Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
38
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 477/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 127/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Mit seiner zum Sozialgericht München eingelegten Klage begehrt der Kläger, der als Chirurg/Unfallchirurgie mit Praxissitz in A-Stadt, A.-Straße zugelassen ist, die Genehmigung einer Filiale in A-Stadt, B-Straße.
Ein entsprechender Antrag auf Genehmigung einer Filiale hinsichtlich der Gebührenordnungspositionen 07211, 07212, 07340, 02310, 02311, 02312 und 02313 wurde bei der Beklagten am 18.05.2012 gestellt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, man plane die Gründung eines Wundzentrums in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Versorgungskonzepte in der Wundbehandlung (GVW). Es gebe eine hohe Anzahl von Patienten mit multiresistenten Keimen, die einer speziellen Behandlung, wegen der Ansteckungsgefahr am besten ausgegliedert aus dem normalen Praxisbetrieb bedürften. Mit Bescheid 02.08.2012 wurde der Antrag abgelehnt. Es wurde darauf hingewiesen, der Versorgungsgrad im Planungsbereich A-Stadt Stadt, Fachgebiet Chirurgie sei mit 154,2 % sehr hoch. Eine Verbesserung der Versorgung in A-Stadt Stadt sei nicht erkennbar. Zur Begründung des dagegen klägerseits eingelegten Widerspruchs wurde ausgeführt, es handle sich lediglich um eine pauschale Ablehnung. Die Probleme könnten nicht in dem klassischem Ordnungsrahmen gelöst werden, so dass eine Unterversorgung bestehe, die stets eine Versorgungsverbesserung darstelle. Der Widerspruch wurde von der Beklagten zurückgewiesen. Denn die Voraussetzungen für eine Filialgenehmigung nach § 24 Abs. 3 S. 1 Ärzte-Zulassungsverord-nung (im folgenden Ärzte-ZV) lägen nicht vor. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 28.10.2009, Az. B 6 KA 42/08R) liege eine qualifizierte Verbesserung der Versorgung insbesondere dann vor, wenn der Arzt über andere Abrechnungsgenehmigungen verfüge und/oder besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anbiete. Die beantragten Leistungen könnten aber bereits von verschiedenen anderen Arztgruppen beziehungsweise von Chirurgen erbracht werden. Sie würden von den vor Ort niedergelassenen Ärzten vorgehalten. Auch sei eine qualitative Verbesserung durch Ausgliederung mit der Begründung der Minimierung des Risikos der Keimübertragung nicht erkennbar. Allein durch Einhaltung der Hygienevorschriften könne das Risiko der kein Übertragung eingeschränkt werden.
Die dagegen eingelegte Klage wurde damit begründet, die Versagung der Filial-Genehmigung sei rechtswidrig. Denn das alleinige Abstellen auf die beantragten Gebührenordnungspositionen, die auch von anderen Ärzten erbracht werden, sei nicht geeignet. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass es sich um ein spezielles Behandlungskonzept handle, das in A-Stadt ein Novum darstelle. Somit trete eine Versorgungsverbesserung durch ein differenziertes Leistungsspektrum mit wundspezifischen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ein. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 9.2.2011, Az B 6 KA 49/09R) sei ein differenziertes Leistungsspektrum ausreichend für die Annahme einer Verbesserung der Versorgung. Des Weiteren könnte durch die beabsichtigte Auslagerung das Risiko der Keimübertragung minimiert werden. Ferner sei auch von einer qualitativen/quantitativen Verbesserung der Versorgung auszugehen, indem nicht nur überlange Wartezeiten für den betroffenen Patientenkreis, sondern auch überlange Behandlungszeiten, eventuell auch Krankenhausaufenthalte vermieden werden könnten.
Die Beklagte wiederholte ihren bereits in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsstandpunkt. Sie wies außerdem darauf hin, der Kläger verfüge bereits über ausgelagerte Praxisräume in A-Stadt, B.-Straße, das heißt unter der für die Filiale beantragten Adresse. Die Auslagerung sei gemäß § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV ordnungsgemäß vom Kläger angezeigt worden. Die Beklagte habe dagegen keine Einwendungen erhoben.
