S 50 AS 51/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
50
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 AS 51/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 23.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.01.2005 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, über die Unterkunftskosten unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Der Kläger bewohnt ein möbiliertes Zimmer, das eine Gesamtgröße von 9 qm hat und einschließlich Heizung, Warmwasser sowie sonstiger Nebenkosten und Strom monatlich 125,- EUR Miete kostet.

Der Kläger beantragte am 07.09.2004 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 08.11.2004 bewilligte die Beklagte ihm diese Leistungen für die Zeit von Januar bis Juni 2005 in Höhe von 414,01 EUR monatlich. Davon entfielen auf die Kosten der Unterkunft 69,01 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 23.11.2004 wurde dem Widerspruch vom 16.11.2004 teilweise abgeholfen und die Leistungen neu auf 419,49 EUR festgesetzt; davon entfielen auf Kosten der Unterkunft 74,49 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II würden die tatsächlichen Unterkunftskosten und die tatsächlichen Heizkosten in angemessener Höhe anerkannt. Da die Regelleistung Strom, Warmwasseranteil sowie Möbelierung umfasse, könnten diese Kosten deshalb nicht nochmals als Unterkunftskosten anerkannt werden. Deshalb würden von den Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 125,- EUR für Strom 21,39 EUR (6,2 % der Regelleistung) und für Möbelierung 27,77 EUR (8,05 % der Regelleistung) abgezogen. Auf den Warmwasseranteil entfielen 0,15 EUR pro qm (1,35 EUR).

Mit Schriftsatz vom 02.03.2005, eingegangen beim Sozialgericht München, beantragte die Bevollmächtigte zuletzt:

Den Bescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbe scheids vom 26.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger mit Wirkung ab 01.01.2005 Grund- sicherung für Arbeitsuchende in Höhe von 345,- EUR monat lich zuzüglich der Unterkunftskosten von derzeit 125,- EUR monatlich abzüglich der Energiekosten von 6,- EUR monatlich zu bezahlen.

Das Zimmer sei nicht voll möbeliert, da es weder über Bett noch Tisch noch Stuhl verfüge. Der Abzug von 8,05 % der Regelleistung für Möbelierung sei deshalb rechtswidrig. Der Abzug von 6,02 % für Energiekosten sei für ein 9 qm großes Zimmer nicht angemessen. Strom werde lediglich für die Beleuchtung benötigt. Eine Person verbrauche keine 21,39 EUR Strom. Die statistischen Daten könnten nicht herangezogen werden, da ein Unterschied zwischen einem kleinen möbelierten Zimmer und einem Haushalt in einer 1- bis 2-Zimmer-Wohnung bestehe.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 29.03.2005:

die Klage abzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung erklärte die Vertreterin des Beklagten, es gäbe mittlerweile einen Beschluss des Stadtrats der Beklagten, der jedoch noch nicht schriftlich vorläge, wonach für möbelierte Zimmer eine einmalige Pauschale in Höhe von 27,- EUR monatlich abgezogen werde. Da in der Regelleistung von 345,- EUR Aufwendungen für Strom und Warmwasser enthalten seien, könnten diese Beträge bei den Kosten der Unterkunft nicht mehr berücksichtigt werden. Der von der Regelleistung abgedeckte Betrag für Strom betrage nach der Einkommenverbrauchs-Stichprobe 6,2 %, dies seien 21,39 EUR. Für Warmwasser sei 0,15 EUR pro qm anzusetzen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids war aufzuheben, da der Kläger einen Anspruch auf höhere Unterkunftskosten hat.

Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Bei Mieten, die alle Nebenkosten ohne Aufschlüsselung umfassen, sind ebenso wie bei einheitlichen Energiekostenvorauszahlungen die bereits durch die Regelleistungen abgegoltenen Kosten für Kochenergie, Beleuchtung, Warmwasserzubereitung und den Betrieb elektrischer Geräte herauszurechnen (Berlit in LPK SGB II, § 22 Rdnr. 17 und 49). Die Beklagte ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass von der Bruttomiete von 125,-EUR ein Abzug für Energiekosten vorzunehmen ist, da sowohl Strom als auch Warmwasser aus der Regelleistung von 345,- EUR bezahlt werden müssen und deshalb nicht zu den Unterkunftskosten gehören.

Zu beanstanden ist jedoch die Höhe des Abzugs von 6,2 % der Regelleistung für Strom, da der Kläger lediglich ein kleines Untermietzimmer bewohnt. Stromkosten in Höhe von 21,39 EUR monatlich fallen bei einem 9 qm Zimmer nicht an. Die Pauschale von 6,2 % der Regelleistung für Strom stellt auf einen normalen Einpersonenhaushalt mit Küche, Bad und den dazugehörenden Elektrogeräten wie Kühlschrank, Herd und Waschmaschine ab. Das Untermietzimmer des Klägers ist lediglich 9 qm groß und damit eher eine Kammer, die kaum Platz zum Wohnen bietet. Die pauschale Verringerung der Unterkunftskosten aufgrund einer der Einkommenverbrauchs-Stichprobe zugrunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise berücksichtigt den Einzelfall nicht. Da nach § 22 Abs. 1 SGB II die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen maßgeblich sind, stellt diese Norm bereits ihrem Wortlaut nach auf den Einzelfall ab. Dies gebietet, auch beim Abzug der anteilig in der Bruttomiete enthaltenen Kosten für Energie auf den Einzelfall abzustellen, wenn wie hier ein abstrakter Pauschalabzug zu offensichtlichen Abweichungen von den tatsächlichen Aufwendungen führt.

