Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 SO 4/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 27.08.2015 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.10.2015, 21.12.2015, 27.01.2016 und 26.02.2016 sowie des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2015 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu 1 im Zeitraum September bis Dezember 2015 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten i.H.v. 418,- EUR pro Monat und im Zeitraum Januar bis August 2016 von Unterkunftskosten i.H.v. 467,50 EUR pro Monat zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat den Klägern die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1) begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten und eines höheren Freibetrages aufgrund der Tätigkeit ihres Ehemannes in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).
Die im Jahr 1972 geborene Klägerin zu 1) und der im Jahr 1970 geborene Kläger zu 2) sind miteinander verheiratet. Beide sind schwerbehindert, die Klägerin aufgrund eines Anfallsleidens (GdB 50) und der Kläger aufgrund einer Intelligenzminderung (GdB 80). Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum einer Rente wegen Erwerbsminderung i.H.v. 254,62 EUR und der Kläger i.H.v. 639,37 EUR. Er arbeitet in einer WfbM und erzielt aufgrund dieser Tätigkeit ein zusätzliches Einkommen i.H.v. 325,- EUR, darin ist ein Arbeitsförderungsgeld i.H.v. 6,40 EUR enthalten.
Die Kläger bezogen zum 01.10.2010 eine Wohnung in der M-str. 0 in N mit einer Wohnfläche von 74 qm. Die Kaltmiete belief sich zunächst auf 304,- EUR, sie wurde zum 01.08.2012 auf 346,60 EUR und zum 01.05.2014 auf 359,93 EUR erhöht. Der Abschlag für die kalten Nebenkosten belief sich zunächst auf 115,00 EUR, er wurde zum 01.11.2015 auf 135,00 EUR angepasst.
Die Klägerin zu 1) bezieht seit September 2011 ergänzende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII von der Beklagten, zuvor hatte sie bereits Leistungen nach dem SGB II vom Jobcenter erhalten. Der Kläger zu 2) bezieht keine Leistungen, da sein Bedarf durch die Rente und das Einkommen aufgrund der Tätigkeit in der WfbM gedeckt wird.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1) mit Bescheid vom 27.08.2015 Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum September 2015 bis August 2016 i.H.v. 128,24 EUR pro Monat. Die Miete sei bei der Leistungsberechnung nicht vollständig zu berücksichtigen, sondern nur bis zur Angemessenheitsgrenze von 401,00 EUR. Bei der Berechnung des Freibetrages aufgrund der Tätigkeit des Ehemannes in der WfbM sei zunächst das Arbeitsförderungsgeld herauszurechnen und dann von diesem Einkommen der Freibetrag zu berechnen, der sich auf 117,06 EUR belaufe.
Die Klägerin zu 1) legte gegen den Bescheid am 03.09.2015 Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass die Regelsätze nicht verfassungsgemäß seien, die Unterkunftskosten vollständig zu übernehmen seien und der Freibetrag aufgrund der Tätigkeit des Ehemannes in der WfbM auf der Grundlage des gesamten Einkommens einschließlich des Arbeitsförderungsgeldes zu berechnen sei.
Die Beklagte rechnete mit Änderungsbescheid vom 28.10.2015 das Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung vom 18.09.2015 an und setzte die Leistungen der Klägerin entsprechend neu fest.
Der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 27.08.2015 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Kreis Minden-Lübbecke aus, dass die Leistungen zutreffend berechnet und bewilligt worden seien. Wegen der einzelnen Beanstandungen werde auf vorherige Widerspruchsbescheide in gleicher Sache Bezug genommen.
Mit Änderungsbescheid vom 21.12.2016 hat die Beklagte rückwirkend ab dem 01.01.2015 eine Mietobergrenze für zwei Personen von 417,00 EUR anerkannt und die Leistungen der Klägerin zu 1) entsprechend neu festgesetzt.
Die Kläger haben am 07.01.2016 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Inhaltlich haben sie die Klage auf die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten und die Berechnung des Freibetrages begrenzt. Darüber hinaus macht nur noch die Klägerin zu 1) Ansprüche geltend, da der Bedarf des Klägers zu 2) durch sein eigenes Einkommen gedeckt wird.
Die Klägerin zu 1) beantragt,
den Bescheid vom 27.08.2015 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.10.2015, 21.12.2015, 27.01.2016 und 26.02.2016 sowie des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr im Zeitraum September 2015 bis August 2016 höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten und eines höheren Freibetrages aufgrund der Tätigkeit in der WfbM zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide, die sie für rechtmäßig hält.
Mit Änderungsbescheid vom 27.01.2016 berücksichtigte die Beklagte rückwirkend ab dem 01.11.2015 die höheren Betriebskostenvorauszahlungen, ohne allerdings die Mietobergrenze von 417,00 EUR zu ändern.
Mit Änderungsbescheid vom 26.02.2016 setzte die Beklagte die Leistungen rückwirkend ab dem 01.01.2016 neu fest, da sich der aufgrund des Werkstatteinkommens des Ehemanns zu zahlende Beitrag zur Pflegeversicherung geändert hatte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 27.08.2015 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.10.2015, 21.12.2015, 27.01.2016 und 26.02.2016 sowie des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2015 (§ 95 SGG). Die Änderungsbescheide vom 28.10.2015 und 21.12.2015 wurden gem. § 86 SGG schon Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, dies gilt auch für den letztgenannten Bescheid, obwohl er zeitlich nach dem Widerspruchsbescheid erlassen wurde (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.1993 - 7 RAr 56/92). Die Änderungsbescheide vom 27.01.2016 und 26.02.2016 sind nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Bescheide für folgende Bewilligungszeiträume sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 8 SO 10/14 R). Der streitige Zeitraum des vorliegenden Verfahrens reicht damit vom 01.09.2015 bis zum 31.08.2016, denn für diesen Zeitraum sind die Leistungen in dem Bescheid vom 27.08.2015 bewilligt worden.
Der Bescheid vom 27.08.2015 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.10.2015, 21.12.2015, 27.01.2016 und 26.02.2016 sowie des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2015 erweist sich als rechtswidrig, denn die Klägerin zu 1) hat im Zeitraum September bis Dezember 2015 einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten i.H.v. 418,- EUR pro Monat und im Zeitraum Januar bis August 2016 von Unterkunftskosten i.H.v. 467,50 EUR pro Monat (dazu unter 1.). Soweit die Klägerin zu 1) einen Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten (dazu unter 2.) und eines höheren Freibetrages aufgrund der Tätigkeit ihres Ehemanns in der WfbM (dazu unter 3.). geltend macht ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen.
Anspruchsberechtigt ist nur die Klägerin zu 1), da der Bedarf des Klägers zu 2) durch sein Einkommen gedeckt wird. Es sind daher in der mündlichen Verhandlung auch nur noch höhere Leistungen für die Klägerin zu 1) beantragt worden.
