Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
46
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 46 AS 1930/19
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 1. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2019 wird aufgehoben.
II. Außergerichtliche Kosten sind zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II für den Monat März 2019 wegen Rentenbezug und die daraus folgende Erstattung von 807,17 Euro.
Die 1955 geborene Klägerin bezog seit 2015 Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Mit Schreiben vom 20.11.2018 forderte der Beklagte die Klägerin auf, eine vorgezogene Altersrente zu beantragen. Zugleich meldete der Beklagte beim Träger der Rentenversicherung einen Erstattungsanspruch an. Die Klägerin stellte den Rentenantrag. Mit Rentenbescheid vom 23.01.2019 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern der Klägerin eine vorgezogene Altersrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 837,17 Euro. Die Rente werde ab 01.03.2019 monatlich laufend gezahlt. Die Rente für den jeweiligen Monat werde am Monatsende ausgezahlt.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 22.01.2019 hin bewilligte der Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II mit Bescheid vom 29.01.2019 für die Zeit von 01.03.2019 bis einschließlich 29.02.2020 in Höhe von monatlich 1122,- Euro. Der Bewilligung legte er den Regelbedarf von 424,- Euro und die Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete von 660,- Euro zuzüglich den tatsächlichen Heizkosten von 38,- Euro zugrunde. Einkommen wurde nicht angerechnet.
Mit Bescheid vom 26.02.2019 hob der Beklagte die Bewilligung für die Zeit ab 01.04.2019 auf. Mit Schreiben vom 06.05.2019 hörte der Beklagte die Klägerin wegen einer Überzahlung für den Monat März 2019 an. Mit Bescheid vom 01.07.2019 hob der Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für März 2019 teilweise in Höhe von 807,17 Euro auf. Die Altersrente sei als Einkommen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X anzurechnen. Nach Abzug der Versicherungspauschale von 30,- Euro ergebe sich eine Erstattung in Höhe von 807,17 Euro.
Die Klägerin legte dagegen Widerspruch ein. Sie habe erst am 29.03.2019 865,72 Euro als erste Rente erhalten. Mit diesem Geld habe sie ihren Lebensunterhalt im April decken müssen. Vom Sozialhilfeträger habe sie lediglich 371,38 Euro für den Monat April erhalten. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2019 als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin habe Ende März 2019 Einkommen erzielt. Wegen des Zuflussprinzips komme es nicht darauf an, an welchem Tag des Monats die jeweilige Zahlung zufließt. Das Einkommen sei im Monat März 2019 anzurechnen. Auf ein Verschulden der Klägerin komme es nicht an.
Die Klägerin erhob am 04.09.2019 Klage zum Sozialgericht München. Sie habe die erste Rentenzahlung erst Ende März 2019 erhalten. Die Miete für Ihre Wohnung müsse am Monatsanfang gezahlt werden. Diese Rentenzahlung habe deshalb für die Miete für April eingesetzt werden müssen.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 01.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Streitgegenstand ist der Aufhebungsbescheid für den Monat März 2019. Die Klage ist als reine Anfechtungsklage zulässig. Sie wurde auch form- und fristgerecht erhoben.
Vorab ist festzustellen, dass die Rentenzahlung am 29.03.2019, abzüglich des Versicherungspauschale von 30,- Euro nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-Verordnung, laufendes Einkommen war, das wegen des Monatsprinzips nach § 11 Abs. 2 SGB II im März als Einkommen im SGB II anzurechnen war. Die ursprüngliche Bewilligung war also rechtswidrig. Die Klage ist gleichwohl begründet, weil der Beklagte die Bewilligung für Monat März 2019 nicht gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 45 oder § 48 SGB X zurücknehmen oder aufheben durfte. Die Klägerin kann sich auf Vertrauensschutz berufen.
Der Beklagte stützten die Teilaufhebung der ursprünglichen Bewilligung auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X. § 48 SGB X ist aber nur bei einer nachträglichen Veränderung der Verhältnisse, spricht einer Änderung nach Erlass der ursprünglichen Bewilligung einschlägig. Sofern die Änderung der Verhältnisse schon vor Erlass der ursprünglichen Bewilligung eintritt, ist nur eine Rücknahme nach § 45 SGB X möglich.
