L 7 B 5/07 SB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 1 SB 61/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 B 5/07 SB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Hinreichende Erfolgsaussichten bei Ermittlungsbedarf
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Juli 2007 wird aufgehoben. Der Beschwerdeführerin wird für das Klageverfahren ab 12. März 2007 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin A., H., bewilligt.

Gründe:
I.Die Beschwerdeführerin und Klägerin (nachfolgend Klägerin) wendet sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).

Die 1979 geborene Klägerin beantragte am 6. September 2005 bei dem Beklagten die Feststellung von Behinderungen und das Ausstellen eines Ausweises wegen einer paranoiden halluzinatorischen Psychose mit schweren sozialen Störungen. Zu ihrer Betreuerin ist die Berufsbetreuerin H. für die Aufgabenkreise "Sorge für die Gesundheit, Vermögenssorge, Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten" bestellt. Der Beklagte zog zunächst die Epikrise der M. Universität H. vom 9. Juni 2005 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 6. April bis 7. Juni 2005 bei. Danach leide sie unter einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, einer substanzinduzierten psychotischen Störung und Cannabis-missbrauch. Die Krankenhauseinweisung sei aufgrund einer Medikamentenvergiftung in suizidaler Absicht vor dem Hintergrund eines ausgeprägten paranoid-halluzinatorischen Syndroms erfolgt. Anamnestisch habe die Patientin über eine seit der Jugend bestehende erhöhte emotionale Instabilität berichtet, die zu wiederholten emotionalen Krisen mit Auftreten von suizidalen Gedanken und einem Suizidversuch vor sechs Jahren geführt hätten. Der psychopathologische Aufnahmebefund habe eine wache bis somnolente (schläfrige) Patientin gezeigt. Sie sei vollständig orientiert, mit unauffälliger Merkfähigkeit und unauffälligem Gedächtnis gewesen. Das formale Denken sei umständlich, weitschweifig, perseverierend (beharrlich bei etwas bleibend) und vorbei redend gewesen. Sie habe akustische Halluzinationen, sowie einen Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahn gehabt. Es sei zu sozialem Rückzug und Schlaflosigkeit in den Nächten vor der stationären Aufnahme gekommen. Fremdgefährdung liege nicht vor, aber akute Eigengefährdung bei einem Zustand nach Suizidversuch und weiter bestehenden suizidalen Gedanken. Das Intelligenzniveau liege an der unteren Grenze des Durchschnitts, sei aber nicht als Intelligenzminderung mit Krankheitswert einzuschätzen. Die Behandlung habe mit Hilfe von Medikamenten und zunehmenden Beurlaubungen zu einem stabilen psychopathologischen Befund geführt, so dass die Entlassung in die ambulante Weiterbehandlung habe erfolgen können. Bei der Patientin bestehe eine paranoid-halluzinatorische Psychose, deren Zunahme im Zusammenhang mit dem vorbestehenden Cannabismissbrauch zu sehen sei. Die Symptomatik habe sich bis zur Entlassung gut gebessert. Zur sicheren differenzialdiagnostischen Abgrenzung zwischen schizophrener Erkrankung und substanzinduzierter Störung bleibe der weitere Verlauf abzuwarten.

Der Beklagte zog ferner vom Amtsgericht Halle-Saalkreis einen Auszug aus dem Betreuungsgutachten vom 22. Juli 2005 bei, das Prof. Dr. M. erstattet hatte. Er war auf der Grundlage derselben Befunde wie die vorgenannten Ärzte des Krankenhauses zu der Beurteilung gelangt, es bestünden bei der Patientin neben den paranoid-halluzinatorischen Symptomen schwere Einschränkungen im Bereich der Auffassung und Konzentration, des formalen Denkens sowie der Affektivität. Es sei im Verlaufe der Behandlung eine tragfähige therapeutische Beziehung hergestellt worden. Die Patientin habe Krankheitseinsicht und Einsicht in die Notwendigkeit einer kurz- und langfristigen Behandlung erlangt. Diese Einsicht erscheine aber labil, so dass ein hohes Risiko für einen Behandlungsabbruch bestehe. Im sozialen Bereich bestünden erhebliche Probleme, insbesondere wegen der Schuldenproblematik und der Wohnungsprobleme. Es sei die Indikation zu einer längerfristigen psycho-pharmakologischen, psychotherapeutischen und psychoedukativen Behandlung gegeben, für deren Erfolg die Aufrechterhaltung der Drogenabstinenz notwendig sei. Für die Prognose des Krankheitsbildes seien daneben sozialpsychiatrische, sozialtherapeutische und insbesondere rehabilitative Maßnahmen von entscheidender Bedeutung. Bei unzureichender Behandlung drohe die Gefahr einer Chronifizierung.