1. Der Anspruch der Klägerin beruht auf § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen, denn sie ist voll erwerbsgemindert, hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und kann ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen bestreiten. Die Klägerin verfügt lediglich über eine Erwerbsminderungsrente, die sich im streitigen Zeitraum auf 254,62 EUR belief und mit der sie ihren Bedarf nicht decken konnte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des übersteigenden Einkommens des Ehemannes. Den notwendigen Antrag auf Grundsicherung hat die Klägerin am 24.07.2015 bei der Beklagten gestellt.
Zu den Leistungen der Grundsicherung gehören nach § 42 Nr. 4 SGB XII die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werden Leistungen für die Unterkunft grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Nach Abs. 2 der Vorschrift sind Aufwendungen für die Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, (nur) so lange als Bedarf anzuerkennen, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Klägerin hat nur noch einen Anspruch auf Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten (dazu unter 2.).
Der für das Sozialhilferecht zuständige 8. Senat des BSG hat sich hinsichtlich der Angemessenheit der Unterkunftskosten der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG angeschlossen (vgl. Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 24/08 R). Die Kammer zieht daher zur Auslegung des § 35 SGB XII ebenfalls die Rechtsprechung zum SGB II heran (vgl. allgemein zur Notwendigkeit einer Harmonisierung zwischen SGB II und SGB XII: Coseriu, in: Bender/Eicher, Sozialrecht - eine Terra incognita, 2009, 225, 255 f.; Stölting/Greiser, SGb 2010, 631 ff.).
Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R).
Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung. Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte (sog. abstrakte Angemessenheit) und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung (sog. konkrete Angemessenheit) vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R). Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße (dazu unter a.) und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum (dazu unter b.) zu ermitteln. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (dazu unter c). Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R). Nach der Festlegung der abstrakten Angemessenheit schließt sich die konkret-individuelle Prüfung an (dazu unter 2.).
a. Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für die Kläger beträgt 65 qm. Nach der Rechtsprechung des BSG ist zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückzugreifen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R). Das sind in Nordrhein-Westfalen die mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 erlassenen Wohnraumnutzungsbestimmungen (MBl. NRW 2010, 1). Maßgeblich sind daher ab dem 01.01.2010 die in Nr. 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen angesetzten Werte für Wohnflächen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 29.10.2015 - L 7 AS 1310/11). Danach beträgt die angemessene Wohnungsgröße für einen Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen 65 qm.
b. Der örtliche Vergleichsraum ist die Stadt N. Als örtlicher Vergleichsraum ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R). Die Stadt N ist keine kleine Gemeinde, sondern hat über 80.000 Einwohner und bildet somit einen eigenen örtlichen Vergleichsraum. Es begegnet daher keinen Bedenken, dass die Fa. Analyse und Konzepte die Stadt N in dem Bericht vom April 2016 als eigenständigen Wohnungsmarkttyp betrachtet.
c. Die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze in dem Bericht der Fa. Analyse und Konzepte vom April 2016 entspricht nicht den Vorgaben des BSG. Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit der Unterkunft muss der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten ermittelt werden (sog. "Referenzmiete"). Erforderlich dazu sind überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergeben (sog. "schlüssiges Konzept", vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R).
Nach der Rechtsprechung des BSG kann ein schlüssiges Konzept sowohl auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards abstellen. Legt der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen so genannten einfachen Standards zu Grunde, muss er nachvollziehbar offen legen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat. In diesem Fall ist als Angemessenheitsgrenze der Spannenoberwert, d.h. der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne zu Grunde zu legen (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R). Wenn die Angemessenheitsgrenze aufgrund des Gesamtwohnungsbestandes ermittelt wird, ist eine Kappungsgrenze festzulegen, d.h. es muss definiert werden, welcher Quadratmeterpreis noch angemessen ist und welcher nicht mehr.
Die die Fa. Analyse und Konzepte hat sich in ihrem Konzept dafür entschieden, die Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage des Gesamtwohnungsbestandes zu ermitteln. Die alleinige Erhebung der Mieten im unteren Wohnungsmarktsegment könne unter Umständen das Anforderungs- und Prüfungsschema des Bundessozialgerichts nicht erfüllen (vgl. S. 8 des Berichts).
Vor diesem Hintergrund hat sich die die Fa. Analyse und Konzepte entschieden, den Gesamtwohnungsmarkt des jeweiligen Wohnungsmarkttyps zu ermitteln und dann eine Kappungsgrenze festzulegen. Dies erfolgt in einem sog. iterativen Verfahren, in dem ein bestimmter Anteil an den Bestandsmieten so lange erhöht wird, bis ein ausreichendes Angebot an Wohnraum zur Verfügung steht, um den Bedarf der Nachfragergruppen im unteren Segment zu decken. Die Nachfrager im unteren Segment setzen sich nach dem Konzept aus den Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und SGB XII, den Wohngeldempfängern und den sonstigen Nachfragern zusammen. Bei den letztgenannten handelt es sich z.B. um Personen mit Einkommen knapp über der Grundsicherungsschwelle und Studierende. Nach dem Konzept haben die sonstigen Nachfrager einen Anteil von 10% der Haushalte.
Die Festlegung der Kappungsgrenze erfolgt hier also nicht rein normativ, indem z.B. die unteren 20% oder 30% der ermittelten Wohnungen als angemessen angesehen werden. Vielmehr wird die Kappungsgrenze aus einer bestimmten Nachfrage nach günstigem Wohnraum abgeleitet. Dies bedeutet, dass die Nachfrageseite bereits im Rahmen der abstrakten Angemessenheit einbezogen wird.
Das BSG hat eine solche Herangehensweise ausdrücklich gebilligt. Im Rahmen der Methodenfreiheit sei es zulässig, die angemessene Bruttokaltmiete unter Einbeziehung der Nachfrageseite abzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R, Rn. 22). Es bestünden keine Bedenken grundsätzlicher Art gegen den methodischen Ansatz, die Referenzmiete z.B. auf der Basis der Daten eines qualifizierten Mietspiegels sowie des Verhältnisses zwischen den Häufigkeiten angemessener verfügbarer Wohnungen (Angebotsseite) und versorgungsbedürftiger Bedarfs- und Einstandsgemeinschaften nach dem SGB II und dem SGB XII (Nachfrageseite) zu ermitteln.
Nach der Auffassung der Kammer ist es sogar zwingend erforderlich, die Nachfrageseite bereits bei der Festlegung der abstrakten Angemessenheit einzubeziehen. Das BSG hat es zwar abgelehnt, persönliche Lebensumstände des Leistungsberechtigten (wie z.B., dass er alleinerziehend oder schwerbehindert ist) im Rahmen der abstrakten Angemessenheit der Kosten (auch soweit sie in einem bestimmten Raumbedarf Ausdruck finden) zu berücksichtigen, da sich solche Umstände nicht abstrakt erfassen ließen. Sie seien vielmehr bei der Frage zu prüfen, ob dem Leistungsberechtigten, dessen individuelle Kosten im Einzelfall die abstrakten Angemessenheitsgrenzen überschreiten, ein Umzug in eine kostenangemessene Wohnung konkret möglich und zumutbar sei (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R, SGb 2013, 539 ff. mit kritischer Anmerkung Stölting). Dies bedeutet indes nicht, dass die Angemessenheitsgrenze vollkommen unabhängig von der Möglichkeit, eine angemessene Wohnung zu finden, festgelegt werden könnte. Denn es ergibt keinen Sinn, abstrakte Richtwerte festzulegen, zu denen der aktuelle Wohnungsmarkt konkret keine Wohnungen in ausreichender Zahl vorhält (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12, Rn. 147). Es muss vielmehr gewährleistet sein, dass nach der Struktur des örtlichen Wohnungsbestandes alle Leistungsberechtigten am Ort tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen bestimmten Beträgen eine bedarfsgerechte, menschenwürdige Unterkunft anmieten zu können; zu diesem Preis muss auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend angemessener freier Wohnraum verfügbar sein (vgl. Berlit, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 22, Rn. 57; Malottki, info also 2012, 99, 105).
