Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 RA 71/98
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 132/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 15. September 2000 und der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1998 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab Mai 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis September 2003 zu leisten. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die im August 1943 geborene Klägerin schloss den Schulbesuch mit der 8. Klasse ab und war zunächst in der Landwirtschaft tätig. Nach einer Unterbrechung wegen Kindererziehung wechselte die Klägerin ab Januar 1969 in die Kommunalverwaltung, wo sie zunächst als Schreibkraft, sodann seit Januar 1972 als Preisprüferin tätig war. Nachdem sie von September 1972 bis Juli 1974 eine Finanzfachschule besucht und nach ihren Angaben den Abschluss eines Facharbeiters der Finanz- und Bankorgane erworben hatte, war sie seit dem 1. Februar 1975 als Abteilungsleiter Finanzen einer Stadt tätig. Im Januar 1979 stieg sie zum Ratsmitglied für Finanzen bzw. seit Januar 1982 zum Stadtrat für örtliche Versorgungswirtschaft auf. Daneben legte sie zwischen September 1979 und Februar 1984 ein Fernstudium der Staatswissenschaft zurück. Seit Januar 1985 war sie Bürgermeister einer Gemeinde, seit Juli 1990 bis Ende Februar 1992 Verwaltungsleiter einer Verwaltungsgemeinschaft. Nach einer Zeit von Arbeitslosigkeit war sie ab Dezember 1993 bis September 1995 in einer kaufmännischen Tätigkeit – als Buchhalterin – in einem Unternehmen der Bauwirtschaft tätig und ist seitdem arbeitslos. Nach wiederkehrend auftretenden Wundrosen (Erysipel) war die Klägerin seit dem 23. Juli 1996 arbeitsunfähig. In einem Befundbericht vom 11. August 1996 an die Beklagte gab die Ärztin für Allgemeinmedizin SR Dr. med. E. an, die Klägerin stehe wegen wiederkehrender Wundrosen in einer antimikrobiellen Dauertherapie mit Penizillin. Weiterhin sei die Belastbarkeit des rechten Hüftgelenkes nach der Versorgung mit einer Teilendoprothese 1991 eingeschränkt. Auch leide die Klägerin unter Krampfadern mit einem Lymphödem rechts. Schließlich bestehe Atemnot bei häufig wiederkehrender Bronchitis. Die Patientin könne schlecht stehen und laufen.
Die Klägerin stellte am 5. September 1996 bei der Beklagten einen Antrag auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Den Antrag stützte sie auf eine Thrombose und die Wundrose und gab an, lediglich eine sitzende Tätigkeit halte sie mit Einschränkungen für möglich.
In einem für den medizinischen Dienst der Krankenversicherung erstatteten Gutachten vom 12. November 1996 stellte Dr. med. R. dar, die Wundrose sei abgeklungen. Die chronische Venenschwäche mit Beschwerden bedinge jedoch weiterhin Arbeitsunfähigkeit.
In einem für die Beklagte angefertigten Gutachten vom 10. Dezember 1996 gab die Ärztin für innere Medizin Dipl.-Med. B. die Einschätzung ab, die Klägerin könne noch vollschichtig als Buchhalterin tätig sein, wie ihr überhaupt Büroarbeit mit vorwiegenden Tätigkeiten im Sitzen bei gelegentlichem Laufen möglich sei. Es sei zu einer antibiotischen Langzeittherapie zur Vorbeugung erneuter Infektionen zu raten. Nach den Angaben der Klägerin gegenüber der Gutachterin bestanden wieder akute Beschwerden durch eine Wundrose.
Mit Bescheid vom 6. Mai 1997 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Sie führte aus, die Klägerin könne noch in ihrem bisherigen Berufsbereich vollschichtig tätig sein und verfüge über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 28. Mai 1997 Widerspruch ein und führte aus, sie leide nach der Hüftgelenksoperation, durch das Krampfaderleiden und die trotz Langzeitbehandlung auftretenden infektiösen Lymphbahnentzündungen unter starken Schmerzen im rechten Bein, begleitet von hohem Fieber und Schüttelfrost. Im linken Knie bestehe Bewegungsschmerz. Besonders im Daumengrundgelenk lägen schmerzhafte Veränderungen vor. Durch die Erkrankungen seien auch die Möglichkeiten zur Gewichtsabnahme eingeschränkt.
Die Beklagte holte ein Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. med. K. vom 3. November 1997 ein, die die Auffassung vertrat, die Klägerin könne als Buchhalterin und in anderen leichten, vorwiegend sitzenden Tätigkeiten nur noch halb- bis untervollschichtig tätig sein. Arbeiten in stehender Haltung seien zu vermeiden. Sie verwies auf den Zustand nach der Hüftgelenksoperation, einen Kniegelenksverschleiß Stadium 2 beidseitig, chronische Lendenwirbelsäulenbeschwerden und Verschleißbeschwerden in beiden Daumensattelgelenken. In einem Gutachten vom 10. Dezember 1997 fand der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Fichte von seinem Gebiet aus keine krankheitswertigen Störungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 1998 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück.
Nach Absendung des Widerspruchsbescheides am 5. Februar 1998 hat die Klägerin mit Eingangsdatum vom 6. März 1998 Klage erhoben.
Das Sozialgericht Stendal hat zunächst Befundberichte eingeholt. Der Orthopäde Dr. med. H. hat in einem Befundbericht vom 23. Oktober 1998 mitgeteilt, bei seiner letztmaligen Behandlung am 26. Juli 1996 habe ein hochgradiger Hüftgelenksverschleiß rechts vorgelegen. Die Prothese habe sich aufgrund des Übergewichts der Klägerin in den Knochen hineingeschoben. Nach einem Entlassungsbericht des Krankenhauses Burg vom 19. Oktober 1998 befand sich die Klägerin dort vom 25. September bis zum 7. Oktober 1998 in stationärer Behandlung wegen eines erneuten Ausbruchs einer Wundrose. Dazu führte der Chirurg und Phlebologe Dr. med. He. in seinem Befundbericht vom 27. Oktober 1998 aus, bei der Klägerin lägen wiederkehrende Entzündungen auf dem Boden des chronischen Lymphödems vor, die immer wieder auftreten könnten. Wegen der Einzelheiten weiterer Berichte wird auf die Berichte des Chirurgen MR Dr. med. G. vom 30. Oktober 1998, Bl. 23 d.A., von Dr. med. E. vom 31. Oktober 1998, Bl. 28–33 d.A. und des Orthopäden Dr. med. M. vom 10. November 1998, Bl. 36 f. d.A., Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Chefarztes der Klinik für Orthopädie des Johanniter Krankenhauses der Altmark, Dr. med. Be. , vom 11. Juni 1999 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 55–85 d.A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige ist zu der Beurteilung gelangt, bei der Klägerin bestehe noch ein ausreichendes Leistungsvermögen für eine leichte, überwiegend sitzende Tätigkeit mit der Möglichkeit zum kurzzeitigen Umhergehen. Zu diesem Zweck könne sie auch viermal täglich 500 Meter in einer Zeit von weniger als jeweils 15 Minuten zurücklegen. Zur Begründung hat er ausgeführt, ein fortgeschrittenes Verschleißleiden beider Daumensattelgelenke mit beginnender Bewegungseinschränkung behindere die Klägerin nur für den kräftigen Spitz- und Schlüsselgriff und bei Anforderungen an die grobe Kraft. Ein fortgeschrittenes Verschleißleiden des linken Kniegelenkes führe zu wiederkehrenden Reizzuständen, hinterlasse jedoch keine erkennbare Bewegungseinschränkung oder Muskelverschmächtigung. Weiterhin lägen erhebliche Störungen des Blutumlaufs beider Beine bei einem Krampfaderleiden mit Entzündungsneigung rechts, ohne die Ausbildung von Stauungsgeschwüren, ein weichteilbedingter Verschleißschaden beider Schultergelenke mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung, insbesondere für Überkopftätigkeiten und ein guter Funktionszustand der Hüftendoprothese rechts vor. Die wiederkehrenden Wundrosen seien abgeheilt. Selbst Maschinenschreiben werde durch die Behinderung von seiten der Daumengelenke nur gering eingeschränkt.