Hierbei ist eine Besonderheit des SGB II zu beachten. Bei zeitnaher Bewilligung fließt auch jedes laufende Einkommen nach der Leistungsbewilligung zu. Im SGB II erfolgt eine Bewilligung in Hinblick auf Einkommen also als Prognose. Es werden Leistungen bewilligt in Hinblick auf die erwartetet künftige Entwicklung im Bewilligungszeitraum. Dies bedeutet, dass eine Bewilligung von Arbeitslosengeld II schon zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Bewilligung falsch ist (mit der Folge, dass § 45 SGB X anwendbar ist), wenn die Behörde in Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse Einkommen angerechnet hätte (Bay LSG, Urteil vom 14.08.2006, L 7 AS 304/07, Rn. 20; von Wulffen / Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45 Rn 32).
Hier hätte der Beklagte bei Kenntnis der Rentenbewilligung vom 23.01.2019, in der die Auszahlung der Märzrente für Ende März 2019 angekündigt war, die Leistungsbewilligung vom 29.01.2019 für März nur unter Anrechnung der Rentenzahlung bewilligt. Damit war die ursprüngliche Bewilligung von Arbeitslosengeld II für März 2019 ursprünglich falsch und deshalb nur nach § 45 SGB X zu korrigieren.
Ein Anhörungsfehler ergibt sich daraus nicht, weil die Behörde immer nur zu ihrer eigenen Rechtsmeinung anhören muss, nicht zu dem, was womöglich einem Gericht später zu dem Thema einfällt (BSG, Urteil vom 29.11.2012, B 14 AS 6/12 R, Rn. 21).
Ein Rücknahmetatbestand nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X liegt hier aber nicht vor. Für eine Rücknahme nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X fehlt es an einer Ermessensausübung, weil § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III nur für die Fälle des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X eine gebundene Entscheidung vorgibt.
Eine kausale arglistige Täuschung von Seiten der Klägerin nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X liegt offenkundig nicht vor.
Die Bewilligung vom 29.01.2019 beruhte auch nicht auf grob fahrlässig falschen oder unvollständigen Angaben der Klägerin nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Die Klägerin musste nicht in kürzester Zeit den Rentenbescheid vom 23.01.2019 an den Beklagten übermitteln. Die Klägerin musste insbesondere nicht mit einer so frühen Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Bescheid vom 29.01.2019 für die Zeit ab 01.03.2019 bei einem schwebenden Rentenverfahren) rechnen. Der Beklagte hatte die Klägerin selbst aufgefordert, den Rentenantrag zu stellen und hatte einen Erstattungsanspruch angemeldet. Wenn schon trotzdem eine so frühe Leistungsbewilligung erfolgte, hätte der Beklagte evtl. auf eine vorläufige Bewilligung ausweichen können (zur Anwendbarkeit von § 45 SGB X wenn trotzdem keine vorläufige Bewilligung erfolgt siehe BSG, Urteil vom 29.11.2012, B 14 AS 6/12 R, Rn. 18). Ein Schuldvorwurf an die Klägerin lässt sich daraus nicht herleiten.
Die Klägerin hat auch nicht grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit der Bewilligung kennen müssen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Für das Kennen müssen gilt ein subjektiver Maßstab. Es geht also darum, was die Klägerin kennen musste. Dabei bedeutet grobe Fahrlässigkeit, dass es um einfachste naheliegende Überlegungen geht, sprich "was jedem einleuchtet" (von Wulffen / Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45 Rn 56). Es geht nicht darum, dass Mitarbeiter des Beklagten selbstverständlich mit dem Monatsprinzip der Einkommensanrechnung im SGB II vertraut sind. Allerdings ist anzumerken, dass es auch im SGB II davon etliche Ausnahmen gibt, etwa in § 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II, § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II und § 3 Abs. 4 Alg II-Verordnung. Es stellt sich hier die Frage, ob eine Leistungsbezieherin bzw. speziell die Klägerin, die erstmals an einem Monatsende eine Rente bekommt, wissen musste, dass diese Rente rückwirkend zum Monatsbeginn auf Arbeitslosengeld II angerechnet wird. Das musste die Klägerin nicht wissen. Gerade ihre bedarfsbezogenen Überlegungen, die Märzrente muss für die Aprilmiete eingesetzt werden, zeigen, dass die Klägerin sehr naheliegende Überlegungen in die entgegengesetzte Richtung anstellte. Ein Schuldvorwurf hinsichtlich Kennen müssen der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligung ergibt sich nicht.
