L 4 KR 1/01

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 6 KR 280/99
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 1/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Regelung in einem Rahmenvertrag nach § 127 SGB V, die die Abgabe von Hilfsmitteln von der vorherigen Einwilligung der Krankenkasse abhängig macht, ist rechtmäßig. Versorgt ein Leistungserbringer Versicherte mit Hilfsmitteln, obwohl die erforderliche Zustimmung nicht vorliegt, hat er gegen die Krankenkasse keinen Leistungsanspruch, auch wenn für die Hilfsmittel Festbeträge gelten.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die von der Klägerin ohne Genehmigung der Krankenkasse an Versicherte abgegebene Stomaartikel zu bezahlen hat.

Die Klägerin ist ein in Dresden in Sachsen ansässiges Unternehmen des Medizinprodukthandels. Sie gibt insbesondere Artikel an Versicherte ab, die für die Versorgung von Patienten mit künstlichem Darmausgang bestimmt sind (Stoma-Artikel). Sie ist Mitglied der Landesinnung für Orthopädietechnik in Sachsen und als solches in den "Rahmenvertrag gem. § 127 SGB V für Sachsen" (künftig: RV Sachsen) zwischen dieser Landesinnung und den Landesverbänden der Krankenkassen einbezogen. Die Klägerin ist nach §§ 126, 124 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) von den Krankenkassen auf Landesebene zur Leistungserbringung von Hilfsmitteln zugelassen.

Seit dem 1. Januar 1997 besteht für die Abgabepreise von Stomaartikeln in Sachsen eine Festpreisfestsetzung (veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 31. Dezember 1996, S. 13394).

Mit Schreiben vom 3. Dezember 1998 teilte die Beklagte ihren Vertragspartnern im Bereich der Hilfsmittelversorgung mit, für die Stoma- und Inkontinenzversorgung bleibe es bei der früheren Verfahrensweise, dass sämtliche Verordnungen zu genehmigen seien. Die Klägerin informierte die Beklagte in einem Schreiben vom 14. Januar 1999 unter anderem darüber, dass Inkontinenz- und Stomaartikel generell genehmigungspflichtig seien. Die Klägerin ließ daraufhin die Beklagte durch ihre Anwälte mit Schreiben vom 10. März 1999 zur Abgabe der Erklärung auffordern, sie werde die Kosten für ärztlich verordnete Stoma- und Inkontinenzartikel bis zur Höhe des Festbetrages ohne Einzelfallprüfung übernehmen. Die Abgabe einer solchen Erklärung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 8. April 1999 ab. Mit Schreiben vom 22. April 1999 erklärte sich die Beklagte aus Kulanzgründen bereit, bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegte Rechnungen noch zu bezahlen und kündigte zugleich an, in Zukunft ohne Genehmigung keine Rechnungen mehr zu begleichen. In der Folgezeit gab die Klägerin an mehrere Versicherte der Beklagten vertragsärztlich verordnete Stoma-Versorgungsartikel ab. Diese Versicherten hatten keine Genehmigung der Beklagten eingeholt. Auch die Klägerin holte vor der Abgabe keine Genehmigung ein. Die Beklagte weigerte sich, für die Leistungserbringung an sechs Versicherte insgesamt berechnete 11.097,26 DM an die Klägerin zu bezahlen. Wegen der weiteren Einzelheiten der gesonderten Rechnungen wird auf die Anlagen Bl. 50-64 der Gerichtsakte (GA) verwiesen.