Den Patienten sei es zumutbar, dass in den ausgelagerten Praxisräumen keine Sprechstunde stattfinden dürfe und Erstkontakt am Hauptsitz der Praxis hergestellt werde.
In der mündlichen Verhandlung am 28.05.2014 vertrat die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Auffassung, eine Filiale stelle gegenüber ausgelagerten Praxisräumen eine deutliche Versorgungsverbesserung dar. So sei es wichtig, dass auch der Erstkontakt in der Filiale stattfinde. Abermals sei auch auf das maßgeschneiderte Konzept mit dem Angebot eines differenzierten Leistungsspektrums und auch Verbindungen zu anderen Fachrichtungen und nichtärztlichen Leistungserbringern hinzuweisen. Auf Frage des Gerichts wurde die räumliche und personelle Ausstattung der ausgelagerten Praxisräume mitgeteilt (Fläche der Praxisräume: 150 m²; Personal: ein Arzt, eine Arzthelferin und zwei Hygienemanagerinnen).
Die Beklagte machte darauf aufmerksam, bei Überweisung werde auch ein telefonischer Erst-Kontakt "akzeptiert".
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 14.05.2013.
Vertreterin der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Sitzungsniederschrift vom 28.05.2014 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine sog. "Filial"-Genehmigung am beantragten Standort. Nach § 24 Abs. 1 Ärzte-ZV erfolgt die Zulassung für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz). Darüber hinaus sieht § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV vor, dass auch vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztes an weiteren Orten zulässig sind, wenn und soweit dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztes nicht beeinträchtigt wird (geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes sind unbeachtlich, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen werden). Bereits dem Wortlaut ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, die Genehmigung von Zweigpraxen von einer Bedarfsprüfung wie bei der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit, der Sonderbedarfszulassung und der Ermächtigung abhängig zu machen (vgl. BR-Drs. 353/06). Dementsprechend geht die hierzu ergangene Rechtsprechung der Sozialgerichte von einer "deutlicheren Entkopplung von den Voraussetzungen und den Begrifflichkeiten der Bedarfsprüfung" aus (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2009, Az B 6 KA 42/08R; BSG, Urteil vom 09.02.2011, Az B 6 KA 49/09R; BayLSG, Urteil vom 23.07. 2008). Die Gefahr des Unterlaufens der Bedarfsprüfung wurde damit billigend in Kauf genommen.
Somit kommt es für den Anspruch auf Genehmigung einer Zweigpraxis zunächst auf die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort an. Es handelt sich hierbei ("Verbesserung der Versorgung") um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Der Genehmigungsbehörde steht ein Beurteilungsspielraum zu, weshalb sich die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob der Entscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die Kassenärztliche Vereinigung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten hat und ob sie ihre Erwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (S. Bäume, A. Meschke, S. Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2008, Rn 43 zu § 24).
Wie das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 09.02.2011, Az B 6 KA 49/09R) ausführt, ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass das bestehende Leistungsangebot zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer - unter bestimmten Umständen aber auch in quantitativer - Hinsicht erweitert wird. Von einer qualitativen Versorgungsverbesserung ist beispielsweise auszugehen, wenn der in der Zweigpraxis tätige Vertragsarzt im Vergleich zu den bereits vor Ort tätigen Ärzten über andere Abrechnungsgenehmigungen nach § 135 Abs. 2 SGB V verfügt und/oder ein differenzierteres Leistungsspektrum und/oder eine besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anbietet. Eine quantitative Versorgungsverbesserung ist unter gewissen Umständen beispielsweise in der Reduzierung von Wartezeiten zu sehen.
In Anwendung dieser Grundsätze ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte nicht von einer Versorgungsverbesserung ausgeht.