Mit der Berücksichtigung der Nachfrageseite bereits bei der Festlegung der abstrakten Angemessenheit lässt sich auch dem Problem des sog. "verschlossenen Mietwohnungsmarktes" begegnen. Ein solcher liegt vor, wenn es tatsächlich erschwert ist, überhaupt Wohnraum anzumieten, z.B. weil es aufgrund einer hohen Eigentumsquote insgesamt nur wenige Mietangebote gibt oder die Zahl der Interessenten größer ist als die der angebotenen Wohnungen (vgl. Knickrehm, Soziale Sicherheit 2015, 287, 291). Auch ein solcher Umstand ist bei der Erstellung des schlüssigen Konzepts zu berücksichtigen, denn es kommt darauf an, dass der Unterkunftsbedarf der Leistungsberechtigten tatsächlich gedeckt werden kann und dies ist nur dann möglich, wenn angemessener Wohnraum konkret zur Verfügung steht. Auch dies spricht dafür, dass die Angemessenheitsgrenze nach Wohnungsgrößen differenziert empirisch abgeleitet werden muss und nicht lediglich normativ gesetzt werden kann (vgl. Knickrehm, Soziale Sicherheit 2015, 287, 292).
Bei den Nachfragern nach günstigem Wohnraum handelt es sich nicht nur um die Leistungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII sowie die Wohngeldempfänger, sondern es sind auch sonstige Personen mit geringem Einkommen zu berücksichtigen, z.B. Beschäftigte mit Einkommen knapp über der Grundsicherungsschwelle und Studierende. Es ist also auch die sog. Nachfragekonkurrenz zu ermitteln, da sie bei der Festlegung der Angemessenheitsgrenze zu berücksichtigen ist. Davon ist auch die Fa. Analyse und Konzepte in dem vorliegenden Bericht vom April 2016 ausgegangen, die konkrete Umsetzung ist jedoch mangelhaft, da die sonstigen Nachfrager in der Stadt N nicht ermittelt worden sind. Das Konzept geht davon aus, dass die sonstigen Nachfrager einen Anteil von 10% der Haushalte haben. Diese Zahl basiert auf dem Forschungsprojekt "Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte" des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) aus dem Jahr 2009 (Heft 142 in der Schriftenreihe "Forschungen" - herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen und Stadtentwicklung (BMVBS), abrufbar unter: www.bbr.bund.de). Auf der Seite 12 des Endberichts wird angegeben, dass es bundesweit 2,983 Millionen Haushalte unter der Armutsrisikogrenze gebe, die weder Mindestsicherung noch Wohngeld bezögen, das sei ein Anteil von 7,5%. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2006. Im Schriftsatz vom 22.06.2016 hat die Fa. Analyse und Konzepte erläuternd mitgeteilt, dass die sonstigen Nachfrager durch die amtliche Statistik nicht erfasst würden und auch nicht ermittelt werden könnten. Man habe daher den bundesweiten Anteil zugrunde gelegt und für das Konzept auf 10% angehoben, es handele sich dabei um einen Sicherheitsaufschlag.
Diese Daten sind nach der Auffassung der Kammer nicht geeignet, um die Angemessenheitsgrenze festzulegen (so auch SG Dortmund, Urteil vom 19.02.2016 - S 62 SO 444/14, a.A. offenbar: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.04.2017 - L 20 SO 418/14). Das schlüssige Konzept muss eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergegeben werden (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R). Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn Zahlen aus einer bundesweiten Erhebung verwendet werden. Das LSG Sachsen hatte in einem vergleichbaren Fall darauf hingewiesen, dass die überregional gewonnenen Daten des Mikrozensus 2006 keine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergeben werden (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12). Das von dem zuständigen Grundsicherungsträger beauftragte Institut hatte daraufhin eine Sonderauswertung der Kommunalen Bürgerumfrage aus dem Jahr 2010 zugrunde gelegt. Es ist also im gerichtlichen Verfahren eine Nachbesserung erfolgt, die schließlich dazu geführt hat, dass das schlüssige Konzept sowohl vom LSG Sachsen, als auch im anschließenden Revisionsverfahren vom BSG bestätigt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R). Das BSG weist in seiner Entscheidung noch einmal darauf hin, dass das beauftragte Institut nach Aufforderung durch das LSG Nachbesserungen am Konzept vorgenommen habe, u.a. die Ermittlung der Nachfragekonkurrenz anhand der kommunalen Bürgerumfrage und nicht anhand des Mikrozensus (vgl. Rn. 24 des Urteils).
Im vorliegenden Verfahren ist das Konzept nicht von der Fa. Analyse und Konzepte nachgebessert worden. Die Kammer hat die Beklagte mit Verfügung vom 06.07.2016 darauf hingewiesen, dass die Nachfragergruppen im unteren Marktsegment auf der Grundlage der örtlichen Gegebenheiten ermittelt werden müssen und nicht auf der Grundlage des Bundesdurchschnitts und sie zur Nachbesserung des Konzepts aufgefordert. Die Beklagte hat daraufhin die Stellungnahme der Fa. Analyse und Konzepte vom 22.06.2016 übersandt, wonach die sonstigen Nachfrager durch die amtliche Statistik nicht erfasst würden und auch nicht kleinräumig ermittelt werden könnten. Allenfalls sei eine Annäherung mithilfe der Daten aus dem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes möglich, jedoch nur bezogen auf die Region Bielefeld, zu der noch andere Städte und Kreise gehören. Dies ist aus der Sicht der Kammer nicht ausreichend.