Die Klägerin hat daraufhin am 12. Oktober 1999 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung der 11.097,25 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen. Zur Begründung hat sie die Ansicht vertreten, der Anspruch ergebe sich aus § 13 des RV Sachsen. Danach seien die Leistungen unmittelbar von der Krankenkasse dem Leistungserbringer zu vergüten. Zwar sehe § 9 Abs. 3 des RV Sachsen vor, dass die kassenärztlich verordneten Leistungen der Genehmigung bedürften. Dies gelte aber nicht im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten. Betroffen sei nur das Verhältnis des Vertragsarztes zur Krankenkasse. Im Verhältnis zu den Leistungserbringern gebe der Kassenarzt für und gegen die Krankenkasse eine Willenserklärung ab. Gebe der Leistungserbringer, dem die vertragsärztliche Verordnung vorgelegt werde, ein Hilfsmittel ab, komme mit der Krankenkasse ein Vertrag zugunsten des Versicherten zustande. Die Unbeachtlichkeit des Genehmigungserfordernisses ergebe sich auch daraus, dass eine Festbetragsvereinbarung bestehe. Wegen der Festsetzung von Festbeträgen finde eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall nicht mehr statt. Sofern der Vertragsarzt bei der Verordnung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen habe, könne die Krankenkasse Maßnahmen gegen diesen einleiten. Zu Lasten der Hilfsmittelerbringer bestünden keine Sanktionsmöglichkeiten. Die Genehmigungspflicht für geringwertige Artikel sei zudem grob unwirtschaftlich.

Mit am 25. November 1999 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin die Klage um insgesamt 1954,12 DM erweitert, weil die Beklagte für drei weitere Versicherte die Bezahlung verordneter Stoma-Artikel abgelehnt hatte. Mit am 7. April 2000 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin die Klage wegen weiterer nicht bezahlter Hilfsmittel um 1118,18 DM auf insgesamt 14.169,56 DM erhöht.

Die Beklagte hat auf § 4 Ziffer 2 des am 1. Januar 1995 in Kraft getretenen "Rahmenvertrages gemäß § 127 SGB V für Sachsen-Anhalt" (künftig: RV Sachsen-Anhalt) verwiesen, der die Abgabe von Hilfsmitteln genehmigungsbedürftig mache. Abweichende Vereinbarungen bestünden nicht. Weiter hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Versicherte E. O. , an die die Klägerin auf eine Verordnung vom 15. März 1999 und vom 10. Mai 1999 hin Hilfsmittel abgegeben und hierfür in ihren Rechnungen vom 26. Mai 1999 und 11. Juni 1999 jeweils 145,20 DM in Rechnung gestellt habe, seit dem 1. Mai 1999 nicht mehr bei ihr versichert gewesen sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. November 2000 als unbegründet abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Es könne dahinstehen, welcher Rahmenvertrag zwischen den Beteiligten zugrunde zu legen sei. Auch nach § 9 Ziffer 3 des für Sachsen maßgeblichen Rahmenvertrages bedürfe die Abgabe kassenärztlich verordneter Leistungen der Genehmigung. Die Klausel, welche die Genehmigungspflicht enthalte, sei auch noch anzuwenden. Bei den Rahmenverträgen handele es sich um Kollektivverträge mit Bindungswirkung für die Leistungserbringer. Die Geltung von Festbeträgen berühre den Genehmigungsvorbehalt nicht, denn die Genehmigung beziehe sich auch auf das "Ob" der Leistung. Da die Leistungspflicht der Beklagten an eine vor der Leistungserbringung zu erteilende Genehmigung gekoppelt sei, habe die Klägerin keinen vertraglichen Zahlungsanspruch. Die Klägerin habe gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs aus § 812 Abs. 1 1. Alt. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit § 69 Satz 3 SGB V gegeben. Die Beklagte habe aufgrund einer rechtsgrundlosen Leistung der Klägerin Aufwendungen erspart. Das Verhalten der Klägerin könne aber nach Treu und Glauben nicht dazu führen, dass das Recht der Beklagten auf vorherige Genehmigung vereitelt werde. Entscheidungen über die Bewilligung von Hilfsmitteln seien nach der gesetzlichen Konzeption genehmigungspflichtig. Es sei nicht richtig, dass der verordnende Arzt eine für die Krankenkasse verbindliche Entscheidung treffe. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Gegen das am 1. Dezember 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Januar 2001 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, nach dem für Sachsen geltenden Rahmenvertrag hätten die Krankenkassen auf den Genehmigungsvorbehalt verzichtet. Für Stoma-Artikel bestehe eine Festpreisvereinbarung. Dies bedeute eine von der Genehmigungsbedürftigkeit abweichende Regelung. Außerdem werde für Hilfsmittel, die weniger als 300 DM kosten, generell auf die Genehmigung verzichtet. Die Genehmigung betreffe nicht das "Ob" der Versorgung, sondern nur das "Wie". Über das "Ob" entscheide der verordnende Arzt. Die Krankenkasse sei an die Verordnung gebunden. Sollte das Gericht vertragliche Ansprüche verneinen, bestünden immer noch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB. Ohne das Handeln der Klägerin hätte die Beklagte ihre Pflicht zur Versorgung ihrer Versicherten nicht rechtzeitig erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. November 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilten,

