S 8 AS 1244/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 1244/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1936/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2017.

Der Kläger wurde am 00.00.1960 geboren. Er war Eigentümer eines Reihenendhauses R 00 in S mit einer Wohnfläche von 167,42 qm. Am 28.05.2014 beantragte er erstmals die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, die der Beklagte zunächst darlehensweise gewährte. Die darlehensweise Leistungsgewährung erfolgte wegen des vorhandenen Immobilienvermögens, wobei zwischen den Beteiligten streitig war, ob der Kläger die Gewährung zuschuss- statt darlehensweiser Leistungen beanspruchen konnte. Diesbezüglich wurden die Verfahren S 7 AS 1257/16 und S 7 AS 1636/16 geführt.

In der Folgezeit forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage von Nachweisen über seine Bemühungen zur Verwertung der Immobilie auf. Der Kläger legte einen Maklerauftrag mit der LBS vom 13.08.2015 vor sowie Anzeigen in den Internetportalen Ebay-Kleinanzeigen, dhd24 und quoka. Weiter legte er einen Maklerauftrag für die Sparkasse L vor. Am 06.12.2016 legte der Kläger ein Schreiben der Sparkasse L vom 28.11.2016 vor, wonach es gelungen sei, einen Kaufinteressenten für die Immobilie zu gewinnen. Der Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 07.12.2016 darlehensweise Leistungen nach dem SGB II bis zum 31.03.2017. Mit Schreiben vom 12.01.2017 drohte die Sparkasse L dem Kläger die Kündigung des Maklerauftrages an, da mit dem derzeitigen Verhalten des Klägers ein Verkauf der Immobilie nicht möglich sei.

Am 06.04.2017 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2017. Mit Bescheid vom 12.04.2017 lehnte der Beklagte sowohl die zuschuss- als auch die darlehensweise Leistungsgewährung nach dem SGB II ab. Der Kläger verfüge über zu berücksichtigendes Immobilienvermögen im Wert von 160.000 EUR. Damit sei er nicht hilfebedürftig. Auch die Voraussetzungen für eine darlehensweise Leistungsgewährung seien nicht gegeben. Für die Gewährung eines Darlehens sei ein kausaler Zusammenhang zwischen der Hilfebedürftigkeit und der nicht möglichen sofortigen Verwertung erforderlich. Ein solcher Kausalzusammenhang sei anzunehmen, wenn er Schritte zur Veräußerung der Immobilie unternommen hätte. Sobald allerdings die Vermögensverwertung gar nicht beabsichtigt sei, sei für eine darlehensweise Leistungsgewährung kein Raum. Hier habe der Kläger durch sein Verhalten die Verwertungsbemühungen vollständig unterlaufen und so die Veräußerung seiner Immobilie verhindert. Durch seine Weigerung, die Immobilie zu verkaufen, habe er diese der Verwertung für die Zwecke des Lebensunterhaltes entzogen.

Am 25.04.2017 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Der Beklagte nehme inhaltlich Bezug auf das Urteil des LSG NRW vom 18.03.2016 zum Aktenzeichen L 19 AS 1272/15, in dem auf die Notwendigkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen Hilfebedürftigkeit und der Möglichkeit der Vermögensverwertung verwiesen werde. Bei dem erwähnten Rechtsstreit handele es sich um einen völlig anderen Fall mit anderen Voraussetzungen. Der dortige Kläger habe erklärt, dass er nicht beabsichtige, die Immobilie zu verkaufen, während er selbst nachweislich Verwertungsbemühungen unternommen habe. Offensichtlich werde die Behauptung auch auf ein Gespräch mit dem Makler der Sparkasse L gestützt. Bereits im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens habe er diesbezüglich datenschutzrechtliche Bedenken geäußert. Aufgrund des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und der Notwendigkeit, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln sicherzustellen, seien die Verwertungsbemühungen durch das Verschulden des Beklagten erheblich verzögert worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 27.07.2017 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus: Es treffe nicht zu, dass er keine Verwertungsbemühungen unternommen habe. Er habe aufgrund des Maklerauftrages bei der Sparkasse L ernsthafte Verwertungsbemühungen unternommen und keinesfalls erklärt, dass künftig Verkaufsaktivitäten unterbleiben sollen. Der Beklagte stütze seine falsche Behauptung ausschließlich auf das Telefonat mit einem Mitarbeiter der Sparkasse L sowie auf das Maklerschreiben vom 12.01.2017. Das Maklerschreiben enthalte falsche Tatsachenbehauptungen. Die Sparkasse setze den Maklerauftrag fort. Weiterhin sei auch nicht geklärt, ob er überhaupt zu Verwertungsbemühungen verpflichtet sei, da der Beklagte keine Prognose über den voraussichtlichen Verwertungszeitraum erstellte habe. Der Beklagte habe auch versäumt, eine Ortsbesichtigung durchführen zu lassen, um eine nachvollziehbare Wertauskunft zu erhalten. Er habe es auch versäumt, die Lage des Hauses im ländlichen Bereich festzustellen. Stattdessen sei von dem Beklagten fälschlicherweise vorgetragen worden, dass das Haus im städtischen Bereich liege und unangemessen groß sei. Tatsächlich sei es angemessen.

