die Aufbringung der Mittel gemäß § 92 Abs. 2 SGB XII nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten 1. bei heilpädagogischen Maßnahmen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind, 2. bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu, 3. bei der Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll, 4. bei der Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf oder zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit, wenn die hierzu erforderlichen Leistungen in besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden, 5. bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 26 des Neunten Buches), 6. bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 des Neunten Buches), 7. bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 des Neunten Buches und in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten (§ 56), 8. bei Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeits-leben zu ermöglichen, soweit diese Hilfen in besonderen teilstationären Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden. Die in Satz 1 genannten Leistungen sind ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen. Die Kosten des in einer Einrichtung erbrachten Lebensunterhalts sind in den Fällen der Nummern 1 bis 6 nur in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen anzusetzen; dies gilt nicht für den Zeitraum, in dem gleichzeitig mit den Leistungen nach Satz 1 in der Einrichtung durchgeführte andere Leistungen überwiegen. Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 und 8 ist aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 nicht übersteigt.

Hiervon ausgehend handelt es sich bei den Kosten für einen Integrationshelfer für die Nachmittagsstunden der Offenen Ganztagsschule in der Grundschule (im Folgenden: OGS) um eine Hilfe für eine angemessene Schulbildung im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Dies ergibt sich bei der Auslegung dieser Norm zur Überzeugung der hiesigen Kammer insbesondere im Lichte der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.03.2012 zum Verfahren B 8 SO 30/10 R.

Grundsätzlich kommen danach alle Maßnahmen in Betracht, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSG, Urteil vom 22.03.2012, Az.: B 8 SO 30/10 R). Ausgeschlossen sind hiernach lediglich solche Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, da § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII ausdrücklich die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt lässt, mithin die schulrechtlichen Verpflichtungen neben den sozialhilferechtlichen stehen (BSG, a.a.O.). Die Vorschrift normiert lediglich unterstützende Leistungen, überlässt die Schulbildung aber den Schulträgern (BSG, a.a.O.). Der Begriff der Schulbildung ist bei behinderten Kindern weit zu verstehen. Erforderlich ist aber, dass im Rahmen der in Rede stehenden Förderung Maßnahmen erfolgen, die den Schulbesuch erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.10.2008, Az.: L 9 SO 8/08). Ausgangspunkt ist dabei, dass die Betreuung speziell auf die schulischen Maßnahmen abgestimmt ist und zu einer noch zu erreichenden gewissen Schulbildung führt. Es muss ein überwiegender Bezug zur schulischen Ausbildung bestehen. Nicht ausreichend ist dagegen, dass im Rahmen einer Maßnahme positive Nebeneffekte auch für die schulische Entwicklung eintreten können.

Hiervon ausgehend stellt die OGS die typische Alltagssituation des Schulbesuchs dar und ist somit ein angemessener Schulbesuch im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV. Zwar besteht keine schulrechtliche Pflicht zur Teilnahme an der OGS, worauf die Beklagte abstellt, das könnte dagegen sprechen, dass es sich kurz gesagt um "Schule" handelt. Allerdings handelt es sich um eine freiwillige Schulveranstaltung, die letztlich den wesentlichen Schulalltag abbildet, wie heutzutage "Schule" angeboten werden soll. Unter Beachtung des besonderen Sinn und Zwecks der Eingliederungshilfe, gerade dem jungen, behinderten Menschen zu ermöglichen, seinen optimalen Platz im Leben in der Gemeinschaft zu finden, ist die OGS eine regelmäßige schulische Veranstaltung und somit "Schule" im alltäglichen Sinne, wie bereits auch der Alltagsbegriff "Offene Ganztagsschule" deutlich zeigt. Und so besuchen auch in der GU-Klasse des Klägers alle Kinder die OGS. Die Offene Ganztagsschule ist ein Element des modernen Schulunterrichts, das den Schulalltag prägt und im oben genannten Sinne im überwiegenden Bezug zur schulischen Ausbildung steht. Dass der Kläger auf Unterstützung im Sinne der Notwendigkeit eines Integrationshelfers angewiesen ist, ergibt sich für den Unterricht bereits aus der Tatsache, dass der Integra-tionshelfer auch für den Pflichtunterricht schon für notwendig erachtet und die entsprechende Leistung bewilligt wurde. Dass der Kläger, wenn er an der OGS teilnehmen möchte, einen Integrationshelfer benötigt, wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Die Beklagte ist vielmehr der Auffassung, es handle sich bei der Gestellung des Integrations-helfers für die OGS um eine Hilfe zum Leben in der Gemeinschaft. Der wesentliche Unterschied besteht hinsichtlich der Rechtsfolgen dann in der Bestimmung des oben genannten § 92 Abs. 2 SGB XII, der die Hilfen zu den dort genannten schulischen und beruflichen Maßnahmen bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung privilegiert, während die Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dort nicht privilegiert wird. Konkret bedeutet dies, dass die Hilfen zum Leben in der Gemeinschaft zuzahlungspflichtig sind, während die Hilfen zur angemessenen Schulbildung einkommens- und vermögensunabhängig gewährt werden. Da das Ausmaß der Zuzahlung beträchtlich ist, kann daher nicht dahin stehen, ob es sich bei den Hilfen für die Teilnahme an der OGS um Maßnahmen für eine angemessene Schulbildung oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft handelt. Denn Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

