L 1 RA 60/01

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 RA 298/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 60/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben sich keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung durch die Beklagte.

Die 19 ... geborene Klägerin nahm im Jahre 1964 eine Lehre auf, die sie im Juli 1967 mit dem Erwerb des Facharbeiterzeugnisses "Fachverkäuferin Lebensmittel" abschloss. Den Beruf einer Verkäuferin übte sie mit einer längeren Unterbrechung bis Ende 1975 aus. Ab 1976 folgten verschiedene sachbearbeitende Tätigkeiten, zuletzt bis zum 31. Dezember 1991 als Mitarbeiterin in der Personalabteilung der Karstadt Niederlassung Halle. Einen Ausbildungsabschluss für diese Tätigkeiten hat die Klägerin nicht erworben. Seit 1992 ist sie durchgängig arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Zwei frühere Rentenanträge wurden mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Juni 1997 bzw. bestandskräftigem Bescheid vom 22. Juli 1998 abgelehnt.

Am 30. August 1999 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Den Antrag begründete sie mit Bewegungseinschränkungen infolge eines Schulter-Arm-Syndroms, der Halswirbelsäule mit der Folge starker Kopfschmerzen, der Beine infolge eines malignen Melanoms am linken Oberschenkel, dem Unvermögen zu langem Sitzen, Stehen und Laufen infolge beidseitig angeschwollener Beine bei Venenentzündung und Ödemen an beiden Beinen und mit einer beidseitigen Glaskörpertrübung der Augen.

Daraufhin holte die Beklagte einen Befundbericht der Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) vom 14. September 1999 ein und veranlasste eine orthopädische Begutachtung der Klägerin durch Dr. St ... In ihrem Gutachten vom 12. Oktober 1999 diagnostizierte diese Funktionsstörungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, die auf Verschleißerscheinungen an Bandscheiben und Wirbelgelenken zurückzuführen seien. Die Klägerin sei deshalb für schwere körperliche Arbeit und Arbeiten in Zwangshaltungen der Wirbelsäule nicht mehr geeignet. Leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung könnten vollschichtig verrichtet werden. Dauerndes Sitzen sollte vermieden werden. Auch eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin sei vollschichtig möglich. Ferner zog die Beklagte ein Gutachten des arbeitsamtsärztlichen Dienstes von Dr. H ..., vom 28. April 1999 bei, wonach die Klägerin noch vollschichtig leichte Arbeiten zeitweise im Stehen, Gehen und Sitzen, jedoch nicht im dauerhaften Stehen, in temperierten Räumen ohne Belastungen durch Nässe, Kälte, Zugluft, Temperaturschwankungen, Hitzearbeiten, Arbeiten unter erhöhter Verletzungsgefahr, häufiges Bücken, Zwangshaltungen und häufiges Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel, nicht in Nachtschicht vollschichtig verrichten könne. Dem lagen die Diagnosen eines Zustands nach Entfernung einer Hautgeschwulst ohne Annahme eines Wiederaufflammens der Erkrankung, Krampfadern im Bereich beider Beine mit Schwellneigung und zeitweilig auftretenden Entzündungen, Schmerzzustände im Bereich der Wirbelsäule mit dauerhafter Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit sowie Übergewicht zugrunde.

Mit Bescheid vom 5. November 1999 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, da die Klägerin in ihrem bisherigen Berufsbereich sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig leistungsfähig sei. Hiergegen erhob die Klägerin noch im selben Monat Widerspruch, in dem sie nochmals auf ihre Beschwerden durch ein Schulter-Arm-Syndrom rechts, Durchblutungsstörungen beider Beine und die Melanomoperation im September 1996 hinwies.

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K ... In seinem Gutachten vom 23. Februar 2000 nannte dieser die Diagnosen rezidivierende Cervicobrachialgie rechts, Verdacht auf Schmerzfixierung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung bei anhaltender sozialer Konfliktsituation (Arbeitslosigkeit), operiertes Melanom und Varikosis cruris beidseits. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit gelangte er zu dem Ergebnis, dass die Klägerin aus neurologisch-psychiatrischer Sicht noch vollschichtig als Sachbearbeiterin eingesetzt werden könnte. Darüber hinaus bestünde ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten, möglichst im Wechsel zwischen sitzender, gehender und stehender Tätigkeit mit Dominanz sitzender Tätigkeit, ohne Zwangshaltung und ohne besondere Anforderungen an die Feinmotorik der rechten Hand. Dies begründete er u. a. mit dem Fehlen typischer radikulärer Reiz- und Ausfallerscheinungen im Zusammenhang mit den vordergründigen Beschwerden der rechten oberen Extremität sowie einer Minderung der allgemeinen statischen Belastbarkeit. Auffällige Befunde bestanden in Form einer verminderten Kraftentfaltung der rechten Hand sowie eines mittel- bis grobschlägigen Tremors des rechten Armes im Armhalteversuch.

Weiterhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. H ..., der unter dem 25. Februar 2000 die Diagnosen malignes Melanom, Lymphknoten linke Leistenbeuge, chronisches vertebrogenes Schmerzsyndrom der HWS und LWS, Varikosis II. Grades beidseits bei Zustand nach Operation beidseits, Schulter-Arm-Syndrom rechts sowie Anämie unklarer Genese mitteilte. Insgesamt sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, eine regelmäßige Erwerbstätigkeit zu leisten. In der Befunddarstellung befindet sich u. a. die Angabe eines zur Zeit reizfreien Hämorrhoidalleidens sowie eines tastbaren kleinen Knotens der linken Leiste, sowie von Schmerzen beim Anheben des rechten Armes mit Muskelzittern in Gelenkendstellung, eines Tremors rechts stärker als links sowie einer Anomalie beider fünften Finger ohne funktionelle Auswirkungen. Das Fingerspiel sei rechts stärker als links gestört, voll erhalten seien Faustschluss, Oppositionsstellung des Daumens sowie Handgelenksbeweglichkeit. Eine Ergometrie wurde bei 75 Watt nach 60 Sekunden wegen Dyspnoe, Schmerzen im rechten Arm, Schmerzen und Schweregefühl in beiden Beinen ohne nachweisbare Ischämiereaktion abgebrochen. Sonographisch ergab sich eine Steatosis hepatis, "fettinfiltriertes Pankreas" und eine parapelvine Nierenzyste. Sämtliche weiteren Befunde, insbesondere die Beweglichkeit aller Gelenke und die Prüfung der Lungenventilationsverhältnisse waren unauffällig.

Abschließend veranlasste die Beklagte noch eine orthopädische Begutachtung durch Dr. W ... In seinem Gutachten vom 5. Mai 2000 stellte dieser die Diagnosen eines Schulter-Arm-Syndroms im Bereich der rechten Schulter sowie eines Hals- und Lendenwirbelsäulensyndroms. Trotz dieser Erkrankungen, so der Gutachter, könne die Klägerin leichte körperliche Arbeiten im Wechsel von sitzender und gehender Tätigkeit ohne Zwangshaltungen mit geringen Einschränkungen der Feinmotorik rechts, auch in ihrer letzten Tätigkeit als Sachbearbeiterin, vollschichtig verrichten.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2000 zurück, da die im Widerspruchsverfahren durchgeführten Begutachtungen keine weiteren Einschränkungen des Leistungsvermögens gegenüber dem Ausgangsbescheid erbracht hätten.

Mit ihrer am 23. August 2000 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und zusätzlich eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend gemacht.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch das Einholen von Befundberichten der Augenfachärztin Dr. E ... vom 12. Oktober 2002 (Bl. 30 bis 32 d. A.), der Frauenärztin Dr. R ... vom 16. Oktober 2000 (Bl. 33 d. A.), der Fachärztin für Orthopädie Dr. B ... vom 26. Oktober 2000 (Bl. 37 f. d. A.), der Klinik für Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin des Zentrums für Gynäkologie und Geburtshilfe der MLU vom 30. Oktober 2000 (Bl. 40 bis 42 d. A.) sowie der Fachärztin für Allgemeinmedizin Eschrich vom 11. Januar 2001 (Bl. 48 bis 58 d. A.). Auf Nachfrage des Gerichts hat Dr. E ... eine Eignung der Klägerin für Computerbildschirmarbeiten bestätigt. Dr. R ... und die MLU haben über klimakterische Dauerblutungen bei Uterus myomatosus mit Anämie mit rezidivierender Hypermemorrhoe, hierdurch verursachtem Kreislaufkollaps und am 6. September 2000 durchgeführter fraktionierter Abrasio berichtet. Frau E ... gab zudem eine langsame Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit der Melanomoperation an.

Sodann hat das Sozialgericht eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin PD Dr. D ... veranlasst. In seinem Gutachten vom 12. April 2001 hat dieser geringgradige Verschleißerscheinungen an der Lendenwirbelsäule mit leichter Achsverbiegung und mittelgradigen Verschleißerscheinungen mit Einengung der Nervenaustrittskanäle in der unteren Halswirbelsäule, ein Krampfaderleiden im Beinbereich beidseits bei Zustand nach Entfernung früherer Krampfadern und erneuter Krampfaderbildung bei anlagebedingter Venenschwäche, einen latenten Eisenmangel infolge verstärkter Regelblutungen und eine im Jahre 1996 komplikationslos entfernte Hautgeschwulst im Oberschenkelbereich ohne Rezidiv oder Metastasen diagnostiziert. Trotz dieser Gesundheitsstörungen könne die Klägerin noch vollschichtig leichte, kurzzeitig auch mittelschwere körperliche Arbeiten erbringen. Das Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel sei ausgeschlossen, das Tragen und Bewegen von Lasten solle insgesamt möglichst gering gehalten werden. Arbeiten im Bücken, im Knien, auf Leitern und Gerüsten, unter Zwangshaltungen bzw. einseitigen körperlichen Belastungen im Nacken- und Lendenbereich sowie unter Zugluft, Kälte oder extremen Temperaturschwankungen sollten ausgeschlossen werden. Die Gebrauchsfähigkeit beider Hände sei leichtgradig eingeschränkt, sodass Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Feinmotorik nicht mehr möglich seien. Wegen grenzwertiger Blutdruckwerte sollte keine Nachtarbeit und Arbeit unter Zeitdruck erfolgen. Zudem sei das Nahsehvermögen zur Zeit korrekturbedürftig.

