S 33 KR 1607/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 33 KR 1607/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 27.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, über den Erstattungsantrag vom 29.12.2003 zu entscheiden.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Streitig ist die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge für den Zeitraum 1974 bis 2003.

Vom 23.08.1974 bis 31.03.2003 war Frau M. K. bei der Klägerin beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. In diesem Zeitraum wurde der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Beklagte entrichtet. Ab 01.04.2003 wechselte Frau K. zur BKK Mobil Oil, die mit Bescheid vom 24.11.2003 eine Versicherungspflicht verneinte.

Die Klägerin, eine offene Handelsgesellschaft, beantragte am 29.12.2003 bei der Beklagten die Erstattung der für M. K., geb. am 25.04.1955 gezahlten Sozialversicherungsbeiträge für den streitgegenständlichen Zeitraum, da aufgrund der Befreiung von der Sozialversicherungspflicht ab 01.04.2003 durch die BKK Mobil Oil (Bescheid vom 24.11.2003) feststehe, dass eine Versicherungspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zu keinem Zeitpunkt vorgelegen habe.

Mit Bescheid vom 12.01.2004 teilte die Beklagte mit, dass nach den vorliegenden Unterlagen die BKK Mobil Oil nach § 28 h Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zuständig sei.

Ausweislich der Beklagtenakten lehnte die BKK Mobil Oil eine Entscheidung über den Zeitraum vor 01.04.2003 ab. Sie geht von einer Zuständigkeit der Beklagten aus.

Mit Schreiben vom 01.03.2004 bestätigte die Beklagte die Entscheidung vom 01.12.2004. Auch die Landesgeschäftsstelle Südbayern der Beklagten ging von einer Zuständigkeit der BKK Mobil Oil als neuer Einzugstelle für die Entscheidung über den Erstattungsantrag aus.

Mit Schreiben vom 18.10.2004 beantragte die Klägerin nochmals eine Entscheidung der Beklagten über die Versicherungspflicht von 1974 bis 2003.

Am 04.11.2004 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage beim Sozialgericht München, da über den Antrag auf Erstattung nicht entschieden worden sei.

Am 12.01.2005 erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid, mit dem eine Zuständigkeit der Beklagten für die Entscheidung über den Erstattungsanspruch verneint wurde.

In der mündlichen Verhandlung am 13.04.2005 beantragte die Klägerin, den streitgegenständlichen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zur Entscheidung über den Ertstattungsantrag vom 29.12.2003 zu verurteilen.

Der Vertreter der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Klageakte und die beigezogenen Beklagtenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist gegen ihrer Rechtsauffassung zur Entscheidung über den am 29.12.2003 gestellten Antrag auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zuständig. Sie ist damit verpflichtet, über diesen Antrag zu entscheiden.

Die Beanstandung und Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge ist in § 26 SGB IV geregelt. Diese Vorschrift enthält keine Bestimmung der Zuständigkeit bezüglich der Entscheidung über einen Erstattungsantrag.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kann die Zuständigkeit der aktuellen Einzugstelle jedoch nicht aus § 28 h und § 28 i SGB IV hergeleitet werden. Diese von der Beklagten herangezogenen Vorschriften beziehen sich ausschließlich auf den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (§ 28 d SGB IV). Bereits aus der systematischen Stellung dieser Vorschriften ist ersichtlich, dass sie für die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge nicht einschlägig sind.

Die Zuständigkeit für die Beitragserstattung ist jedoch in Spezialvorschriften der jeweiligen Bücher des Sozialgesetzbuches für den Bereich der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung geregelt. So sieht für den Bereich der Arbeitslosenversicherung § 351 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) in Abs. 2 vor, dass die Beiträge grundsätzlich durch die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk die Stelle ihren Sitz hat, an welche die Beiträge entrichtet worden sind, zu erstatten sind. Nummer Drei dieser Regelung sieht darüber hinaus vor, dass die zuständige Einzugstelle die Beiträge erstattet, soweit die Bundesagentur für Arbeit dies mit den Einzugstellen vereinbart hat.

Entsprechend dieser Vorschriften sieht § 211 des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI) für die Rentenversicherung eine Sonderregelung bei der Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge vor. Nach dieser Regelung erfolgt die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge (§ 26 Abs. 2 und 3 SGB IV) durch die zuständige Einzugstelle, wenn die Träger der Rentenversicherung dies mit den Einzugstellen oder den Leistungsträgern vereinbart haben (§ 211 Satz 1 SGB VI).

Bezüglich des Bereichs der gesetzlichen Krankenversicherung enthält das Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) keine Regelung.

Aus den genannten Vorschriften ergibt sich, dass sowohl bezüglich der Beiträge zur Arbeitslosen- als auch zur Rentenversicherung gesetzliche Regelungen bestehen, die eine Zuständigkeitsvereinbarung erlauben. Von dieser Möglichkeit haben die Spitzenverbände der Sozialversicherung Gebrauch gemacht. Insoweit wurden mit Datum vom 26.03.2003 "Gemeinsame Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung" ausgearbeitet. Diese Grundsätze lösen mit Wirkung ab 01.04.2003 die gemeinsamen Grundsätze vom 31.05.2000 ab.

Die Vereinbarung sieht vor, dass der Antrag auf Erstattung der Beiträge bei der Einzugsstelle einzureichen ist, an die die Beiträge gezahlt worden sind (Ziff. 3.2). Dies ist für den Zeitraum bis 31.03.2003 die Beklagte.

Bezüglich der Bearbeitung des Antrags (Ziffer 3.3) sieht die Ziffer 3.3.1 vor, dass für die Bearbeitung des Antrages "die Einzugstelle" zuständig ist, soweit sich aus den Abschnitten 3.3.2 und 3.3.3. nichts anderes ergibt. Diese Regelung enthält bezüglich der Zuständigkeit der Einzugstelle keine von Ziffer 3.2 abweichende oder ergänzende Regelung. Damit ist davon auszugehen, dass für die Bearbeitung des Antrages die Einzugstelle zuständig ist, an die die Beiträge gezahlt worden sind (vgl. 3.2 der Vereinbarung).

Im Ergebnis ist für die Entscheidung über den Antrag vom 29.12.2003 also die Beklagte zuständig, da sie bis 31.03.2003 die Einzugstelle des Gesamtsozialversicherungsbeitrages war und an sie der Gesamtsozialversicherungsbeitrag geleistet wurde.

Nachdem die Beklagte entgegen den genannten Vorschriften eine Entscheidung über den Erstattungsantrag im streitgegenständlichen Bescheid ablehnte, war der streitgegenständliche Bescheid in Gestalt des Widerspruchbescheides aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag vom 29.12.2003 zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem Umstand, dass die Klage erfolgreich war.
Rechtskraft
Aus
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