Schließlich erstatteten die Leitende Oberärztin Dr. B., die Assistenzärztin Dr. H. und Prof. Dr. M., M. Universität H., auf Veranlassung des Beklagten den Bericht vom 15. April 2006 über die ambulante Behandlung der Klägerin seit 8. Juni 2005. Die Ärzte nannten die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie (ICD 10: F20.0) und gaben an, die Klägerin sei wach, bewusstseinsklar, voll orientiert, ohne kognitiv-mnestische Defizite, in der Konzentration und Aufmerksamkeit leicht eingeschränkt. Aktuell sei keine produktiv-psychotische Symptomatik zu ermitteln. Sie komme pünktlich und zuverlässig zu den vereinbarten Terminen, habe aber unter Einfluss eines vorübergehenden Lebenspartners bei ohnehin eingeschränkter Krankheitseinsicht mehrfach die Tendenz gezeigt, die erforderliche antipsychotische Medikation unter Überbewertung der aufgetretenen unerwünschten Nebenwirkungen abzusetzen. Daraufhin habe sich jeweils wieder eine produktiv-psychotische Symptomatik verfestigt. Seit September 2006 werde die Klägerin mittels einer neuroleptischen Depotmedikation mit einem atypischen Neuroleptikum (Risperidon) behandelt, das alle zwei Wochen im Rahmen der ambulanten Vorstellungstermine injiziert werde. Sie könne kaum auf ein soziales Netz zurückgreifen; auffallend seien häufig wechselnde Lebenspartnerschaften, von denen sie sich leicht beeinflussen lasse. Zurzeit sei sie für eine berufliche Trainingsmaßnahme vorgemerkt.

Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 17. Mai 2006 nach Beteiligung des ärztlichen Dienstes bei der Klägerin eine psychische Behinderung mit einem Grad von 40 ab 7. September 2005 fest. Dagegen legte die Klägerin am 23. Mai 2006 unter Hinweis auf eine medikamentös behandelte ausgeprägte depressive Verstimmung Widerspruch ein. Sie sei kaum belastbar. Den Alltag bewältige sie mit Hilfe der Betreuerin und des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) der Stadt Halle. Der Beklagte holte einen Befundbericht von Dr. A., Universitätsklinikum der M. Universität H., vom 25. August 2006 ein. Dieser gab an, im Vordergrund der Symptome stünden die Minderung der Aufmerksamkeit, der Konzentration und Ausdauer sowie der soziale Rückzug. Es werde ein weiterer stationärer Aufenthalt angestrebt. Nach erneuter Beteiligung des ärztlichen Dienstes, der die Befunde vom 15. April 2006 als weiterhin maßgebend einschätzte und von einer Stabilisierung des Gesundheits-zustandes der Klägerin ausging, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2007 zurück.