Es ist nach der Auffassung der Kammer auch nicht zulässig, den Anteil der sonstigen Nachfrager zu schätzen (a.A. SG Duisburg, Urteil vom 19.04.2016 - S 48 SO 528/12; SG Dortmund, Urteil vom 01. 12 2016 - S 19 AS 965/15; SG Dortmund, Urteil vom 17.03.2017 - S 19 AS 4276/16). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner ersten Entscheidung zu den Regelsätzen vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) ausgeführt, dass der Normgeber die wertende Entscheidung, welche Ausgaben zum Existenzminimum zählen, sachgerecht und vertretbar zu treffen habe. Kürzungen von Ausgabepositionen in den Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bedürften zu ihrer Rechtfertigung einer empirischen Grundlage. Der Gesetzgeber dürfe Ausgaben, welche die Referenzgruppe tätigten, nur dann als nicht relevant einstufen, wenn feststehe, dass sie anderweitig gedeckt würden oder zur Sicherung des Existenzminimums nicht notwendig seien. Auch die Höhe einer Kürzung müsse sich aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe oder aus einer anderen, zuverlässigen Erhebung ergeben. Eine Schätzung auf fundierter empirischer Grundlage sei dabei nicht ausgeschlossen; Schätzungen "ins Blaue hinein" liefen jedoch einem Verfahren realitätsgerechter Ermittlung zuwider und verstießen deshalb gegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, aaO, Rn. 171, juris). Dies gilt nach Auffassung der Kammer in gleicher Weise für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten, denn dabei handelt es sich gleichfalls um einen Teil des Existenzminimums. Die Schätzung der Fa. Analyse und Konzepte zu den sonstigen Nachfragern verfügt nicht über eine empirische Grundlage, da insoweit überhaupt keine Daten für die Stadt Minden erhoben worden sind. Es handelt sich somit um eine Schätzung "ins Blaue hinein". Weitere Ermittlungen durch die Kammer waren nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die umfassende Ermittlung der Daten sowie deren Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein Konzept auf Anforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet er ohne ein solches schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 2. Halbs. SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Liegen dennoch keine ausreichenden Daten vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R). So liegt der Fall auch hier, denn das von der Beklagten vorgelegte Konzept entspricht nicht den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG (s.o.). Die Kammer hat die Beklagte daher aufgefordert, die notwendigen Ermittlungen nachzuholen und das Konzept nachzubessern. Die Beklagte hat dazu mitgeteilt, dass sie die Erhebungen nicht durchführen könne. Vor diesem Hintergrund waren weitere Ermittlungen durch die Kammer nicht erforderlich, denn es ist nicht die Aufgabe des Gerichts, für die Beklagte ein schlüssiges Konzept zu erstellen.
Es lag somit zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein sog. Erkenntnisausfall vor. In einer solchen Konstellation sind nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt, wobei die Werte um einen Sicherheitszuschlag von 10% zu erhöhen sind (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R). Die Stadt Minden gehört zur Mietenstufe II und für diese Kommunen ist in § 12 WoGG in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung für einen Zwei-Personen-Haushalt ein Wert von 380,- EUR vorgesehen. Zzgl. des Sicherheitszuschlages von 10% ergibt sich eine Angemessenheitsgrenze von 418,- EUR. Ab dem 01.01.2016 ist der Wert in § 12 WoGG auf 425,- EUR angehoben worden, zzgl. des Sicherheitszuschlages von 10% ergibt sich eine Angemessenheitsgrenze von 467,50 EUR. Die weitergehenden Unterkunftskosten der Kläger sind von der Beklagten bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB XII nicht zu berücksichtigen.
2. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten besteht auch nicht im Rahmen der konkret-individuellen Prüfung. Hier ist nach der Rechtsprechung des BSG zu prüfen, ob dem Leistungsberechtigten, dessen individuelle Kosten im Einzelfall die abstrakten Angemessenheitsgrenzen überschreiten, ein Umzug in eine kostenangemessene Wohnung konkret möglich und zumutbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R). Dabei kommen nicht nur gesundheitliche Gründe in Betracht, wenn es um die Gründe für die "Unzumutbarkeit" von Kostensenkungsmaßnahmen (insbesondere durch Umzug) geht. Auch der Schutz des sozialen Umfeldes kann Kostensenkungsmaßnahmen unzumutbar machen. Aus solchen Umständen folgt allerdings im Regelfall kein Schutz der kostenunangemessenen Wohnung als solcher. Entsprechende Umstände schränken allenfalls die Obliegenheiten der Leistungsempfänger, die Kosten der Unterkunft zu senken, auf Bemühungen im näheren örtlichen Umfeld ein. Voraussetzung für einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten ist immer, dass überhaupt Anstrengungen unternommen werden, die Unterkunftskosten zu senken, denn nach der Rechtsprechung des BSG erlauben die zutreffenden Ermittlungen zur abstrakt angemessenen Referenzmiete den Anscheinsbeweis, dass Wohnungen zum Preis der abstrakt angemessenen Miete tatsächlich anmietbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R, SGb 2013, 539 ff. mit kritischer Anmerkung Stölting). Im vorliegenden Verfahren ist die abstrakt angemessene Referenzmiete zwar nicht zutreffend ermittelt worden, denn es liegt kein schlüssiges Konzept vor (s.o.). Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Klägerin darlegen muss, dass sich auch zu der dann geltenden Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage des WoGG eine passende Wohnung nicht finden ließ. Dieser Darlegungspflicht ist die Klägerin nicht nachgekommen. Der Vertreter der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass nach der Anmietung der neuen Wohnung zum 01.10.2010 keine Bemühungen mehr unternommen worden seien, eine kostengünstigere Wohnung zu finden.
3. Ein höherer Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt, dass dem Ehemann aufgrund der Tätigkeit in der WfbM ein höherer Freibetrag einzuräumen wäre und sich dadurch das auf den Bedarf der Klägerin anzurechnende Einkommen verringern würde. Nach § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII ist abweichend von Satz 1 bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen von dem Entgelt ein Achtel der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 zuzüglich 25 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abzusetzen. Nicht zum Entgelt i.S. des § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII, von dem der weitere Freibetrag zu berechnen ist, gehört das Arbeitsförderungsgeld nach § 43 Satz 4 SGB IX (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung). Es zählt nicht im Sinne des § 138 Abs. 2 SGB IX zum Arbeitsentgelt (Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes zzgl. eines leistungsangemessenen Steigerungsbetrages), sondern wird von der Werkstatt als besonderer Lohnanreiz an den Beschäftigten weitergereicht. Deshalb ist es rechtssystematisch auch verfehlt, das Arbeitsförderungsgeld nach § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII vom Einkommen abzusetzen, weil es ohnehin nicht zum Arbeitsentgelt für Beschäftigte in WfbM nach § 138 Abs. 2 SGB IX gehört. Es erscheint auch nicht angezeigt, auf einen besonderen sozialpolitischen Anreiz wie dem Arbeitsförderungsgeld nochmals einen Anreiz in Form eines Freibetrages aufzubauen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. Juli 2014 - L 8 SO 212/11; LSG Thüringen, Urteil vom 09.09.2015 - L 8 SO 273/13, SG Aachen, Urteil vom 19.05.2015 – S 20 SO 36/15 -, juris).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
5. Die Kammer hat die Berufung zugelassen. Dies war gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG erforderlich, denn die Kammer hat der Klage nur teilweise stattgegeben, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes für beide Seiten unter 750,- EUR liegt. Die Berufung war jedoch schon gem. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen, da die Kammer von dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.04.2017 (L 20 SO 418/14) abgewichen ist, mit dem das Konzept der Beklagten gebilligt wurde. Im Übrigen misst die Kammer der Frage, ob die Nachfragergruppen nach günstigem Wohnraum im örtlichen Vergleichsraum ermittelt werden müssen oder ob sie auf der Grundlage einer bundesweiten Erhebung geschätzt werden können, auch grundsätzliche Bedeutung bei.