Bereits am 19.04.2017 hatte der Kläger die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit ab dem 01.04.2017 beantragt. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 7 AS 598/17 ER geführt. Durch Beschluss des SG Detmold vom 02.06.2017 wurde der Antrag abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde unter dem Aktenzeichen L 6 AS 1090/17 B ER geführt und durch Beschluss vom 17.08.2017 zurückgewiesen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Bescheid des Beklagten vom 12.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab dem 01.04.2017 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf seine Ausführungen im Bescheid und Widerspruchsbescheid und führt weiter aus: Der Kläger habe in der Vergangenheit durch sein Verhalten gezeigt, dass er nicht gewillt sei, die Immobilie zu veräußern. Hieran könne auch eine geplante neue Beauftragung eines Maklers nichts ändern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Gerichtsakten der Verfahren S 7 AS 598/17 ER, S 7 AS 164/17 ER und S 32 AS 1957/17 ER Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch den Bescheid des Beklagten vom 12.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2017 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da der Bescheid rechtmäßig ist. Der Kläger hat ab dem 01.04.2017 bis zum 30.09.2017 weder einen Anspruch auf Gewährung zuschussweiser Leistungen nach dem SGB II noch auf Gewährung darlehensweiser Leistungen nach dem SGB II.

Streitgegenständlich ist im vorliegenden Verfahren der Zeitraum vom 01.04.2017 bis 30.09.2017. Der Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid die Leistungsgewährung nach dem SGB II ab dem 01.04.2017 abgelehnt. Begrenzt wird der streitgegenständliche Zeitraum durch den weiteren Ablehnungsbescheid vom 19.10.2017, mit dem der Beklagte die Leistungsgewährung nach dem SGB II ab dem 01.10.2017 abgelehnt hat und der Gegenstand des Verfahrens S 8 AS 1731/17 ist. Durch den weiteren Ablehnungsbescheid für die Zeit ab dem 01.10.2017 wird die Regelungswirkung des streitgegenständlichen Bescheides auf den Zeitraum bis zum 30.09.2017 begrenzt.

Der Kläger hat in diesem Zeitraum zunächst keinen Anspruch auf Gewährung von zuschussweisen Leistungen nach dem SGB II, denn er war in der Zeit ab dem 01.04.2017 bis 30.09.2017 mangels Hilfebedürftigkeit nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig, denn er war in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus dem zur Verfügung stehenden Vermögen zu sichern. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB II sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung. Gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II sind zudem als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

Hier war der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Alleineigentümer eines Reihenendhauses R 00 in S, welches ausweislich einer in der Verwaltungsakte befindlichen Stellungnahme des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Lippe und in der Stadt D mit einem Verkehrswert von 160.000 EUR zu bewerten ist. Das Hausgrundstück stellt zunächst keine geschützte Immobilie im Sinne des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II dar, denn mit einer Wohnfläche von 167,42 qm überschreitet sie die für eine Person angemessene Wohnfläche von 90 qm erheblich. Die Immobilie steht als Vermögenswert der Hilfebedürftigkeit und damit einer Leistungsgewährung nach dem SGB II an den Kläger entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass die Immobilie tatsächlich oder rechtlich nicht verwertbar ist, sind nicht ersichtlich. Der Annahme der tatsächlichen Verwertbarkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger die Immobilie über einen Zeitraum von zwei Jahren, in dem ihm bereits darlehensweise Leistungen nach dem SGB II gewährt wurden, nicht veräußert hat. Soweit der Kläger auf verschiedene Vermarktungsbemühungen durch Erteilung von Makleraufträgen und Einstellung von Anzeigen auf verschiedenen Internetportalen verweist, vermag die Kammer diese nicht als ausreichend zu erachten. Die Anzeigen auf den Internetportalen waren wenig aussagekräftig; Anfragen von Interessenten wurden von dem Kläger lediglich mit der pauschalen Frage nach Anschrift und Telefonnummer beantwortet, die zum Teil bereits in den Anfragen der Interessenten enthalten waren. Soweit am 28.11.2016 ein Kaufinteressent durch den von dem Kläger beauftragten Makler der Sparkasse gefunden werden konnte, ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich ernsthaft um den Verkauf der Immobilie an diesen Kaufinteressenten bemüht hätte. Nachvollziehbare Gründe, warum ein Kaufvertrag letztlich nicht geschlossen werden konnte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch Härtefallgründe im Sinne des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II sind nicht ersichtlich. Zum Zeitpunkt des Eintritts in den Leistungsbezug nach dem SGB II war der Kläger noch mehr als 10 Jahre von der Regelaltersrente entfernt. Auch war nicht absehbar, dass der Kläger lediglich kurzfristig Leistungen beziehen würde. Im Übrigen nimmt die Kammer bezüglich der Frage der Berücksichtigung der Immobilie als Vermögensgegenstand sowie der Verwertbarkeit Bezug auf die Ausführungen des LSG NRW in den Urteilen vom 22.02.2018, Az.: L 6 AS 1411/17 und L 6 AS 1412/17.

Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum auch keinen Anspruch auf die Gewährung darlehensweiser Leistungen nach dem SGB II, denn er ist auch nicht hilfebedürftig unter dem Aspekt der fehlenden sofortigen Verwertbarkeit des Vermögens. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 4 SGB II auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. Gemäß § 24 Abs. 5 S. 1 SGB II sind in diesen Fällen Leistungen als Darlehen zu erbringen. Zwar ist eine Immobilie regelmäßig nicht sofort verwertbar im Sinne des § 9 Abs. 4 SGB II; jedoch ist Voraussetzung für eine darlehensweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, dass die Verwertung des Vermögensgegenstandes überhaupt ernsthaft betrieben wird. Hier fehlt es an ausreichenden, ernsthaften Verwertungsbemühungen durch den Kläger. Soweit der Kläger zwei Makleraufträge erteilt und verschiedene Anzeigen auf Internetportalen geschaltet hatte, sind hierin keine ausreichenden Verwertungsbemühungen zu sehen. Diesbezüglich wird auf die bereits genannten Urteile des LSG NRW vom 22.02.2018 sowie auf den Beschluss des SG Detmold in dem Verfahren S 7 AS 598/17 ER Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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