Am 12. März 2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht Halle Klage mit dem Ziel eines höheren GdB erhoben und zugleich Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung der Klage hat sie vorgetragen, sich vom 22. März bis 17. April 2007 erneut in stationärer Behandlung befunden zu haben. Die Universitätsklinik H. und die behandelnden Ärztin Dr. W. könnten dazu befragt werden. Sie erhalte zwar Leistungen nach dem SGB II, werde aber in der Gruppe der Rehabilitanden geführt. Es sei mit Hilfe der ARGE (Arbeitsgemeinschaft nach dem SGB II) versucht worden, ihr eine berufliche Orientierung zu geben. Sie habe aber wegen der ausgeprägten Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörung den Hauptschulabschluss nicht erreicht. Nun werde geprüft, ob eine berufliche Rehabilitation für seelisch kranke Menschen oder eine Werkstattfähigkeit für behinderte Menschen bewilligt werden könne. Ihre beiden Kinder befänden sich jetzt bei den jeweiligen leiblichen Vätern; die Wohnung habe sie aufgeben müssen. Vom ASD werde sie nicht mehr unterstützt, weil dessen Hilfe bei der Erziehung der Kinder nicht mehr erforderlich sei. Zum Klagevorbringen hat der Beklagte vorgetragen, mit dem Befundbericht von August 2006 seien erstmals Residualsymptome dokumentiert worden. Da die Prozessbevollmächtigte der Klägerin von einer erneuten stationären Behandlung in der psychiatrischen Klinik der M. Universität H. vom 22. März bis 17. April 2007 berichtet habe, werde empfohlen, die Epikrise dieses Behandlungsabschnitts beizuziehen.

Der Kammervorsitzende hat der Klägerin mit Schreiben vom 26. März 2007 die Einschätzung mitgeteilt, es sei von einer Schizophrenie und affektiven Psychose mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen, wofür ein GdB von 30 bis 40 anzunehmen sei. Mit Beschluss vom 12. Juli 2007 hat das Sozialgericht Halle den Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt, da die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Nach dem Bericht der M. Universität H. vom 15. April 2006 bestehe bei der Klägerin eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie, deren Ausmaß aus den pathologisch klinischen Befunden abgeleitet werden müsse. In dem Bericht werde die Klägerin als wache, bewusstseinsklare Patientin beschrieben, die voll orientiert und ohne kognitiv-mnestische Defizite sei. Sie habe sich von Suizidgedanken distanziert; Hinweise auf eine Fremdgefährdung bestünden nicht. Danach sei in Übereinstimmung mit denen AHP 2004 RdNr. 26.3 Seite 47 von einer "schizophrenierend affektiven Psychose" mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen, wofür ein GdB von 30 bis 40 anzunehmen sei. Von leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten sei auch nach den weiteren Angaben in dem Befundbericht auszugehen, da mitgeteilt werde, die Klägerin sei pünktlich und zuverlässig zu den vereinbarten Terminen gekommen und nehme regelmäßig an den angebotenen ambulanten Ergotherapien teil. Zu einer Manifestation der produktiv-psychotischen Symptomatik komme es zwar immer wieder, es liege dieser Zustand aber nur zeitweise und nicht ständig vor. Es sei auch noch keine auf Dauer manifestierte Chronifizierung eingetreten. Die zwischenzeitlich aufgenommene psychotherapeutische Behandlung, die Tatsache der Betreuung durch eine Berufsberaterin und auch die stationäre Behandlung vom 22. März bis 17. April 2007 rechtfertigten keinen höheren GdB. Eine weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung sei nicht notwendig, da die Klägerin nicht dargelegt habe, inwieweit sich ihr Krankheitsbild und damit die Behinderung verschlechtert habe. Die Aufforderung, konkret darzulegen, welche sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorliegen, welcher Hilfebedarf am Tag zu welchen Verrichtungen des täglichen Lebens notwendig sei, habe sie nicht konkret befolgt. Auch die Herausnahme der leiblichen Kinder aus dem häuslichen Milieu rechtfertige keinen höheren GdB, weil die Klägerin wohl nur vorübergehend nicht in der Lage gewesen sei, ihren Lebensunterhalt selbst zu regeln. Davon sei jetzt nicht mehr auszugehen, da sie mitgeteilt habe, nicht mehr vom ASD der Stadt Halle unterstützt zu werden.