Mit Urteil vom 25. Juni 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die Klägerin nach den Ergebnissen der medizinischen Ermittlungen, insbesondere dem Gutachten des PD Dr. D ... noch in der Lage sei, vollschichtig ihre bisherige Tätigkeit als Sachbearbeiterin zu verrichten.

Gegen das am 10. Juli 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin noch im selben Monat Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass sie insbesondere in Zusammenschau der bei ihr vorliegenden Erkrankungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage sei, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 25. Juni 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 1999 in der Fassung des Widerspruchs-bescheides vom 21. Juli 2000 aufzuheben

und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. August 1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, wegen des Anspruchsbeginns hilfsweise Rente wegen voller Erwerbsminderung oder insgesamt hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Insbesondere ist sie der Auffassung, dass der Klägerin die Tätigkeit einer Mitarbeiterin in einer Poststelle gesundheitlich vollschichtig zugemutet werden könne.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen von Befundberichten der Fachärztin für Hautkrankheiten und Allergologie Dr. H ... vom 27. Januar 2002 (Bl. 144 d. A.), des Facharztes für Chirurgie Dipl.-Med. G ... vom 21. Februar 2002 (Bl. 146 f., 158 f. d. A.), des Diakoniekrankenhauses H ... vom September 2003 (Bl. 191 d. A.), des St. E ... und St. B ...-Krankenhauses vom 17. Oktober 2003 (Bl. 197 d. A.), des Facharztes für HNO-Heilkunde Dr. R ... vom 18. März 2004 (Bl. 205 f. d. A.), der Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. H ... vom 1. April 2004 (Bl. 213 f.) und vom 6. Dezember 2004 (Bl. 248 d. A.) sowie der Fachärztin für Orthopädie Dr. B ... vom 12. August 2005 (Bl. 297 d. A.). Dr. Ha ... hat über die Entfernung eines malignen Melanoms am linken Oberschenkel 1996 ohne Angabe eines Rezidivs berichtet. Dipl.-Med. G ... hat über eine Behandlung wegen distaler Radiusfraktur am rechten Handgelenk erstmalig am 24. September 2001 berichtet. Bei Abschluss der Behandlung am 21. Februar 2002 sei eine vollständige Konsolidierung der Fraktur erreicht gewesen, die Beweglichkeit ausreichend, allerdings in der Flexion und Rotation der Hand noch schmerzhaft. Darüber hinaus bestehe der Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom, das auf die Fraktur zurückzuführen sei. Dr. L ...-S ... vom Diakoniekrankenhaus H ... hat über einen beginnenden Leistenbruch rechts sowie eine Rezidivvaricosis berichtet. In dem Befundbericht des St. E ... und St. B ...-Krankenhauses ist über eine laparoskopische Reparation des Leistenbruches rechts und eine Behandlung der Beschwerden im Bereich der rechten Schulter am 14. Oktober 2003 berichtet worden. Dr. R ... hat auf entsprechende Nachfrage ausdrücklich mitgeteilt, dass auf HNO-ärztlichem Gebiet keine Erkrankungen bestünden, die einer leichten körperlichen Tätigkeit entgegenstünden. Dies hat auch Dr. H ... für ihr Fachgebiet im April 2004 mitgeteilt, ferner hat sie im Dezember 2004 angegeben, dass aus dermatologischer Sicht keine Arbeitsunfähigkeit bestünde. Dr. B ... berichtete über bei der Klägerin bestehende Bursitis calcarea des linken Schultergelenkes, Zervikobrachialsyndrom rechts, retropatellare Arthrose beidseits, lumbales Pseudoradikulärsyndrom links, gesicherte lumbale Bandscheibendegeneration und gesicherte Coxarthrose beidseits. Hierzu waren ausführliche Befunde vom Juni 2005 wiedergegeben.

Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin einen Bericht des Dipl.-Med. G ... vom 22. Oktober 2001, einen Arztbrief Dr. Ew ... vom Krankenhaus St. E ... und St. B ... vom 16. April 2004, einen Arztbrief der Fachärztin für diagnostische Radiologie Kohlmann vom 29. April 2004 über ein Abdomen-Spiral-CT vom selben Tage mit dem Befund mäßige Hepatomegalie, Steatosis hepatis sowie Nierenparenchymzyste rechts, Laborbefunde der Dr. T ... aus dem Juni 2003 und des Dr. Sch ... aus Januar 2003, einen Arztbrief des PD Dr. He ... vom 6. Oktober 2003 und einen Arztbrief des Dr. F ... vom 4. Oktober 2004, letztere jeweils Mitarbeiter der MLU, zur Akte gereicht.

Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch das Einholen eines gefäßchirurgischen Gutachtens des Chefarztes des Gefäßzentrums N ... des Klinikums Burgenlandkreis GmbH Dr. L ... vom 30. April 2005. Dieser hat die Diagnosen chronisch venöse Insuffizienz der Beine Stadium I nach Hach/Widmer sowie Zustand nach operativer Entfernung eines malignen Melanoms aus dem linken Oberschenkel genannt. Hiermit seien eine Schwellneigung der Unterschenkel und Füße sowie gelegentliche Ruhekrämpfe der Waden beidseits verbunden. Trotz der genannten Leiden sei die Klägerin jedoch noch in der Lage, vollschichtig körperliche Arbeiten, möglichst im Wechsel zwischen Stehen, Sitzen und Gehen, jedoch ohne durchgehendes Sitzen von mehr als drei Stunden und durchgehendes Stehen von mehr als zwei Stunden sowie ohne häufiges Knien zu verrichten. Auch eine Tätigkeit als Büroangestellte im kaufmännisch-verwaltenden Bereich entsprechend dem von der Beklagten angegebenen Leistungsprofil sei der Klägerin noch zuzumuten. Einschränkungen der Gehstrecke bestünden aus angiologisch-gefäßchirurgischer Sicht nicht. Wegen von der Klägerin angegebener Beschwerden, die zum Abbruch einer Laufbanduntersuchung nach bereits 35 Metern geführt haben, hat er eine traumatologisch-orthopädische Begutachtung angeregt.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten des Arztes für Orthopädie Besig aufgrund einer Untersuchung am 22. Dezember 2005 veranlasst. In seinem Gutachten vom 2. Mai 2006 hat Herr B ... die Diagnosen chronisches Nacken-Schulter-Armsyndrom bei bekannten Verschleißumformungen der unteren Halswirbelsäule sowie röntgenologisch beginnenden Verschleißumformungen beider Schulterhaupt- und -eckgelenke, mäßige Verschleißumformungen des rechten Handgelenks sowie des körperfernen Ellen-Speichengelenks rechts, Verschleißumformungen der speichenseitigen Handwurzel rechts und links sowie der unteren Lendenwirbelsäule (LWS-Kreuzbein-Übergang), mäßige, links deutlicher als rechts ausgeprägte Verschleißumformungen im Bereich der Hüftgelenke, Verschleißumformungen im Bereich beider Kreuz-Darmbein-Gelenke (ISG) und mäßige, dem Lebensalter nicht vorauseilende Verschleißumformungen in beiden Kniegelenken genannt. Trotz dieser Gesundheitsstörungen könne die Klägerin noch körperlich leichte, gelegentlich auch bis mittelschwere Arbeiten ausführen, die idealerweise einen Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen zulassen sollten, wobei weder ein regelmäßiger Wechsel der Körperhaltung noch die jederzeitige freie Wahl der Körperhaltung notwendig seien. Zudem könnten Tätigkeiten, die regelmäßig die Einnahme einer Überkopfposition der Arme, insbesondere bei gleichzeitigem Krafteinsatz erforderten, nicht mehr regelmäßig ausgeführt werden. Auch sei die regelmäßige und/oder längerfristige Einnahme einer knienden oder hockenden Körperhaltung sowie von Zwangshaltungen in Bezug auf die Rumpfwirbelsäule zu vermeiden. Einschränkungen bestünden auch für Tätigkeiten, die mit dem Heben und Bewegen schwerer und überwiegend mittelschwerer Lasten verbunden sind, sowie ein besonderes Feingeschick der Hände erforderten. Arbeiten sollten Schutz vor Witterungseinflüssen und insbesondere Zugluft und Nässe ermöglichen. Die krankhaften Veränderungen auf orthopädischem Fachgebiet begründeten keine wesentliche Einschränkung des Gehvermögens.

Ferner hat der Senat die die Klägerin betreffende Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Soziales Halle beigezogen. Danach wurde bei der Klägerin durch Bescheid vom 21. November 1996 wegen einer Hauterkrankung im Stadium der Heilungsbewährung ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt, der mit Bescheid vom 7. August 1997 wegen des Hinzutretens chronischer Ödeme beider Beine bei Krampfaderleiden und Lymphabflussstörung nach Hautoperation auf 60 erhöht wurde. Nach Wegfall der Heilungsbewährung wurde der GdB mit Bescheid vom 19. September 2002 auf 40 herabgesetzt, jedoch wegen eines lumbalen und cervicobrachialen Syndroms bei degenerativen Veränderungen und einer Rhizarthrose beider Daumengrundgelenke mit Bescheid vom 16. Juni 2003 ab 4. Dezember 2002 wieder auf 50 erhöht. Gleichzeitig wurde das Merkzeichen G festgestellt. Die zugrunde liegenden ärztlichen Unterlagen befinden sich im wesentlichen auch in der Verfahrensakte.