Soweit der Kläger darauf hinweist, das Problem einer qualifizierten Wundversorgung sei nicht "im klassischen Ordnungsrahmen zu lösen", weshalb von einer Unterversorgung auszugehen sei, bei der das Versorgungsangebot des Klägers automatisch eine Verbesserung der Versorgung darstellen würde, ist dem nicht zu folgen. Die Klägerseite vermischt hier die quantitative Verbesserung mit der qualitativen Verbesserung. Bei einer Überversorgung von 154,2 % im Bereich der Chirurgie, Planungsbereich A-Stadt Stadt kann allgemein schwerlich von einer Unterversorgung und von einer quantitativen Verbesserung gesprochen werden. Dies gilt aber auch für das Segment der Wundversorgung. Der Begriff der "Unterversorgung" ist messbar quantitativ zu verstehen. Da davon auszugehen ist, dass alle anderen Ärzte im überversorgten Planungsbereich das Leistungsspektrum umfassend erbringen, so auch die Wundversorgung und die vom Kläger beantragten Leistungen, lässt sich auch eine partielle Unterversorgung nicht bejahen. Auf das vom Kläger favorisierte spezielle Behandlungskonzept, das von ihm als Novum in A-Stadt bezeichnet wird, kommt es im Zusammenhang mit einer quantitativen Verbesserung der Versorgung nicht an. Ebenfalls sind überlange Wartezeiten genauso wenig ersichtlich wie überlange Behandlungszeiten.
Auch eine qualitative Verbesserung der Versorgung stellt das Konzept des Klägers nach Auffassung des Gerichts nicht dar. Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger im Vergleich zu den bereits vor Ort tätigen Ärzten über keine anderen Abrechnungsgenehmigungen nach § 135 Abs. 2 SGB V verfügt und nach den unwidersprochenen Ausführungen der Beklagten andere Ärzte im Planungsbereich die vom Kläger beantragten Leistungen erbringen. Somit besteht insofern keine vom BSG als beispielhaft genannte Versor-gungsverbesserung im Sinne zusätzlicher Abrechnungsgenehmigungen. Die Herausnahme der Wundversorgung verbunden mit dem vom Kläger angebotenen Konzept führt auch nicht zu einer Versorgungsverbesserung im Sinne eines differenzierten Leistungsspektrums. Denn unter einem differenzierten Leistungsspektrum ist ein bis ins einzelne abgestuftes, nuan-ciertes Bündel von Leistungen (vgl. Duden, Die Deutsche Rechtschreibung ) zu verstehen. Diese Voraussetzung erfüllen die vom Kläger beantragten wenigen Leistungen aber nicht. Es handelt sich insgesamt um lediglich 7 Leistungen. Eher wäre in Erwägung zu ziehen, ob die vom Kläger angebotene Wundversorgung eine "besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethode" darstellt. Allerdings müssten die Einbeziehung anderer Fachrichtungen im Wege der Kooperation/Überweisung und eine die Fachgebietsgrenzen überschreitende Versorgung der Versicherten – sofern eine medizinische Notwendigkeit hierfür besteht – selbstverständlich sein, entspricht sie doch dem ärztlichen Standard, den der Versicherte beanspruchen kann (§ 11 Abs. 4 SGB V). Für eine solche Verbesserung der Versorgung bedarf es nicht der Gründung einer Filial-Praxis (SG Marburg, Urteil vom 10.12.2009, Az. S 12 KA 115/08). Gänzlich unbehelflich ist die geltend gemachte Einbeziehung von nichtärztlichen Leistungserbringern. Denn Ziel des Gesetzgebers ist die Verbesserung der ärztlichen Versorgung. Davon abgesehen ist ein Zusammenhang zwischen der Gründung einer Filial-Praxis und einer solchen eventuellen Versorgungsverbesserung nicht zu erkennen. Was die geltend gemachte Risikominimierung der Keimübertragung durch Gründung einer Filialpraxis betrifft, weist die sachkundig mit zwei Ärzten besetzte Kammer darauf hin, dass ein erhöhtes Risiko der Keimübertragung bei Belassen des status quo (ohne Zweipraxis) nicht zu besorgen ist. Multiresistente Keime werden nicht durch eine sog. "Tröpfcheninfektion" übertragen. Die Übertragungswege sind allein durch eine strikte Einhaltung der Hygienevorschriften beherrschbar. Dieser Hygienestandard ist sowohl in der Hauptpraxis, als auch andernorts einzuhalten. Außerdem lässt sich trotz Gründung einer Filialpraxis nicht vermeiden, dass Patienten mit Keimbelastung die Hauptpraxis des Klägers aufsuchen. Letztendlich müssten grundsätzlich alle ärztlichen Leistungserbringer aller Fachrichtungen – wäre der Argumentation des Klägers zu folgen – Patienten mit Ansteckungspotential separieren und hierfür Filialpraxen gründen, was nicht praktikabel erscheint.