Am 27. September 2007 hat die Klägerin gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 29. August 2007 zugestellten Beschluss Beschwerde einlegen lassen. Sie ist der Ansicht, die Klage habe hinreichende Aussicht auf Erfolg, da selbst der Beklagte empfohlen habe, die Epikrise über die stationäre Behandlung ab 22. März 2007 beizuziehen. Im Übrigen seien die persönlichen und gesundheitlichen Verhältnisse nicht so stabil wie das Sozialgericht es den Befundberichten entnommen habe. Die Mitarbeiter der Tagesklinik hätten die Berufsbetreuerin wiederholt darüber informiert, dass die Klägerin die vereinbarten Termine nicht wahrnehme. Sie sei sozial inkompetent und erhalte von der Betreuerin das zum Leben notwendige Geld zugewiesen. Sie bewohne zurzeit ohne ihre beiden Kinder eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Die mangelnde Kompetenz bei der Versorgung der Kinder habe zunächst die Unterstützung durch das Jugendamt und den ASD notwendig gemacht; später seien die Kinder dann anderweitig untergebracht worden. Der Sachverhalt sei nicht aufgeklärt.

Die Beschwerdeführerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Juli 2007 aufzuheben, ihr Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Klageverfahren zu bewilligen und ihr Rechtsanwältin A. zur Wahrnehmung ihrer Interessen beizuordnen.

Die Beschwerdegegnerin hat im Rahmen ihres Aufgabengebietes Gelegenheit zur Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen gehabt; sie hat sich nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verfahrensakte des Sozialgerichts Halle, die Verwaltungsakte des Beklagten und die Beschwerdeakte verwiesen. II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Juli 2007 ist nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Auslegung und Anwendung dieser Gesetzesnorm muss der durch Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebotenen weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes gerecht werden (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/98, BVerfGE 81, 347 [356 ff.]). Es ist zwar verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG, a.a.O., 357). Der Prozesserfolg muss nicht schon gewiss sein, andererseits reicht aber eine nur entfernte Erfolgsaussicht nicht aus. Nach dem vorgetragenen Sachverhalt und den vorliegenden Unterlagen muss der Rechtsstandpunkt des Antragstellers zumindest vertretbar und eine Beweisführung möglich sein (vgl. Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 73a Rn. 7a).

Die Klägerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht imstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Ausweislich ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 6. März 2007 waren ihr mit Bescheid der ARGE SGB II Halle GmbH vom 6. Februar 2007 ab 1 Juni 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 642,00 EUR bewilligt, in denen angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung von 297,00 EUR enthalten waren. Das verbleibende Einkommen von 345 EUR liegt unter dem Betrag von 382 EUR, der für den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2008 nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 der ZPO vom Einkommen und Vermögen der Partei abzusetzen ist (PKH-Bekanntmachung 2007 vom 11.06.2007, BGBl. I S. 1058). Einzusetzendes Vermögen ist nach der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nicht vorhanden.

Die Klage hat auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Eingang der Klage am 12. März 2007, weil mit der Klage der Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt und die von der Klägerin unterzeichnete Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen beim Sozialgericht eingereicht worden ist. Bereits zu diesem Zeitpunkt hat hinreichende Aussicht auf Erfolg bestanden.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 17. Mai 2006 einen GdB von 40 ab 7. September 2005 wegen einer "psychischen Behinderung" anerkannt. Dabei hat er sich im Wesentlichen auf den Befundbericht der M. Universität H. vom 15. April 2006 gestützt, in dem zur Vorgeschichte ausgeführt wird, die Patientin wohne mit einer zweijährigen Tochter in einer gemeinsamen Wohnung, eine fünfjährige Tochter lebe bei dem Kindesvater. Zum Verlauf der ambulanten Behandlung wird das pünktliche und zuverlässige Erscheinen der Klägerin zu den vereinbarten Terminen hervorgehoben, aber auch betont, sie könne kaum auf ein soziales Netz zurückgreifen, habe geringen Kontakt zur Herkunftsfamilie und wechselte häufig ihre Lebenspartner, von denen sie sich jeweils leicht beeinflussen lasse. Unter Berücksichtigung dieser und anderer ärztlicher Beurteilungen hatte der Beklagte auf der Grundlage der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Stand 2004, und der GdB/MdE-Tabelle (Nr. 26 der Anhaltspunkte) den für die Behinderung angemessenen GdB festzustellen. Nach Nr. 26.3 (S. 47 der gedruckten Fassung) ist die Erkrankung der Klägerin dem Bereich "Schizophrene und affektive Psychosen" zuzuordnen. Dort ist für eine langdauernde (über ein halbes Jahr anhaltende) Psychose im floriden Stadium je nach Einbuße beruflicher und sozialer Anpassungsmöglichkeiten ein GdB-Rahmen von 50 bis 100 festgelegt. Ist ein schizophrener Residualzustand (z.B. Konzentrationsstörung, Kontaktschwäche, Vitalitätseinbuße, affektive Nivellierung) mit geringen und einzelnen Restsymptomen anzunehmen, ist je nach Ausmaß der sozialen Anpassungsschwierigkeiten und auftretender Krankheitsphasen ein GdB-Rahmen zwischen 10 bis 20 und 60 bis 100 anzuwenden. Geht die Behinderung mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten einher, ist ein GdB von 30 bis 40 festzulegen; liegen mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten vor, liegt der GdB-Rahmen zwischen 50 und 70 und bei schweren sozialen Anpassungs-schwierigkeiten bei 80 bis 100. Weder aus dem Bescheid vom 17. Mai 2006 noch aus dem ebenfalls maßgeblich auf den Befundbericht vom 15. April 2006 gestützten Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2007 geht hervor, nach welchen Gesichtspunkten die Abgrenzung zwischen "leichten sozialen Anpassungs-schwierigkeiten" und "mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten" erfolgt ist.