Die Bestimmung des § 19 Abs. 3 SGB XII besagt letztlich, dass die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Grundsatz nach den gleichen Regeln wie die Gewährung von Sozialhilfe im engeren, landläufigen Sinne der staatlichen Unterstützungsleisung der Grundsicherung erfolgt. Lediglich die §§ 92, 92a SGB XII modifizieren diese Regelung im Sinne einer Abmilderung. Auch wenn es also mit dem SGB IX scheinbar ein eigenes Buch über die Rechte behinderter Menschen gibt, so ist dieses SGB IX nicht als Leistungsrecht ausgestaltet, wenn es um die Tragung der Kosten einer Behinderung geht. Hier werden der behinderte Mensch und seine Angehörigen im Grundsatz auf die Sozialhilfe mit dem dortigen Subsidiaritätsprinzip verwiesen, so dass der behinderte Mensch die Kosten der Behinderung jenseits der Akutbehandlung erst einmal selbst zu tragen hat. Hiervon nimmt § 92 SGB XII die schulische und berufliche Bildung strukturell aus.

Bei der Eingliederungshilfe für die Teilnahme an der OGS handelt es sich zur Überzeugung der Kammer um eine Eingliederungshilfe zur angemessenen Schulbildung, so dass dem Kläger und seinen Eltern auch das Recht der einkommens- und vermögensunabhängigen Leistungsgewährung aus § 92 Abs. 2 SGB XII zusteht.

Da der Kläger in die Grundschule, konkret die S-schule, aufgenommen wurde, hat er im Grundsatz bis zur Grenze des Tatsächlichen das Recht wie jeder andere Schüler mitzumachen. Er darf von einzelnen Veranstaltungen nicht ausgeschlossen werden. Er darf weder unmittelbar noch mittelbar diskriminiert werden. Er darf uneingeschränkt in der Grundschule, lediglich beschränkt durch seine eigenen, nicht durch Hilfe kompensierbaren Möglichkeiten und ggfs. gleichrangige Rechte anderer Schüler auf Bildung "mitmachen". Es bedarf also einer inklusiven Betrachtung der Grundschule. Deshalb darf zur Überzeugung der Kammer die Veranstaltung "Grundschule" nicht in einzelne Elemente zerpflückt werden, an denen der Kläger nur teils teilnehmen und teilweise nicht teilnehmen dürfte. Vielmehr kommt bei der Vermeidung von Diskriminierung dem subjektiven Empfinden eines objektiven Empfängerhorizontes besondere Bedeutung zu. Im Sinne dieser generalisierenden Betrachtung nimmt ein Schüler die Veranstaltung "Grundschule" als eine Einheit wahr. Da die Kosten eines Integrationshelfers gemessen an den Möglichkeiten eines durchschnittlichen Privathaushaltes beträchtlich sind, kommt die Zuordnung der Hilfen zur OGS zu den Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in ihren faktischen Auswirkungen einem Verbot der Teilnahme an der OGS für einen Schüler mit Behinderung, der aus durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen stammt, sehr nahe. Wenn ein Schüler, der an der OGS selbst teilnehmen möchte, auch wenn sie nur freiwillig ist, an dieser aus wirtschaftlichen Gründen faktisch nicht teilnehmen kann, weil dann die gesamte Familie wegen seiner Behinderung wirtschaftlich betrachtet auf Sozialhilfeniveau leben muss, um den Integrationshelfer mitzufinanzieren, so wird der Kläger jedenfalls mittelbar benachteiligt. Das läuft dem Gedanken der Eingliederungshilfe zuwider.