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1) begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten und eines höheren Freibetrages aufgrund der Tätigkeit ihres Ehemannes in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).
Die im Jahr 1972 geborene Klägerin zu 1) und der im Jahr 1970 geborene Kläger zu 2) sind miteinander verheiratet. Beide sind schwerbehindert, die Klägerin aufgrund eines Anfallsleidens (GdB 50) und der Kläger aufgrund einer Intelligenzminderung (GdB 80). Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum einer Rente wegen Erwerbsminderung i.H.v. 254,62 EUR und der Kläger i.H.v. 639,37 EUR. Er arbeitet in einer WfbM und erzielt aufgrund dieser Tätigkeit ein zusätzliches Einkommen i.H.v. 325,- EUR, darin ist ein Arbeitsförderungsgeld i.H.v. 6,40 EUR enthalten.
Die Kläger bezogen zum 01.10.2010 eine Wohnung in der M-str. 0 in N mit einer Wohnfläche von 74 qm. Die Kaltmiete belief sich zunächst auf 304,- EUR, sie wurde zum 01.08.2012 auf 346,60 EUR und zum 01.05.2014 auf 359,93 EUR erhöht. Der Abschlag für die kalten Nebenkosten belief sich zunächst auf 115,00 EUR, er wurde zum 01.11.2015 auf 135,00 EUR angepasst.
Die Klägerin zu 1) bezieht seit September 2011 ergänzende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII von der Beklagten, zuvor hatte sie bereits Leistungen nach dem SGB II vom Jobcenter erhalten. Der Kläger zu 2) bezieht keine Leistungen, da sein Bedarf durch die Rente und das Einkommen aufgrund der Tätigkeit in der WfbM gedeckt wird.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1) mit Bescheid vom 27.08.2015 Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum September 2015 bis August 2016 i.H.v. 128,24 EUR pro Monat. Die Miete sei bei der Leistungsberechnung nicht vollständig zu berücksichtigen, sondern nur bis zur Angemessenheitsgrenze von 401,00 EUR. Bei der Berechnung des Freibetrages aufgrund der Tätigkeit des Ehemannes in der WfbM sei zunächst das Arbeitsförderungsgeld herauszurechnen und dann von diesem Einkommen der Freibetrag zu berechnen, der sich auf 117,06 EUR belaufe.
Die Klägerin zu 1) legte gegen den Bescheid am 03.09.2015 Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass die Regelsätze nicht verfassungsgemäß seien, die Unterkunftskosten vollständig zu übernehmen seien und der Freibetrag aufgrund der Tätigkeit des Ehemannes in der WfbM auf der Grundlage des gesamten Einkommens einschließlich des Arbeitsförderungsgeldes zu berechnen sei.
Die Beklagte rechnete mit Änderungsbescheid vom 28.10.2015 das Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung vom 18.09.2015 an und setzte die Leistungen der Klägerin entsprechend neu fest.
Der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 27.08.2015 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Kreis Minden-Lübbecke aus, dass die Leistungen zutreffend berechnet und bewilligt worden seien. Wegen der einzelnen Beanstandungen werde auf vorherige Widerspruchsbescheide in gleicher Sache Bezug genommen.
Mit Änderungsbescheid vom 21.12.2016 hat die Beklagte rückwirkend ab dem 01.01.2015 eine Mietobergrenze für zwei Personen von 417,00 EUR anerkannt und die Leistungen der Klägerin zu 1) entsprechend neu festgesetzt.
Die Kläger haben am 07.01.2016 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Inhaltlich haben sie die Klage auf die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten und die Berechnung des Freibetrages begrenzt. Darüber hinaus macht nur noch die Klägerin zu 1) Ansprüche geltend, da der Bedarf des Klägers zu 2) durch sein eigenes Einkommen gedeckt wird.
Die Klägerin zu 1) beantragt,
den Bescheid vom 27.08.2015 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.10.2015, 21.12.2015, 27.01.2016 und 26.02.2016 sowie des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr im Zeitraum September 2015 bis August 2016 höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten und eines höheren Freibetrages aufgrund der Tätigkeit in der WfbM zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide, die sie für rechtmäßig hält.
Mit Änderungsbescheid vom 27.01.2016 berücksichtigte die Beklagte rückwirkend ab dem 01.11.2015 die höheren Betriebskostenvorauszahlungen, ohne allerdings die Mietobergrenze von 417,00 EUR zu ändern.
Mit Änderungsbescheid vom 26.02.2016 setzte die Beklagte die Leistungen rückwirkend ab dem 01.01.2016 neu fest, da sich der aufgrund des Werkstatteinkommens des Ehemanns zu zahlende Beitrag zur Pflegeversicherung geändert hatte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 27.08.2015 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.10.2015, 21.12.2015, 27.01.2016 und 26.02.2016 sowie des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2015 (§ 95 SGG). Die Änderungsbescheide vom 28.10.2015 und 21.12.2015 wurden gem. § 86 SGG schon Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, dies gilt auch für den letztgenannten Bescheid, obwohl er zeitlich nach dem Widerspruchsbescheid erlassen wurde (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.1993 - 7 RAr 56/92). Die Änderungsbescheide vom 27.01.2016 und 26.02.2016 sind nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Bescheide für folgende Bewilligungszeiträume sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 8 SO 10/14 R). Der streitige Zeitraum des vorliegenden Verfahrens reicht damit vom 01.09.2015 bis zum 31.08.2016, denn für diesen Zeitraum sind die Leistungen in dem Bescheid vom 27.08.2015 bewilligt worden.
Der Bescheid vom 27.08.2015 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.10.2015, 21.12.2015, 27.01.2016 und 26.02.2016 sowie des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2015 erweist sich als rechtswidrig, denn die Klägerin zu 1) hat im Zeitraum September bis Dezember 2015 einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten i.H.v. 418,- EUR pro Monat und im Zeitraum Januar bis August 2016 von Unterkunftskosten i.H.v. 467,50 EUR pro Monat (dazu unter 1.). Soweit die Klägerin zu 1) einen Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten (dazu unter 2.) und eines höheren Freibetrages aufgrund der Tätigkeit ihres Ehemanns in der WfbM (dazu unter 3.). geltend macht ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen.
Anspruchsberechtigt ist nur die Klägerin zu 1), da der Bedarf des Klägers zu 2) durch sein Einkommen gedeckt wird. Es sind daher in der mündlichen Verhandlung auch nur noch höhere Leistungen für die Klägerin zu 1) beantragt worden.
1. Der Anspruch der Klägerin beruht auf § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen, denn sie ist voll erwerbsgemindert, hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und kann ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen bestreiten. Die Klägerin verfügt lediglich über eine Erwerbsminderungsrente, die sich im streitigen Zeitraum auf 254,62 EUR belief und mit der sie ihren Bedarf nicht decken konnte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des übersteigenden Einkommens des Ehemannes. Den notwendigen Antrag auf Grundsicherung hat die Klägerin am 24.07.2015 bei der Beklagten gestellt.