Der ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (vormals Bundesministerium für Arbeit) hat auf der Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" Abgrenzungskriterien für die gutachtliche Beurteilung sozialer Anpassungsschwierigkeiten vorgeschlagen und in der Niederschrift vom 18./19. März 1998 für das Beispiel des "schizophrenen Residualzustandes" folgende Abgrenzungskriterien empfohlen:

leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten

z.B. Berufstätigkeit trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich. (Wesentliche Beeinträchtigung nur in besonderen Berufen, z. B. Lehrer, Manager). Keine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften, d.h. z.B. keine krankheitsbedingten wesentlichen Eheprobleme.

mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten

In den meisten Berufen sich auswirkende psychische Veränderung, die zwar weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefährdung einschließt. Erhebliche familiärer Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung, aber noch keine Isolierung, noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der z. B. eine vorher intakte Ehe stark gefährden könnte.

schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten

Weitere berufliche Tätigkeit sehr stark gefährdet oder ausgeschlossen. Schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes- bzw. Bekanntenkreis, bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder Bekanntenkreis.

Nach diesen Abgrenzungskriterien hätte das Sozialgericht zu der Frage, ob bei der Klägerin bereits mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von mindestens 50 vorliegen, weitere Ermittlungen durchführen müssen. Eine weitere Sachaufklärung hätte sich spätestens aufdrängen müssen, nachdem durch das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 26. März 2007 die (vorüber-gehende) Übertragung des alleinigen Sorgerechts für die jüngste Tochter auf den Kindsvater bekannt geworden war. Es liegt auf der Hand, dass die mit der Herausnahme auch des zweiten Kindes aus dem Haushalt der Mutter verbundenen familiären Probleme für eine Zunahme der sozialen Anpassungsschwierigkeiten sprechen. Nähere Hinweise hätten durch Beiziehung des Sorgerechtsbeschlusses gewonnen werden können. Ferner wird die vom Beklagten angenommene Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Klägerin durch ihren stationären Krankenhausaufenthalt vom 22. März bis 17. April 2007 in Zweifel gezogen, zumal die Grundlage für diese Bewertung im Befundbericht vom 15. April 2006 gesehen wird, der aber bereits durch den neueren Bericht vom 25. August 2006 mit Hinweis auf einen angestrebten weiteren Krankenhausaufenthalt als teilweise überholt angesehen werden muss. Damit waren durch das Sozialgericht zur Wahrnehmung seiner Amts-ermittlungspflicht noch konkrete Ermittlungen durchzuführen, deren Ergebnis nicht vorhersehbar war. Die Klägerin hat deshalb Anspruch auf PKH ab Antragstellung am 12. März 2007.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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