Selbst wenn eine Verbesserung der Versorgung im Sinne eines differenzierten Leistungsangebots/einer besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethode grundsätzlich zu bejahen wäre, ist ein gewisses Ausmaß der Verbesserung durch die Gründung einer Filialpraxis notwendig. Lediglich kaum spürbare "kosmetische" Veränderungen reichen nicht aus (BSG, Urteil vom 28.10.2009, Az. B 6 KA 42/08R). In dem Zusammenhang ist der "status quo" der Versorgungssituation nach Gründung der beantragten Filialpraxis gegenüberzustellen. Der "status quo" ist davon geprägt, dass bereits eine Wundbehandlung am Ort der beabsichtigten Filialpraxis, wenn auch in ausgelagerten Praxisräumen nach § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV durch den Kläger stattfindet. Der Unterschied besteht momentan lediglich darin, dass grundsätzlich der Erst-Kontakt in den Räumen der Hauptpraxis stattfinden muss. Bei Überweisung wird es für zulässig angesehen, dass ein telefonischer Erst-Kontakt stattfindet. Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist deshalb eine spürbare Versorgungsverbesserung nicht erkennbar, davon abgesehen, dass – wie bereits ausgeführt – nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich Patienten mit Keimbelastung zunächst in der Hauptpraxis einfinden.
Nach Auffassung des Gerichts hat die Beklagte als Genehmigungsbehörde den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum eingehalten. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) ist nicht ersichtlich.
Abschließend erlaubt sich das Gericht den Hinweis, dass die Konzeption des Klägers Merkmale einer "Integrierten Versorgung" aufweisen könnte, die der Gesetzgeber in §§ 140a ff. SGB V geregelt hat. Ob und inwieweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Rahmen des hier streitgegenständlichen Verfahrens jedoch nicht zu beurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Mit seiner zum Sozialgericht München eingelegten Klage begehrt der Kläger, der als Chirurg/Unfallchirurgie mit Praxissitz in A-Stadt, A.-Straße zugelassen ist, die Genehmigung einer Filiale in A-Stadt, B-Straße.
Ein entsprechender Antrag auf Genehmigung einer Filiale hinsichtlich der Gebührenordnungspositionen 07211, 07212, 07340, 02310, 02311, 02312 und 02313 wurde bei der Beklagten am 18.05.2012 gestellt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, man plane die Gründung eines Wundzentrums in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Versorgungskonzepte in der Wundbehandlung (GVW). Es gebe eine hohe Anzahl von Patienten mit multiresistenten Keimen, die einer speziellen Behandlung, wegen der Ansteckungsgefahr am besten ausgegliedert aus dem normalen Praxisbetrieb bedürften. Mit Bescheid 02.08.2012 wurde der Antrag abgelehnt. Es wurde darauf hingewiesen, der Versorgungsgrad im Planungsbereich A-Stadt Stadt, Fachgebiet Chirurgie sei mit 154,2 % sehr hoch. Eine Verbesserung der Versorgung in A-Stadt Stadt sei nicht erkennbar. Zur Begründung des dagegen klägerseits eingelegten Widerspruchs wurde ausgeführt, es handle sich lediglich um eine pauschale Ablehnung. Die Probleme könnten nicht in dem klassischem Ordnungsrahmen gelöst werden, so dass eine Unterversorgung bestehe, die stets eine Versorgungsverbesserung darstelle. Der Widerspruch wurde von der Beklagten zurückgewiesen. Denn die Voraussetzungen für eine Filialgenehmigung nach § 24 Abs. 3 S. 1 Ärzte-Zulassungsverord-nung (im folgenden Ärzte-ZV) lägen nicht vor. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 28.10.2009, Az. B 6 KA 42/08R) liege eine qualifizierte Verbesserung der Versorgung insbesondere dann vor, wenn der Arzt über andere Abrechnungsgenehmigungen verfüge und/oder besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anbiete. Die beantragten Leistungen könnten aber bereits von verschiedenen anderen Arztgruppen beziehungsweise von Chirurgen erbracht werden. Sie würden von den vor Ort niedergelassenen Ärzten vorgehalten. Auch sei eine qualitative Verbesserung durch Ausgliederung mit der Begründung der Minimierung des Risikos der Keimübertragung nicht erkennbar. Allein durch Einhaltung der Hygienevorschriften könne das Risiko der kein Übertragung eingeschränkt werden.