Das Gericht hat weiterhin auf Antrag der Klägerin ein erneutes Gutachten der Orthopädin Dr. med. K. vom 19. Januar 2000 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 127 – 143 d.A. Bezug genommen wird. Die Sachverständige ist wiederum zu der Beurteilung gelangt, die Klägerin könne lediglich untervollschichtig in einer Bürotätigkeit arbeiten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der Klägerin liege eine ungewöhnliche Summierung von Leistungseinschränkungen vor. Beide Hände und das linke Schultergelenk, beide Kniegelenke, das rechte Hüftgelenk und der rechte Unterschenkel und der Lendenwirbelsäulenbereich seien mit Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit funktionsgemindert. Die Einschränkungen im Bereich der Daumensattelgelenke wirkten sich ungünstig bei der Durchführung von Schreibarbeiten aus. Aufgrund des Lymphödems im rechten Bein sei eine längere sitzende Tätigkeit zu vermeiden, da es sonst zu Stauungen im Ober- und Unterschenkel kommen würde. Arbeiten sollten deshalb nur in Wechseltätigkeit zwischen sitzender und stehender Haltung durchgeführt werden. Auch in sitzenden Bürotätigkeiten sei ein gegenüber dem Altersdurchschnitt geringeres Arbeitspensum zu erwarten. Eine Tätigkeit als Telefonistin komme wegen des Überwiegens einer sitzenden Haltung für die Klägerin nicht in Betracht.
Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme des Sachverständigen Dr. med. Be. vom 31. März 2000 zu dem Gutachten eingeholt, der ausgeführt hat, Dr. K. werte die Bewegungen gegenüber seinen Messungen allseits mäßig eingeschränkt. Wesentlich wichen die Untersuchungsbefunde nicht voneinander ab. Der Klägerin sei aber eine überwiegend sitzende Tätigkeit bei ausreichender Kompressionsbehandlung zuzumuten. Hingegen trage eine Tätigkeit im Haltungswechsel nicht den Verschleißveränderungen in den Kniegelenken Rechnung. Eine Beschränkung der zeitlichen Leistungsfähigkeit erfordere aber Verschleißvorgänge, die der Gesamtorganismus nicht mehr kompensieren könne. Derartige Veränderungen lägen bei der Klägerin nicht vor.
Mit Urteil vom 15. September 2000 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin sei nicht im Sinne von § 43 Abs. 2 SGB VI berufsunfähig, weil sie alle von ihr nach der Aufgabe ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübten Berufe weiterhin ausüben könne. In der Beurteilung sei dem Sachverständigen Dr. Be. zu folgen. Die Sachverständige Dr. K. gebe keine Begründung für eine zeitliche Einschränkung der Erwerbstätigkeit ab. Eine Leistungsminderung im Hinblick auf die Wirbelsäule sei den erhobenen Befunden nicht zu entnehmen. Die Tätigkeit einer Kauffrau im Baugewerbe könne überwiegend im Sitzen bei jederzeit möglichem Haltungswechsel ausgeübt werden. Besondere Anforderungen an die Handgeschicklichkeit würden nicht gestellt, da in dem Berufsbild – anders als bei einer Schreibkraft – keine besondere Schreibleistung an der Maschine gefordert werde.
Gegen das ihr am 16. November 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Eingangsdatum beim Sozialgericht Stendal vom Montag, den 18. Dezember 2000 Berufung eingelegt.
Bereits im November 2000 war bei der Klägerin wegen eines Bruchs der vorhandenen Prothese ein Wechsel vorgenommen worden. Nach einem Bericht von Dr. med. K. vom 19. Februar 2001 bestand zu dieser Zeit noch eine deutliche Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenkes.
Das Gericht hat Befundberichte eingeholt. Wegen des Inhaltes im Einzelnen wird auf die Befundberichte von Dr. med. W. vom 17. September 2001, Bl. 206 d.A., von Dr. E. vom 16. September 2001, Bl. 207-241 d.A., von Dr. med. K. vom 14. September 2001, Bl. 242 f. d.A., von Dr. med. He. vom 25. September 2001, Bl. 244 f. d.A. und von Dr. med. We. vom 25. September 2001, Bl. 246 d.A., Bezug genommen. Insbesondere hat Dr. med. E. über eine Lockerung der neuen Prothese berichtet und auf ausdrückliche Frage die Auffassung vertreten, die Klägerin könne nicht mehr vollschichtig tätig sein. Dr. med. He. hat aus phlebologischer Sicht die Beurteilung abgegeben, die Klägerin könne bis zu mittelschwere Tätigkeiten ausüben, wobei der Wechsel zwischen Laufen, Stehen und Sitzen ermöglicht werden müsse.
Das Gericht hat sodann den Bericht der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie des Kreiskrankenhauses Burg vom 16. Oktober 2001 beigezogen, in deren stationärer Behandlung sich die Klägerin vom 6. September 2001 bis zum 17. Oktober 2001 befunden hatte. Danach hatte ein ausgedehnter Abszess unter der Haut des linkes Fußrückens und -randes, eine abszedierende Thrombophlebitis am linken Unterschenkel, eine atypische beidseitige Lungenentzündung, der Verdacht auf einen latenten Diabetes mellitus, eine Bakteriämie mit begleitender Blutarmut, Bandscheibenveränderungen mit Vakuumphänomen zwischen dem Kreuzbein und dem dritten Lendenwirbelkörper und eine Pilzbildung des Mund- und Rachenraumes bestanden. Nach einem weiteren Entlassungsbericht der gleichen Einrichtung vom 5. November 2001 musste die Klägerin vom 29. Oktober 2001 bis zum 6. November 2001 wegen des Verbleibs einer chronisch nicht ausheilenden Wunde im Bereich des linken Fußrückens erneut stationär behandelt werden. Dabei fand sich auch ein infizierter Bluterguss in Angrenzung an das Herz und trat jetzt auch rechtsseitig eine Thrombophlebitis des Unterschenkels auf. Daraufhin wurde die Klägerin in die Universitätsklinik Magdeburg verlegt, in der nach Streuung der Infektion in die Wirbelsäule eine Wirbelsäulenversteifung mittels Wirbelkörperersatzes vorgenommen wurde. Die stationäre Behandlung dort endete am 14. Dezember 2001.