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den Beteiligten Ablichtungen von Aussagen der berufskundlichen Sachverständigen Janke vor dem Thüringer Landesssozialgericht und dem Landesssozialgericht Mecklenburg-Vorpommern sowie einer Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen übergeben.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten der eingeholten Befundberichte und Gutachten wird auf die Verfahrensakte, die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten und die beigezogene Akte des Amtes für Versorgung und Soziales Halle Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 5. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.Juli 2000 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klägerin hat weder Anspruch auf die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit, noch wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit haben nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der Fassung durch Gesetz vom 2. Mai 1996 (BGBl. I S. 659) Versicherte, wenn sie:

1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 SGB VI in der genannten Fassung Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezuggröße übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbstständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach Auffassung des Senats ist die Klägerin noch in der Lage, regelmäßig für acht Stunden täglich körperlich leichte, gelegentlich bis mittelschwere Arbeiten unter Schutz vor Witterungseinflüssen und insbesondere Zugluft und Nässe, idealerweise mit Gelegenheit zur Einnahme wechselnder Körperhaltungen, ohne Notwendigkeit des Einhaltens eines bestimmten Wechselrhythmus, jedoch nicht länger als zwei Stunden durchgehend stehend und nicht länger als drei Stunden durchgehend sitzend, ohne regelmäßige Einnahme einer Überkopfposition der Arme, insbesondere bei gleichzeitigem Krafteinsatz, ohne regelmäßige Einnahme einer knienden oder hockenden Körperhaltung, sowie ohne regelmäßige und/oder längerfristige Einnahme einer knienden Körperhaltung oder einer Zwangshaltung in Bezug auf die Rumpfwirbelsäule, ohne das Heben und Bewegen schwerer und überwiegend mittelschwerer Lasten sowie ohne besondere Anforderungen an das Feingeschick der Hände zu verrichten. Dies ergibt sich aus den während des Berufungsverfahrens eingeholten Gutachten des Dr. L ... und des Herrn B ... sowie in Würdigung des vom Sozialgericht eingeholten Gutachtens des PD Dr. D ... und der bereits im Verwaltungsverfahren durch die Beklagte eingeholten Gutachten.

Im Vordergrund der Beschwerden der Klägerin stehen einerseits orthopädische Leiden und andererseits eine chronisch venöse Insuffizienz insbesondere der Beine. Aufgrund der weiteren Leiden der Klägerin ergeben sich keine wesentlichen dauerhaften Leistungseinschränkungen. Das 1996 erfolgreich operierte maligne Melanom kann nach nunmehr zehnjähriger Heilungsbewährung ohne Rezdiv oder Metastasen keine Leistungsminderung mehr begründen, was sich insbesondere auch aus den Befundberichten der Dr. H ... ergibt. Ebenso ist die im September 2001 unfallbedingt eingetretene Distalradiusfraktur bereits nach dem Bundbericht des Dipl.-Med. G ... vom 21. Februar 2002 weitgehend folgenlos abgeheilt. Soweit aufgrund dieser Fraktur noch Bewegungseinschränkungen verblieben sind, waren diese im orthopädischen Gutachten des Herrn B ... mit zu würdigen. Augenärztlicherseits wurde trotz vorhandener Augenleiden Computertauglichkeit bescheinigt, die von PD Dr. D ... festgestellte Beeinträchtigung des Nahsehvermögens wurde zuletzt nicht mehr geltend gemacht und auch nicht in späteren Befundberichten oder Beschwerdeschilderungen im Rahmen der nachfolgenden Begutachtungen benannt. Auch auf HNO-ärztlichem Fachgebiet bestehen nach Mitteilung des Dr. R ... keine Erkrankungen, die einer leichten körperlichen Tätigkeit entgegenstünden. Der im September 2003 diagnostizierte Leistenbruch wurde bereits im Oktober des Jahres erfolgreich operiert und wird im weiteren nicht mehr erwähnt. Die Folgen der eine Uterusausräumung im Jahre 2000 notwendig machenden verstärkten Regelblutungen waren bereits bei der Begutachtung durch Dr. D ... nur noch in Form eines latenten Eisenmangels ohne Auswirkungen auf die Blutbildung nachweisbar.

Auch die bereits benannten Hauptleiden der Klägerin führen weder für sich genommen, noch in ihrem Zusammenwirken zu einer Aufhebung der Erwerbsfähigkeit. So konnte Dr. L ... aufgrund der von ihm durchgeführten Untersuchungen zwar eine chronisch venöse Insuffizienz (CVI) der Beine feststellen, ordnete diese jedoch dem Grad I zu, also der leichtesten Ausprägung der im Bezug genommenen Klassifikation. Die CVI führt zwar zu einer Schwellungsneigung der Unterschenkel und Füße sowie zu gelegentlichen Ruhekrämpfen der Waden, vermag jedoch, insbesondere unter Berücksichtigung der mit Ausnahme eines leisen Reflux in der Rhina femuralis communis links unauffälligen Dopplerbefunde, keine über das von Dr. L ... angegebene Maß hinausgehende Anforderungen an die Gestaltung der Arbeitshaltung zu begründen. Auch die auf dem Laufband lediglich erreichte Gehstrecke von 35 Metern ist hierdurch nicht zu erklären. Angesichts dieser Befunde kann insbesondere auch das von Dr. D ... aufgestellte Postulat, innerhalb der Arbeitszeit sollten Stehanteile maximal 15 %, die Sitzanteile ca. 30 % betragen und der Rest durch Gehen ausgefüllt sein, nicht nachvollzogen werden. Zudem gibt Dr. D ... hierfür keine Begründung und beginnt den Satz mit "sollten" während er an anderer Stelle Leistungseinschränkung mit der Formulierung "mit Sicherheit" einleitet. Insofern dürfte es sich auch seiner Ansicht nach eher um eine Empfehlung als um eine unabänderliche Notwendigkeit handeln.