Die dagegen eingelegte Klage wurde damit begründet, die Versagung der Filial-Genehmigung sei rechtswidrig. Denn das alleinige Abstellen auf die beantragten Gebührenordnungspositionen, die auch von anderen Ärzten erbracht werden, sei nicht geeignet. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass es sich um ein spezielles Behandlungskonzept handle, das in A-Stadt ein Novum darstelle. Somit trete eine Versorgungsverbesserung durch ein differenziertes Leistungsspektrum mit wundspezifischen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ein. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 9.2.2011, Az B 6 KA 49/09R) sei ein differenziertes Leistungsspektrum ausreichend für die Annahme einer Verbesserung der Versorgung. Des Weiteren könnte durch die beabsichtigte Auslagerung das Risiko der Keimübertragung minimiert werden. Ferner sei auch von einer qualitativen/quantitativen Verbesserung der Versorgung auszugehen, indem nicht nur überlange Wartezeiten für den betroffenen Patientenkreis, sondern auch überlange Behandlungszeiten, eventuell auch Krankenhausaufenthalte vermieden werden könnten.
Die Beklagte wiederholte ihren bereits in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsstandpunkt. Sie wies außerdem darauf hin, der Kläger verfüge bereits über ausgelagerte Praxisräume in A-Stadt, B.-Straße, das heißt unter der für die Filiale beantragten Adresse. Die Auslagerung sei gemäß § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV ordnungsgemäß vom Kläger angezeigt worden. Die Beklagte habe dagegen keine Einwendungen erhoben.
Den Patienten sei es zumutbar, dass in den ausgelagerten Praxisräumen keine Sprechstunde stattfinden dürfe und Erstkontakt am Hauptsitz der Praxis hergestellt werde.
In der mündlichen Verhandlung am 28.05.2014 vertrat die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Auffassung, eine Filiale stelle gegenüber ausgelagerten Praxisräumen eine deutliche Versorgungsverbesserung dar. So sei es wichtig, dass auch der Erstkontakt in der Filiale stattfinde. Abermals sei auch auf das maßgeschneiderte Konzept mit dem Angebot eines differenzierten Leistungsspektrums und auch Verbindungen zu anderen Fachrichtungen und nichtärztlichen Leistungserbringern hinzuweisen. Auf Frage des Gerichts wurde die räumliche und personelle Ausstattung der ausgelagerten Praxisräume mitgeteilt (Fläche der Praxisräume: 150 m²; Personal: ein Arzt, eine Arzthelferin und zwei Hygienemanagerinnen).
Die Beklagte machte darauf aufmerksam, bei Überweisung werde auch ein telefonischer Erst-Kontakt "akzeptiert".
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 14.05.2013.
Vertreterin der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Sitzungsniederschrift vom 28.05.2014 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine sog. "Filial"-Genehmigung am beantragten Standort. Nach § 24 Abs. 1 Ärzte-ZV erfolgt die Zulassung für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz). Darüber hinaus sieht § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV vor, dass auch vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztes an weiteren Orten zulässig sind, wenn und soweit dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztes nicht beeinträchtigt wird (geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes sind unbeachtlich, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen werden). Bereits dem Wortlaut ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, die Genehmigung von Zweigpraxen von einer Bedarfsprüfung wie bei der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit, der Sonderbedarfszulassung und der Ermächtigung abhängig zu machen (vgl. BR-Drs. 353/06). Dementsprechend geht die hierzu ergangene Rechtsprechung der Sozialgerichte von einer "deutlicheren Entkopplung von den Voraussetzungen und den Begrifflichkeiten der Bedarfsprüfung" aus (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2009, Az B 6 KA 42/08R; BSG, Urteil vom 09.02.2011, Az B 6 KA 49/09R; BayLSG, Urteil vom 23.07. 2008). Die Gefahr des Unterlaufens der Bedarfsprüfung wurde damit billigend in Kauf genommen.