Die Beklagte hat eine Anschlussheilbehandlung vom 18. Dezember 2001 bis zum 15. Januar 2002 in der orthopädischen Abteilung der Reha-Klinik Bad S. veranlasst. Wegen des Inhalts des Entlassungsberichts vom 21. Januar 2002 wird auf Bl. 272 – 284 d.A. Bezug genommen. Im Ergebnis hielten die Ärzte die Leistungsfähigkeit der Klägerin für eine Erwerbstätigkeit für aufgehoben. Dazu verwiesen sie auf den Zustand nach mehreren schweren Infektionen der Patientin, insbesondere nach der Wirbelsäulenentzündung mit schweren funktionellen Einschränkungen im Bereich des Bewegungsapparates und anhaltenden belastungsabhängigen Beschwerden. Die Patientin wurde arbeitsunfähig und im Zustand einer teilweisen Pflegebedürftigkeit entlassen.
Das Gericht hat weitere Befundberichte eingeholt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf den Bericht von Dr. med. A. vom 10. April 2003, Bl. 312 d.A., den Bericht von Dr. med. E. vom 13. April 2003, Bl. 314-316 d.A., den Bericht der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg vom 16. April 2003, Bl. 318-320 d.A., und den Bericht von Dr. med. K. vom 14. April 2003, Bl. 322-324 d.A., Bezug genommen wird. Im Wesentlichen war danach nach der Sepsis im linken Fußwurzelbereich eine erhebliche Verformung des linken Vorfußes aufgetreten. Dort sind weiterhin ein Tarsaltunnelsyndrom und zuletzt noch schuppende Hautausschläge am Vorfuß und Unterschenkel im Sinne eines mikrobiellen Exzems verblieben. Schließlich sind im Blut der Klägerin Viren nachgewiesen worden.
Die Klägerin sieht sich durch ihre Krankheitsentwicklung während des Berufungsverfahrens in ihrer Auffassung bestätigt, keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen zu können, beschränkt aber ihre Klage in zeitlicher Hinsicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 15. September 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1998 abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, ihr von Mai 2001 an Rente wegen voller Erwerbsminderung bis September 2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt unter Hinzuziehung ihres beratungsärztlichen Dienstes vor, den Bericht über die Anschlussheilbehandlung sei nicht zu folgen. Eine Leidensverschlechterung sei medizinisch nicht nachweisbar. Die Klägerin sei auffällig psychisch alteriert gewesen und habe ein deutliches Rentenbegehren gezeigt.
Die Akte der Beklagten über die Klägerin – Vers.-Nr. – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat teilweise Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1998 beschwert die Klägerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit er der Leistung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung von Mai 2001 an entgegensteht.
Die Klägerin hat gemäß § 43 Abs. 2-4 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung durch Gesetz vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) in Verbindung mit § 101 Abs. 1 SGB VI Anspruch auf diese Leistung. Der Anspruch bemisst sich gem. § 300 Abs. 1, 2 SGB VI nach dem am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen neuen Recht der Renten wegen Erwerbsminderung, weil der Anspruch erst im Mai 2001 entstanden ist. Auf Grund einer Befristung wegen Abhängigkeit des Anspruchs von der jeweiligen Arbeitsmarktlage – dazu noch später - schon nach § 102 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 SGB VI in der zuvor geltenden Fassung konnte die Klägerin nämlich nach § 101 Abs. 1 SGB VI auch bis zum 31. Dezember 2000 von der Beklagten keine Rentengewährung verlangen.
Die Klägerin hat im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit (§ 50 Abs. 1 S. 1 SGB VI) mit Beitragszeiten (§ 51 Abs. 1 SGB VI) bereits gemäß § 248 Abs. 3 S. 1 SGB VI durch Beitragsentrichtung aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung zur Sozialversicherung der DDR erfüllt.
Ob die Klägerin auch im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 S. 1 SGB VI die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, muss offen bleiben, weil die Klägerin nach dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Versicherungsverlauf letztmals vor Eintritt des Versicherungsfalls – dazu noch später – im November 1998 rentenrechtliche Zeiten aufzuweisen hat. Dies kann aber dahinstehen, weil § 241 Abs. 2 SGB VI die Klägerin von dieser besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzung freistellt. Denn die Klägerin hatte die Voraussetzung der allgemeinen Wartezeit im oben dargelegten Sinne schon vor dem 1. Januar 1984 erfüllt, bis November 1998 zumindest Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne von § 241 Abs. 2 S. 1 SGB VI zurückgelegt und ist für die nachfolgende Zeit durch § 241 Abs. 2 S. 2 SGB VI von der Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten freigestellt. Bis zum 31. Dezember 1991 liegen zumindest Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne von § 241 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 SGB VI durch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet vor, danach ausweislich des nachvollziehbaren Versicherungsverlaufs der Beklagten durchgehend Pflichtbeiträge nach § 241 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Für den Zeitraum ab November 1998 ist eine Beitragszahlung im Sinne von § 241 Abs. 2 S. 2 SGB VI noch zulässig, weil die Klägerin für diese Zeit gem. §§ 198 SGB VI noch freiwillige Beiträge entrichten kann. Denn im November 1998 war bereits das Verfahren über einen Rentenanspruch der Klägerin anhängig. Die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung ergab sich aus § 7 Abs. 1 S. 1 SGB VI, dessen Fassung seitdem unverändert geblieben ist.
Die Klägerin ist auch im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI seit der erstmaligen Feststellung des Bruchs ihrer früheren Hüftgelenksendoprothese am 16. Oktober 2000 voll erwerbsgemindert. Denn sie konnte seither aus gesundheitlichen Gründen keine sechsstündige (§ 43 Abs. 3 SGB VI) arbeitstägliche Beschäftigung mehr ausüben. Der bereits vorher medizinisch gebotene mindeste Haltungswechsel zwischen einer überwiegend sitzenden und laufenden Tätigkeit innerhalb einer solchen Arbeitszeit war seit dieser Zeit nicht mehr zumutbar möglich.