Auf orthopädischem Fachgebiet ließen sich im Rahmen der Begutachtung durch Herrn B ... für die von der Klägerin genannten Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates mehr oder weniger deutlich ausgeprägte degenerative Veränderungen nachweisen, die jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht so ausgeprägt sind, dass ihre Erwerbsfähigkeit aufgehoben wäre. Dies verdeutlichen die während der Untersuchung erhobenen Bewegungsbefunde, die zwar im Bereich des rechten Armes bei aktiver Bewegung als deutlich eingeschränkt geschildert werden, bei passiver Bewegung jedoch – wie fast alle anderen Bewegungsbefunde auch – durchweg annähernd Normalmaß erreichen. Auch ist keine wesentliche Einschränkung in der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand erkennbar. Wie bereits bei den Vorgutachten war ein vollständiger Faustschluss möglich, die Langfingerkuppen erreichten sicher die queren Hohlhandfalten. Das Strecken, Spreizen und Aneinanderführen der Langfinger war unbehindert, die Bewegungen erfolgten jeweils beidseits auch gegen Widerstand kraftvoll. Ebenso können aus den röntgenologisch nachweisbaren Veränderungen in verschiedenen Bereichen der Wirbelsäule keine Leistungseinschränkungen abgeleitet werden, die über die vom Gutachter beschriebenen hinausgehen. So war die Wirbelsäulenbeweglichkeit bei normaler Entfaltbarkeit weitgehend vollständig erhalten, Hinweise auf motorische oder sensible Ausfälle ergaben sich nicht. Eine Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit fand sich nur im Bereich des Übergangs zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein sowie im Bereich der Kreuz-Darmbeinfugen. Das Zeichen nach Lasègue war negativ.

Diese Befunde unterscheiden sich auch nicht wesentlich von den durch Dr. B ... im August 2005 mitgeteilten. Lediglich die Beweglichkeit des linken Hüftgelenkes ist gegenüber den Befunden Herrn B ... verringert, was durch dessen Beobachtung erklärt werden kann, dass die aktive Bewegung durch die Klägerin zögerlich vorgenommen wurde, während bei passiver Führung deutlich bessere Bewegungsmaße erreicht werden konnten. Die durch die orthopädischen Erkrankungen notwendigen Leistungseinschränkungen, insbesondere die Notwendigkeit eines Haltungswechsels, stehen nicht im Widerspruch zu Leistungseinschränkungen aufgrund der venösen Insuffizienz, vielmehr stimmen diese überein. Eine relevante Einschränkung der Gehstrecke bestand orthopädischerseits nicht und wurde auch durch die vorherigen Gutachter nicht festgestellt.

Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit kann auch nicht auf das Gutachten Dr. H ... vom 25. Februar 2000 gestützt werden, denn dessen Bewertung der Leistungsfähigkeit ist aufgrund der von ihm erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar und steht im Widerspruch zu den schlüssigen Bekundungen aller anderen Gutachter. So fehlen Befunde, die eine wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit erklären könnten. Auffällig waren nach den Angaben im Gutachten nur ein damals reizfreies Hämorrhoidalleiden, ein tastbarer kleiner Knoten der linken Leiste, Schmerzen beim Anheben des rechten Armes mit Muskelzittern in Gelenkendstellung, ein Tremor rechts stärker als links sowie eine Anomalie beider fünften Finger ohne funktionelle Auswirkungen. Sonographisch ergab sich eine Steatosis hepatis, "fettinfiltriertes Pankreas" und eine parapelvine Nierenzyste. Sämtliche weiteren Befunde, insbesondere die Beweglichkeit aller Gelenke und die Prüfung der Lungenventilationsverhältnisse waren unauffällig. Auch wurde in der Ergometrie immerhin für 60 Sekunden eine Belastung von 75 Watt erreicht, ohne dass die Untersuchung wegen kardio-pulmonaler Ausbelastung abgebrochen wurde. Vielmehr beruhte dies auf der Angabe einer Dyspnoe, von Schmerzen im rechten Arm sowie Schmerzen und Schweregefühl in beiden Beinen ohne nachweisbare Ischämiereaktion. Die erreichte Belastung spricht jedenfalls noch für die Fähigkeit zu leichter Arbeit.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Voraussetzung für einen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente ist nach § 43 Abs. 1 SGB VI in der hier noch anzuwendenden Fassung durch Gesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2998) unter anderem, dass der Versicherte berufsunfähig ist. Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI in der genannten Fassung Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der bisherige Beruf, den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (BSG, Urteil v. 14.12.1998, B 5 RJ 60/97 R, BSGE 83,192 ff = SozR 3–6855 Art. 11 Nr. 1). Der Senat kann offen lassen, ob im Falle der Klägerin von der zuletzt von ihr im Personalbüro der Karstadt-Niederlassung Halle ausgeübten Tätigkeit oder – wegen der in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten gesundheitsbedingten Aufgabe – von der zuvor bis Ende 1975 ausgeübten Tätigkeit einer Verkäuferin auszugehen ist. Beide Tätigkeiten dürfte die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. So steht der weiteren Ausübung der Tätigkeit als Verkäuferin das Venenleiden der Klägerin entgegen, da der hierdurch notwendige Haltungswechsel mit insbesondere erheblichen sitzenden Anteilen in dieser Tätigkeit nicht vorhanden ist. Ebenso steht dieses Leiden der bisherigen sachbearbeitenden Tätigkeit der Klägerin entgegen, da es sich hierbei nach ihren Angaben um eine fast ausschließlich sitzende Tätigkeit mit überwiegend handschriftlicher Fertigung von verschiedenen Unterlagen handelte. Letztendlich kann aber auch dies dahinstehen.