1. an die Klägerin 7244,78 EUR (14.169,56 DM) nebst 4% Zinsen aus 7244,78 EUR (14.169,56 DM) seit dem 7. April 2000 sowie aus 6673,06 EUR (13.051,38 DM) für die Zeit vom 25. November 1999 bis zum 6. April 2000 und aus 5673,94 EUR (11.097,26 DM) für die Zeit vom 12. Oktober 1999 bis zum 24. November 1999 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin die Kosten für geleistete Stoma-Versorgungsartikel bis zur Höhe des jeweils einschlägigen Festbetrages gemäß der anzuwendenden Festbetragsvereinbarung ohne vorherige Genehmigung zu erstatten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dem Rahmenvertrag für das Land Sachsen könne nicht entnommen werden, dass sich die Genehmigung lediglich auf die Wirtschaftlichkeit beziehe. Der RV Sachsen-Anhalt sehe keine Befreiung von der Genehmigungspflicht vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu dem Rechtsstreit mussten die Versicherten, an die die Klägerin die Hilfsmittel abgegeben hat, nicht gemäß § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen werden. Die Entscheidung über die Zahlungsansprüche greift nicht unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein, so dass eine Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen könnte.

Der Antrag zu 1) ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Nach § 2 Abs. 2 i.V.m. § 127 SGB V schließen die Krankenkassen Verträge mit den Hilfsmittelerbringern ab. Ansprüche der Leistungserbringer resultieren aus diesen Verträgen und basieren auf dem Gleichordnungsverhältnis der Beteiligten, so dass eine hoheitliche Regelung im Wege eines Verwaltungsaktes nicht in Betracht kommt. Der Feststellungsantrag ist gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig. Gegenstand der Feststellungsklage können auch einzelne Rechte und Pflichten des Rechtsverhältnisses sein. Dabei handelt es sich nicht um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage. Denn es wird keine abstrakte Rechtsfrage unabhängig von einer konkreten Anspruchsbeziehung geklärt.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der geforderten Beträge. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus den Rahmenverträgen zwischen den Krankenkassen und den zugelassenen Leistungserbringern bzw. den Verbänden der Leistungserbringer.

Bei der Klägerin handelt es sich um einen mit Wirkung für die Beklagte zugelassenen Leistungserbringer. Nach § 126 Abs. 1 SGB V dürfen Hilfsmittel an Versicherte nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. Zuzulassen ist, wer eine ausreichende, zweckmäßige, funktionsgerechte und wirtschaftliche Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel gewährleistet und die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen (Rahmenverträge) anerkennt. Damit ist der Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen die Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen erfolgt. Die Klägerin ist nach § 127 SGB V in Verbindung mit § 124 Abs. 5 SGB V von den Krankenkassen auf Landesebene in Sachsen zur Versorgung zugelassen. Nach dem Sinn und Zweck des Zulassungsverfahrens gilt die auf Landesebene ausgesprochenen Zulassung eines Hilfsmittelerbringers bundesweit (vgl. BSG, Urteil vom 23. Januar 2003 – B 3 KR 7/02 RSozR 4-2500 § 33 Nr. 1). Die Zulassungsgremien haben in materieller Hinsicht lediglich die besonderen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenkasse zu überprüfen. Dabei reicht es aus, wenn diese Prüfung für jede Betriebsstätte des Leistungserbringers nur einmal durch den örtlichen Landesverband der Krankenkassen erfolgt.