Dies zeigt der vorliegende Fall anhand der von der Beklagten vorgenommenen Berechnung besonders anschaulich, indem hier beide Eltern mit soliden Einkommen berufstätig sind, die Mutter anteilig mit 25 Stunden, und im Ergebnis trotzdem von einem Betrag leben müssten, der der Sozialhilfe bzw. dem formal geringfügig höheren Niveau der Aufstocker wegen der erwerbstätigkeitsbezogenen Absetzungsbeträge des § 11b SGB II entspricht. Den Eltern wird als Familieneinkommen lediglich ein doppelter Regelsatz, mithin 748 Euro, zuzüglich 262 Euro bezogen auf drei weitere Haushaltsangehörige, mithin 786 Euro zuzüglich 840 Euro für die Kosten der Unterkunft belassen. Die Familie mit zwei berufstätigen, durch Studium qualifizierten Eltern müsste also ihren Lebensunterhalt nach Wohnkosten mit 1.534 Euro, mithin 383,50 Euro je Kopf bestreiten. Hieraus müssten neben der im konkreten Fall ausweislich der Kontoauszüge noch stattfindenden Rückzahlung von Bafög-Kosten nebenbei sämtliche Kosten für das behinderte Kind, die nicht von staatlichen Trägern übernommen werden, wie etwa individuell gewünschte Therapien, wie etwa therapeutisches Reiten, oder Fördermaßnahmen oder auch mehrfacher Schwimmunterricht bestritten werden, die in ihren Kosten regelmäßig deutlich höher liegen als die Aufwendungen, die Eltern mit durchschnittlichem Einkommen für die Freizeitaktivitäten ihrer gesunden Kinder tätigen. Die Eltern würden also annähernd so dastehen, als wären sie nicht berufstätig und würden von der seitens des Staats gezahlten Grundsicherung leben, wenn sie die Gestellung eines Integrationshelfers für die OGS für den Kläger in Anspruch nehmen wollen würden und die Auffassung der Beklagten zutreffend wäre.

Eine enge Auslegung des Begriffs der angemessenen Schulausbildung ist hier nicht geboten. Auch bedarf es dabei nicht einmal einer besonders weiten Auslegung im Lichte des Zeitgeistes der Inklusion entgegen dem Wortlaut. Beides lässt sich vielmehr bereits jetzt in Einklang bringen, wenngleich eine gesetzgeberische Klarstellung oder Neuordnung des größeren Kontextes der finanziellen Versorgung behinderter Menschen in Bezug auf die behinderungsspezifischen Bedarfe vielleicht wünschenswert wäre. § 54 Abs. 1 Nr.1 SGB XII spricht von Hilfen zur angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen. Die Formulierung "insbesondere" schafft bereits eine Öffnungsklausel. Es kommt also gar nicht darauf an, ob für die OGS eine Schulpflicht besteht. Und das Kriterium des BSG für die Abgrenzung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, dass Ausgangspunkt dabei sein muss, dass die Betreuung speziell auf die schulischen Maßnahmen abgestimmt ist und zu einer noch zu erreichenden gewissen Schulbildung führt und ein überwiegender Bezug zur schulischen Ausbildung bestehen muss, während nicht ausreichend sei, dass im Rahmen einer Maßnahme positive Nebeneffekte auch für die schulische Entwicklung eintreten können, ist bei der OGS offensichtlich gegeben. Schulische Bildung ist nicht bloß ein positiver Nebeneffekt der OGS, sondern ein elementarer Bestandteil des Konzepts der OGS.

Das Problem bei der Fragestellung, ob OGS Schulbildung im Sinne des § 54 SGB XII ist, beruht im Kern auf dem unterschiedlichen Blickwinkel, den Juristen einerseits und Päda-gogen und Soziologen andererseits auf das Gebiet Schule von ihrer unterschiedlichen Aufgabenstellung her beinahe zwangsläufig haben und die bei größeren gesellschaftlichen Neuentwicklungen erst noch harmonisiert werden müssen.