Selbst für den Fall, dass die Klägerin die von ihr bisher ausgeübten Tätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könnte, wäre sie deswegen nicht berufsunfähig. Berufsunfähigkeit liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Es kommt vielmehr darauf an, ob seine gesundheitliche Leistungsfähigkeit noch für eine zumutbare Verweisungstätigkeit ausreicht oder nicht. Die soziale Zumutbarkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung der Beurteilung hat die Rechtsprechung die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Danach sind – so weit hier von Bedeutung – zu unterscheiden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung von bis zu 2 Jahren (Stufe 2) und Berufe mit einer Ausbildung von mehr als 2 Jahren (Stufe 3) sowie Berufe, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4), zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister und Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung (vgl. BSG, Urt. v. 29.07.2004, B 4 RA 5/04 R, zitiert nach Juris-Rechtsprechung). Soweit der bisherige Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann, kann eine Verweisung erfolgen, die grundsätzlich durch eine konkrete Benennung eines Berufs geschehen muss, der an mindestens 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird. Dabei kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächstniedrigeren verwiesen werden. Hierbei ist das Überforderungsverbot (Fähigkeit zur Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten (BSG, Urt. v. 29.07.2004, B 4 RA 5/04 R, a.a.O.).

Innerhalb des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas ist die bisherige Tätigkeit der Klägerin im Personalbüro, wie auch die vorhergehende Tätigkeit als Verkäuferin, allenfalls der Gruppe der Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3) zuzuordnen. Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin für die Tätigkeit im Personalbüro nach eigenen Angaben über keinen Berufsabschluss verfügte und nach ihrer Tätigkeitsbeschreibung in der mündlichen Verhandlung dort auch keine herausgehobene Stellung bekleidete oder Aufgaben mit einer über dem Niveau einer ausgebildeten Angestellten liegenden Verantwortung wahrzunehmen hatte. Als Verkäuferin hatte sie zwar einen Facharbeiterbrief, jedoch kann aufgrund der kurzen Tätigkeit in diesem Beruf nicht von einer über dem Status einer ausgebildeten Angestellten hinausgehenden konkreten beruflichen Stellung ausgegangen werden, zumal entsprechende Hinweise auch im früheren Vorbringen der Klägerin fehlen.

Trotz des Berufsschutzes als ausgebildete Angestellte (Stufe 3) muss sich die Klägerin auf die Tätigkeit einer Poststellenmitarbeiterin in der Verwaltung einer Kommune in der Vergütungsgruppe BAT-O VIII verweisen lassen, die der Gruppe der Angelernten im oberen Bereich (Stufe 2) zuzuordnen ist.

Nach der beigefügten Stellenbeschreibung zu den in der mündlichen Verhandlung übergebenen Aussagen der berufskundlichen Sachverständigen Janke vom 11. Oktober 2002 gehört zu den Aufgaben in einer solchen Tätigkeit im wesentlichen die Postbearbeitung mit Eingang und Annahme von Postsendungen, der Sichtung nach zu öffnender und nicht zu öffnender Post mit Klärung schwieriger Fälle, der Prüfung auf Vollständigkeit mit eventuellem Fertigen von Vermerken, das Anbringen des Eingangsstempels sowie die Zuordnung der Post zu den jeweiligen Ämtern, die Prüfung der Post auf ein kostengünstiges Format, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, das Aussortieren von Irrläufern, das Registrieren von Einschreiben und Wertsendungen in einem Posteingangsbuch sowie das Sortieren und Versandfertigmachen der ausgehenden Post. Hinzu kommen in geringem Umfange innerdienstliche Serviceleistungen wie Fax- und Kopierarbeiten sowie das Verteilen von Zeitungen, Zeitschriften, Gesetzblättern u.a. sowie das Erfassen dieser Materialien auf Karteikarten in Zusammenarbeit mit der Verwaltungsbücherei. Gegenüber der ebenfalls diesen Aussagen beigefügten Stellenbeschreibung für einen Mitarbeiter der Poststelle in der Vergütungsgruppe BAT-O IX unterscheidet sich die erstgenannte Stellenbeschreibung durch einen Anteil der Postbearbeitung von 85% gegenüber einem Anteil der Postbearbeitung von lediglich 20% in der niedrigeren Vergütungsgruppe. Nach den Angaben der Gutachterin Janke gehen dabei die Belastungen nicht über leichte körperliche Arbeiten hinaus. Nach der ebenfalls durch den Senat in das Verfahren eingeführten Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit Landesarbeitsamt Hessen vom 25. März 2002 zum Verfahren S 4 RA 960/99 vor dem Sozialgericht Gießen sind solche Tätigkeiten im Bundesgebiet im nennenswerten Umfange vorhanden, was durch die von der Sachverständigen Janke mitgeteilte Zahl von über 160.000 Bürohilfskräften bundesweit im Jahre 2001 bestätigt wird. Darüber hinaus besteht bei Tätigkeiten, die in Tarifverträgen genannt werden, die Vermutung, dass es Arbeitsplätze in ausreichender Zahl gibt (BSG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 RJ 12/81SozR 2200 § 1246 Nr. 102). Eine solche Benennung bestand bis zum Inkrafttreten des TVÖD mit dem Tätigkeitsbeispiel der Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art in der Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 1a der Vergütungsordnung Teil I Allgemeiner Teil zum BAT und BAT-O.