Als zugelassener Leistungserbringer fällt die Klägerin grundsätzlich unter den RV Sachsen. Als Mitglied der Landesinnung für Orthopädietechnik in Sachsen ist sie an den RV Sachsen gebunden. Diesem Vertrag hat sie sich unterworfen, um die Zulassung nach § 126 Abs. 1 SGB V zu erhalten. Gleichwohl ist fraglich, ob der RV Sachsen auch zwischen den Beteiligten gilt, da es sich um eine die Grenzen eines Bundeslandes überschreitende Hilfsmittellieferung handelt. Die Beklagte gehört dem vertragschließenden Landesverband der Krankenkassen in Sachsen nicht an, da ihr Sitz in einem anderen Bundesland liegt. Sie ist die Ortskrankenkasse in Sachsen-Anhalt und als selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts Vertragspartner des RV Sachsen-Anhalt. Insofern ist fraglich, ob der RV Sachsen, der RV Sachsen Anhalt oder überhaupt kein Rahmenvertrag auf die Hilfsmittellieferung anzuwenden ist. Dies kann hier offen bleiben, da ein Anspruch der Klägerin bei keiner Fallgestaltung in Frage kommt.

Würde man aus der unterschiedlichen Vertragsbindung den Schluss ziehen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten kein Rahmenvertrag gilt, hätte dies die Konsequenz, dass die Klägerin von der Beklagten keine Bezahlung fordern könnte. Denn in diesem Fall bestünde zwischen den Beteiligten keine vertragliche Vereinbarung, auf die die Klägerin ihren Anspruch stützen könnte. Es liegen auch keine Einzelvereinbarungen für die jeweilige Hilfsmittelleistung vor. Von einer stillschweigenden Vereinbarung kann ebenfalls nicht ausgegangen werden, weil über die Bedingungen der Leistungserbringung zwischen den Beteiligten seit Januar 1999 kein Konsens mehr besteht (vgl. BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 3 KR 12/98 RSozR 3-2500 § 126 Nr. 3). Es bliebe beim Sachleistungsanspruch der Versicherten gegen die Beklagte, den sie nach § 53 Abs. 1 SGB I nicht abtreten können (BSG, Urteil vom 30. Mai 2001 – B 3 KR 2/00 R).

Es spricht viel dafür, dass auch bei grenzüberschreitenden Hilfsmittellieferungen - der gesetzlichen Konzeption entsprechend - ein Rahmenvertrag gilt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit der Regelungsermächtigung für Landesverbände in § 127 Abs. 1 SGB V in derartigen – nicht ungewöhnlichen - grenzüberschreitenden Fällen für den AOK-Bereich eine kassenärztliche Abrechnung ausschließen oder dem Hilfsmittelerbringer das Risiko einer Vertragsannahme durch die zuständige Kasse erst nach Lieferung durch deren Genehmigung einer Geschäftsführung ohne Auftrag aufbürden wollte (vgl. die entsprechende Argumentation zu § 129 SGB V – Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung – BSG, Urteil vom 17. Januar 1996 – 3 RK 26/94SozR 3-2500 § 119 Nr. 1). Danach müsste ein Rahmenvertrag gelten, sei es, dass der RV Sachsen als auf Landesebene abgeschlossener Vertrag auch die Versorgung im übrigen Bundesgebiet umfasst (so für § 129 SGB V wohl BSG, Urteil vom 17. Januar 1996 – 3 RK 26/94 - a.a.O.), sei es, dass sich die Klägerin durch die Lieferung von Patienten in Sachsen-Anhalt dem RV Sachsen-Anhalt unterworfen hat. Die Klägerin kann jedoch ihren Anspruch auf keinen der Verträge stützen. Beide Rahmenverträge setzen für einen vertraglichen Anspruch eine vorherige Zustimmung der zuständigen Krankenkasse zur Hilfsmittellieferung voraus, welche nicht vorliegt.