Zu den Leistungen der Grundsicherung gehören nach § 42 Nr. 4 SGB XII die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werden Leistungen für die Unterkunft grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Nach Abs. 2 der Vorschrift sind Aufwendungen für die Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, (nur) so lange als Bedarf anzuerkennen, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Klägerin hat nur noch einen Anspruch auf Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten (dazu unter 2.).
Der für das Sozialhilferecht zuständige 8. Senat des BSG hat sich hinsichtlich der Angemessenheit der Unterkunftskosten der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG angeschlossen (vgl. Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 24/08 R). Die Kammer zieht daher zur Auslegung des § 35 SGB XII ebenfalls die Rechtsprechung zum SGB II heran (vgl. allgemein zur Notwendigkeit einer Harmonisierung zwischen SGB II und SGB XII: Coseriu, in: Bender/Eicher, Sozialrecht - eine Terra incognita, 2009, 225, 255 f.; Stölting/Greiser, SGb 2010, 631 ff.).
Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R).
Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung. Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte (sog. abstrakte Angemessenheit) und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung (sog. konkrete Angemessenheit) vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R). Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße (dazu unter a.) und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum (dazu unter b.) zu ermitteln. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (dazu unter c). Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R). Nach der Festlegung der abstrakten Angemessenheit schließt sich die konkret-individuelle Prüfung an (dazu unter 2.).
a. Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für die Kläger beträgt 65 qm. Nach der Rechtsprechung des BSG ist zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückzugreifen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R). Das sind in Nordrhein-Westfalen die mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 erlassenen Wohnraumnutzungsbestimmungen (MBl. NRW 2010, 1). Maßgeblich sind daher ab dem 01.01.2010 die in Nr. 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen angesetzten Werte für Wohnflächen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 29.10.2015 - L 7 AS 1310/11). Danach beträgt die angemessene Wohnungsgröße für einen Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen 65 qm.
b. Der örtliche Vergleichsraum ist die Stadt N. Als örtlicher Vergleichsraum ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R). Die Stadt N ist keine kleine Gemeinde, sondern hat über 80.000 Einwohner und bildet somit einen eigenen örtlichen Vergleichsraum. Es begegnet daher keinen Bedenken, dass die Fa. Analyse und Konzepte die Stadt N in dem Bericht vom April 2016 als eigenständigen Wohnungsmarkttyp betrachtet.
c. Die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze in dem Bericht der Fa. Analyse und Konzepte vom April 2016 entspricht nicht den Vorgaben des BSG. Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit der Unterkunft muss der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten ermittelt werden (sog. "Referenzmiete"). Erforderlich dazu sind überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergeben (sog. "schlüssiges Konzept", vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R).
Nach der Rechtsprechung des BSG kann ein schlüssiges Konzept sowohl auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards abstellen. Legt der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen so genannten einfachen Standards zu Grunde, muss er nachvollziehbar offen legen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat. In diesem Fall ist als Angemessenheitsgrenze der Spannenoberwert, d.h. der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne zu Grunde zu legen (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R). Wenn die Angemessenheitsgrenze aufgrund des Gesamtwohnungsbestandes ermittelt wird, ist eine Kappungsgrenze festzulegen, d.h. es muss definiert werden, welcher Quadratmeterpreis noch angemessen ist und welcher nicht mehr.
Die die Fa. Analyse und Konzepte hat sich in ihrem Konzept dafür entschieden, die Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage des Gesamtwohnungsbestandes zu ermitteln. Die alleinige Erhebung der Mieten im unteren Wohnungsmarktsegment könne unter Umständen das Anforderungs- und Prüfungsschema des Bundessozialgerichts nicht erfüllen (vgl. S. 8 des Berichts).
Vor diesem Hintergrund hat sich die die Fa. Analyse und Konzepte entschieden, den Gesamtwohnungsmarkt des jeweiligen Wohnungsmarkttyps zu ermitteln und dann eine Kappungsgrenze festzulegen. Dies erfolgt in einem sog. iterativen Verfahren, in dem ein bestimmter Anteil an den Bestandsmieten so lange erhöht wird, bis ein ausreichendes Angebot an Wohnraum zur Verfügung steht, um den Bedarf der Nachfragergruppen im unteren Segment zu decken. Die Nachfrager im unteren Segment setzen sich nach dem Konzept aus den Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und SGB XII, den Wohngeldempfängern und den sonstigen Nachfragern zusammen. Bei den letztgenannten handelt es sich z.B. um Personen mit Einkommen knapp über der Grundsicherungsschwelle und Studierende. Nach dem Konzept haben die sonstigen Nachfrager einen Anteil von 10% der Haushalte.
Die Festlegung der Kappungsgrenze erfolgt hier also nicht rein normativ, indem z.B. die unteren 20% oder 30% der ermittelten Wohnungen als angemessen angesehen werden. Vielmehr wird die Kappungsgrenze aus einer bestimmten Nachfrage nach günstigem Wohnraum abgeleitet. Dies bedeutet, dass die Nachfrageseite bereits im Rahmen der abstrakten Angemessenheit einbezogen wird.
Das BSG hat eine solche Herangehensweise ausdrücklich gebilligt. Im Rahmen der Methodenfreiheit sei es zulässig, die angemessene Bruttokaltmiete unter Einbeziehung der Nachfrageseite abzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R, Rn. 22). Es bestünden keine Bedenken grundsätzlicher Art gegen den methodischen Ansatz, die Referenzmiete z.B. auf der Basis der Daten eines qualifizierten Mietspiegels sowie des Verhältnisses zwischen den Häufigkeiten angemessener verfügbarer Wohnungen (Angebotsseite) und versorgungsbedürftiger Bedarfs- und Einstandsgemeinschaften nach dem SGB II und dem SGB XII (Nachfrageseite) zu ermitteln.
Nach der Auffassung der Kammer ist es sogar zwingend erforderlich, die Nachfrageseite bereits bei der Festlegung der abstrakten Angemessenheit einzubeziehen. Das BSG hat es zwar abgelehnt, persönliche Lebensumstände des Leistungsberechtigten (wie z.B., dass er alleinerziehend oder schwerbehindert ist) im Rahmen der abstrakten Angemessenheit der Kosten (auch soweit sie in einem bestimmten Raumbedarf Ausdruck finden) zu berücksichtigen, da sich solche Umstände nicht abstrakt erfassen ließen. Sie seien vielmehr bei der Frage zu prüfen, ob dem Leistungsberechtigten, dessen individuelle Kosten im Einzelfall die abstrakten Angemessenheitsgrenzen überschreiten, ein Umzug in eine kostenangemessene Wohnung konkret möglich und zumutbar sei (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R, SGb 2013, 539 ff. mit kritischer Anmerkung Stölting). Dies bedeutet indes nicht, dass die Angemessenheitsgrenze vollkommen unabhängig von der Möglichkeit, eine angemessene Wohnung zu finden, festgelegt werden könnte. Denn es ergibt keinen Sinn, abstrakte Richtwerte festzulegen, zu denen der aktuelle Wohnungsmarkt konkret keine Wohnungen in ausreichender Zahl vorhält (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12, Rn. 147). Es muss vielmehr gewährleistet sein, dass nach der Struktur des örtlichen Wohnungsbestandes alle Leistungsberechtigten am Ort tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen bestimmten Beträgen eine bedarfsgerechte, menschenwürdige Unterkunft anmieten zu können; zu diesem Preis muss auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend angemessener freier Wohnraum verfügbar sein (vgl. Berlit, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 22, Rn. 57; Malottki, info also 2012, 99, 105).