Der strittige Bescheid war deshalb aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin hat obsiegt-
Die Berufung ist zulässig, weil mit 807,17 Euro der Grenzwert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II für den Monat März 2019 wegen Rentenbezug und die daraus folgende Erstattung von 807,17 Euro.
Die 1955 geborene Klägerin bezog seit 2015 Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Mit Schreiben vom 20.11.2018 forderte der Beklagte die Klägerin auf, eine vorgezogene Altersrente zu beantragen. Zugleich meldete der Beklagte beim Träger der Rentenversicherung einen Erstattungsanspruch an. Die Klägerin stellte den Rentenantrag. Mit Rentenbescheid vom 23.01.2019 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern der Klägerin eine vorgezogene Altersrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 837,17 Euro. Die Rente werde ab 01.03.2019 monatlich laufend gezahlt. Die Rente für den jeweiligen Monat werde am Monatsende ausgezahlt.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 22.01.2019 hin bewilligte der Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II mit Bescheid vom 29.01.2019 für die Zeit von 01.03.2019 bis einschließlich 29.02.2020 in Höhe von monatlich 1122,- Euro. Der Bewilligung legte er den Regelbedarf von 424,- Euro und die Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete von 660,- Euro zuzüglich den tatsächlichen Heizkosten von 38,- Euro zugrunde. Einkommen wurde nicht angerechnet.
Mit Bescheid vom 26.02.2019 hob der Beklagte die Bewilligung für die Zeit ab 01.04.2019 auf. Mit Schreiben vom 06.05.2019 hörte der Beklagte die Klägerin wegen einer Überzahlung für den Monat März 2019 an. Mit Bescheid vom 01.07.2019 hob der Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für März 2019 teilweise in Höhe von 807,17 Euro auf. Die Altersrente sei als Einkommen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X anzurechnen. Nach Abzug der Versicherungspauschale von 30,- Euro ergebe sich eine Erstattung in Höhe von 807,17 Euro.
Die Klägerin legte dagegen Widerspruch ein. Sie habe erst am 29.03.2019 865,72 Euro als erste Rente erhalten. Mit diesem Geld habe sie ihren Lebensunterhalt im April decken müssen. Vom Sozialhilfeträger habe sie lediglich 371,38 Euro für den Monat April erhalten. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2019 als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin habe Ende März 2019 Einkommen erzielt. Wegen des Zuflussprinzips komme es nicht darauf an, an welchem Tag des Monats die jeweilige Zahlung zufließt. Das Einkommen sei im Monat März 2019 anzurechnen. Auf ein Verschulden der Klägerin komme es nicht an.
Die Klägerin erhob am 04.09.2019 Klage zum Sozialgericht München. Sie habe die erste Rentenzahlung erst Ende März 2019 erhalten. Die Miete für Ihre Wohnung müsse am Monatsanfang gezahlt werden. Diese Rentenzahlung habe deshalb für die Miete für April eingesetzt werden müssen.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 01.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Streitgegenstand ist der Aufhebungsbescheid für den Monat März 2019. Die Klage ist als reine Anfechtungsklage zulässig. Sie wurde auch form- und fristgerecht erhoben.
Vorab ist festzustellen, dass die Rentenzahlung am 29.03.2019, abzüglich des Versicherungspauschale von 30,- Euro nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-Verordnung, laufendes Einkommen war, das wegen des Monatsprinzips nach § 11 Abs. 2 SGB II im März als Einkommen im SGB II anzurechnen war. Die ursprüngliche Bewilligung war also rechtswidrig. Die Klage ist gleichwohl begründet, weil der Beklagte die Bewilligung für Monat März 2019 nicht gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 45 oder § 48 SGB X zurücknehmen oder aufheben durfte. Die Klägerin kann sich auf Vertrauensschutz berufen.
Der Beklagte stützten die Teilaufhebung der ursprünglichen Bewilligung auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X. § 48 SGB X ist aber nur bei einer nachträglichen Veränderung der Verhältnisse, spricht einer Änderung nach Erlass der ursprünglichen Bewilligung einschlägig. Sofern die Änderung der Verhältnisse schon vor Erlass der ursprünglichen Bewilligung eintritt, ist nur eine Rücknahme nach § 45 SGB X möglich.