Im RV Sachsen-Anhalt ist ausdrücklich in § 4 Ziffer 2 geregelt: "Die Abgabe der Leistungen bedarf der vorherigen Zustimmung durch die zuständige Krankenkasse, es sei denn, dass andere Regelungen bezüglich der Genehmigungsfreigrenze zwischen den Vertragspartnern schriftlich vereinbart sind." Für Stomaartikel besteht in Sachsen-Anhalt für den streitigen Zeitraum keine schriftliche Vereinbarung, die die Artikel bis zu einem bestimmten Abgabepreis von der Genehmigungspflicht ausnimmt. Im RV Sachsen findet sich in § 9 Ziffer 3 die Regelung: " Die kassenärztlich verordneten Leistungen bedürfen einer Genehmigung durch die Krankenkasse. Dies gilt nicht, sofern die Krankenkasse auf die Genehmigung verzichtet hat oder die unverzügliche Leistungserbringung während einer stationären Behandlung aus medizinisch-therapeutischen Gründen erforderlich ist ...". Auch diese Vertragsbestimmung drückt aus, dass der Leistungserbringer nicht schon allein aufgrund der ärztlichen Verordnung die Leistungen abgeben darf. Vielmehr muss die Krankenkasse die Leistung bewilligen. Dies kann geschehen, indem der Versicherte eine Einwilligung einholt und diese dem Hilfsmittelerbringer vorlegt oder indem der Leistungserbringer für den Versicherten bei der Krankenkasse um eine Zustimmung ersucht.

Die Verträge sind so zu verstehen, dass nur bei der Erteilung einer vorherigen zustimmenden Willenserklärung der Krankenkasse mit der Abgabe des Hilfsmittels ein unmittelbarer vertraglicher Anspruch des Leistungserbringers gegen die Krankenkasse entsteht. Weil für die hier im Streit stehende Abgabe von Hilfsmitteln durch die Klägerin solche Erklärungen nicht vorlagen, sind keine vertraglichen Ansprüche entstanden. Von diesem Bewilligungserfordernis gibt es nach den Verträgen bei Stoma- und Inkontinenzmitteln auch keine Ausnahme.

Eine solche Ausnahme kann auch nicht konkludent durch eine entsprechende Praxis bei der Beklagten angenommen werden. Mit Schreiben vom 3. Dezember 1998 und 14. Januar 1999 hat die Beklagte die Klägerin darüber informiert, dass für Stoma-Artikel die interne Genehmigungsfreigrenze von 150 DM nicht gilt. Aus Kulanzgründen hat sie dann bis zum 22. April 1999 eingereichte Rechnungen noch beglichen und darauf hingewiesen, künftig ohne Genehmigung keine Rechnungen mehr zu begleichen. Einem Vertrauensschutz durch eine von den Verträgen abweichende Genehmigungspraxis hat die Beklagte durch diese Handlungsweise die Grundlage entzogen. Die Klägerin wusste, dass die Beklagte eine vorherige Einwilligung vor der Abgabe der Hilfsmittel forderte. Gleichwohl hat sie ihre Praxis fortgesetzt, Leistungen ohne Genehmigung der Beklagten zu gewähren.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann auch aus der Festlegung von Festpreisen für die Stoma-Artikel keine Aufgabe des Genehmigungserfordernisses gefolgert werden. Die Festpreise beziehen sich nur darauf, dass eine Obergrenze des Leistungsanspruchs festgelegt wird. Voraussetzung für eine solche Begrenzung der Höhe des Anspruches ist es, dass überhaupt ein Anspruch entstanden ist. Dies zeigt auch der systematische Zusammenhang etwa in § 9 Ziffer 3 RV Sachsen. Während in Satz 1 das Genehmigungserfordernis durch die Krankenkasse geregelt ist, bezieht sich Satz 2 auf Ausnahmen von diesem Erfordernis bei einem Verzicht der Krankenkasse. Satz 3 hingegen regelt das Verfahren bei einer fehlenden Preisvereinbarung. Hier lautet es: " Zur Genehmigung von Leistungen, für die Preise nicht vereinbart sind, bedarf es eines nach Materialaufwand und Arbeitskosten spezifizierten Kostenvoranschlages". Diese Formulierung zeigt, dass Genehmigung und Kostenvoranschlag nicht gleichgesetzt werden können. Vielmehr bedarf es bei einer fehlenden Preisvereinbarung zusätzlich innerhalb des Genehmigungsverfahrens eines Kostenvoranschlages. Im Umkehrschluss heißt dies, bei einer Preisbindung ist eine Genehmigung erforderlich, allerdings ohne gesonderten Kostenvoranschlag. Diese Trennung findet sich auch im RV Sachsen-Anhalt. In § 6 "Vergütung der Leistung" ist in Ziffer 3 die Verpflichtung geregelt, einen Kostenvoranschlag einzureichen. Das Genehmigungserfordernis hingegen findet sich unter der Überschrift "Abgabe der Leistungen" in § 4 Ziffer 2 des Vertrages.