Mit der Berücksichtigung der Nachfrageseite bereits bei der Festlegung der abstrakten Angemessenheit lässt sich auch dem Problem des sog. "verschlossenen Mietwohnungsmarktes" begegnen. Ein solcher liegt vor, wenn es tatsächlich erschwert ist, überhaupt Wohnraum anzumieten, z.B. weil es aufgrund einer hohen Eigentumsquote insgesamt nur wenige Mietangebote gibt oder die Zahl der Interessenten größer ist als die der angebotenen Wohnungen (vgl. Knickrehm, Soziale Sicherheit 2015, 287, 291). Auch ein solcher Umstand ist bei der Erstellung des schlüssigen Konzepts zu berücksichtigen, denn es kommt darauf an, dass der Unterkunftsbedarf der Leistungsberechtigten tatsächlich gedeckt werden kann und dies ist nur dann möglich, wenn angemessener Wohnraum konkret zur Verfügung steht. Auch dies spricht dafür, dass die Angemessenheitsgrenze nach Wohnungsgrößen differenziert empirisch abgeleitet werden muss und nicht lediglich normativ gesetzt werden kann (vgl. Knickrehm, Soziale Sicherheit 2015, 287, 292).
Bei den Nachfragern nach günstigem Wohnraum handelt es sich nicht nur um die Leistungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII sowie die Wohngeldempfänger, sondern es sind auch sonstige Personen mit geringem Einkommen zu berücksichtigen, z.B. Beschäftigte mit Einkommen knapp über der Grundsicherungsschwelle und Studierende. Es ist also auch die sog. Nachfragekonkurrenz zu ermitteln, da sie bei der Festlegung der Angemessenheitsgrenze zu berücksichtigen ist. Davon ist auch die Fa. Analyse und Konzepte in dem vorliegenden Bericht vom April 2016 ausgegangen, die konkrete Umsetzung ist jedoch mangelhaft, da die sonstigen Nachfrager in der Stadt N nicht ermittelt worden sind. Das Konzept geht davon aus, dass die sonstigen Nachfrager einen Anteil von 10% der Haushalte haben. Diese Zahl basiert auf dem Forschungsprojekt "Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte" des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) aus dem Jahr 2009 (Heft 142 in der Schriftenreihe "Forschungen" - herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen und Stadtentwicklung (BMVBS), abrufbar unter: www.bbr.bund.de). Auf der Seite 12 des Endberichts wird angegeben, dass es bundesweit 2,983 Millionen Haushalte unter der Armutsrisikogrenze gebe, die weder Mindestsicherung noch Wohngeld bezögen, das sei ein Anteil von 7,5%. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2006. Im Schriftsatz vom 22.06.2016 hat die Fa. Analyse und Konzepte erläuternd mitgeteilt, dass die sonstigen Nachfrager durch die amtliche Statistik nicht erfasst würden und auch nicht ermittelt werden könnten. Man habe daher den bundesweiten Anteil zugrunde gelegt und für das Konzept auf 10% angehoben, es handele sich dabei um einen Sicherheitsaufschlag.
Diese Daten sind nach der Auffassung der Kammer nicht geeignet, um die Angemessenheitsgrenze festzulegen (so auch SG Dortmund, Urteil vom 19.02.2016 - S 62 SO 444/14, a.A. offenbar: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.04.2017 - L 20 SO 418/14). Das schlüssige Konzept muss eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergegeben werden (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R). Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn Zahlen aus einer bundesweiten Erhebung verwendet werden. Das LSG Sachsen hatte in einem vergleichbaren Fall darauf hingewiesen, dass die überregional gewonnenen Daten des Mikrozensus 2006 keine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergeben werden (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12). Das von dem zuständigen Grundsicherungsträger beauftragte Institut hatte daraufhin eine Sonderauswertung der Kommunalen Bürgerumfrage aus dem Jahr 2010 zugrunde gelegt. Es ist also im gerichtlichen Verfahren eine Nachbesserung erfolgt, die schließlich dazu geführt hat, dass das schlüssige Konzept sowohl vom LSG Sachsen, als auch im anschließenden Revisionsverfahren vom BSG bestätigt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R). Das BSG weist in seiner Entscheidung noch einmal darauf hin, dass das beauftragte Institut nach Aufforderung durch das LSG Nachbesserungen am Konzept vorgenommen habe, u.a. die Ermittlung der Nachfragekonkurrenz anhand der kommunalen Bürgerumfrage und nicht anhand des Mikrozensus (vgl. Rn. 24 des Urteils).
Im vorliegenden Verfahren ist das Konzept nicht von der Fa. Analyse und Konzepte nachgebessert worden. Die Kammer hat die Beklagte mit Verfügung vom 06.07.2016 darauf hingewiesen, dass die Nachfragergruppen im unteren Marktsegment auf der Grundlage der örtlichen Gegebenheiten ermittelt werden müssen und nicht auf der Grundlage des Bundesdurchschnitts und sie zur Nachbesserung des Konzepts aufgefordert. Die Beklagte hat daraufhin die Stellungnahme der Fa. Analyse und Konzepte vom 22.06.2016 übersandt, wonach die sonstigen Nachfrager durch die amtliche Statistik nicht erfasst würden und auch nicht kleinräumig ermittelt werden könnten. Allenfalls sei eine Annäherung mithilfe der Daten aus dem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes möglich, jedoch nur bezogen auf die Region Bielefeld, zu der noch andere Städte und Kreise gehören. Dies ist aus der Sicht der Kammer nicht ausreichend.