Die Pädagogen formulieren zunächst die Ziele und Chancen einer Neuerung und überlegen, wer sich noch alles in das Projekt mit einbringen kann. Die Juristen hingegen wollen eine präzise Antwort darauf geben, wer die einzelnen Dinge tun und finanzieren soll. Beide Methoden haben ihre Berechtigung. Dies zeigt sich an dem aktuellen gesellschaftspolitischen Thema der Inklusion deutlich. Die Rechtsfragen rund um die Inklusion als Methode der Integration behinderter Menschen werden gerade erst aufgearbeitet. Der Gesetzgeber ist vielfach noch nicht klarstellend tätig geworden, indem er seinen Willen bei der Auslegung einzelner Bereiche im Lichte der Inklusion aktualisiert hätte. Dies zeigt sich an der Problematik um die Auslegung der Kostentragung der Integrationshelfer für behinderte Kinder, die die OGS besuchen wollen, geradezu exemplarisch.

Die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe, die in ihren Ursprüngen zunächst scharf zwischen Arbeitswelt und Privatwelt unterschieden hat, überträgt diesen Gedanken in § 54 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII auf die Hilfe zur angemessenen Schulbildung. § 54 SGB XII ist also noch von einer Dialektik von Arbeits- und Privatwelt bzw. Schule und Privatleben geprägt. Diese strenge Entweder-Oder-Betrachtung besteht im Bereich der OGS nicht. In den Empfehlungen der Bildungskonferenz "Zusammen Schule machen für Nordrhein-Westfalen" zum Thema "Ganztag weiterentwickeln" vom 12.05.2011, abrufbar über die Internetseite des Schulministeriums NRW (schulminsterium.nrw.de) heißt es: "Der quantitative und qualitative Ausbau des Ganztags ist heute ein Anliegen aller gesellschaftlichen Gruppen. Gleichwohl gibt es noch unterschiedliche Auffassungen und Lebensentwürfe zur Frage, ob und wenn ja, ab wann der Ganztag für jedes Kind und jeden Jugendlichen verpflichtend sein sollte und könnte. Dies spiegelt sich auch in dem aktuellen Ausbaustand in Nordrhein-Westfalen wider. ( ...) Zentrale Grundlage für Konzeption und Umsetzung des Ganztags ist die Zusammenarbeit von Schule, Kinder- und Jugendhilfe, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden, Kultur und Sport, Wirtschaft und Handwerk etc. sowie die Beteiligung von Eltern, Kindern und Jugendlichen. Im Ganztag arbeiten verschiedene Berufsgruppen aus diesen Bereichen gleichberechtigt in multiprofessionellen Teams zusammen. Kristallisationspunkt der Ganztagsentwicklung in der Schule ist die selbstständige, eigenverantwortliche und für das sozialräumliche Umfeld und außerschulische Partner offene Schule. Der Ganztag entwickelt sich immer mehr zu einem wesentlichen Beitrag zur Wahrnehmung der pädagogischen Gesamtverantwortung aller Beteiligten, auch der Eltern. ( ...) Die Schule soll ein Haus der Lernens und Lebens werden, das formelles und informelles Lernen in einem kohärenten Gesamtkonzept von Bildung, Erziehung und Betreuung verknüpft. Dabei bedarf es einer gemeinsamen Willens- und Organisationsanstrengung aller Betroffenen und Beteiligten, d.h. der Zusammenarbeit der staatlichen, der kommunalen, der privaten und der bürgerschaftlichen Akteure. Ganztag ist in diesem Sinne ein wesentlicher Baustein einer zukunftsfähigen Entwicklung glei-chermaßen von Schulen und außerschulischen Einrichtungen in einer kommunalen Bil-dungslandschaft. Im Ganztag entstehen neue Lernkulturen, die sich an den individuellen und örtlichen Bedarfen und Bedürfnissen orientieren. Der Ganztag trägt dazu bei, die verwandten Ziele der Integration, der Inklusion und des Gender Mainstreaming im Sinne einer geschlechtergerechten Förderung besser zu erreichen, vor allem unter verantwortlicher Mitwirkung und Partizipation der betroffenen Eltern, Kindern und Jugendlichen."