Die Notwendigkeit, ein Hilfsmittel vor der Abgabe durch die zuständige Krankenkasse genehmigen und nicht allein die vertragsärztliche Verordnung ausreichen zu lassen, passt auch in das System bei der Hilfsmittelverordnung. Denn das Genehmigungserfordernis sichert die Rechte der Krankenkasse gegenüber den Kassenärzten ab. So ist in § 30 Abs. 8 Satz 1 Bundesmanteltarifvertrag – Ärzte (BMV-Ä) angeordnet, dass die Abgabe von Hilfsmitteln aufgrund der Verordnung eines Vertragsarztes noch der Genehmigung durch die Krankenkasse bedarf, soweit deren Bestimmungen nichts anderes vorsehen. D.h. die Krankenkassen haben das Recht, die Verordnung der Vertragsärzte zu überprüfen.

Die Beklagte kann ihre Ansprüche auch nicht auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) gemäß §§ 677, 683, 670 BGB stützen.

Eine ergänzende Anwendung der GoA ist zweifelhaft, da hierdurch die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben umgangen werden könnten. Die Klägerin hat bewusst gegen den Rahmenvertrag verstoßen, da sie der Auffassung war, keine Genehmigung zu benötigen. Das vertragliche Einwilligungserfordernis wäre obsolet, wenn trotz einer unterlassenen Genehmigung die Klägerin gleichwohl von der Beklagten Bezahlung der Hilfsmittel verlangen könnte. Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass über die gesetzlich bestimmten Fälle hinaus das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung keine Kostenerstattung vorsieht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Bereicherung oder der GoA, wenn die Krankenkasse Aufwendungen erspart hat (vgl. BSG, Urteil vom 24. Mai 1972 – 3 RK 25/69 - BSG 34,172; vgl. für die Arzneimittelversorgung BSG, Urteil vom 17. Januar 1996 – 3 RK 26/94SozR 3-2500 § 129 Nr. 1). Die Beziehungen sollen im Regelfall gerade nicht nach den Regeln der GoA abgewickelt werden. Dies gilt auch für den Bereich der Hilfsmittelversorgung. Der Gesetzgeber hat in § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB V vorgesehen, dass die Krankenkassen über die Sach- und Dienstleistungen Verträge mit den Leistungserbringern schließen. In den §§ 69 – 71, 124 - 134 SGB V sind die näheren Einzelheiten geregelt. Nach § 127 Abs. 1 SGB V schließen die Landesverbände der Krankenkassen mit den Leistungserbringern oder deren Verbänden Verträge ab. Solche Verträge bestehen auch für den Bereich der Stoma-Artikel, die Klägerin hat nur gegen dessen Voraussetzungen verstoßen. Es spricht viel dafür, dass die bestehenden Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung enthalten. Letztlich kann dies ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob die Klägerin "ein Geschäft für einen anderen" besorgt hat, d. h. in dem Bewusstsein und mit dem Willen gehandelt hat, das Geschäft auch im Interesse eines anderen vorzunehmen.

Jedenfalls fehlt es an einem Aufwendungsersatzanspruch gem. § 683 BGB, denn die Abgabe der Hilfsmittel an die Versicherten entspricht nicht dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherren (der Beklagten), sondern läuft sogar deren ausdrücklichem Willen zuwider. Der entgegenstehende Wille ist auch nicht nach § 679 BGB unbeachtlich. Hierfür wäre Voraussetzung, dass ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherren, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt worden wäre.