Es ist nach der Auffassung der Kammer auch nicht zulässig, den Anteil der sonstigen Nachfrager zu schätzen (a.A. SG Duisburg, Urteil vom 19.04.2016 - S 48 SO 528/12; SG Dortmund, Urteil vom 01. 12 2016 - S 19 AS 965/15; SG Dortmund, Urteil vom 17.03.2017 - S 19 AS 4276/16). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner ersten Entscheidung zu den Regelsätzen vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) ausgeführt, dass der Normgeber die wertende Entscheidung, welche Ausgaben zum Existenzminimum zählen, sachgerecht und vertretbar zu treffen habe. Kürzungen von Ausgabepositionen in den Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bedürften zu ihrer Rechtfertigung einer empirischen Grundlage. Der Gesetzgeber dürfe Ausgaben, welche die Referenzgruppe tätigten, nur dann als nicht relevant einstufen, wenn feststehe, dass sie anderweitig gedeckt würden oder zur Sicherung des Existenzminimums nicht notwendig seien. Auch die Höhe einer Kürzung müsse sich aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe oder aus einer anderen, zuverlässigen Erhebung ergeben. Eine Schätzung auf fundierter empirischer Grundlage sei dabei nicht ausgeschlossen; Schätzungen "ins Blaue hinein" liefen jedoch einem Verfahren realitätsgerechter Ermittlung zuwider und verstießen deshalb gegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, aaO, Rn. 171, juris). Dies gilt nach Auffassung der Kammer in gleicher Weise für die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten, denn dabei handelt es sich gleichfalls um einen Teil des Existenzminimums. Die Schätzung der Fa. Analyse und Konzepte zu den sonstigen Nachfragern verfügt nicht über eine empirische Grundlage, da insoweit überhaupt keine Daten für die Stadt Minden erhoben worden sind. Es handelt sich somit um eine Schätzung "ins Blaue hinein". Weitere Ermittlungen durch die Kammer waren nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die umfassende Ermittlung der Daten sowie deren Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein Konzept auf Anforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet er ohne ein solches schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 2. Halbs. SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Liegen dennoch keine ausreichenden Daten vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R). So liegt der Fall auch hier, denn das von der Beklagten vorgelegte Konzept entspricht nicht den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG (s.o.). Die Kammer hat die Beklagte daher aufgefordert, die notwendigen Ermittlungen nachzuholen und das Konzept nachzubessern. Die Beklagte hat dazu mitgeteilt, dass sie die Erhebungen nicht durchführen könne. Vor diesem Hintergrund waren weitere Ermittlungen durch die Kammer nicht erforderlich, denn es ist nicht die Aufgabe des Gerichts, für die Beklagte ein schlüssiges Konzept zu erstellen.
Es lag somit zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein sog. Erkenntnisausfall vor. In einer solchen Konstellation sind nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt, wobei die Werte um einen Sicherheitszuschlag von 10% zu erhöhen sind (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R). Die Stadt Minden gehört zur Mietenstufe II und für diese Kommunen ist in § 12 WoGG in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung für einen Zwei-Personen-Haushalt ein Wert von 380,- EUR vorgesehen. Zzgl. des Sicherheitszuschlages von 10% ergibt sich eine Angemessenheitsgrenze von 418,- EUR. Ab dem 01.01.2016 ist der Wert in § 12 WoGG auf 425,- EUR angehoben worden, zzgl. des Sicherheitszuschlages von 10% ergibt sich eine Angemessenheitsgrenze von 467,50 EUR. Die weitergehenden Unterkunftskosten der Kläger sind von der Beklagten bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB XII nicht zu berücksichtigen.
2. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten besteht auch nicht im Rahmen der konkret-individuellen Prüfung. Hier ist nach der Rechtsprechung des BSG zu prüfen, ob dem Leistungsberechtigten, dessen individuelle Kosten im Einzelfall die abstrakten Angemessenheitsgrenzen überschreiten, ein Umzug in eine kostenangemessene Wohnung konkret möglich und zumutbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R). Dabei kommen nicht nur gesundheitliche Gründe in Betracht, wenn es um die Gründe für die "Unzumutbarkeit" von Kostensenkungsmaßnahmen (insbesondere durch Umzug) geht. Auch der Schutz des sozialen Umfeldes kann Kostensenkungsmaßnahmen unzumutbar machen. Aus solchen Umständen folgt allerdings im Regelfall kein Schutz der kostenunangemessenen Wohnung als solcher. Entsprechende Umstände schränken allenfalls die Obliegenheiten der Leistungsempfänger, die Kosten der Unterkunft zu senken, auf Bemühungen im näheren örtlichen Umfeld ein. Voraussetzung für einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten ist immer, dass überhaupt Anstrengungen unternommen werden, die Unterkunftskosten zu senken, denn nach der Rechtsprechung des BSG erlauben die zutreffenden Ermittlungen zur abstrakt angemessenen Referenzmiete den Anscheinsbeweis, dass Wohnungen zum Preis der abstrakt angemessenen Miete tatsächlich anmietbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R, SGb 2013, 539 ff. mit kritischer Anmerkung Stölting). Im vorliegenden Verfahren ist die abstrakt angemessene Referenzmiete zwar nicht zutreffend ermittelt worden, denn es liegt kein schlüssiges Konzept vor (s.o.). Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Klägerin darlegen muss, dass sich auch zu der dann geltenden Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage des WoGG eine passende Wohnung nicht finden ließ. Dieser Darlegungspflicht ist die Klägerin nicht nachgekommen. Der Vertreter der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass nach der Anmietung der neuen Wohnung zum 01.10.2010 keine Bemühungen mehr unternommen worden seien, eine kostengünstigere Wohnung zu finden.
3. Ein höherer Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt, dass dem Ehemann aufgrund der Tätigkeit in der WfbM ein höherer Freibetrag einzuräumen wäre und sich dadurch das auf den Bedarf der Klägerin anzurechnende Einkommen verringern würde. Nach § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII ist abweichend von Satz 1 bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen von dem Entgelt ein Achtel der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 zuzüglich 25 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abzusetzen. Nicht zum Entgelt i.S. des § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII, von dem der weitere Freibetrag zu berechnen ist, gehört das Arbeitsförderungsgeld nach § 43 Satz 4 SGB IX (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung). Es zählt nicht im Sinne des § 138 Abs. 2 SGB IX zum Arbeitsentgelt (Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes zzgl. eines leistungsangemessenen Steigerungsbetrages), sondern wird von der Werkstatt als besonderer Lohnanreiz an den Beschäftigten weitergereicht. Deshalb ist es rechtssystematisch auch verfehlt, das Arbeitsförderungsgeld nach § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII vom Einkommen abzusetzen, weil es ohnehin nicht zum Arbeitsentgelt für Beschäftigte in WfbM nach § 138 Abs. 2 SGB IX gehört. Es erscheint auch nicht angezeigt, auf einen besonderen sozialpolitischen Anreiz wie dem Arbeitsförderungsgeld nochmals einen Anreiz in Form eines Freibetrages aufzubauen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. Juli 2014 - L 8 SO 212/11; LSG Thüringen, Urteil vom 09.09.2015 - L 8 SO 273/13, SG Aachen, Urteil vom 19.05.2015 – S 20 SO 36/15 -, juris).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
5. Die Kammer hat die Berufung zugelassen. Dies war gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG erforderlich, denn die Kammer hat der Klage nur teilweise stattgegeben, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes für beide Seiten unter 750,- EUR liegt. Die Berufung war jedoch schon gem. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen, da die Kammer von dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.04.2017 (L 20 SO 418/14) abgewichen ist, mit dem das Konzept der Beklagten gebilligt wurde. Im Übrigen misst die Kammer der Frage, ob die Nachfragergruppen nach günstigem Wohnraum im örtlichen Vergleichsraum ermittelt werden müssen oder ob sie auf der Grundlage einer bundesweiten Erhebung geschätzt werden können, auch grundsätzliche Bedeutung bei.
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