Somit kommt es für den Anspruch auf Genehmigung einer Zweigpraxis zunächst auf die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort an. Es handelt sich hierbei ("Verbesserung der Versorgung") um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Der Genehmigungsbehörde steht ein Beurteilungsspielraum zu, weshalb sich die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob der Entscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die Kassenärztliche Vereinigung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten hat und ob sie ihre Erwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (S. Bäume, A. Meschke, S. Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2008, Rn 43 zu § 24).
Wie das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 09.02.2011, Az B 6 KA 49/09R) ausführt, ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass das bestehende Leistungsangebot zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer - unter bestimmten Umständen aber auch in quantitativer - Hinsicht erweitert wird. Von einer qualitativen Versorgungsverbesserung ist beispielsweise auszugehen, wenn der in der Zweigpraxis tätige Vertragsarzt im Vergleich zu den bereits vor Ort tätigen Ärzten über andere Abrechnungsgenehmigungen nach § 135 Abs. 2 SGB V verfügt und/oder ein differenzierteres Leistungsspektrum und/oder eine besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anbietet. Eine quantitative Versorgungsverbesserung ist unter gewissen Umständen beispielsweise in der Reduzierung von Wartezeiten zu sehen.
In Anwendung dieser Grundsätze ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte nicht von einer Versorgungsverbesserung ausgeht.
Soweit der Kläger darauf hinweist, das Problem einer qualifizierten Wundversorgung sei nicht "im klassischen Ordnungsrahmen zu lösen", weshalb von einer Unterversorgung auszugehen sei, bei der das Versorgungsangebot des Klägers automatisch eine Verbesserung der Versorgung darstellen würde, ist dem nicht zu folgen. Die Klägerseite vermischt hier die quantitative Verbesserung mit der qualitativen Verbesserung. Bei einer Überversorgung von 154,2 % im Bereich der Chirurgie, Planungsbereich A-Stadt Stadt kann allgemein schwerlich von einer Unterversorgung und von einer quantitativen Verbesserung gesprochen werden. Dies gilt aber auch für das Segment der Wundversorgung. Der Begriff der "Unterversorgung" ist messbar quantitativ zu verstehen. Da davon auszugehen ist, dass alle anderen Ärzte im überversorgten Planungsbereich das Leistungsspektrum umfassend erbringen, so auch die Wundversorgung und die vom Kläger beantragten Leistungen, lässt sich auch eine partielle Unterversorgung nicht bejahen. Auf das vom Kläger favorisierte spezielle Behandlungskonzept, das von ihm als Novum in A-Stadt bezeichnet wird, kommt es im Zusammenhang mit einer quantitativen Verbesserung der Versorgung nicht an. Ebenfalls sind überlange Wartezeiten genauso wenig ersichtlich wie überlange Behandlungszeiten.