Es fehlt schon an einer Pflicht der Beklagten, das Hilfsmittel dem Versicherten zu erbringen, weil auch Ansprüche der Versicherten gegen die Beklagte ihre Zustimmung vor der Abgabe der Hilfsmittel voraussetzen. Nach der allgemeinen Regelung im § 19 des Sozialgesetzbuches – Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) gilt auch für den Bereich der Krankenversicherung, dass Leistungen auf Antrag gewährt werden, soweit sich nicht aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige etwa anderes ergibt. Durch den Antrag wird ein zur Entscheidung führendes Verwaltungsverfahren ausgelöst. Der Verwaltungsentscheidung kommt – sofern es sich nicht um Ermessensentscheidungen handelt – nur die Funktion zu, den gesetzlichen Anspruch im individuellen Fall zu konkretisieren. Diese Verwaltungsentscheidung ist dann zwar keine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung, sie ist aber Voraussetzung für den Zugang zur Leistung.

Eine die Krankenkassen bindende Entscheidung wird nicht durch den Vertragsarzt getroffen. Er tritt nicht an die Stelle der über einen Antrag des Versicherten entscheidenden Verwaltungsbehörde. Das BSG hat dazu in einer Entscheidung vom 18. Mai 1989 – 6 RKa 10/88 (SozR 2200 § 182 Nr. 115) ausgeführt: Die Genehmigung der Leistung sei nicht Aufgabe des Leistungserbringers. Zwar bleibe es dem Kassenarzt überlassen, die Leistung in ihrem ganz konkreten Inhalt im Rahmen der gegebenen und ihn verpflichtenden Vorschriften zu bestimmen. Die Krankenkasse habe aber die Berechtigung, über das Vorliegen der (generellen) Anspruchsvoraussetzungen zu entscheiden.

Eine allgemeine Regelung trifft § 30 Abs. 8 Satz 1 BMV-Ä. Danach bedarf die Abgabe von Hilfsmitteln aufgrund der Verordnung eines Vertragsarztes der Genehmigung durch die Krankenkasse, soweit deren Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Die Bestimmungen der Beklagten sehen für die Abgabe von Stomaartikel keinen Verzicht auf den Genehmigungsvorbehalt vor. Hinsichtlich der Leistungsansprüche der Versicherten gegenüber der Krankenkasse geht die neuere Rechtsprechung des BSG davon aus, dass die auf Grundlage von § 92 Abs. SGB V erlassenen Richtlinien auch Regelungswirkung für die Leistungsansprüche der Versicherten haben (Urteil vom 20.3.1996 – 6 RKa 62/94 = SozR 3-2500 § 92 SGB V § 6 S. 29f.). Dies wird im übertragenen Sinne auch für § 30 Abs. 8 Satz 1 BMV-Ä gelten. Die Bestimmung bewirkt, dass die allgemeine Regelung gem. § 19 SGB IV gilt, wonach die Leistungserbringung nach Antrag des Versicherten (den stellvertretend für diesen schon der Arzt oder auch später der Leistungserbringer, bei dem die Verordnung eingereicht wird, stellen kann) und Entscheidung (Genehmigung) der Krankenkasse erfolgt. Ohne eine solche Genehmigung besteht vom Grundsatz her kein Leistungsanspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse.

Auch Bereicherungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagten scheiden aus, weil die Beklagte in den konkreten Fällen gegenüber den Versicherten nicht zur Leistung (ohne vorherige Genehmigung) verpflichtet war. Es fehlt daran, dass die Beklagte durch die Leistung der Klägerin "etwas erlangt" hat. Denn durch die Abgabe der Hilfsmittel durch die Klägerin an die Versicherten ist die Beklagte nicht von einer bestehenden Leistungsverpflichtung befreit worden.

Auch die Feststellungsklage ist unbegründet, weil die Beklagte ohne ihre Genehmigung abgegebene Hilfsmittel nicht bezahlen muss, auch soweit eine Festbetragsregelung gilt.

Die Kostenentscheidung folgt aus 193 Abs. 1und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung.

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen zugelassen worden.
Rechtskraft
Aus
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