Im Rahmen einer solchen Tätigkeit sind Verrichtungen, an denen die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen gehindert sein könnte, nach der obigen Beschreibung sowie dem vom Senat festgestellten Restleistungsvermögen der Klägerin nicht ersichtlich. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass Dr. H ... über eine Störung des Fingerspiels und einen Tremor beider Hände mit schneller Ermüdung beim Schreiben berichtet, denn die Tätigkeit in der Poststelle erfordert keine langanhaltenden Schreibarbeiten. Zudem ist unklar, ob die Angabe Dr. H ..., die Schrift der Klägerin werde bereits nach wenigen Schriftzügen verwaschen und unkenntlich, auf deren Schilderung oder auf eigener Untersuchung des Gutachters beruht. Entsprechende Befunde sind nicht wiedergegeben, eine Schriftprobe ist dem Gutachten im Unterschied zu den EKG- und Sonographiebefunden nicht beigefügt. Zudem spricht die folgende Formulierung "Hier wurde auch am Untersuchungstag ..." eher dafür, dass es sich um eine Angabe der Klägerin handelt, die durch die am Untersuchungstag gemachte Feststellung eines "Nähmaschinenphänomens" beim Versuch, das linke Ohr mit der rechten Hand zu erreichen, bestätigt werden könnte. Ein Muskelzittern beim Armhalteversuch wurde zwar auch durch den Neurologen und Psychater Dr. K ... festgestellt, jedoch sah dieser nur Einschränkungen bezüglich besonderer Anforderungen an die Feinmotorik der rechten Hand, was auch dem Ergebnis der Gutachter Dr. W ... ("geringe Einschränkungen der Feinmotorik rechts"), PD Dr. D ... und B ... entspricht. Da diese Gutachter übereinstimmend eine Eignung für die letzte berufliche Tätigkeit bzw. die Ausführung leichter Büroarbeiten sahen und auch in den Befunden eine im wesentlichen uneingeschränkte Finger- und Handbeweglichkeit beschrieben haben, kann eine wesentliche Einschränkung der Schreibfähigkeit der Klägerin entgegen der Angabe im Gutachten Dr. H ... nicht angenommen werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Soziales vom 16. Juni 2003 festgestellten Behinderung aufgrund einer Rhizarthrose beider Daumengrundgelenke. Denn diese Feststellung erfolgte nach den Unterlagen in der Schwerbehindertenakte allein aufgrund der von Dr. B ... in einem Befundbericht vom 30. Dezember 2002 angegebenen Diagnose einer leichten Rhizarthrose beidseits. Diese beruhte wiederum allein auf einem Röntgenbefund der Hände, ohne dass Bewegungs- oder Funktionseinschränkungen mitgeteilt wurden. Diese wurden – wie bereits dargelegt – auch durch die Gutachter nicht festgestellt. Zudem hat Dr. B ... diese Diagnose in ihrem Befundbericht an das Landessozialgericht vom 12. August 2005 nicht mehr erwähnt.

Angesichts des beruflichen Werdegangs der Klägerin ist der Senat auch davon überzeugt, dass diese in der Lage ist, sich innerhalb von drei Monaten so in die Aufgabenstellung einer Poststellenmitarbeiterin einzuarbeiten, dass sie diese Tätigkeit auch nach dem Anforderungsprofil für die Vergütungsgruppe BAT-O VIII ausüben könnte. Hierfür spricht bereits die Tatsache, dass sie auf Grund ihrer langjährigen sachbearbeitenden Tätigkeit im Personalbüro eines großen Kaufhauses mit den Geschäftsabläufen und Gepflogenheiten in einer Verwaltung vertraut und den sorgfältigen Umgang mit Schriftgut in gehobener Verantwortung gewohnt ist.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung, da sie nicht im Sinne des § 43 Abs. 3 SGB VI in der genannten Fassung erwerbsgemindert ist. So kann die Klägerin – wie oben dargelegt – unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, da sie zumindest noch leichte Tätigkeiten mit bestimmten qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten kann. Darüber hinaus hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung, denn auch hierfür wäre Voraussetzung, dass sie nicht mehr in der Lage wäre, eine ihr zumutbare Verweisungstätigkeit auszuüben. Wie bereits erörtert, ist dies nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved