L 10 KR 5/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 25 KR 277/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 5/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Auseinzelung von Lucentis
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozial-gerichts Halle vom 21. Dezember 2009 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Antragstellerin (ASt) verlangt im Wege der einstweiligen Anordnung, dass die Antragsgeg-nerin (AG), ihre Krankenkasse (KK), die Behandlung der am linken Auge der ASt bestehenden feuchten (neovaskulären) altersabhängigen Macula-Degeneration (AMD) mit dem intravitreal (in den Augapfel) zu injizierenden, neu zugelassenen Fertigarzneimittel Lucentis® durch niedergelassene (Vertrags-) Fachärzte für Augenheilkunde ihrer Wahl mittels Kostenübernahme ermöglicht.

Die AMD ist eine Netzhauterkrankung, die zu Einschränkungen der Sehfähigkeit führt. Bei der so genannten feuchten Form der Erkrankung wachsen neu gebildete Blutgefäße in die Macula ein. Aus den Gefäßen tritt eine die Sehzellen schädigende Flüssigkeit aus, die zur Beeinträchtigung der Sehfähigkeit bis zur Erblindung führen kann. Es handelt sich um die häufigste in den Industrienationen auftretende Erkrankung, die zur Erblindung führt. Derzeit sind in Deutschland – mit zunehmender Tendenz – etwa 500.000 Menschen betroffen (Quelle: Ärzte Zeitung Extra, 19.09.2008).

Die bisher aussichtsreichste Therapie zur Behandlung der feuchten AMD besteht darin, die Bildung von Blutgefäßen in der Netzhaut durch Einsatz von sog. VEGF-Hemmern zu unterdrücken (VEGF: Vascular Endothelial Growth Factor). Zu den VEGF-Hemmern gehört das Arzneimittel Avastin®, das von einer Tochter des Schweizer Pharmaherstellers R. (G. , USA) entwickelt und zur Zulassung gebracht worden ist. Der Avastin®-Wirkstoff Bevacizumab wurde in den USA Anfang 2004, in der Europäischen Union Anfang 2005 als Mittel gegen Brust- und Darmkrebs zugelassen. Er unterbindet die Blutversorgung von Tumoren. Seit 2005 zunächst in den USA und nachfolgend in Europa wird das Mittel von Augenärzten zulassungsfremd ("off-label") bei der Behandlung der feuchten AMD mittels intravitrealer Injektion verbreitet eingesetzt. Dabei wird ein Bruchteil der zur Behandlung für die zugelassene Indikation abgefüllten Menge verwendet. Im Auge hindert Avastin® erfolgreich das Wachstum der Blutgefäße hinter der Netzhaut und hat sich als therapeutischer Standard durchgesetzt. Die Behandlung erfolgt in ca sechswöchigen Abständen und zunächst für ein Intervall (drei Injektionen) und wird sodann nach Lage des Einzelfalles fortgesetzt. Der Arzneimittelpreis je Injektion beträgt wegen der geringen benötigten Menge ca 40,00 bis 50,00 EUR. Seitens G. und R. ist eine Zulassung von Avastin® für die Behandlung der feuchten AMD weder beantragt noch beabsichtigt.

Seit dem Jahr 2006 in den USA und seit Januar 2007 in Europa ist das neue Arzneimittel Lucentis® zur Behandlung der feuchten AMD zugelassen. Lucentis® enthält den VEGF-Hemmer Ranibizumab, der ebenfalls von der R. G. entwickelt wurde und hergestellt wird (Deutsches Ärzteblatt: "USA: G. stoppt Verkauf von Avastin® an Augenärzte" vom 12. Oktober 2007). Zulassungsinhaber in Europa ist in Lizenz von R. die Fa. N ... Ranibizumab ist ein Fragment des Ursprungsmoleküls von Bevacizumab, mit diesem daher eng verwandt und in seiner Wirkungsweise weitgehend identisch. Im Unterschied zu Avastin® ist Lucentis® in Einzelgebinden zum einmaligen Gebrauch als Einzeldosis von 0,23 ml portioniert. Der Arzneimittelpreis je Einzeldosis beträgt mehr als das 30-fache des Preises, der bei der Avastin®-Anwendung zur Behandlung der feuchten AMD anfällt.

Um einer hohen Kostenbelastung aus der Anwendung vor allem von Lucentis® zu entgehen, haben die KKn unterschiedliche Strategien entwickelt. Dabei wurde zT daran angeknüpft, dass für die intravitreale Injektion in Deutschland bislang noch keine Gebührenziffer im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) gemäß § 87 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) existiert, auf deren Grundlage die Leistung abgerechnet werden könnte. Zudem wird die intravitreale Injektion vom Gemeinsamen Bundes-ausschuss (G-BA) zumindest bis auf weiteres nicht als (neue) Behandlungsmethode angesehen, die gemäß § 135 SGB V seiner Empfehlung bedürfte, sondern als bloßer Applikationsweg zur Einbringung eines Medikamentes (Schreiben des G-BA an den Geschäftsführer des Bewertungsausschusses der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 29. Januar 2007, Bl 25 ff der Gerichtsakte = GA).

So schlossen ua in Nordrhein-Westfalen einige KKn mit Verbänden operierender Augenärzte einen "Vertrag zur Behandlung der feuchten AMD mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern", der ua auch die weitere Off-Label-Anwendung mit Avastin® zu Lasten dieser KKn vorsieht (vgl näher LSG NW vom 11. Februar 2008 aaO). Diese Praxis wird von dem für die Aufsicht über bundesunmittelbare gesetzliche KKn (§ 90 SGB IV) zuständigen Bundesversicherungsamt bislang bei Einhaltung bestimmter Bedingungen (ua der freien Wahlmöglichkeit für die Versicherten) toleriert (vgl Schreiben des Präsidenten des Bundesversicherungsamtes an den Interessenverband PRO RETINA Deutschland e.V. vom 8. Mai 2009, Bl 34 ff GA). Zur Durch-setzung einer weiteren Anwendung von Avastin® wollen sich darüberhinaus erstmals in Deutschland KKn an den Kosten einer im Jahre 2008 – gegen den Willen des Herstellers – angelaufenen Arzneimittelstudie beteiligen; diese soll klären, ob Avastin® oder Lucentis® für die Behandlung der feuchten AMD geeigneter ist (Vibera-Studie, vgl FAZ.NET vom 25. Februar 2010 und www.pharmakologiebremen.de/index.php/klinische-forschung/vibera). Der AOK-Bundesverband schloss dagegen für sieben seiner Landesverbände einen Vertrag mit dem Hersteller Novartis über die Kostenübernahme für Lucentis® zu bestimmten Bedingungen (vgl Ärzte Zeitung vom 18. Juni 2008).

Die AG und weitere KKn in Sachsen-Anhalt schlossen mit dem Universitätsklinikum H. mit Wirkung zum 1. August 2008 (sowie gesondert mit weiteren Krankenhäusern) eine "Vereinbarung zur Vergütung der intravitrealen Injektion von Lucentis® und Macugen®" (Bl 126 ff GA). Danach erfolgt bis zur Aufnahme der intravitrealen Injektion in den EBM-Ä (§ 1 Abs 1) bei Erfüllung bestimmter fachlicher (§ 2) und räumlicher (§ 3) Voraussetzungen und einer näher bestimmten Indikationslage (§ 4) eine Abrechnung des Arzneimittels mit Lucentis® zu Lasten der KKn zu einem Erstattungsbetrag von 682,00 EUR, des Arzneimittels Macugen® zum Apothekenverkaufspreis (§ 5). Gemäß § 11 Abs 4 der Vereinbarung ist der Preis für Lucentis® neu zu verhandeln, wenn "die Fa. N. das Volumen des Arzneimittels deutlich reduziert, so dass eine Auseinzelung nicht mehr realisierbar ist." Für die ärztliche Leistung (intravitreale Injektion einschließlich Nachversorgung bis zu zwei Wochen) ist eine Pauschale iHv 250,00 EUR festgelegt. Gemäß § 9 haftet der Leistungserbringer für Schäden, die im Zusammenhang mit seiner Leistung eintreten. Eine Haftung der KKn ist ausgeschlossen. Eine "ggf. bestehende" Produkthaftung des Herstellers soll hiervon unberührt bleiben.

Die 1949 geborene Antragstellerin stellte unter dem 30. April 2009 durch die Fachärzte für Augenheilkunde Dr. H, Dr. W und S bei der AG einen Antrag (Bl 1-2 der Verwaltungsakte = VA) auf Zusage einer Übernahme der Kosten für eine Therapie ihres linken Auges mit dem Fertig-arzneimittel Lucentis® für zunächst drei Monate, das heißt für drei intravitreale Injektionen, in Höhe von insgesamt 5.028,66 EUR (je Injektion: Apothekenverkaufspreis Lucentis® iHv 1.296,22 EUR sowie ärztliches Honorar iHv 300,00 EUR zzgl. 80,00 EUR für Nachbehandlung = 1.676,22 EUR). Bei der Antragstellerin sei bei angiographisch nachgewiesener choroidaler Neovaskularisation (CNV) infolge AMD am linken Auge die Therapie mit Lucentis® erforderlich. Die Lage der CNV sei subfoveal, der Visus am linken Auge betrage 0,2. Die Anwendung von Alternativen erscheine aus medizinischer Sicht nicht sinnvoll.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2009, der nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war, verwies die AG die ASt an die Universitätsklinik H. und ein weiteres Krankenhaus, mit denen die AG Versorgungsverträge abgeschlossen habe. Sollte die ASt die Leistung bei einer anderen Einrichtung durchführen lassen, mit der kein Vertag bestehe, könne die AG nur die mit ihren Vertragspartnern vereinbarten Sätze von 682,00 EUR für das Medikament und 250,00 EUR pro Injektion einschließlich Nachbehandlung leisten. Die Mehrkosten für die drei Injektionen von ca 2 bis 3 TEUR müsse die ASt selber tragen.

Den Widerspruch der ASt vom 7. August 2009 wies die AG mit Bescheid vom 25. November 2009 als in der Sache unbegründet zurück. Hiergegen erhob die ASt am 21. Dezember 2009 Klage (Az: S 25 KR 337/09), über die noch nicht entschieden ist.

Bereits am 2. November 2009 hat die ASt beim Sozialgericht beantragt, die AG im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Übernahme der Kosten für die gewünschte Behandlung zu verpflichten. Hierzu hat sie das Attest ihres behandelnden Facharztes für Augenheilkunde C L vom 8. Oktober 2009 vorgelegt (Bl 24 VA). Danach droht bei ihr für den Fall, dass sie nicht umgehend behandelt wird, ein weiterer, wahrscheinlich sogar vollständiger Sehverlust. Es sei in den letzten Wochen zu einem Abfall der Sehschärfe links auf 0,1 gekommen. Auf dem rechten Auge sehe sie wie bisher nur Handbewegungen. Ein weiterer Abfall der Sehschärfe sei entsprechend der derzeitigen Studienlage zur feuchten AMD nicht mehr therapierbar. Die Behandlung mit Lucentis® sollte möglichst bald erfolgen.

Die ASt meint, die fehlende Aufnahme der intravitrealen Injektion im EBM-Ä stehe der Pflicht der gesetzlichen KK zur Gewährung der ärztlichen Leistung nicht entgegen. Zur Sicherzustel-lung ihres Honorars stellten die behandelnden Ärzte in solchen Fällen vor der Leistungserbringung üblicherweise einen Kostenübernahmeantrag bei den gesetzlichen KKn. Zudem beruft sich die ASt auf ein Recht auf freie Arztwahl gemäß § 76 SGB V.

Die von der AG angebotene Behandlung im Rahmen der abgeschlossenen Verträge begrenze rechtswidrig ihre Leistungspflicht. Eine Rechtsgrundlage dafür sei nicht ersichtlich. Die in dem Kostenübernahmeantrag der Ast bezifferten Kosten entstünden tatsächlich und entsprächen den gesetzlichen Vorgaben und dem Apothekenverkaufspreis. Zur Realisierung des von der AG vereinbarten Arzneimittelpreises von 682,00 EUR sei eine Auseinzelung der Einzeldosen erforderlich. Das verstoße gegen die Vorgaben in der Fachinformation, wonach die Durchstechflasche nur zum einmaligen Gebrauch vorgesehen sei. Darin liege ein unzulässiger Off-Label-Use, der im Übrigen die Herstellerhaftung aus § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) entfallen lasse. Zudem erhöhe die Auseinzelung die Gefahr einer Verunreinigung und berge damit Gesundheitsrisiken für den Patienten. Hierzu verweist die ASt auf Stellungnahmen des P. -Instituts (PEI), der in Deutschland für Arzneimittelzulassung zuständigen Behörde, sowie auf einen Pressebe-richt über die unsachgemäße Anwendung von Avastin®. Diese Gefahr habe wegen der auch auf ihrem anderen Auge bestehenden Sehschwäche besonderes Gewicht. Ferner könne nach einer Ophtalmologie-Studie der L-M-Universität in M eine Lucentis®-Originalabfüllung unter Standardbedingungen nicht für eine ausreichende Behandlung von zwei Patienten aufgeteilt werden (Bl 113 f GA). Die von der AG angebotene Therapie habe daher nicht die gleiche Qualität wie die beantragte Leistung. Diese werde schließlich auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V gerecht, da es um die bestimmungsgemäße Anwendung eines zugelassenen Arzneimittels gehe.

Finanziell sei die ASt nicht in der Lage, die Mehrkosten der Therapie iHv ca 2 bis 3 TEUR selbst zu tragen. Sie verfüge ausschließlich über ein monatliches Einkommen in Höhe von 560,56 EUR, wovon auf die Finanzierung ihres Eigenheimes 148,27 EUR monatlich entfielen. Nennenswerte Ersparnisse seien nicht vorhanden.

Die AG bestreitet die medizinische Notwendigkeit der Behandlung nicht, wohl aber ihre Dringlichkeit, zumal sich die ASt mit ihrem Widerspruch nahezu drei Monate Zeit gelassen habe. Unabhängig davon meint die AG, dass sie der ASt mit der Versorgung durch ihre Vertragskrankenhäuser eine rechtzeitige und zumutbare Behandlung von gleicher Qualität anbiete, zumal der Weg von ihrem Wohnort zur Universitätsklinik H. kürzer sei als der zu den Ärzten ihrer Wahl.

Die AG verwiest darauf, dass für die Applikation von Lucentis® mittels intravitrealer Injektion bislang noch keine Gebührenziffer nach dem EBM-Ä existiere. Aus diesem Grund könne die Behandlung derzeit grundsätzlich nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nach dem Sachleistungsprinzip erbracht werden, sondern nur auf privatärztlicher Basis. Um gleichwohl eine ausreichende, zweckmäßige und vor allem wirtschaftliche Versorgung für die Versicherten zu gewährleisten, habe die AG die Vereinbarungen mit verschiedenen Augenkliniken geschlossen. Die dabei anfallenden Kosten seien deutlich niedriger als die auf dem von der ASt gewünschten Versorgungsweg. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V verbiete unter diesen Umständen eine Übernahme von höheren Kosten zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Die AG sei daher nicht verpflichtet, außerhalb des mit den getroffenen Vereinbarungen geschaffenen Sachleistungssystems Kosten für privatärztliche Leistungen zu tragen oder ihre Übernahme zuzusagen.

Der ASt sei die Inanspruchnahme der angebotenen Versorgung ohne weiteres zumutbar. Ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, insbesondere eine erhöhte Verunreinigungsgefahr durch die Auseinzelung der Lucentis®-Dosen, bestehe nicht. Hierzu hat die Antragsgegnerin eine Stellungnahme der Universitätsapotheke der M-L-Universität H/W vom 13. November 2009 vorgelegt, nach der die Universitätsapotheke H. berechtigt sei, alle Arzneiformen herzustellen. Es seien getrennte Raumbereiche für verschiedene Gefährdungsgruppen vorhanden. Zytostati-ka wie Lucentis® würden in einem separaten Bereich unter einer sterilen Sicherheitswerkbank (Herasafe) hergestellt. Alle Mitarbeiter seien validiert. Zudem würde jeden Tag eine mikrobiologische Kontrolllösung hergestellt. Die Durchstechflasche Lucentis® werde von der Zytostatikaherstellung am Tag der Applikation auf zwei sterile Fertigspritzen aufgeteilt, steril verschlossen und dann in den OP zur Applikation geschickt. Ein Verunreinigungsrisiko bestehe nicht, da in einem geschlossenen System mit sterilen Arbeitsmaterialen gearbeitet werde. Diese Handhabung sei auch nicht als Mehrfachverwendung zu deuten, da die Umkonfektionierung in der Apotheke in einem Arbeitsschritt erfolge. Die aus der Fachinformation zitierten Sätze seien übliche Klauseln, die bei fast jeder Durchstechflasche für Infusionen zu finden seien.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 21. Dezember 2009 unter Ablehnung des weitergehenden Antrags die AG vorläufig verpflichtet, die Kosten für die Behandlung der feuchten Makuladegeneration am linken Auge der ASt mit drei Lucentis® - Injektionen durch die Fachärzte für Augenheilkunde Dr. H, Dr. W und S in Höhe von 1.546,22 EUR je Injektion (1.296,22 EUR für die Einzeldosis Lucentis® sowie 250,00 EUR für die ärztliche Leistung je Injektion), insge-samt bis zu einer Höhe von 4.638,66 EUR zu übernehmen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die ASt in entsprechender Anwen-dung des § 13 Abs 3 SGB V Anspruch darauf habe, dass die AG die Kosten der begehrten Behandlung im zugesprochenen Umfang vorab übernehme und unmittelbar mit dem Leistungserbringer abrechne. Die ASt könne nicht darauf verwiesen werden, die Mittel für die Behandlung zunächst vorzustrecken und sodann die AG gemäß § 13 Abs 3 SGB V auf Erstattung der ausgelegten Kosten in Anspruch zu nehmen. Hierzu sei die ASt aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage. Eine rechtskräftige Entscheidung des Hauptsacheverfahrens abzuwarten sei der ASt wegen der nach ärztlichem Zeugnis drohenden Erblindung ebenfalls nicht zumutbar.

Der für § 13 Abs 3 SGB V notwendige Anspruch auf Gewährleistung der Krankenbehandlung mit Lucentis® sei zwischen den Beteiligten im Grundsatz unstreitig. Der Behandlungsanspruch bestehe auch mit dem zugesprochen konkreten Inhalt. Die ASt könne nicht zumutbar auf die Durchführung der Therapie in den vertraglich gebundenen Einrichtungen verwiesen werden. Die Kammer habe sich von deren Gleichwertigkeit mit den im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln zur Erkenntnisgewinnung nicht mit hinreichender Sicherheit überzeugen können. Die von der ASt vorgelegten Unterlagen sowie weitere Recherchen der Vorsitzenden insbesondere im Internet hätten im Hinblick auf die in den Vertragskrankenhäusern vorgenom-mene Auseinzelung des Medikaments zumindest Zweifel daran geweckt, dass die von der AG angebotene Leistung tatsächlich leistungsgerecht im Sinne des SGB V sei, das heißt nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche und den medizinischen Fortschritt berücksichtige.

Gegen den der AG am 23. Dezember 2009 zugestellten Beschluss wendet sich diese mit ihrer am 19. Januar 2009 beim Landessozialgericht eingegangenen Beschwerde.

Die AG beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 21. Dezember 2009 – S 25 KR 277/09 B ER – aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Die ASt beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen insbesondere zur Frage der Zumutbarkeit der von der AG angebotenen Versorgung.

Der Senat hat mit Schreiben vom 23. März 2010 den Beteiligten Hinweise gegeben (Bl 186 ff GA) sowie recherchierte Unterlagen übersandt (Bl 189 – 211 sowie Bl 270 – 284 GA). Ferner hat der Senat Auskünfte eingeholt. Der behandelnde Augenarzt der ASt C L hat unter dem 30. März 2010 mitgeteilt, er habe die ASt zum ersten Mal im November 2007 und zuletzt am 6. Oktober 2009 untersucht. Er hat seinen Bericht über die Visus-Verschlechterung auf 0,1 vom 8. Oktober 2009 bestätigt. Die ASt sei aufgefordert worden, sich im Falle einer Verschlechte-rung bei ihm zu melden, was nicht geschehen sei. Seines Wissens habe bislang eine Behand-lung der ASt mit Lucentis® nicht stattgefunden. Die Behandlung mit einem VEGF-Hemmer sei dringend, da bei einem Visus von 0,05 eine Therapie nicht mehr sinnvoll erscheine, zumal auf dem Partnerauge eine hochgradige frühkindliche Sehschwäche bestehe (Amblyopie).

Die Fachapothekerin für Klinische Pharmazie der Universitätsapotheke des Universitätsklini-kums H. Frau St hat mit Schreiben vom 31. März 2010 mitgeteilt (Bl 242 f GA), dass die Apotheke zur Herstellung von allen Arzneiformen berechtigt sei, insbesondere auch zur Herstellung von Zytostatika wie Lucentis®. Sämtliche Sicherheitsbedingungen würden strengs-tens eingehalten und die aktuellen Richtlinien zur Guten Herstellungspraxis beachtet. Ein Verunreinigungsrisiko bestehe nicht. Auch sei gewährleistet, dass die ausgeeinzelte Menge die vorgeschriebene Dosis nicht unterschreite. Auf Nachfrage des Senats hat die Apothekerin mit Schreiben vom 4. April 2010 die Art und Weise der Auseinzelung näher dargestellt (Bl 243 f GA).

Das PEI hat mit Schreiben vom 14. April 2010 darauf verwiesen, dass für die Arzneimittelzulas-sung monoklonaler Antikörper und ihrer Derivate (so auch Lucentis) das zentralisierte Verfahren der Europäischen Union vorgesehen sei. Auf Anregung des zuständigen Ausschusses der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), der eine Mehrfachentnahme aus einer Ampulle Lucentis verhindern wollte, habe der Hersteller einen Antrag auf Reduktion des Füllvolumens von 0,3 ml auf 0,23 ml gestellt; dieser sei genehmigt worden. Informationen über eine Aufforderung zu weiterer Volumenreduzierung lägen dem PEI nicht vor. Aus verschiedenen Studien seien aus Sicht des PEI Hinweise zu entnehmen, dass das Füllvolumen einer Einzeldosis Lucentis nicht für mehrere Injektionen ausreiche und ein sog Pooling erfolgen müsse. Dies entspreche nicht der geltenden Zulassung. Der Auseinzelung stehe auch die Perenteralia Monographie 01/2800:0520 der Europäischen Pharmakopöe entgegen, nach der monoklonale Antikörper für die intraokuläre Gabe in Einzelgebinden abzugeben seien. Die Bedenken des Ausschusses der EMA gegen die Mehrfachentnahme aus einer Ampulle würden vom PEI geteilt. Aus der Herstellung von Lucentis lägen Daten über validierte Prozesse vor, die die Haltbarkeit und gleichbleibende Qualität garantierten. Abweichungen von diesen Prozessen könnten bei dem proteinhaltigen Arzneimittel ua zu Interaktionen der Proteine mit festen Oberflächen und damit zu Qualitätsverlusten führen. Für die Überwachung der auseinzelnden Klinikapotheke seien die Landesbehörden zuständig. Untersuchungsergebnisse zur Auseinzelung von Lucentis durch die Universitätsapotheke lägen dem PEI nicht vor. Doch gebe es erste Hinweise darauf, dass die Qualität von auf Spritzen aufgezogenem Lucentis nach einem längeren Zeitraum nachlasse. Aus Sicht des PEI sei die Untersuchung von Stabilität indizierenden Parametern einschließlich der Sterilität und mikrobiellen Sicherheit die Basis für ein Vorgehen, wie es von der Universitätsapotheke praktiziert werde.

Der Facharzt für Augenheilkunde Dr. H hat unter dem 13. April 2010 mitgeteilt, dass in seiner Praxis bereits seit 2007 intravitreale Injektionen durchführt würden und die persönlichen, räumlichen und apparativen Voraussetzungen hierfür vorlägen. Jährlich würden ca 3000 ambulante Operationen im Hause durchgeführt. Zurzeit stünden zwei Operateure zur Verfügung, die die Qualitätsanforderungen der gemeinsamen Stellungnahme der Augenärztlichen Berufsverbände erfüllten (Bl 289 GA). Nach seinem Befundbericht vom 8. April 2010 hat Dr. H die ASt am 28. Februar 2008 und am 30. April 2009 untersucht. Zum damaligen Zeitpunkt sei eine Lucentisbehandlung indiziert gewesen.

Ferner hat der FA f. Augenheilkunde Dr. H den Vorsitzenden am 13. April 2010 telefonisch darüber unterrichtet, dass er in seiner Praxis auch ausgeeinzeltes Lucentis spritze und als Vorsitzender der Augenärztlichen Genossenschaft Sachsen-Anhalt entsprechende Vereinbarungen mit Krankenkassen geschlossen habe. Diese seit 2007 bestehende Praxis habe in keinem Fall zu Beschwerden geführt. Durch eine lizensierte Fachapotheke würden die Einzelspritzen jeweils tagaktuell geliefert. Im vorliegenden Fall werde er jedoch auf Wunsch der Klägerin das Arzneimittel in nicht ausgeeinzelter Form aus der Originalampulle verabreichen, zumal entsprechende Verträge zwischen der AG und seinem Verband nicht zustande gekom-men seien.

Schließlich hat die ASt Unterlagen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nebst eidesstattlicher Versicherung sowie ein Schreiben des Facharztes für Augenheilkunde Dr. H vorgelegt, wonach die Behandlung auch zu den vom Sozialgericht begrenzten Bedingungen (250,00 EUR je Injektion zuzüglich Nachbehandlung) bzw auf der Grundlage der GOÄ durchgeführt werde.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat die Fachapothekerin der Universitätsapotheke St als sachverständige Zeugin zu dem Vorgang des Auseinzelns in Bezug auf Menge und Arzneimittelsicherheit vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der AG haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf ihren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Erörterung der aufgeworfenen Rechts-fragen aufgrund mündlicher Verhandlung unter Beiziehung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) entschieden.

Die zulässige Beschwerde der AG ist begründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Die ASt kann eine (vorläufige) Verpflichtung der AG zur Kostenübernahme für die begehrte Behandlung nicht verlangen. Dies ergeben eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage und die gebotene Folgenabwägung. Der ASt ist nach Auffassung des Senats zuzumuten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die von der AG angebotene Behandlung in Anspruch zu nehmen.

I. Antragsziel ist die vorläufige Verpflichtung der AG zur vorherigen Zusage der Kostenübernahme für die im Antrag vom 30. April 2009 konkret bezeichnete Behandlung durch die dort benannten Leistungserbringer. Dies ergibt die nähere Bestimmung des konkreten Begehrens. Dabei besteht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine förmliche Bindung an einen gestellten Antrag. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) ist dem Ersuchen auf Schutz vor irreparablen Schäden in den vom ASt gezogenen Grenzen umfassend Rechnung zu tragen. Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich sind (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 938 Abs 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Ziel der ASt ist es hier letztlich, zu Lasten der AG die genannte Behandlung bei den bezeichne-ten Ärzten zu erlangen. Zur Erreichung dieses Zwecks erscheint eine vorläufige Verpflichtung der AG zur Zusage der Kostenübernahme für die o.g. Behandlung als geeignete Anordnung (dazu 1). Die ebenfalls in dem Antragsformular genannten und vom Sozialgericht in den Tenor aufgenommenen genauen Kosten sind dagegen (soweit sie nicht ohnehin erstinstanzlich formell rechtskräftig begrenzt wurden) nicht Bestandteil einer solchen Zusage (dazu 2). Die Verpflichtung zu einer Zusage ist grundsätzlich auch vollstreckbar (dazu 3).

1. Die ASt wird durch eine gegenüber dem Leistungserbringer auszusprechende vorherige Zusage der Kostenübernahme in die Lage versetzt, die begehrte Behandlung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu erhalten. Die Zusage muss im Verhältnis zum Leistungserbringer endgültig und verbindlich sowie vom Ausgang des Hauptverfahrens unabhängig sein. Sonst erbringt dieser die Leistung nicht und die ASt kann ihr Ziel im einstweiligen Rechtsschutz nicht erreichen. Im Verhältnis zur ASt kann die Zusage dagegen nur vorläufigen Charakter haben, soll sie nicht ohne Not die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Insoweit steht sie unter dem Vorbehalt, dass der AG bei rechtskräftigem Obsiegen im Hauptsacheverfahren Erstattungs- oder Schadensersatzansprüche gegen die ASt zustehen können (§ 198 Abs 1 SGG iVm § 945 ZPO). Eine solche nur im Verhältnis zur ASt vorläufige und ansonsten verbind-liche Zusage hat die gleiche Wirkung für die Durchsetzung der Behandlung wie die vorläufige Zur-Verfügung-Stellung eines Geldbetrages, die dem Senat untunlich erschien (vgl auch BSG vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92, BSGE 73, 271, Rn 58 in Juris).

2. Die konkrete Höhe der Arzneimittelkosten ist nicht Bestandteil einer solchen Zusage. Sie ergibt sich aus dem öffentlich-rechtlichen Kaufvertrag, der mit Herausgabe des Medikaments gegen Übergabe der vertragsärztlichen Verordnung zwischen Apotheker und KK zustande kommt (vgl BSG vom 17. März 2005 – B 3 KR 2/05 R, BSGE 94, 312). Sollte dieser Kaufvertrag – etwa wegen sittenwidriger Ausbeutung einer Zwangslage durch den Hersteller (§ 138 BGB) – nichtig sein, kann dem im Verhältnis der AG zur Apotheke bzw zum Hersteller Rechnung getragen werden. Auch die Höhe des Arzthonorars für die Verabreichung der Injektionen (soweit sie zweitinstanzlich noch offen ist) braucht in die Zusage nicht aufgenommen zu werden. Denn die AG schuldet ggfs. in entsprechender Anwendung von § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V die Übernahme der Behandlungskosten "in der entstandenen Höhe", soweit sie notwendig sind; hierzu müssen ärztliche Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet werden. Sofern das der Fall ist, können die Kosten auch diejenigen einer Kassenleistung übersteigen. Die Abrechnung einer Pauschale außerhalb der GOÄ ist dagegen für den Patienten unverbindlich und kann grundsätzlich keinen Übernahmeanspruch auslösen (st Rspr, vgl BSG vom 23. Juli 1998 – B 1 KR 3/97 R, NJW 1999, 1813). Soweit das Sozialgericht die von der AG zu über-nehmenden Behandlungskosten für die ärztliche Leistung – formell rechtskräftig – auf 250,00 EUR je Injektion (ohne Nachbehandlung) begrenzt hat, steht nach Auskunft von Dr. H zu diesen Bedingungen sowie auf GOÄ-Basis ein behandlungsbereiter Arzt zur Verfügung.

3. Eine vorläufige Verpflichtung der KK als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu einer vorheri-gen Zusage der Kostenübernahme gegenüber dem Leistungserbringer ist grundsätzlich auch (in den zeitlichen Grenzen des § 929 Abs 2 ZPO) vollstreckbar. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, welchen Rechtscharakter eine solche Erklärung hat (vgl etwa BSG vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92, BSGE 73, 271, Rn 58 in Juris). Denn entweder ist sie als hoheitliche behördliche Handlung gemäß §§ 198 Abs 1, 201 SGG vollstreckbar (so wohl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl § 201 Rz 2 unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg vom 5. November 2007 – L 8 AL 3045/07 B, Juris, sowie Hess VGH vom 8. November 1999 – 8 TM 3106/99, NVwZ-RR 2000, 730 [zur Parallelnorm § 172 VerwGO]). Oder sie ist gemäß § 198 Abs 1 SGG als privatrechtliche Handlung (§ 888 ZPO) oder Willens-erklärung (§ 894 ZPO) zu vollstrecken. Ist nämlich – wie hier – der geltend gemachte Verfü-gungsanspruch auf Abgabe einer Willenserklärung nur Sekundäranspruch zur Sicherung des Hauptsacheanspruchs (nämlich letztlich der Gewährleistung der Krankenbehandlung und der endgültigen Kostentragung), kann er auch durch eine einstweilige Verfügung auf Abgabe einer Willenserklärung gesichert werden (vgl OLG Hamburg vom 20. Juni 1990 – 12 U 37/90, NJW-RR 1991, 382; MüKo/ZPO/Drescher, 3. Aufl § 938 Rz 47 mwN). In diesem Fall führt die erstrebte Willenserklärung gerade nicht zur endgültigen Befriedigung, da die Zusage der Kostenübernahme lediglich Zahlungsverpflichtungen im Verhältnis zum Leistungserbringer auslöst und im Verhältnis zur ASt unter dem Vorbehalt der Erstattung steht. Sie hat, wie oben festgestellt, die gleiche Wirkung wie ein vorläufig zur Verfügung gestellter Geldbetrag.

II. Das so bestimmte Anordnungsbegehren bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Gemäß § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstel-ler vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Abs 2 Satz 2 der Norm auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Da die ASt in erster Linie geltend macht, dass ihr ohne die einstweilige Anordnung wesentliche Nachteile drohen, handelt es sich um eine Regelungsverfügung iSv § 86b Abs 2 Satz 2 SGG. Die Regelungsanordnung kann vom Gericht erlassen werden, wenn die ASt glaubhaft macht (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 ZPO), dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der AG besteht (Anordnungsanspruch) und dass der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung, insbesondere bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache, wesentliche Nachteile iSv § 86b Abs 2 Satz 2 SGG erleiden würde.

Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (summarische Prüfung) herabgesetzten Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren dabei mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden wesentlichen Nachteile. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (st Rspr, vgl Bundesverfassungsgericht [BVerfG] vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237).

In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Begehren der ASt als unbegründet.

1. Ein Anordnungsanspruch besteht im Hinblick darauf, dass der ASt ohne die begehrte spezifi-sche Behandlung keine wirklichen Nachteile drohen, nicht mit ausreichender Wahrscheinlich-keit. Der Senat kann mit den im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht abschließend feststellen, ob ein Anspruch auf die Hauptleistung besteht. Zwar mag die ASt aufgrund ihrer Erkrankung einer Folge von drei Injektionen des Arzneimittels Lucentis® (und nicht eines anderen VEGF-Hemmers) an ihrem linken Auge bedürfen, um das Fortschreiten der Krankheit zu verhüten. Dies wird auch von der AG nicht in Abrede gestellt. Grundsätzlich besteht daher ein auf diese Behandlung gerichteter Anspruch aus § 27 Abs 1 Nr 1 und 3 SGB V. Doch kann die ASt bei summarischer Prüfung die Behandlung nicht in der konkret bezeichneten Art durch die gewählten Ärzte von ihrer KK beanspruchen oder hierfür Kostenübernahme verlangen. Ein solcher Anspruch lässt sich weder dem Sachleistungssystem der vertragsärztlichen Versorgung (dazu a) noch dem Gesichtspunkt des Systemversagens entnehmen, da die AG eine zumindest gleichwertige Ersatzversorgung gewährleistet. (dazu b).

a. Ein Anspruch auf die Behandlung in der konkret bezeichneten Art durch die gewählten Ärzte ergibt sich zunächst entgegen der Auffassung der ASt nicht aus § 27 Abs 1 SGB V und dem System der vertragsärztlichen (Regel-)Versorgung (§§ 2 Abs 2 Satz 1, 72 ff SGB V).

Die ASt bedürfte zwar unter den gegebenen Umständen auch in diesem Fall gerichtlicher Hilfe und könnte sich nicht als Versicherte unmittelbar an die Leistungserbringer wenden. Denn die AG hat in ihrem Bescheid vom 7. Mai 2009 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die gewünschte Behandlung nicht als von ihr im vertragsärztlichen Leistungssystem geschuldete Sachleistung ansieht. Die gewählten Ärzte behandeln die ASt aus diesem Grund nicht und stellen ihr auch ein Kassenrezept nicht aus, ohne zuvor von der AG eine (ggfs. erzwungene) Zusage der Kostenübernahme erhalten zu haben.

Die AG ist aber nicht in der Lage, die von der ASt begehrte Behandlung durch die gewählten (Vertrags-)Ärzte als vertragsärztliche Leistung zu erbringen und kann deshalb hierzu auch nicht gerichtlich angehalten werden. Zwar handelt es sich bei der intravitrealen Injektion nicht um eine (neue) ärztliche Behandlungsmethode, die mangels einer vorherigen Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gemäß § 135 SGB V von der Leistungspflicht ausgeschlossen wäre (dazu aa); doch scheitern Sachleistungspflicht und Sachleistungsvermögen der AG daran, dass die intravitreale Injektion nach wie vor nicht gebührenrechtlich im EBM-Ä erfasst und deshalb vertragsärztlich nicht geschuldet ist (dazu bb).

aa. Der Leistungspflicht der AG steht nicht entgegen, dass der G-BA für die intravitreale Injektion keine Empfehlung abgegeben hat, wie es § 135 Abs 1 SGB V für die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der KKn voraussetzt.

Allerdings kann es sich um eine neue Behandlungsmethode handeln, wenn einem Versicherten ein Fertigarzneimittel bestimmungsgemäß in einem besonderen Verfahren verabreicht wird. Dies hat das BSG für die kalte Laserbehandlung bzw photodynamische Therapie (PDT) im Auge entschieden. Dort wird der Arzneimittelwirkstoff bei bestimmungsgemäßem Gebrauch in die Blutbahn injiziert und anschließend durch einen fachkundigen Arzt an der betreffenden Stelle im Auge in einem besonderen Verfahren mittels sog kalter Laserbehandlung aktiviert. Diese aufwändige, zwingend durch einen Arzt vorzunehmende Anwendung des Medikaments erfordert die Beherrschung und punktgenaue sichere Anwendung der Lasertechnik an einem hochsensiblen Körperorgan. Dabei kommt der Handhabung durch den Arzt für den Therapieerfolg ein mindestens ebenso großes Gewicht zu wie dem Wirkprinzip des in den Körper einge-brachten Stoffes. Dies kennzeichne – so das BSG – die PDT als eine über die schlichte Verabreichung eines Arzneimittels hinausreichende neue Behandlungsmethode. Neben der arzneimittelrechtlichen Zulassung bedürfe sie daher einer Empfehlung nach § 135 SGB V (BSG vom 19.10.2004 – B 1 KR 27/02 R, BSGE 93, 236).

Die intravitreale Injektion stellt jedoch keine (neue) Behandlungsmethode in diesem Sinne dar. Es handelt sich vielmehr um die bloße, wenngleich qualifizierte Applikation eines Arzneimittels durch einen Arzt. Der Handhabung durch den Arzt kommt für den Therapieerfolg nicht ein mindestens ebenso großes Gewicht zu wie dem Wirkprinzip des in das Auge eingebrachten Stoffes. Nach der Verabreichung der Injektion wirkt der VEGF-Hemmer vielmehr – anders als im Falle der PDT – ohne weiteres Zutun des Arztes. Nach dem im Schreiben des G-BA an den Geschäftsführer des Bewertungsausschusses der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 29. Januar 2007 (Bl 25 ff GA) sowie in dem internen G-BA - Schreiben Dr. R an Dr. vP vom 19. Januar 2007 (Bl 27 – 30 GA) wiedergegebenen Ergebnis der Erörterung des Unteraus-schusses Ärztliche Behandlung des G-BA vom 14. Dezember 2006 unterscheiden sich die Anforderungen an Vorsichtsmaßnahmen und Fachkenntnissen bei der intravitrealen Injektion nicht von denen, wie sie bei einer Vielzahl anderer Injektionen bestehen, die bisher unstrittig als bloße Applikation eines Arzneimittels angesehen wurden. Somit hat sie gegenüber der Medikation des zugelassenen Arzneimittels keine eigenständige Bedeutung als Behandlungsmethode.

bb. Die AG kann die begehrte Behandlung aber deshalb nicht als vertragsärztliche Leistung erbringen, weil die intravitreale Injektion im EBM-Ä gebührenrechtlich bis heute nicht erfasst ist. In diesem Fall darf der Vertragsarzt die Leistung gemäß § 87 Abs 2 SGB V nicht zu Lasten der Krankenkasse erbringen und ist diese außer Stande, die Leistung ihren Versicherten als Sachleistung zu gewähren. Leistungen, die in diesem Verzeichnis nicht enthalten sind, dürfen nicht zu Lasten der KKn berechnet werden. Das gilt selbst dann, wenn sie zu einer "neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode" gehören, für die der G-BA eine positive Anerken-nung gegeben hat (BSG vom 13. November 1996 – 6 RKa 31/95, BSGE 79, 239 Rn 21 ff in Juris). Entsprechendes muss für die nicht im EBM-Ä erfasste, fachlich allgemein anerkannte Applikation eines zugelassenen Arzneimittels gelten. Es besteht somit eine Versorgungslücke in dem vertragsärztlichen Sachleistungssystem.

Die Grenze der von den Gerichten zu respektierenden Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit des Bewertungsausschusses kann nach der Rspr des BSG allerdings überschritten sein, wenn dieser einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode durch die Verweigerung der Aufnahme der für ihre Anwendung unerlässlichen Leistungspositionen in den EBM-Ä die Einsetzbarkeit in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung versagt, obwohl an der medizinisch-fachlichen Eignung der Methode, ihrer Unentbehrlichkeit für eine umfassende ambulante Versorgung der Versicherten, an ihrer Wirtschaftlichkeit sowie der Finanzierbarkeit ihres Einsatzes auch unter Geltung einer begrenzten Gesamtvergütung vernünftige Zweifel nicht bestehen. Diese Grenze könne – so das BSG – etwa erreicht sein, wenn der Bewertungsausschuss trotz einer positiven Richtlinienempfehlung gemäß § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V keine Leistungspositionen für den Einsatz einer bestimmten Untersuchungs- oder Behandlungsmethode schafft, wobei dem Bewertungsausschuss im Hinblick auf die nur von ihm zu beurteilende Frage der Finanzierbarkeit bestimmter Leistungen im Gesamtvergütungssystem und wegen der Höhe der angemessenen Punktzahl ein gewisser zeitlicher Umsetzungsspielraum zuzubilligen sein dürfte (BSG vom 13. November 1996 – 6 RKa 31/95, BSGE 79, 239, Rn 24 in Juris).

Ob ein solcher, bislang in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – nicht aufgetretener Ausnahmefall hier im Hinblick auf die einzige und wissenschaftlich unumstrittene Applikations-form für ein zugelassenes Arzneimittel gegeben ist, vermag der Senat mit den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten nicht ab-schließend zu klären. Hierzu hätte es weiterer Auskünfte und Stellungnahmen des G-BA sowie der Spitzenverbände der KKn und der Kassenärztlichen Vereinigungen bedurft. Auch wäre bei Anerkennung als Kassenleistung trotz fehlender Gebührenziffer im EBM-Ä die abrechnungstechnische Rechtsfolge ungeklärt, insbesondere ob und ggfs wie eine Abrechnung auf GOÄ-Basis erfolgen kann. Das ist auch in Bezug auf die Honorarvorstellungen der von der ASt ausgewählten Ärzte von Bedeutung.

b. Der Anspruch auf Kostenübernahme für die fragliche Behandlung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Versagens des Sachleistungssystems. Denn die AG hat die im vertragsärztlichen Leistungssystem bestehende Versorgungslücke anderweitig auf eine mit der begehrten Behandlung gleichwertige und der ASt zumutbare Weise geschlossen.

aa. Dabei stellt der Senat klar, dass die ASt keinerlei Abstriche in der Qualität ihrer medizinischern Versorgung hinnehmen muss. Dies gilt auch in Ansehung der Tatsache, dass die Preisgestal-tung des Herstellers von Lucentis® der Solidargemeinschaft der Versicherten eine hohe Kostenlast aufbürdet. Es gilt ferner in Anbetracht des Umstandes, dass die Preisgestaltung des Herstellers von Lucentis® möglicherweise unter dem Gesichtspunkt der Ausbeutung einer Zwangslage (§ 138 BGB) einer rechtlichen Prüfung nicht standhält. Der Hersteller eines neuartigen Arzneimittels mit verbesserter Qualität befindet sich allerdings aufgrund seines Patentschutzes und der Arzneimittelzulassung in der Position eines Monopolinhabers, dem mit den Krankenkassen ein Vertragspartner gegenübersteht, der – zum Schutze von Leben und Gesundheit der Versicherten – gemäß § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V faktisch einem Abschlusszwang in Bezug auf innovative Arzneimittel unterliegt. Der Hersteller kann den Preis daher diktieren und braucht in der konkreten Konstellation nicht einmal den Nachweis für eine Qualitätsverbes-serung gegenüber der bisherigen (Off-Label-) Versorgung zu führen. Doch ist diesen Gesichts-punkten solange allein im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Herstellern Rechnung zu tragen, wie die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems insgesamt nicht ernstlich bedroht ist. Erst wenn das der Fall ist, was derzeit nicht festgestellt werden kann, sind zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Gesundheitsversorgung auch Abstriche in der Qualität in Betracht zu ziehen.

bb. Grundlage für einen Kostenübernahmeanspruch aus dem Gesichtspunkt des Systemversagens ist eine Gesamtanalogie der §§ 2 Abs 2 Satz 1, 13 Abs 3 Satz 1 SGB V. Gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V ist die KK grundsätzlich zur Sachleistung verpflichtet. Dies enthebt die Versicherten von der Sorge des Zugangs zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung und dem Zwang zu finanzieller Vorleistung. Ist eine KK außerstande, eine erforderliche und geschuldete Behandlung auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg als Sachleistung zu verschaffen, und kann ein Versicherter nicht darauf verwiesen werden, auf die Schließung der Versorgungslücke zu warten, gibt § 13 Abs 3 SGB V ihm ausnahmsweise das Recht, sich unaufschiebbare Leistungen auf Kosten der KK selbst zu beschaffen. In gleicher Weise muss der Versicherte verlangen können, dass die KK die Kosten einer von ihr nicht vorgehaltenen und daher vom Versicherten selbst zu beschaffenden unaufschiebbaren Leistung vorab übernimmt und unmittelbar mit dem Leistungserbringer abrechnet, wenn feststeht, dass die Leistung in jedem Fall von ihr zu gewähren ist (BSG vom 3. April 2001 – B 1 KR 40/00 R, BSGE 88, 62).

cc. Entscheidend ist somit, ob aufgrund der Lücke im vertragsärztlichen Leistungssystem ein Mangel in der von der Beklagten zu gewährleistenden Krankenversorgung besteht und ggfs die von der ASt begehrte, bislang noch nicht erbrachte Leistung in jedem Fall von der AG zu gewähren ist. Daran bestehen bei summarischer Prüfung Zweifel.

Die AG hat die Lücke im vertragsärztlichen System durch eine anderweitige "Interimsversor-gung" ("bis zur Aufnahme der Leistung in den EBM-Ä") außerhalb dieses Systems geschlossen, indem sie mit den beteiligten Krankenhausträgern bzw dem Universitätsklinikum H. entsprechende Verträge einging. Diese Verträge stellen die von der KK zu gewährleistende Kranken-versorgung (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB V) sicher und beachten den Gesetzesvorbehalt in § 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sowie die Beschränkung der Sozialleistungsträger auf ihren Aufgabenbereich (§ 30 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IV). Ob sie einer rechtlichen Prüfung anhand der §§ 53 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) standhalten, vergaberechtlich wirksam zustande gekommen sind und die Berufsausübungsfreiheit niedergelassener Augenärzte sowie gewerbliche Rechte der Herstellerin von Lucentis® beachten, kann und muss im vorliegenden Verfahren dahinstehen. Hierdurch werden zu Gunsten der ASt bestehende Schutzrechte nicht berührt (zur Frage der freien Arztwahl vgl unten (3)).

Der Senat kann nicht feststellen, dass die von der AG gewährleistete "Interimsversorgung" eine Versorgungslücke enthält. Diese ist mit der begehrten Behandlung (zumindest) gleichwertig und ihre Inanspruchnahme der ASt zuzumuten. Die Versorgung entspricht in Qualität und Wirksam-keit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und berücksichtigt den medizinischen Fortschritt (dazu (1)) und beachtet insbesondere das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V (dazu (2)). Das Recht auf freie Arztwahl oder sonstige Gesichtspunkte stehen der Zumutbarkeit nicht entgegen (dazu (3)).

(1) Die vertraglich vereinbarte Leistung entspricht in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und berücksichtigt den medizinischen Fortschritt (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V). Sie ist mit der von der ASt gewünschten Behandlung nahezu identisch und unter den Gesichtspunkten Qualität und Wirksamkeit mindestens gleichwertig. Das Arzneimittel und seine Applikationsart stimmen überein. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass dieses in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und den medizinischen Fortschritt berücksichtigt. Dies steht in Einklang mit der einhelligen Meinung in der medizinischen Fachliteratur.

Die von der ASt beanstandete Auseinzelung der Einzeldosis auf zwei Portionen durch die Universitätsapotheke stellt zur Überzeugung des Senats unter den hier gegebenen Umständen eine gegenüber der begehrten Behandlung gleichwertige und leistungsgerechte Versorgung dar. Dies bestätigen die eingeholten Auskünfte, die von den Beteiligten vorgelegten und vom Senat recherchierten fachmedizinischen Stellungnahmen und die Aussage der sachverständigen Zeugin St.

Die Auseinzelung erfolgt in zulässiger Weise nach den dafür bestehenden hohen Sicherheitsan-forderungen durch eine hierzu ermächtigte Fachapotheke. Bei der Universitätsapotheke H. des Klinikums der M-L-Universität H/W handelt es sich um eine Einrichtung, die im Rahmen ihrer Betriebserlaubnis berechtigt ist, alle Arzneiformen (steril, unsteril, Zytostatika, Infusionslö-sungen etc) herzustellen. Als Krankenhausapotheke unterliegt sie in Sachsen-Anhalt der Aufsicht des Landesverwaltungsamtes. Die Auseinzelung von Arzneimitteln im Rahmen der Zytostatikaherstellung ist zur Überzeugung des Senats ein routinemäßiger Vorgang für die Krankenhausapotheke. Dies gilt auch speziell für Lucentis®. Nach schriftlicher Auskunft der Fachapothekerin für klinische Pharmazie St und ihrer Aussage vor dem Senat sind in der Universitätsapotheke allein im Jahre 2009 über 23.500 individuelle Zytostatikazubereitungen hergestellt worden, zu denen auch Lucentis gehört.

Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass die Zubereitung der Einzeldosen Lucentis® durch die Klinikapotheke auch im Detail die höchstmögliche Sicherheit der Patienten gewährleistet. Nach den Angaben der Zeugin St wird die Herstellung von ihr vorbereitet und erfolgt in einem separaten Bereich mit der höchsten von mehreren gestaffelten Sicherheitsstufen (A,B,C und sog. "schwarzer Bereich") unter sterilen Sicherheitswerkbänken (Marke: Herasafe), unter Validierung der herstellenden Mitarbeiter, täglichen mikrobiologischen Kontrollen und kontinuierlichem Partikelmonitoring in den Werkbänken. Einrichtung und Verfahren entsprächen den aktuellen Richtlinien zur Guten Herstellungspraxis (EU-GMP-Richtlinien). Dabei bekundete die Zeugin auf ausdrückliche Nachfrage des Senats, dass aus der Füllung einer Lucentis®-Flasche immer nur zwei Einzeldosen gefertigt und Reste stets verworfen würden. Die Zubereitung der Spritzen erfolge in der angeforderten Anzahl "tagfrisch" um 7.30 Uhr; diese würden einzeln in sterile Beutel verpackt, um ca 8.00 Uhr in einer verblompten Zytostatikakiste zum OP transpor-tiert und dort kühl gelagert, sofern sie nicht sogleich verabreicht würden. Eine Herstellung erfolge nicht für einen längeren Anwendungszeitraum als acht Stunden; Bedenken bestünden nach ihrer Einschätzung erst ab 24 Stunden. Damit scheiden etwaige Gefahren aus, die von einem sog. Pooling des monoklonalen proteinhaltigen Medikaments oder seiner längeren Verweildauer außerhalb der Durchstechflasche im Kontakt mit anderen Oberflächen ausgehen könnten. Dem entspricht es, dass die Zeugin dem Herstellvorgang im Vergleich zu anderen Zubereitungen keine besondere Schwierigkeit beimaß und angab, dass es ihrer Kenntnis nach im Zusammenhang mit der Auseinzelung von Lucentis® nicht zu nachteiligen Veränderungen gekommen sei.

Die Auskünfte des PEIs vom 9. Juli 2008 (Bl 92 f GA) und vom 14. April 2010 (Bl 353 - 355) stehen diesen Feststellungen nicht entgegen. Zwar wird darin auf die Parenteralia Monographie 01/2008:0520 der Europäischen Pharmakopöe verwiesen, wonach Arzneimittel zur intravitrea-len Anwendung in Behältnissen zur Einzeldosierung abzugeben sind, da sie keine antimikrobiel-len Bestandteile enthalten. Weiter weist das PEI darauf hin, dass die Zulassung von Ranibizumab (Wirkstoff von Lucentis) sich lediglich auf den einmaligen Gebrauch bezieht und eine Entnahme von Teilmengen nicht vorgesehen sei. Die Füllmenge sei auf Veranlassung der EMA aus diesem Grund auf 0,23 ml verringert worden. Diese Angabe in der Fachinformation bezieht sich aber auf die Anwendung des Fertigarzneimittels durch den Arzt. Sie beinhaltet keine Beschränkung einer hierzu ermächtigten Apotheke in Bezug auf eine nach den Regeln der Guten Herstellungspraxis vorgenommene Umfüllung oder Neukonfektionierung. Insoweit verweist das PEI zutreffend darauf, dass die Entnahme von Teilmengen aus einer Stammlösung eine besonders sorgfältige Arbeitsweise erfordere, um eine sterile Injektion herzustellen und so eine bakterielle Infektion des Auges zu verhindern. Diese Bedingungen sind in der Universitätsapotheke H. , wie soeben dargelegt, gewährleistet.

Allerdings findet eine begleitende Untersuchung von Stabilität indizierenden Parametern, wie sie das PEI angeregte, nach Angaben der Zeugin St in der Klinikapotheke nicht statt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das PEI, wie es selbst ausführt, nur für Fertigarzneimittel zuständig ist, nicht für die Einzelherstellung in einer Apotheke. Bei Fertigarzneimitteln ist gerade die Haltbar-keit problematisch. Zum Risiko einer Auseinzelung durch eine Apotheke in zwei steril verpackte Einzeldosen zur Anwendung am selben Tag trifft das PEI demgemäß keine Aussage. Die angeregte Qualitätskontrolle mag auch hier zusätzliche Sicherheit bieten und künftig in den Herstellungsprozess einzubeziehen sein. Bei Einhaltung der von der Zeugin geschilderten, alle Sicherheitsstandards beachtenden und tagaktuellen Vorgehensweise einer zur Auseinzelung ermächtigten Apotheke erscheint sie jedoch nicht unverzichtbar.

Auch das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen hat in seinem Schreiben vom 8. Mai 2009 an die Interessenvereinigung PRO RETINA (Bl 34 f. d. A. GA) demgemäß sogar den seit mehreren Jahren verbreitet praktizierten Off-Label-Use von Avastin® zur Behandlung der feuchten AMD bei Einhaltung bestimmter Bedingungen toleriert. Dieses Mittel wird, wie oben dargelegt, nicht in zweifach, sondern in vielfach ausgeeinzelter Form angewendet. Nach Auskunft des Dr. H wird es darüber hinaus außerhalb der Indikation feuchte AMD intravitreal weiter off-label eingesetzt. Ausweislich eines den Beteiligten mitgeteilten Telefonvermerks (Bl 337 GA) hat er gegenüber dem Vorsitzenden des Senats am 13. April 2010 dargelegt, dass in seiner Praxis seit 2007 regelmäßig von einer Fachapotheke ausgeeinzeltes Lucentis® gespritzt würde und er bereits mehrfach in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Augenärztlichen Genossenschaft Sachsen-Anhalt entsprechende Vereinbarungen mit KKn geschlossen habe. Verunreinigungen seien in keinem Fall aufgetreten, die von Seiten der Fachapotheke getroffe-nen Vorkehrungen seien sicher.

Damit steht in Einklang, dass die von den Beteiligten vorgelegten wie auch vom Senat recher-chierten fachärztlichen Publikationen übereinstimmend berichten, dass bis heute unerwünschte Nebenerscheinungen bei der Anwendung von Avastin® nicht in einer Weise aufgetreten seien, die sich von den Nebenerscheinungen bei der Anwendung des Arzneimittels Lucentis® unterscheiden. Diese Feststellungen finden sich in dem Beitrag der Deutschen Ophthalmologi-schen Gesellschaft zur aktuellen therapeutischen Möglichkeit bei der feuchten AMD (Der Ophthalmologe 2007, 628 ff. = Bl 10 f. GA) sowie in der gemeinsamen "Aktuellen Stellungnah-me zu neuen Aspekten in der Therapie der neovaskulären altersabhängigen Makuladegenerati-on" der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, der Retinologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands, Stand: März 2009. Dort heißt es auf Seite 4: "Es kann auch als gesichert gelten, dass sich das Infektionsrisiko nach intravitrealer Applikation von Bevacizumab bei Einhaltung üblicher Standards nicht von dem Risiko anderer intravitreal applizierter Medikamente unterscheidet." Weiter heißt es auf Seite 6 unten zu Bevacizumab (Avastin®) im Vergleich zu Ranibizumab (Lucentis®): " wobei nach heutigen Kenntnisstand davon ausgegangen werden kann, dass das kurzfristige Risiko der intravitrealen Injektion (zB Infektionsrisiko) bei sachgerechtem Umgang gleich niedrig ist." Diese für die Vielfach-Auseinzelung von Avastin® getroffenen Aussagen gelten erst recht für die nur zweifache Auseinzelung von Lucentis®.

Die letztgenannte fachärztliche Stellungnahme erging in Kenntnis der vereinzelten Berichte über aufgetretene Verunreinigungen bei intravitrealer Injektion von VEGF-Hemmern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine intravitreale Injektion stets mit Risiken behaftet ist und eine Abwägung mit dem zu erwartenden Nutzen erfordert. Soweit ersichtlich handelte es sich bei den Vorfällen im Übrigen nicht um Auseinzelung von Arzneimitteln unter den hier gegebenen Sicherheitsstandards einer zur Herstellung sämtlicher Arzneimittelformen ermächtigten Fachapotheke eines Universitätsklinikums.

Bei diesem Bild vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die von der ASt gewünschte Behandlung der von der AG angebotenen überlegen ist. Die Auseinzelung durch die Universitätsapotheke erfolgt zur Überzeugung des Senats äußerst sorgfältig und professionell und hält die gebotenen hohen Sicherheitsstandards ein.

(2) Die von der AG vorgehaltene Krankenbehandlung erfüllt auch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V.

(a) Nach § 12 Abs 1 SGB V müssen die Leistungen der GKV ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Danach kann eine Behandlung von der Leistungspflicht der Krankenkassen generell oder im Einzelfall ausgeschlossen sein, soweit eine andere wirkungsvollere Behandlungsmöglichkeit besteht (BSG vom 5. Juli 1995 – 1 RK 6/95, BSGE 76, 194 – Remedacen).

Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) in diesem Sinne grundsätzlich nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn die nach § 21 Abs 1 Arznei-mittelgesetz (AMG) erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung dafür fehlt, sie für die vorgesehene Anwendung in den Verkehr zu bringen (st Rspr, vgl zB BSG vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R, BSGE 96, 153, Rn 22 mwN - D-Ribose; BSG vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 R, BSGE 97, 112 Rn 15 - Ilomedin). Denn ohne bzw außerhalb ihrer Zulassung fehlt es an der Feststellung ihrer Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies gilt ungeachtet der arzneimittelrechtlichen Zulässigkeit der Off-Label-Anwendung im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit. Ein Arzneimittel kann daher auch dann, wenn es zum Verkehr zugelassen ist, zu Lasten der Krankenversicherung grundsätzlich nicht in einem Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt. Davon kann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn es bei einer schweren Krankheit keine Behandlungsalternative gibt und nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis die begründete Aussicht besteht, dass mit dem Medikament ein Behandlungserfolg erzielt werden kann (zulässiger "Off-Label-Use", st Rspr, vgl BSG vom 19. März 2002 – B 1 KR 37/00 R, NJW 2003, 460 – Sandoglobulin).

(b) Diese Voraussetzungen der Wirtschaftlichkeit erfüllt die von der AG gebotene Behandlung. Entgegen der Auffassung der ASt handelt es sich nicht um einen unzulässigen Off-Label-Use, wenn von einer Apotheke der Universitätsklinik ausgeeinzeltes Lucentis® unmittelbar durch den Krankenhausarzt verabreicht wird.

Was unter Off-Label-Use zu verstehen ist, ist bislang weder gesetzlich noch in der Rechtspre-chung abschließend geklärt. In Betracht kommen Überschreitungen des jeweils von der Zulassung umfassten Anwendungsgebietes, der Altersgruppen oder des Geschlechts, der Anwendungsart und -dauer und der Dosierung sowie die Negierung von Kontraindikationen (vgl Plate/Nies/Behles/Schweim, A&R 2008, 261 ff mwN). Die hier praktizierte Anwendung von Lucentis® stellt keine der vorgenannten Überschreitungen dar. Das Arzneimittel wird in seinem sachlichen und persönlichen Anwendungsgebiet zulassungskonform unter Beachtung von Anwendungsdauer, Dosierung und Kontraindikation appliziert. Es liegt insbesondere weder eine Abweichung von der zugelassenen Dosierung (dazu (aa)) noch von der zugelassenen Anwen-dungsart vor (dazu bb)).

(aa) Die in der Fachinformation für Lucentis® angegebene Dosis von 0,05 ml wird durch die Auseinzelung nicht unterschritten. Nach Auskunft der Apothekerin der Universitätsapotheke des Universitätsklinikums H. St vom 7. April 2010 werden dabei in einem Arbeitsgang aus einer 0,23-ml-Durchstechflasche Lucentis® unter Verwendung der beigefügten Originalfilterkanüle und einer 1ml-Spritze zwei mit den Kanülen 27G½ versehene Tuberkulinspritzen ohne Luftpols-ter mit jeweils 0,05 bis 0,06 ml Lucentis®-Lösung befüllt, steril verpackt und zum Gebrauch am selben Tage in den OP gegeben. Wie die sachverständige Zeugin St in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläuterte, lässt sich der Durchstechflasche mithilfe der beigefügten Spritze und Filterkanüle ca 1,6 ml des Arzneimittels entnehmen. Das stimmt mit dem von der ASt (in einer Zusammenfassung) vorgelegten Gutachten der L-M-Universität in M überein. Aus dem Spritzenzylinder lässt sich mithilfe der vom Senat in Augenschein genommenen feinen Tuberkulinspritzen, deren Kanülen fest mit dem Spritzenzylinder verbunden sind und die nur ein ganz geringes Totraumvolumen aufweisen, leicht die erforderliche Menge von 2 x 0,05 ml entnehmen. Es verbleibt nach Aussage der Zeugin St außerdem ein Rest im Zylinder der 1-ml-Spritze, der verworfen wird. Dem steht das Gutachten der L-M-Universität in M nicht entgegen. Die darin getroffenen Feststellungen gelten ausdrücklich nur "unter Standardbedingungen". Was darunter zu verstehen ist, kann der mitgeteilten Zusammenfassung nicht entnommen werden.

(bb) Die Auseinzelung des nach der Fachinformation "zum einmaligen Gebrauch" vorgesehenen Inhalts der Durchstechflasche in zwei Einzeldosen stellt keine Abweichung von der Anwendungsart iSv § 22 Abs 1 Nr 12 Arzneimittelgesetz (AMG) dar. Die eigentliche Anwendungsart, nämlich die intravitreale Injektion, wird nicht verändert. Der Hinweis in der Fachinformation betrifft vielmehr eine Vorsichtsmaßnahme iSv § 11a Abs 1 Satz 2 Nr 4 Buchst. d AMG. Wollte der Hersteller in dieser Hinsicht eine Änderung einführen, träfe ihn allenfalls gemäß § 29 Abs 2a Nr 1 AMG eine Pflicht zur Anzeige, nicht aber zur Beantragung einer Neuzulassung.

Zudem wenden sich die Angaben in der Fachinformation insoweit an den Anwender, hier also den Arzt. Sie beschränken nicht eine hierzu nach Maßgabe der §§ 6, 26 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ermächtigte Apotheke darin, Auseinzelungen aus einem für den einmaligen Gebrauch vorgesehenen Fertigarzneimittel vorzunehmen. Zu einer solchen Vornahme ist die Universitätsapotheke allgemein berechtigt. Sie wird dadurch zum Hersteller des Arzneimittels. Bei der Entnahme von Teilmengen (Auseinzelung) handelt es sich gemäß § 4 Abs 14 AMG um die Herstellung eines Arzneimittels. Die Abgabe von Teilmengen zur unmittelbaren Anwendung durch den Arzt an Patienten des Krankenhauses ist zulässig (Pfeil, Apothekenbetriebsordnung, § 26 Rn 2) und entspricht täglicher Praxis, wie die Zeugin St bekundete (im Jahre 2009 allein über 23.500 individuelle Zytostatikzubereitungen). Der Krankenhausarzt wendet somit ein zulässiges und nach den Regeln der Guten Herstellungspraxis hergestelltes Medikament an.

(c) In der Anwendung eines in dieser Weise ausgeeinzelten, zugelassenen Arzneimittels innerhalb seines Anwendungsgebietes liegt auch nicht eine neue Behandlungsmethode, die gemäß § 135 SGB V der Empfehlung des G-BA bedürfte. Die Krankenkassen dürfen ihren Versicherten allerdings eine neuartige Therapie mit einem Rezepturarzneimittel, die vom G-BA bisher nicht empfohlen ist, grundsätzlich nicht gewähren, weil sie an das Verbot des § 135 Abs 1 S 1 SGB 5 und die das Verbot konkretisierenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gebunden sind (vgl BSG vom 23. Juli 1998 - B 1 KR 19/96 R, BSGE 82, 233; BSG vom 27. März 2007 – B 1 KR 30/06 R, SGb 2007, 287). Durch das Erfordernis der vorherigen Prüfung und Anerkennung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden soll die Qualität nicht nur der ärztlichen Leistungen im engeren Sinne, sondern aller für die vertragsärztliche Versorgung relevanten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen gewährleistet werden (BSG vom 23. Juli 1998 – B 1 KR 19/96 R, BSGE 82, 233, 238). Deshalb sind zumindest solche Pharmakotherapien der Kontrolle durch den G-BA zu unterwerfen, bei denen das eingesetzte Medikament keiner arzneimittelrechtlichen Zulassung bedarf, weil andernfalls die Qualitätsprüfung bei neuen Behandlungsmethoden lückenhaft bliebe und die gesetzliche Regelung teilweise leerliefe. Umgekehrt kann aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung auf die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV geschlossen werden, wenn die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels geprüft wurden (BSG vom 5. November 2008 – B 6 KA 63/07 R, GesR 2009, 539).

Danach bedarf es bei der hier von der AG angebotenen Behandlungsform einer Empfehlung des G-BA nicht. Es handelt sich allein aufgrund der Auseinzelung des zugelassenen Arzneimittels durch die hierzu autorisierte Fachapotheke nicht um eine neuartige Therapie wie bei einem Rezepturarzneimittel. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des ausgeeinzelten Arzneimittels sind geprüft. Die Qualität der ärztlichen Leistungen und aller für die vertragsärztliche Versorgung relevanten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sind durch die Zulassung des Arzneimittels und seine zulassungskonforme Anwendung gewährleistet. Die Einhaltung der Arzneimittelsicherheit bewirken im Übrigen die von den Fachapotheken einzuhaltenden Standards sowie die Regeln der Guten Herstellungspraxis.

(3) Die Leistung ist der ASt auch im Übrigen zumutbar. Zwar wird sie bei der von der AG gebote-nen Versorgung in einer freien Arztwahl beschränkt. Doch gewährleistet das SGB V die freie Arztwahl nicht uneingeschränkt. Der Versicherte kann grundsätzlich nur diejenigen Ärzte in Anspruch nehmen, die durch Zulassung und Ermächtigung berechtigt sind, an der Versorgung teilzunehmen (§§ 95 Abs 1 Satz 1, 76 Abs 2 SGB V). Auch unter diesen Ärzten hat der Versicherte nicht eine uneingeschränkte Wahl, sondern muss Gebietsbezeichnungen und weitere Begrenzungen der jeweiligen Zulassungsinstanzen und der Kassenärztlichen Vereinigungen hinnehmen. Darüber hinaus können bestimmte Behandlungsmethoden mit besonderen Anforderungen, wozu nach den Herstellerangaben von Lucentis® auch die intravitreale Injektion gehört, nur von Ärzten mit ausreichender Kenntnis und Erfahrung angewendet werden.

Hiervon ausgehend ist die von der AG getroffene Regelung im Hinblick auf eine Beschränkung der freien Arztwahl nicht zu beanstanden. Sie schließt gerade, wie dargelegt, eine im vertragsärztlichen System bestehende Regelungslücke und ermöglicht so eine Behandlung. Eine daraus resultierende Beschränkung der Arztwahl in Bezug auf niedergelassene Ärzte kann der AG nicht vorgehalten werden. Denn diese hat, wie Dr. H ausweislich des Telefonvermerks am 13. April dem Vorsitzenden des Senats mitgeteilt hat, zuvor versucht, mit der Augenärztlichen Genossenschaft Sachsen-Anhalt eine Vereinbarung über die Anwendung von Lucentis® zu treffen, was an unterschiedlichen Vergütungsvorstellungen scheiterte. Im Übrigen erscheint es auch sonst sachgerecht, einen nur unter besonderen Bedingungen durchführbaren Eingriff wie die intravitreale Injektion (vgl "Aktuelle Stellungnahme ", Stand März 2009, aaO, S 8-9), der besondere Erfahrung und Kenntnisse erfordert, bis zur Schließung der Lücke bestimmten augenärztlichen Zentren zuzuweisen, in denen die hierfür auch ausweislich der Fachinformation zu Lucentis® notwendige Ausstattung und Erfahrung gewährleistet ist. Dies gilt insbesondere, wenn Komplikationen zu erwarten sind oder – wie im Fall der ASt – die Sehfähigkeit auf dem Partnerauge ebenfalls stark eingeschränkt ist.

Auch ein langjähriges Vertrauensverhältnis zu einem der von der ASt benannten Augenärzte könnte eine Versorgungslücke nicht begründen und besteht im Übrigen ersichtlich nicht. Die Ärzte Dr. H und Kollegen wurden der ASt von ihrem behandelnden Augenarzt C L empfohlen. Sie haben die ASt erst zweimal untersucht (2008, 2009); bei dem Augenarzt C L befindet sich die ASt ebenfalls erst seit dem 29. November 2007 in Behandlung. Dass ihr aus sonstigen Gründen eine Behandlung durch die Augenärzte in den von der AG vertraglich gebundenen Einrichtungen nicht zuzumuten wäre, hat die ASt hat im Übrigen nicht vorgetragen. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.

Schließlich ist auch der Gesichtspunkt einer möglicherweise infolge der Auseinzelung entfallen-den Haftung des pharmazeutischen Unternehmers (hier Novartis) aus § 84 AMG von unterge-ordneter Bedeutung. Im Vordergrund steht die ordnungsgemäße Behandlung. Zudem trifft den Träger der herstellenden Universitätsapotheke jedenfalls die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz.

2. Unter Berücksichtigung der erheblichen Zweifel am Bestehen eines Anspruchs in der Hauptsa-che ist nach Auffassung des Senats der Erlass der einstweiligen Anordnung nicht iSv § 86b Abs 2 Satz 2 SGG zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der von der AG geschaffenen Versorgungsform. Auch eine Folgenabwägung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der ASt führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

a. Die ASt kann allerdings nicht darauf verwiesen werden, mit einer Behandlung der feuchten AMD bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens zu warten. Diese dürfte noch Jahre erfordern. Inzwischen droht, wie durch Attest des behandelnden Augenarztes C L glaubhaft gemacht ist und von der AG nicht in Abrede gestellt wird, ein vollständiger Verlust der Sehkraft auf dem linken Auge. Die ASt hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass eine solche Behandlung zwischenzeitlich noch nicht stattgefunden hat. Auch dürfte nach der Art der Erkrankung eine Besserung der Sehkraft, die eine Behandlung entbehrlich machte, auszuschließen sein. Deshalb kann darüber hinweg gesehen werden, dass die ASt sich in den letzten sechs Monaten vor der mündlichen Verhandlung nicht mehr in augenärztlicher Behandlung befunden hat. Der Verlust der Sehkraft wäre umso einschneidender, als die ASt auf dem Partnerauge aufgrund einer Amblyopie ohnehin nur "Handbewegungen" wahrnehmen kann. Auch kann die ASt die erstrebte Behandlung nicht zunächst auf eigene Kosten durchführen lassen. Dies lässt ihre durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachte wirtschaftliche Lage nicht zu.

b. Doch kann die ASt darauf verwiesen werden, die von der AG angebotene Behandlung im Universitätsklinikum H. solange in Anspruch zu nehmen, bis der Rechtsstreit in der Hauptsache entschieden ist. Die gebotene Folgenabwägung steht dem nicht entgegen.

aa. Der Ast steht, wie oben dargelegt, jedenfalls im Universitätsklinikum H. eine gleichwertige und leistungsgerechte Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse zur Verfügung. Auf die Ausführungen oben wird Bezug genommen. Die Beschränkung in der freien Arztwahl wiegt nicht schwer. Darüber hinaus spricht viel dafür, dass die angebotene Versorgung der von der Ast gewünschten Versorgung überlegen ist, da die gebündelte ärztliche Erfahrung sowie die Ausstattung in einem Universitätsklinikum oder der Augenklinik eines Krankenhauses idR bei niedergelassenen Ärzten nicht ohne weiteres zu erwarten ist.

Unter diesen Umständen spricht kein ausreichend gewichtiger Grund dafür, der Ast im Wege der einstweiligen Anordnung eine Behandlung zu höheren Kosten zu gewähren, die keine qualitative Verbesserung beinhaltet.

bb. Auch die gebotene Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der ASt steht damit in Einklang. Bei der ASt besteht wegen der Amblyopie auf dem Partnerauge die Gefahr einer nahezu vollständigen Erblindung, falls es durch die Behandlung auf dem rechten Auge zu einer Endophtalmitis kommt. Eine Erblindung stellt eine einschneidende und irreversible Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit iSd Art 2 GG dar. Dieser Gefahr trägt die von der AG gebotene Behandlung aber – wie oben ausgeführt – zumindest in gleichwertiger Weise Rechnung wie die von der Ast gewünschte Behandlung. Die ASt wird auf Grund einer solchen Versorgung allein in der freien Wahl ihres Arztes eingeschränkt. Dieser – hier nicht sonderlich schwerwiegende – Nachteil ist von ihr hinzunehmen. Dies gilt jedenfalls, solange es sich bei der fehlenden gebührenrechtlichen Erfassung der intravitrealen Injektion und damit ihrem Ausschluss aus der kassenärztlichen Versorgung nur um einen vorübergehenden Zustand handelt und die von der AG geschaffene Versorgung auch tatsächlich eine "Interimsversorgung" bleibt. Insbesondere ist es nicht gerechtfertigt, allein zur Vermeidung dieses Nachteils der AG das Risiko aufzubürden, im Falle ihres Obsiegens im Hauptsacheverfahren die nicht unerheblichen erhöhten Behandlungskosten ohne realistische Aussicht auf Erstattung tragen zu müssen. Umgekehrt erhält die ASt mit der von der AG gebotenen Versorgung eine gleichwertige Krankenbehandlung. Dieser ganz wesentlich im Vordergrund stehende Aspekt führt daher nicht zu einem ins Gewicht fallenden Nachteil, wenn die ASt am Ende im Hauptsacheverfahren obsiegen sollte.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 177 SGG).

gez. Quecke gez. Dr. Ulmer gez. Dr. Waßer
Rechtskraft
Aus
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