Bereits die Gutachterin Born hat dazu in ihrem Gutachten vom 10. Dezember 1996 im Hinblick auf die Blutumlaufstörungen der Unterschenkel der Klägerin nachvollziehbar einen laufenden Beschäftigungsanteil für medizinisch geboten erachtet. Ihre Einschätzung wird durch die Auffassung des einzigen hinzugezogenen Phlebologen Dr. med. He. in seinem Befundbericht vom 25. September 2001 bestätigt, der eine Tätigkeit der Klägerin von seinem Fachgebiet aus lediglich im Haltungswechsel für möglich gehalten hat. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass er die prothesenbedingte Verschlechterung seit Oktober 2000 insoweit nicht berücksichtigt hat, weil die Änderung nicht sein Fachgebiet betrifft und die letzte Behandlung nach dieser Verschlechterung bei ihm sich lediglich auf Hämorrhoiden bezog. Der Senat hat keine Bedenken, auch der Einschätzung Dr. He. als behandelndem Arzt zu folgen, weil Dr. He. mit seiner Einschätzung der Klägerin als für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar die Fähigkeit erkennen lässt, eine fachliche Beurteilung auch gegen die persönliche Auffassung der Klägerin abzugeben.
Die Erforderlichkeit des Haltungswechsels bezog sich auch nicht nur auf eine vollschichtige, sondern bereits auf eine sechsstündige Erwerbstätigkeit. Denn dem von der Sachverständigen Dr. med. K. beschriebenen Bedürfnis, Stauungen im Ober- und Unterschenkel durch längeres Sitzen zu vermeiden, kann nicht dadurch abgeholfen werden, dass ein Beschäftigungsanteil im Laufen erst nach Ablauf von sechs Stunden allein sitzender, allenfalls stehender Beschäftigung einsetzt.
Einen Beschäftigungsanteil im Gehen konnte die Klägerin zwischen Oktober 2000 und mindestens September 2001 nicht mehr zumutbar und wettbewerbsfähig erbringen, weil erhebliche Gehbeschwerden auch nach der Einbringung eines neuen Hüftgelenksersatzes andauerten. So benutzte die Klägerin nach Mitteilung der Allgemeinmedizinerin Dr. med. E. in ihrem Befundbericht vom 16. September 2001 weiterhin Unterarmgehstützen. Die Beschwerden beruhten auf objektiven Befunden, weil szintigraphische Auffälligkeiten im Bereich des rechten Hüftgelenkes einen Reizzustand belegten, der – was dahinstehen kann - mit dem Verdacht auf eine Lockerung der Prothese erklärt wurde. Zudem war die Klägerin nach Mitteilung der Orthopädin Dr. med. K. in ihrem Befundbericht vom 14. September 2001 nach dem Prothesenwechsel bis zum Berichtszeitpunkt deshalb arbeitsunfähig.
Die Klägerin ist weiterhin für den Zeitraum seit September 2001 voll erwerbsgemindert, weil sie nach Überzeugung des Senates seit dieser Zeit nicht mehr in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig erwerbstätig zu sein. Insoweit folgt der Senat der Einschätzung der Ärzte in dem Entlassungsbericht vom 21. Januar 2002. Die gegen die Einschätzung der Ärzte in diesem Bericht von der Beklagten geäußerten Einwände berücksichtigen weder die durch die schwere Infektionskrankheit der Klägerin eingetretene Schwächung des Allgemeinzustandes, noch ihre bereits 1996 auffällig gewordene Anfälligkeit gegen mikrobielle Infektionen noch ihre unterdessen eingetretene Multimorbidität. Die Klägerin war nach Darstellung von Dr. med. E. bis zum Zeitpunkt ihres letzten Befundberichtes durchgehend arbeitsunfähig. Diese Einschätzung ist durch die Vielfalt der bisher aufgetretenen und der dauerhaft verbleibenden krankhaften Veränderungen auch nachzuvollziehen.
Die Klägerin leidet unter Beschwerden aufgrund von Veränderungen in allen Bereichen des Haltungs- und Bewegungsapparates, nämlich sowohl im Bereich der oberen und unteren Extremitäten wie auch des Achsenorgans. Diese Beschwerden haben sich gegenüber dem Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. med. Be. verschlechtert. Die Verschlechterung betrifft zunächst die Funktionsstörungen im Bereich der Daumensattelgelenke ausweislich der Befunderhebung im Januar 2002 durch die Ärzte der Reha-Klinik, nach der die Fingerbeweglichkeit gegeneinander weiter eingeschränkt war. Zusätzlich aufgetreten sind dauerhafte Veränderungen im Bereich des linken Fußes und insbesondere eine Funktionseinschränkung von Seiten der Lenden- und Halswirbelsäule. Damit entfallen wesentliche Voraussetzungen für die frühere Einschätzung des Sachverständigen Dr. med. Be. , der aber bereits die Möglichkeit der Erwerbsunfähigkeit angesichts einer fehlenden Kompensationsmöglichkeit des Gesamtorganismus bei verschiedenen Funktionseinschränkungen des Haltungsapparates erörtert hat. Zu einem solchen Zustand führt jetzt insbesondere der zusätzliche Eintritt einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule nach Erstattung des Gutachtens durch Dr. med. Be ...
Darüber hinaus fällt die Anfälligkeit der Klägerin gegenüber mikrobiellen Infektionen ins Gewicht, weil sie bereits im Zeitraum von 1996 bis 1998 trotz ständiger Antibiotikabehandlung eine zweijährige Behandlungsbedürftigkeit infektiöser Erkrankungen zur Folge hatte und auch weiterhin angesichts eines bestehenden mikrobiellen Ekzems und eines Virennachweises Hinweise auf eine weitere Rückfälligkeit von Infektionskrankheiten bestehen. Insoweit kann die schwere Infektionskrankheit der Klägerin zum Jahresende 2001 nicht als vereinzeltes Ereignis gewürdigt werden. Auf die Möglichkeit der Rückfälligkeit hatte der Gefäßchirurg Dr. He. in Bezug auf die damals symptomatisch auftretenden Wundrosen bereits in seinem Befundbericht vom 27. Oktober 1998 hingewiesen.
Rentenbeginn ist gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI der Mai 2001, weil die Rente gemäß § 102 Abs. 2 S. 1 SGB VI auf Zeit zu leisten ist. Bis September 2001 war der Rentenanspruch im Sinne von § 102 Abs. 2 S. 4 SGB VI von der Arbeitsmarktlage abhängig, weil die Rente wegen voller Erwerbsminderung nur wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (BSG, Beschluss v. 10.12.76 – GS 2/75 u.a. – SozR 2200 § 1246 Nr. 13) zu leisten war. Dies entspricht der schon bis zum Dezember 2000 gem. § 102 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI in Bezug auf eine eingetretene Erwerbsunfähigkeit geltenden Rechtslage.