Eine Verpflichtung der Beklagten zu einem Abzug von Energiekosten in bestimmter Höhe muss unterbleiben, da es erforderlich ist, die Unterkunftssituation des Klägers genauer aufzuklären und da die Beklagte die Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten hat, wie sie die Energiekosten feststellt und berechnet. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung stand nicht fest, ob und in welchem Umfang der Kläger Bad und Küche mit benutzen kann. Offen ist ferner, ob der Kläger von seinem Vermieter eine genaue Energiekostenabrechnung erhalten kann und ob ein gesonderter anderer Zähler vorhanden ist. Unter Berücksichtigung dessen, dass es sich bei dem Zimmer des Klägers nicht um Wohnraum von normaler Größe, sondern eher um ein halbes Zimmer handelt, hält das Gericht es grundsätzlich für angemessen, etwa ein Drittel oder die Hälfte der Energiekostenpauschale von 6,2 % von den Unterkunftskosten abzuziehen. Denkbar wäre auch, wie bei der Ermittlung des Warmwasseranteils, auf die Zimmergröße in qm abzustellen.

Der Abzug einer Pauschale von 8,05 % der Regelleistung für Möbelierung ist ebenso wie der pauschale Abzug von 27,- EUR für möbelierte Zimmer rechtswidrig, da das SGB II keine Kürzung der Regelleistung vorsieht. § 20 Abs. 2 SGB II bestimmt, dass der monatliche Regelsatz für alleinstehende Volljährige in den alten Bundesländern 345,- EUR beträgt. Es handelt sich dabei um die gesetzliche Festlegung eines absoluten Betrages, von dem nach § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens, Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben bestritten werden müssen. Abweichend von der Regelung in § 22 Abs. 1 des früher geltenden BSHG sieht das SGB II nicht vor, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalls von dieser Regelleistung abgewichen werden kann. Durch die Festlegung einer Pauschale, mit der abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen der gesamte Lebensunterhalt gesichert werden soll, hat der Gesetzgeber zugleich festgelegt, dass dieser Betrag jedem Anspruchsberechtigten ohne Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse zusteht. Diese gesetzliche Regelung der Leistung als Pauschale schließt es aus, die Regelleistung unter Zugrundelegung eines Prozentsatzes in einen Bedarf für Möbel, Hausrat, Instandhaltung etc. aufzusplitten und die Bedarfsanteile individuell nach der Lebenssituation des einzelnen zu gewähren. Es ist jedem Hilfeempfänger unabhängig davon, ob und wie seine Wohnung möbeliert ist, freigestellt, ob und in welchem Umfang er die Regelleistung für Möbel verwendet. Eine Kürzung des Regelsatzes wegen fehlendem Bedarf sieht das Gesetz nicht vor. Die Absenkung und der Wegfall der Regelleistung ist in § 31 SGB II nur für die dort genannten Fälle vorgesehen.

Auch nach der bisherigen Rechtssprechung zum BSHG war es dem Sozialhilfeträger verwehrt, dem Hilfeempfänger vorzuschreiben, wie er die nach Regelsätzen gewährte Hilfe innerhalb der Bedarfsgruppe verbraucht, da der Regelsatz insgesamt zur Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse zur Verfügung stand und der Hilfeempfänger selbst bestimmen konnte, ob er Ausgaben an einer Stelle stark einschränkt zugunsten von höheren Ausgaben für andere Bedürfnisse (z.B. BVerwG vom 29.12.2000 NJW 2001, 1985; OVG Münster vom 09.11.2000, Az.: 22 A 351/99). Auch bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II gilt der Grundatz fort, dass der Hilfeempfänger frei darüber entscheiden kann, ob und wie er die ihm zustehenden Mittel auf seine Bedürfnisse verteilt. Dies gilt umsomehr, da abweichend von der früheren Rechtslage grundsätzlich keine Einzelleistungen für notwendige besondere Anschaffungen mehr gewährt werden, sondern die dafür notwendigen Mittel aus der Regelleistung angespart werden müssen.

Die vom Stadtrat der Beklagten beschlossene Pauschale in Höhe von 27,- EUR, die bei möbelierten Zimmern von der Bruttomiete abgezogen werden soll, ist höher als der in der Regelleistung enthaltene Stromanteil von 6,2 %, der derzeit 21,39 EUR bei Alleinstehenden beträgt. Auch unter Berücksichtigung eines Abzugs von den Heizkosten für Warmwasser ist der Pauschalabzug regelmäßig zu hoch, da ein Warmwasseranteil von über 5,60 EUR unter Zugrundelegung eines Warmwasseranteils von 0,15 EUR pro qm einer Zimmergröße von ungefähr 35 qm entspricht. In all den Fällen, in denen ein möbiliertes Zimmer kleiner ist, bedeutet der Pauschalabzug von 27,- EUR, dass vom Gesetz nicht vorgesehene Abzüge von der Regelleistung gemacht werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers insgesamt trägt. Trotz der Änderung des Klageantrags, dem als Verpflichtungsklage nicht in vollem Umfang stattgegeben wurde und der Tatsache, dass die Beklagte bereit war, hinsichtlich der Pauschale für Möbelierung unter eingeschränkten Voraussetzungen nachzugeben, entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da diese überwiegend unterlegen ist.
Rechtskraft
Aus
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