Auch eine qualitative Verbesserung der Versorgung stellt das Konzept des Klägers nach Auffassung des Gerichts nicht dar. Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger im Vergleich zu den bereits vor Ort tätigen Ärzten über keine anderen Abrechnungsgenehmigungen nach § 135 Abs. 2 SGB V verfügt und nach den unwidersprochenen Ausführungen der Beklagten andere Ärzte im Planungsbereich die vom Kläger beantragten Leistungen erbringen. Somit besteht insofern keine vom BSG als beispielhaft genannte Versor-gungsverbesserung im Sinne zusätzlicher Abrechnungsgenehmigungen. Die Herausnahme der Wundversorgung verbunden mit dem vom Kläger angebotenen Konzept führt auch nicht zu einer Versorgungsverbesserung im Sinne eines differenzierten Leistungsspektrums. Denn unter einem differenzierten Leistungsspektrum ist ein bis ins einzelne abgestuftes, nuan-ciertes Bündel von Leistungen (vgl. Duden, Die Deutsche Rechtschreibung ) zu verstehen. Diese Voraussetzung erfüllen die vom Kläger beantragten wenigen Leistungen aber nicht. Es handelt sich insgesamt um lediglich 7 Leistungen. Eher wäre in Erwägung zu ziehen, ob die vom Kläger angebotene Wundversorgung eine "besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethode" darstellt. Allerdings müssten die Einbeziehung anderer Fachrichtungen im Wege der Kooperation/Überweisung und eine die Fachgebietsgrenzen überschreitende Versorgung der Versicherten – sofern eine medizinische Notwendigkeit hierfür besteht – selbstverständlich sein, entspricht sie doch dem ärztlichen Standard, den der Versicherte beanspruchen kann (§ 11 Abs. 4 SGB V). Für eine solche Verbesserung der Versorgung bedarf es nicht der Gründung einer Filial-Praxis (SG Marburg, Urteil vom 10.12.2009, Az. S 12 KA 115/08). Gänzlich unbehelflich ist die geltend gemachte Einbeziehung von nichtärztlichen Leistungserbringern. Denn Ziel des Gesetzgebers ist die Verbesserung der ärztlichen Versorgung. Davon abgesehen ist ein Zusammenhang zwischen der Gründung einer Filial-Praxis und einer solchen eventuellen Versorgungsverbesserung nicht zu erkennen. Was die geltend gemachte Risikominimierung der Keimübertragung durch Gründung einer Filialpraxis betrifft, weist die sachkundig mit zwei Ärzten besetzte Kammer darauf hin, dass ein erhöhtes Risiko der Keimübertragung bei Belassen des status quo (ohne Zweipraxis) nicht zu besorgen ist. Multiresistente Keime werden nicht durch eine sog. "Tröpfcheninfektion" übertragen. Die Übertragungswege sind allein durch eine strikte Einhaltung der Hygienevorschriften beherrschbar. Dieser Hygienestandard ist sowohl in der Hauptpraxis, als auch andernorts einzuhalten. Außerdem lässt sich trotz Gründung einer Filialpraxis nicht vermeiden, dass Patienten mit Keimbelastung die Hauptpraxis des Klägers aufsuchen. Letztendlich müssten grundsätzlich alle ärztlichen Leistungserbringer aller Fachrichtungen – wäre der Argumentation des Klägers zu folgen – Patienten mit Ansteckungspotential separieren und hierfür Filialpraxen gründen, was nicht praktikabel erscheint.
Selbst wenn eine Verbesserung der Versorgung im Sinne eines differenzierten Leistungsangebots/einer besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethode grundsätzlich zu bejahen wäre, ist ein gewisses Ausmaß der Verbesserung durch die Gründung einer Filialpraxis notwendig. Lediglich kaum spürbare "kosmetische" Veränderungen reichen nicht aus (BSG, Urteil vom 28.10.2009, Az. B 6 KA 42/08R). In dem Zusammenhang ist der "status quo" der Versorgungssituation nach Gründung der beantragten Filialpraxis gegenüberzustellen. Der "status quo" ist davon geprägt, dass bereits eine Wundbehandlung am Ort der beabsichtigten Filialpraxis, wenn auch in ausgelagerten Praxisräumen nach § 24 Abs. 4 Ärzte-ZV durch den Kläger stattfindet. Der Unterschied besteht momentan lediglich darin, dass grundsätzlich der Erst-Kontakt in den Räumen der Hauptpraxis stattfinden muss. Bei Überweisung wird es für zulässig angesehen, dass ein telefonischer Erst-Kontakt stattfindet. Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist deshalb eine spürbare Versorgungsverbesserung nicht erkennbar, davon abgesehen, dass – wie bereits ausgeführt – nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich Patienten mit Keimbelastung zunächst in der Hauptpraxis einfinden.
Nach Auffassung des Gerichts hat die Beklagte als Genehmigungsbehörde den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum eingehalten. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) ist nicht ersichtlich.
Abschließend erlaubt sich das Gericht den Hinweis, dass die Konzeption des Klägers Merkmale einer "Integrierten Versorgung" aufweisen könnte, die der Gesetzgeber in §§ 140a ff. SGB V geregelt hat. Ob und inwieweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Rahmen des hier streitgegenständlichen Verfahrens jedoch nicht zu beurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.
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