Der Senat hält eine Befristung von zwei Jahren nach Eintritt des aufgehobenen Leistungsvermögens im September 2001 gem. § 102 Abs. 2 S. 4 SGB VI wegen möglicher Besserung für angemessen. Ein vorheriges Ende der Befristung scheidet nach dem dargelegten Inhalt der aktuellen Befundberichte aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Versicherungsfall nach Abschluss des Verfahrens vor dem Sozialgericht, aber mit Beginn des Berufungsverfahrens eingetreten ist.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil der Entscheidung keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen zu Grunde liegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die im August 1943 geborene Klägerin schloss den Schulbesuch mit der 8. Klasse ab und war zunächst in der Landwirtschaft tätig. Nach einer Unterbrechung wegen Kindererziehung wechselte die Klägerin ab Januar 1969 in die Kommunalverwaltung, wo sie zunächst als Schreibkraft, sodann seit Januar 1972 als Preisprüferin tätig war. Nachdem sie von September 1972 bis Juli 1974 eine Finanzfachschule besucht und nach ihren Angaben den Abschluss eines Facharbeiters der Finanz- und Bankorgane erworben hatte, war sie seit dem 1. Februar 1975 als Abteilungsleiter Finanzen einer Stadt tätig. Im Januar 1979 stieg sie zum Ratsmitglied für Finanzen bzw. seit Januar 1982 zum Stadtrat für örtliche Versorgungswirtschaft auf. Daneben legte sie zwischen September 1979 und Februar 1984 ein Fernstudium der Staatswissenschaft zurück. Seit Januar 1985 war sie Bürgermeister einer Gemeinde, seit Juli 1990 bis Ende Februar 1992 Verwaltungsleiter einer Verwaltungsgemeinschaft. Nach einer Zeit von Arbeitslosigkeit war sie ab Dezember 1993 bis September 1995 in einer kaufmännischen Tätigkeit – als Buchhalterin – in einem Unternehmen der Bauwirtschaft tätig und ist seitdem arbeitslos. Nach wiederkehrend auftretenden Wundrosen (Erysipel) war die Klägerin seit dem 23. Juli 1996 arbeitsunfähig. In einem Befundbericht vom 11. August 1996 an die Beklagte gab die Ärztin für Allgemeinmedizin SR Dr. med. E. an, die Klägerin stehe wegen wiederkehrender Wundrosen in einer antimikrobiellen Dauertherapie mit Penizillin. Weiterhin sei die Belastbarkeit des rechten Hüftgelenkes nach der Versorgung mit einer Teilendoprothese 1991 eingeschränkt. Auch leide die Klägerin unter Krampfadern mit einem Lymphödem rechts. Schließlich bestehe Atemnot bei häufig wiederkehrender Bronchitis. Die Patientin könne schlecht stehen und laufen.
Die Klägerin stellte am 5. September 1996 bei der Beklagten einen Antrag auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Den Antrag stützte sie auf eine Thrombose und die Wundrose und gab an, lediglich eine sitzende Tätigkeit halte sie mit Einschränkungen für möglich.
In einem für den medizinischen Dienst der Krankenversicherung erstatteten Gutachten vom 12. November 1996 stellte Dr. med. R. dar, die Wundrose sei abgeklungen. Die chronische Venenschwäche mit Beschwerden bedinge jedoch weiterhin Arbeitsunfähigkeit.
In einem für die Beklagte angefertigten Gutachten vom 10. Dezember 1996 gab die Ärztin für innere Medizin Dipl.-Med. B. die Einschätzung ab, die Klägerin könne noch vollschichtig als Buchhalterin tätig sein, wie ihr überhaupt Büroarbeit mit vorwiegenden Tätigkeiten im Sitzen bei gelegentlichem Laufen möglich sei. Es sei zu einer antibiotischen Langzeittherapie zur Vorbeugung erneuter Infektionen zu raten. Nach den Angaben der Klägerin gegenüber der Gutachterin bestanden wieder akute Beschwerden durch eine Wundrose.
Mit Bescheid vom 6. Mai 1997 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Sie führte aus, die Klägerin könne noch in ihrem bisherigen Berufsbereich vollschichtig tätig sein und verfüge über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 28. Mai 1997 Widerspruch ein und führte aus, sie leide nach der Hüftgelenksoperation, durch das Krampfaderleiden und die trotz Langzeitbehandlung auftretenden infektiösen Lymphbahnentzündungen unter starken Schmerzen im rechten Bein, begleitet von hohem Fieber und Schüttelfrost. Im linken Knie bestehe Bewegungsschmerz. Besonders im Daumengrundgelenk lägen schmerzhafte Veränderungen vor. Durch die Erkrankungen seien auch die Möglichkeiten zur Gewichtsabnahme eingeschränkt.
Die Beklagte holte ein Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. med. K. vom 3. November 1997 ein, die die Auffassung vertrat, die Klägerin könne als Buchhalterin und in anderen leichten, vorwiegend sitzenden Tätigkeiten nur noch halb- bis untervollschichtig tätig sein. Arbeiten in stehender Haltung seien zu vermeiden. Sie verwies auf den Zustand nach der Hüftgelenksoperation, einen Kniegelenksverschleiß Stadium 2 beidseitig, chronische Lendenwirbelsäulenbeschwerden und Verschleißbeschwerden in beiden Daumensattelgelenken. In einem Gutachten vom 10. Dezember 1997 fand der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Fichte von seinem Gebiet aus keine krankheitswertigen Störungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 1998 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück.
Nach Absendung des Widerspruchsbescheides am 5. Februar 1998 hat die Klägerin mit Eingangsdatum vom 6. März 1998 Klage erhoben.
Das Sozialgericht Stendal hat zunächst Befundberichte eingeholt. Der Orthopäde Dr. med. H. hat in einem Befundbericht vom 23. Oktober 1998 mitgeteilt, bei seiner letztmaligen Behandlung am 26. Juli 1996 habe ein hochgradiger Hüftgelenksverschleiß rechts vorgelegen. Die Prothese habe sich aufgrund des Übergewichts der Klägerin in den Knochen hineingeschoben. Nach einem Entlassungsbericht des Krankenhauses Burg vom 19. Oktober 1998 befand sich die Klägerin dort vom 25. September bis zum 7. Oktober 1998 in stationärer Behandlung wegen eines erneuten Ausbruchs einer Wundrose. Dazu führte der Chirurg und Phlebologe Dr. med. He. in seinem Befundbericht vom 27. Oktober 1998 aus, bei der Klägerin lägen wiederkehrende Entzündungen auf dem Boden des chronischen Lymphödems vor, die immer wieder auftreten könnten. Wegen der Einzelheiten weiterer Berichte wird auf die Berichte des Chirurgen MR Dr. med. G. vom 30. Oktober 1998, Bl. 23 d.A., von Dr. med. E. vom 31. Oktober 1998, Bl. 28–33 d.A. und des Orthopäden Dr. med. M. vom 10. November 1998, Bl. 36 f. d.A., Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Chefarztes der Klinik für Orthopädie des Johanniter Krankenhauses der Altmark, Dr. med. Be. , vom 11. Juni 1999 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 55–85 d.A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige ist zu der Beurteilung gelangt, bei der Klägerin bestehe noch ein ausreichendes Leistungsvermögen für eine leichte, überwiegend sitzende Tätigkeit mit der Möglichkeit zum kurzzeitigen Umhergehen. Zu diesem Zweck könne sie auch viermal täglich 500 Meter in einer Zeit von weniger als jeweils 15 Minuten zurücklegen. Zur Begründung hat er ausgeführt, ein fortgeschrittenes Verschleißleiden beider Daumensattelgelenke mit beginnender Bewegungseinschränkung behindere die Klägerin nur für den kräftigen Spitz- und Schlüsselgriff und bei Anforderungen an die grobe Kraft. Ein fortgeschrittenes Verschleißleiden des linken Kniegelenkes führe zu wiederkehrenden Reizzuständen, hinterlasse jedoch keine erkennbare Bewegungseinschränkung oder Muskelverschmächtigung. Weiterhin lägen erhebliche Störungen des Blutumlaufs beider Beine bei einem Krampfaderleiden mit Entzündungsneigung rechts, ohne die Ausbildung von Stauungsgeschwüren, ein weichteilbedingter Verschleißschaden beider Schultergelenke mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung, insbesondere für Überkopftätigkeiten und ein guter Funktionszustand der Hüftendoprothese rechts vor. Die wiederkehrenden Wundrosen seien abgeheilt. Selbst Maschinenschreiben werde durch die Behinderung von seiten der Daumengelenke nur gering eingeschränkt.