Hierbei ist eine Besonderheit des SGB II zu beachten. Bei zeitnaher Bewilligung fließt auch jedes laufende Einkommen nach der Leistungsbewilligung zu. Im SGB II erfolgt eine Bewilligung in Hinblick auf Einkommen also als Prognose. Es werden Leistungen bewilligt in Hinblick auf die erwartetet künftige Entwicklung im Bewilligungszeitraum. Dies bedeutet, dass eine Bewilligung von Arbeitslosengeld II schon zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Bewilligung falsch ist (mit der Folge, dass § 45 SGB X anwendbar ist), wenn die Behörde in Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse Einkommen angerechnet hätte (Bay LSG, Urteil vom 14.08.2006, L 7 AS 304/07, Rn. 20; von Wulffen / Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45 Rn 32).
Hier hätte der Beklagte bei Kenntnis der Rentenbewilligung vom 23.01.2019, in der die Auszahlung der Märzrente für Ende März 2019 angekündigt war, die Leistungsbewilligung vom 29.01.2019 für März nur unter Anrechnung der Rentenzahlung bewilligt. Damit war die ursprüngliche Bewilligung von Arbeitslosengeld II für März 2019 ursprünglich falsch und deshalb nur nach § 45 SGB X zu korrigieren.
Ein Anhörungsfehler ergibt sich daraus nicht, weil die Behörde immer nur zu ihrer eigenen Rechtsmeinung anhören muss, nicht zu dem, was womöglich einem Gericht später zu dem Thema einfällt (BSG, Urteil vom 29.11.2012, B 14 AS 6/12 R, Rn. 21).
Ein Rücknahmetatbestand nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X liegt hier aber nicht vor. Für eine Rücknahme nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X fehlt es an einer Ermessensausübung, weil § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III nur für die Fälle des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X eine gebundene Entscheidung vorgibt.
Eine kausale arglistige Täuschung von Seiten der Klägerin nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X liegt offenkundig nicht vor.
Die Bewilligung vom 29.01.2019 beruhte auch nicht auf grob fahrlässig falschen oder unvollständigen Angaben der Klägerin nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Die Klägerin musste nicht in kürzester Zeit den Rentenbescheid vom 23.01.2019 an den Beklagten übermitteln. Die Klägerin musste insbesondere nicht mit einer so frühen Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Bescheid vom 29.01.2019 für die Zeit ab 01.03.2019 bei einem schwebenden Rentenverfahren) rechnen. Der Beklagte hatte die Klägerin selbst aufgefordert, den Rentenantrag zu stellen und hatte einen Erstattungsanspruch angemeldet. Wenn schon trotzdem eine so frühe Leistungsbewilligung erfolgte, hätte der Beklagte evtl. auf eine vorläufige Bewilligung ausweichen können (zur Anwendbarkeit von § 45 SGB X wenn trotzdem keine vorläufige Bewilligung erfolgt siehe BSG, Urteil vom 29.11.2012, B 14 AS 6/12 R, Rn. 18). Ein Schuldvorwurf an die Klägerin lässt sich daraus nicht herleiten.
Die Klägerin hat auch nicht grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit der Bewilligung kennen müssen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Für das Kennen müssen gilt ein subjektiver Maßstab. Es geht also darum, was die Klägerin kennen musste. Dabei bedeutet grobe Fahrlässigkeit, dass es um einfachste naheliegende Überlegungen geht, sprich "was jedem einleuchtet" (von Wulffen / Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45 Rn 56). Es geht nicht darum, dass Mitarbeiter des Beklagten selbstverständlich mit dem Monatsprinzip der Einkommensanrechnung im SGB II vertraut sind. Allerdings ist anzumerken, dass es auch im SGB II davon etliche Ausnahmen gibt, etwa in § 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II, § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II und § 3 Abs. 4 Alg II-Verordnung. Es stellt sich hier die Frage, ob eine Leistungsbezieherin bzw. speziell die Klägerin, die erstmals an einem Monatsende eine Rente bekommt, wissen musste, dass diese Rente rückwirkend zum Monatsbeginn auf Arbeitslosengeld II angerechnet wird. Das musste die Klägerin nicht wissen. Gerade ihre bedarfsbezogenen Überlegungen, die Märzrente muss für die Aprilmiete eingesetzt werden, zeigen, dass die Klägerin sehr naheliegende Überlegungen in die entgegengesetzte Richtung anstellte. Ein Schuldvorwurf hinsichtlich Kennen müssen der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligung ergibt sich nicht.
Der strittige Bescheid war deshalb aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin hat obsiegt-
Die Berufung ist zulässig, weil mit 807,17 Euro der Grenzwert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten ist.
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