An diesen Aussagen zeigt sich bereits der oben geschilderte soziologische Betrachtungswinkel der einerseits die Ziele formuliert, andererseits aber noch nicht klärt, welche gesellschaftliche Gruppe dann was am gemeinsamen runden Tisch genau finanzieren soll. Desweiteren formulieren die genannten Empfehlungen der Bildungskonferenz eine finanzielle und fachliche Unterstützung. Hierbei ist Unterstützung wieder ein eher soziologischer Begriff, während der Jurist sich die Formulierung von klaren und vollständigen Zuständigkeiten wünschen würde. Die Integrationshelfer finden in dem genannten Papier keine Erwähnung. Das Thema Inklusion wird als Ziel erwähnt, ohne Wege zu konkretisieren. Hinzu kommt aus juristischer Sicht noch das Problem, dass es sich bei der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII um Bundesrecht handelt. Allerdings wird das Projekt der Ganztagsschulen auch bundesweit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert, das hierzu sogar die eigene Internetseite Ganztagsschulen.org unterhält.

Desweiteren heißt es zum Entwicklungsstand der OGS in dem oben genannten Papier: "Solange es Eltern gibt, die für ihre Kinder keinen Ganztagsplatz wünschen, muss man bei der Weiterentwicklung des Ganztags von einer Aufbau- bzw. Übergangsphase sprechen." Die Verfasser der Empfehlungen sind sich also durchaus bewusst, dass sich die OGS sowohl organisatorisch als auch gesellschaftspolitisch noch in der Aufbauphase befindet. Dies ist der eigentliche Grund, warum sie derzeit noch freiwillig und nicht etwa verpflichtend stattfindet.

So formulieren die Empfehlungen auch kurz das Problem der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII im Rahmen des Aufbaus der OGS allerdings in einem Atemzug mit Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII und im Rahmen der Formulierung einer weiteren Neuerung, nämlich der verstärkten Elternbeteiligung, die dann aber zugleich einen verstärkten Beratungsbedarf nach sich ziehe. So heißt es dann: " In diesem Rahmen könnte man Leistungen der Jugendhilfe zur erzieherischen Förderung, u.a. nach dem SGB VIII, mit den Angeboten einer Ganztagsschule fachlich und strukturell verknüpfen. Dies gilt auch für die besonderen Leistungen für Kinder mit Behinderungen, beispielsweise durch Integrationshilfe gemäß SGB XII." Ferner heißt es in dem genannten Papier, dass Ganztagsschule unter dem zeitlichen Aspekt gerade bei regelmäßiger und nicht nur gelegentlicher Teilnahme erfolgreich ist. Und zur Teilnehmergruppe äußert sich das Papier dahin, dass der Rhythmisierung (im Sinne der Entwicklung von Lerngewohnheiten oder des Lernenlernens) Grenzen gesetzt sind, wenn nur ein Teil der Kinder der jeweiligen Schule am Ganztag teilnimmt. In diesem Sinne postulieren die Empfehlungen der Bildungskonferenz die Teilnahme aller Schüler an der OGS.

Mangels klarer Entweder-Oder-Struktur zwischen schulischen und gesellschaftlichem Leben bei der OGS und mangels einer echten Teilnahmepflicht an der OGS bedarf es letztlich einer wertenden, systematischen Betrachtung, was unter das Tatbestandsmerkmal der "angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht" fällt, solange der Gesetzgeber nicht seinen gesetzgeberischen Willen zur Eingliederungshilfe im Lichte der Inklusion, und sei es nur klarstellend, aktualisiert.

Dass die OGS eine Neuerung ist, die noch in der Entwicklung befindlich ist, darf zur Überzeugung der hiesigen Kammer nicht zulasten der behinderten Schüler gehen. Das gebietet auch der Wortlaut des § 54 SGB XII nicht. Vielmehr sind die einzelnen Regelungsbereiche der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII unter Berücksichtigung dieser Neuerung auszulegen.

Bei der Auslegung der Abgrenzung von § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII und Leistungen zur Teilhaben am Leben in der Gemeinschaft im Sinne des § 55 Abs. 1 SGB IX geht das Gericht zusammengefasst von folgenden Überlegungen aus: Das SGB IX als Buch über die Rehabilitation und Teilhabe von behinderten Menschen ist kein Regelungswerk mit finanziellen Anspruchsgrundlagen. Die monetären Rechte sind insoweit vielmehr im SGB XII unter lediglich gelegentlicher Modifikation des Subsidiaritätsgrundsatzes geregelt. Die Zuzahlungspflicht der Eltern behinderter Kinder zu den Kosten eines Integrationshelfers in der OGS führt bei gewöhnlichen Einkommensverhältnissen dazu, dass die Familie sich den Integrationshelfer faktisch nicht leisten kann. Es sei denn sie lebt trotz guter Berufsausbildung und Erwerbstätigkeit der Eltern mit guter Bezahlung auf Sozialhilfeniveau bzw. dem formal geringfügig höheren Niveau der Aufstocker wegen der erwerbstätigkeitsbezogenen Absetzungsbeträge des § 11b SGB II bei Erwerbstätigkeit mit der Folge, dann nicht einmal freiwillige, individuell für gut befundene Dinge für das behinderte Kind oder gar ein neues (gebrauchtes) Alltagsauto für die Familie finanzieren zu können, obwohl die Eltern erwerbstätig sind. Die Teilnahme an der OGS durch alle Kinder ist seitens der Schule er-wünscht. Auch Inklusion ist ausdrücklich ein Ziel der OGS. Der Gedanke der Inklusion hebt allgemein die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, behinderte Menschen in die Gemeinschaft aktiv zu integrieren, hervor. Die Frage, ob vor diesem Hintergrund die finanzielle Versorgung wesentlich behinderter Menschen im Hinblick auf den behinderungsbedingten Bedarf grundsätzlich noch unter dem Vorbehalt der Subsidiarität im Sinne des SGB XII stehen kann oder einer völlig eigenständigen Regelung, wenngleich nicht zwingend ohne jede Selbstbeteiligung, zuzuführen ist, könnte sich stellen bzw. gegebenenfalls zum Gebot einer verfassungskonformen Auslegung führen.

Hiervon ausgehend umfasst die Regelung des § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII nicht nur den Pflichtunterricht in der Schule. Denn dort heißt es lediglich: "insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht". Denn die OGS ist ein integraler Bestandteil der neuen Lernkultur im kohärenten Gesamtkonzept, bei dem sich Schule nun als ein Haus des Lernens und Lebens versteht. Dass dabei auch Aspekte der gesellschaftlichen Zusammenlebens zum Tragen kommen, ist gerade Teil des pädagogischen Gesamtkonzepts, das gerade in der Primarstufe natürlich dem jungen Alter der Schüler besondere Rechnung trägt und sie im Rahmen der Rhythmisierung des Lernens in der OGS noch nicht mit reinen Lerninhalten überfordern will. Nur deshalb besteht das Angebot zwischen Unterrichtsinhalten im engeren Sinne und außerunterrichtlichen Angeboten in einem Verhältnis von 1:1, während es in der Sekundarstufe I dann bereits auf ein Verhältnis von 4:1 oder 5:1 zugunsten der Unterrichtsinhalte verschoben wird. Das ist aber gerade Teil des schulischen Konzepts und kein aliud zur Schule.

Dass der Kläger individuell geeignet ist, an der OGS teilzunehmen, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass er für die Grundschule für geeignet befunden wurde. Darüber hinaus muss er seinen Wunsch, an der OGS teilnehmen zu wollen, nicht weiter rechtfertigen. Insoweit bedurfte es zur Überzeugung der Kammer keiner weiteren Ermittlungen, etwa vergleichbar mit der Frage, ob ein Schüler auf die Bereitstellung von Nachhilfeunterricht angewiesen wäre. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Eingliederungshilfe in Form des Integrationshelfers für die OGS ergibt sich daraus, dass der Kläger damit insgesamt seine Rechte, die Grundschule mit all ihren Angeboten zu besuchen, ausüben kann. Diese Maßnahme ist auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne der allgemeinen rechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung, ob eine Maßnahme völlig außer Verhältnis zu ihrem Nutzen stünde. Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass der behinderte Schüler selbst die Auswirkungen unmittelbar spüren würde, indem er zwar in der Grundschule aufgenommen wäre, aber tatsächlich nicht am Nachmittag mitmachen könnte, obwohl er dies möchte. Dies wäre dann nicht etwa nur ein rechtlicher Vorgang, von dem das Kind selbst etwa nichts mitbekommen würde, sondern der Kläger bekäme dies unmittelbar tagtäglich zu spüren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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