Das Gericht hat weiterhin auf Antrag der Klägerin ein erneutes Gutachten der Orthopädin Dr. med. K. vom 19. Januar 2000 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 127 – 143 d.A. Bezug genommen wird. Die Sachverständige ist wiederum zu der Beurteilung gelangt, die Klägerin könne lediglich untervollschichtig in einer Bürotätigkeit arbeiten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der Klägerin liege eine ungewöhnliche Summierung von Leistungseinschränkungen vor. Beide Hände und das linke Schultergelenk, beide Kniegelenke, das rechte Hüftgelenk und der rechte Unterschenkel und der Lendenwirbelsäulenbereich seien mit Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit funktionsgemindert. Die Einschränkungen im Bereich der Daumensattelgelenke wirkten sich ungünstig bei der Durchführung von Schreibarbeiten aus. Aufgrund des Lymphödems im rechten Bein sei eine längere sitzende Tätigkeit zu vermeiden, da es sonst zu Stauungen im Ober- und Unterschenkel kommen würde. Arbeiten sollten deshalb nur in Wechseltätigkeit zwischen sitzender und stehender Haltung durchgeführt werden. Auch in sitzenden Bürotätigkeiten sei ein gegenüber dem Altersdurchschnitt geringeres Arbeitspensum zu erwarten. Eine Tätigkeit als Telefonistin komme wegen des Überwiegens einer sitzenden Haltung für die Klägerin nicht in Betracht.
Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme des Sachverständigen Dr. med. Be. vom 31. März 2000 zu dem Gutachten eingeholt, der ausgeführt hat, Dr. K. werte die Bewegungen gegenüber seinen Messungen allseits mäßig eingeschränkt. Wesentlich wichen die Untersuchungsbefunde nicht voneinander ab. Der Klägerin sei aber eine überwiegend sitzende Tätigkeit bei ausreichender Kompressionsbehandlung zuzumuten. Hingegen trage eine Tätigkeit im Haltungswechsel nicht den Verschleißveränderungen in den Kniegelenken Rechnung. Eine Beschränkung der zeitlichen Leistungsfähigkeit erfordere aber Verschleißvorgänge, die der Gesamtorganismus nicht mehr kompensieren könne. Derartige Veränderungen lägen bei der Klägerin nicht vor.
Mit Urteil vom 15. September 2000 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin sei nicht im Sinne von § 43 Abs. 2 SGB VI berufsunfähig, weil sie alle von ihr nach der Aufgabe ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübten Berufe weiterhin ausüben könne. In der Beurteilung sei dem Sachverständigen Dr. Be. zu folgen. Die Sachverständige Dr. K. gebe keine Begründung für eine zeitliche Einschränkung der Erwerbstätigkeit ab. Eine Leistungsminderung im Hinblick auf die Wirbelsäule sei den erhobenen Befunden nicht zu entnehmen. Die Tätigkeit einer Kauffrau im Baugewerbe könne überwiegend im Sitzen bei jederzeit möglichem Haltungswechsel ausgeübt werden. Besondere Anforderungen an die Handgeschicklichkeit würden nicht gestellt, da in dem Berufsbild – anders als bei einer Schreibkraft – keine besondere Schreibleistung an der Maschine gefordert werde.
Gegen das ihr am 16. November 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Eingangsdatum beim Sozialgericht Stendal vom Montag, den 18. Dezember 2000 Berufung eingelegt.
Bereits im November 2000 war bei der Klägerin wegen eines Bruchs der vorhandenen Prothese ein Wechsel vorgenommen worden. Nach einem Bericht von Dr. med. K. vom 19. Februar 2001 bestand zu dieser Zeit noch eine deutliche Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenkes.
Das Gericht hat Befundberichte eingeholt. Wegen des Inhaltes im Einzelnen wird auf die Befundberichte von Dr. med. W. vom 17. September 2001, Bl. 206 d.A., von Dr. E. vom 16. September 2001, Bl. 207-241 d.A., von Dr. med. K. vom 14. September 2001, Bl. 242 f. d.A., von Dr. med. He. vom 25. September 2001, Bl. 244 f. d.A. und von Dr. med. We. vom 25. September 2001, Bl. 246 d.A., Bezug genommen. Insbesondere hat Dr. med. E. über eine Lockerung der neuen Prothese berichtet und auf ausdrückliche Frage die Auffassung vertreten, die Klägerin könne nicht mehr vollschichtig tätig sein. Dr. med. He. hat aus phlebologischer Sicht die Beurteilung abgegeben, die Klägerin könne bis zu mittelschwere Tätigkeiten ausüben, wobei der Wechsel zwischen Laufen, Stehen und Sitzen ermöglicht werden müsse.
Das Gericht hat sodann den Bericht der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie des Kreiskrankenhauses Burg vom 16. Oktober 2001 beigezogen, in deren stationärer Behandlung sich die Klägerin vom 6. September 2001 bis zum 17. Oktober 2001 befunden hatte. Danach hatte ein ausgedehnter Abszess unter der Haut des linkes Fußrückens und -randes, eine abszedierende Thrombophlebitis am linken Unterschenkel, eine atypische beidseitige Lungenentzündung, der Verdacht auf einen latenten Diabetes mellitus, eine Bakteriämie mit begleitender Blutarmut, Bandscheibenveränderungen mit Vakuumphänomen zwischen dem Kreuzbein und dem dritten Lendenwirbelkörper und eine Pilzbildung des Mund- und Rachenraumes bestanden. Nach einem weiteren Entlassungsbericht der gleichen Einrichtung vom 5. November 2001 musste die Klägerin vom 29. Oktober 2001 bis zum 6. November 2001 wegen des Verbleibs einer chronisch nicht ausheilenden Wunde im Bereich des linken Fußrückens erneut stationär behandelt werden. Dabei fand sich auch ein infizierter Bluterguss in Angrenzung an das Herz und trat jetzt auch rechtsseitig eine Thrombophlebitis des Unterschenkels auf. Daraufhin wurde die Klägerin in die Universitätsklinik Magdeburg verlegt, in der nach Streuung der Infektion in die Wirbelsäule eine Wirbelsäulenversteifung mittels Wirbelkörperersatzes vorgenommen wurde. Die stationäre Behandlung dort endete am 14. Dezember 2001.
Die Beklagte hat eine Anschlussheilbehandlung vom 18. Dezember 2001 bis zum 15. Januar 2002 in der orthopädischen Abteilung der Reha-Klinik Bad S. veranlasst. Wegen des Inhalts des Entlassungsberichts vom 21. Januar 2002 wird auf Bl. 272 – 284 d.A. Bezug genommen. Im Ergebnis hielten die Ärzte die Leistungsfähigkeit der Klägerin für eine Erwerbstätigkeit für aufgehoben. Dazu verwiesen sie auf den Zustand nach mehreren schweren Infektionen der Patientin, insbesondere nach der Wirbelsäulenentzündung mit schweren funktionellen Einschränkungen im Bereich des Bewegungsapparates und anhaltenden belastungsabhängigen Beschwerden. Die Patientin wurde arbeitsunfähig und im Zustand einer teilweisen Pflegebedürftigkeit entlassen.
Das Gericht hat weitere Befundberichte eingeholt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf den Bericht von Dr. med. A. vom 10. April 2003, Bl. 312 d.A., den Bericht von Dr. med. E. vom 13. April 2003, Bl. 314-316 d.A., den Bericht der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg vom 16. April 2003, Bl. 318-320 d.A., und den Bericht von Dr. med. K. vom 14. April 2003, Bl. 322-324 d.A., Bezug genommen wird. Im Wesentlichen war danach nach der Sepsis im linken Fußwurzelbereich eine erhebliche Verformung des linken Vorfußes aufgetreten. Dort sind weiterhin ein Tarsaltunnelsyndrom und zuletzt noch schuppende Hautausschläge am Vorfuß und Unterschenkel im Sinne eines mikrobiellen Exzems verblieben. Schließlich sind im Blut der Klägerin Viren nachgewiesen worden.
Die Klägerin sieht sich durch ihre Krankheitsentwicklung während des Berufungsverfahrens in ihrer Auffassung bestätigt, keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen zu können, beschränkt aber ihre Klage in zeitlicher Hinsicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 15. September 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1998 abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, ihr von Mai 2001 an Rente wegen voller Erwerbsminderung bis September 2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt unter Hinzuziehung ihres beratungsärztlichen Dienstes vor, den Bericht über die Anschlussheilbehandlung sei nicht zu folgen. Eine Leidensverschlechterung sei medizinisch nicht nachweisbar. Die Klägerin sei auffällig psychisch alteriert gewesen und habe ein deutliches Rentenbegehren gezeigt.
Die Akte der Beklagten über die Klägerin – Vers.-Nr. – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat teilweise Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1998 beschwert die Klägerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit er der Leistung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung von Mai 2001 an entgegensteht.
Die Klägerin hat gemäß § 43 Abs. 2-4 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung durch Gesetz vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) in Verbindung mit § 101 Abs. 1 SGB VI Anspruch auf diese Leistung. Der Anspruch bemisst sich gem. § 300 Abs. 1, 2 SGB VI nach dem am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen neuen Recht der Renten wegen Erwerbsminderung, weil der Anspruch erst im Mai 2001 entstanden ist. Auf Grund einer Befristung wegen Abhängigkeit des Anspruchs von der jeweiligen Arbeitsmarktlage – dazu noch später - schon nach § 102 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 SGB VI in der zuvor geltenden Fassung konnte die Klägerin nämlich nach § 101 Abs. 1 SGB VI auch bis zum 31. Dezember 2000 von der Beklagten keine Rentengewährung verlangen.
Die Klägerin hat im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit (§ 50 Abs. 1 S. 1 SGB VI) mit Beitragszeiten (§ 51 Abs. 1 SGB VI) bereits gemäß § 248 Abs. 3 S. 1 SGB VI durch Beitragsentrichtung aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung zur Sozialversicherung der DDR erfüllt.
Ob die Klägerin auch im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 S. 1 SGB VI die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, muss offen bleiben, weil die Klägerin nach dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Versicherungsverlauf letztmals vor Eintritt des Versicherungsfalls – dazu noch später – im November 1998 rentenrechtliche Zeiten aufzuweisen hat. Dies kann aber dahinstehen, weil § 241 Abs. 2 SGB VI die Klägerin von dieser besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzung freistellt. Denn die Klägerin hatte die Voraussetzung der allgemeinen Wartezeit im oben dargelegten Sinne schon vor dem 1. Januar 1984 erfüllt, bis November 1998 zumindest Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne von § 241 Abs. 2 S. 1 SGB VI zurückgelegt und ist für die nachfolgende Zeit durch § 241 Abs. 2 S. 2 SGB VI von der Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten freigestellt. Bis zum 31. Dezember 1991 liegen zumindest Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne von § 241 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 SGB VI durch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet vor, danach ausweislich des nachvollziehbaren Versicherungsverlaufs der Beklagten durchgehend Pflichtbeiträge nach § 241 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Für den Zeitraum ab November 1998 ist eine Beitragszahlung im Sinne von § 241 Abs. 2 S. 2 SGB VI noch zulässig, weil die Klägerin für diese Zeit gem. §§ 198 SGB VI noch freiwillige Beiträge entrichten kann. Denn im November 1998 war bereits das Verfahren über einen Rentenanspruch der Klägerin anhängig. Die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung ergab sich aus § 7 Abs. 1 S. 1 SGB VI, dessen Fassung seitdem unverändert geblieben ist.
Die Klägerin ist auch im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI seit der erstmaligen Feststellung des Bruchs ihrer früheren Hüftgelenksendoprothese am 16. Oktober 2000 voll erwerbsgemindert. Denn sie konnte seither aus gesundheitlichen Gründen keine sechsstündige (§ 43 Abs. 3 SGB VI) arbeitstägliche Beschäftigung mehr ausüben. Der bereits vorher medizinisch gebotene mindeste Haltungswechsel zwischen einer überwiegend sitzenden und laufenden Tätigkeit innerhalb einer solchen Arbeitszeit war seit dieser Zeit nicht mehr zumutbar möglich.
Bereits die Gutachterin Born hat dazu in ihrem Gutachten vom 10. Dezember 1996 im Hinblick auf die Blutumlaufstörungen der Unterschenkel der Klägerin nachvollziehbar einen laufenden Beschäftigungsanteil für medizinisch geboten erachtet. Ihre Einschätzung wird durch die Auffassung des einzigen hinzugezogenen Phlebologen Dr. med. He. in seinem Befundbericht vom 25. September 2001 bestätigt, der eine Tätigkeit der Klägerin von seinem Fachgebiet aus lediglich im Haltungswechsel für möglich gehalten hat. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass er die prothesenbedingte Verschlechterung seit Oktober 2000 insoweit nicht berücksichtigt hat, weil die Änderung nicht sein Fachgebiet betrifft und die letzte Behandlung nach dieser Verschlechterung bei ihm sich lediglich auf Hämorrhoiden bezog. Der Senat hat keine Bedenken, auch der Einschätzung Dr. He. als behandelndem Arzt zu folgen, weil Dr. He. mit seiner Einschätzung der Klägerin als für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar die Fähigkeit erkennen lässt, eine fachliche Beurteilung auch gegen die persönliche Auffassung der Klägerin abzugeben.
Die Erforderlichkeit des Haltungswechsels bezog sich auch nicht nur auf eine vollschichtige, sondern bereits auf eine sechsstündige Erwerbstätigkeit. Denn dem von der Sachverständigen Dr. med. K. beschriebenen Bedürfnis, Stauungen im Ober- und Unterschenkel durch längeres Sitzen zu vermeiden, kann nicht dadurch abgeholfen werden, dass ein Beschäftigungsanteil im Laufen erst nach Ablauf von sechs Stunden allein sitzender, allenfalls stehender Beschäftigung einsetzt.
Einen Beschäftigungsanteil im Gehen konnte die Klägerin zwischen Oktober 2000 und mindestens September 2001 nicht mehr zumutbar und wettbewerbsfähig erbringen, weil erhebliche Gehbeschwerden auch nach der Einbringung eines neuen Hüftgelenksersatzes andauerten. So benutzte die Klägerin nach Mitteilung der Allgemeinmedizinerin Dr. med. E. in ihrem Befundbericht vom 16. September 2001 weiterhin Unterarmgehstützen. Die Beschwerden beruhten auf objektiven Befunden, weil szintigraphische Auffälligkeiten im Bereich des rechten Hüftgelenkes einen Reizzustand belegten, der – was dahinstehen kann - mit dem Verdacht auf eine Lockerung der Prothese erklärt wurde. Zudem war die Klägerin nach Mitteilung der Orthopädin Dr. med. K. in ihrem Befundbericht vom 14. September 2001 nach dem Prothesenwechsel bis zum Berichtszeitpunkt deshalb arbeitsunfähig.
Die Klägerin ist weiterhin für den Zeitraum seit September 2001 voll erwerbsgemindert, weil sie nach Überzeugung des Senates seit dieser Zeit nicht mehr in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig erwerbstätig zu sein. Insoweit folgt der Senat der Einschätzung der Ärzte in dem Entlassungsbericht vom 21. Januar 2002. Die gegen die Einschätzung der Ärzte in diesem Bericht von der Beklagten geäußerten Einwände berücksichtigen weder die durch die schwere Infektionskrankheit der Klägerin eingetretene Schwächung des Allgemeinzustandes, noch ihre bereits 1996 auffällig gewordene Anfälligkeit gegen mikrobielle Infektionen noch ihre unterdessen eingetretene Multimorbidität. Die Klägerin war nach Darstellung von Dr. med. E. bis zum Zeitpunkt ihres letzten Befundberichtes durchgehend arbeitsunfähig. Diese Einschätzung ist durch die Vielfalt der bisher aufgetretenen und der dauerhaft verbleibenden krankhaften Veränderungen auch nachzuvollziehen.
Die Klägerin leidet unter Beschwerden aufgrund von Veränderungen in allen Bereichen des Haltungs- und Bewegungsapparates, nämlich sowohl im Bereich der oberen und unteren Extremitäten wie auch des Achsenorgans. Diese Beschwerden haben sich gegenüber dem Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. med. Be. verschlechtert. Die Verschlechterung betrifft zunächst die Funktionsstörungen im Bereich der Daumensattelgelenke ausweislich der Befunderhebung im Januar 2002 durch die Ärzte der Reha-Klinik, nach der die Fingerbeweglichkeit gegeneinander weiter eingeschränkt war. Zusätzlich aufgetreten sind dauerhafte Veränderungen im Bereich des linken Fußes und insbesondere eine Funktionseinschränkung von Seiten der Lenden- und Halswirbelsäule. Damit entfallen wesentliche Voraussetzungen für die frühere Einschätzung des Sachverständigen Dr. med. Be. , der aber bereits die Möglichkeit der Erwerbsunfähigkeit angesichts einer fehlenden Kompensationsmöglichkeit des Gesamtorganismus bei verschiedenen Funktionseinschränkungen des Haltungsapparates erörtert hat. Zu einem solchen Zustand führt jetzt insbesondere der zusätzliche Eintritt einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule nach Erstattung des Gutachtens durch Dr. med. Be ...
Darüber hinaus fällt die Anfälligkeit der Klägerin gegenüber mikrobiellen Infektionen ins Gewicht, weil sie bereits im Zeitraum von 1996 bis 1998 trotz ständiger Antibiotikabehandlung eine zweijährige Behandlungsbedürftigkeit infektiöser Erkrankungen zur Folge hatte und auch weiterhin angesichts eines bestehenden mikrobiellen Ekzems und eines Virennachweises Hinweise auf eine weitere Rückfälligkeit von Infektionskrankheiten bestehen. Insoweit kann die schwere Infektionskrankheit der Klägerin zum Jahresende 2001 nicht als vereinzeltes Ereignis gewürdigt werden. Auf die Möglichkeit der Rückfälligkeit hatte der Gefäßchirurg Dr. He. in Bezug auf die damals symptomatisch auftretenden Wundrosen bereits in seinem Befundbericht vom 27. Oktober 1998 hingewiesen.
Rentenbeginn ist gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI der Mai 2001, weil die Rente gemäß § 102 Abs. 2 S. 1 SGB VI auf Zeit zu leisten ist. Bis September 2001 war der Rentenanspruch im Sinne von § 102 Abs. 2 S. 4 SGB VI von der Arbeitsmarktlage abhängig, weil die Rente wegen voller Erwerbsminderung nur wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (BSG, Beschluss v. 10.12.76 – GS 2/75 u.a. – SozR 2200 § 1246 Nr. 13) zu leisten war. Dies entspricht der schon bis zum Dezember 2000 gem. § 102 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI in Bezug auf eine eingetretene Erwerbsunfähigkeit geltenden Rechtslage.
Der Senat hält eine Befristung von zwei Jahren nach Eintritt des aufgehobenen Leistungsvermögens im September 2001 gem. § 102 Abs. 2 S. 4 SGB VI wegen möglicher Besserung für angemessen. Ein vorheriges Ende der Befristung scheidet nach dem dargelegten Inhalt der aktuellen Befundberichte aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Versicherungsfall nach Abschluss des Verfahrens vor dem Sozialgericht, aber mit Beginn des Berufungsverfahrens eingetreten ist.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil der Entscheidung keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen zu Grunde liegen.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
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