Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 AS 1654/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 316/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerinnen gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. April 2010 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin zu 1) vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache monatlich 359,00 Euro ab dem 29. März 2010 bis einschließlich 30. April 2011 zu gewähren.
Der Antrag der Antragstellerin zu 2) wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin zu 1) 3/5 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Außergerichtliche Kosten der Antragstellerin zu 2) sind nicht zu erstatten.
Der Antragstellerin zu 1) wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 8. November 2010 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G gewährt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Erstmals am 29. Mai 2006 beantragte die am 1970 geborene Antragstellerin zu 1) für sich und ihre am 1991 geborene Tochter (Antragstellerin zu 2) Hilfe zum Lebensunterhalt bei der Antragsgegnerin. Anspruch auf Arbeitslosengeld bestand nach einem Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 1. Juni 2006 nicht. Die Antragstellerin zu 1) erklärte, dass sie eine Wohnung von 58 qm bewohne, für die sie keine Heizkosten geltend mache, da sie Holz sammle und geschenkt erhalte. Der hierzu vorgelegte Mietvertrag vom 1. August 2002 wies eine Miete von 200 Euro einschließlich Strom aus, die in bar zu entrichten war. Die Antragstellerin zu 1) erhielt zu diesem Zeitpunkt Kindergeld auf das Konto des Herrn E R ... (Vater der Antragstellerin zu 1) ausgezahlt. Die Antragsgegnerin bewilligte den Antragstellerinnen mit Bescheid vom 3. Juli 2006 erstmals ab dem 26. Mai 2006 Arbeitslosengeld II (Alg II).
Am 1. Februar 2008 meldete die Antragstellerin zu 1) eine Tätigkeit als Feuerwerkerin zum Gewerbe an.
Am 11. Juni 2009 stellte die Antragstellerin zu 1) erneut einen Antrag auf Weiterbewilligung des Alg II und erklärte, dass in ihren Verhältnissen keine Veränderungen eingetreten seien. Ihre Einnahmen aus der selbständigen Beschäftigung schätzte sie auf einen im Zeitraum vom Mai 2009 bis Oktober 2009 kumulierten Gewinn von 530 Euro. Die Antragsgegnerin bewilligte den Antragstellerinnen mit Bescheid vom 15. Juli 2009 vorläufig Alg II ab Mai 2009 bis zum Oktober 2009 in Höhe von zuletzt 682 Euro monatlich.
Am 18. August 2009 erklärte ein nicht namentlich bekannter Anrufer bei der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin zu 1) und ihr Vermieter Herr W seit Jahren als Paar zusammenleben. Die Antragstellerin zu 1) lebe zudem nicht in der von ihr gemieteten Wohnung, sondern mit der Antragstellerin zu 2) bei dem Herrn W im Wohnwagen. Die Antragstellerin zu 2) sei die Tochter des Herrn W. Das Gewerbe übten sie gemeinsam aus.
Die Antragsgegnerin verlangte sodann von der Antragstellerin zu 1) die Geburtsurkunde der Tochter zu übersenden (Schreiben vom 18. August 2009). Bei einem Besuch von Mitarbeitern der Antragsgegnerin bei den Antragstellerinnen am 3. September 2009 wurde die Wohnung besichtigt.
Aufgrund nicht vorgelegter Urkunden zur Abstammung der Antragstellerin zu 2) versagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5. Oktober 2009 die weiteren Leistungen für die Antragstellerinnen, was die Antragsgegner sodann wieder rückgängig machte.
Am 19. Januar 2010 reichte die Antragstellerin zu 1) erneut einen Antrag auf Weiterbewilligung des Alg II ab dem November 2009 ein und erklärte, dass sich ihre Verhältnisse nicht geändert haben. Ihren voraussichtlichen Gewinn aus der selbständigen Beschäftigung schätzte die Antragstellerin zu 1) im Zeitraum vom November 2009 bis April 2010 auf höchstens 90 Euro monatlich. Darüber hinaus werde in der Bedarfsgemeinschaft mit der Antragstellerin zu 2) nur noch Kindergeld in Höhe von 164 Euro eingenommen.
Die Antragsgegnerin teilte mit Schreiben vom 2. März 2010 mit, dass der Antrag noch nicht entschieden werden konnte, weil Unterlagen zum Verdienst noch nicht vorgelegen haben.
Am 15. März 2010 teilte bei der Antragsgegnerin eine nicht namentlich bekannte Person mit, dass die Antragstellerin zu 1) seit mehreren Jahren die Partnerin des Herrn W sei und bei ihm in R lebe. Das Gebäude in der M straße sei unbewohnt. In der Folge führten die Mitarbeiter der Antragsgegnerin Gespräche mit dem Gewerbeamt und dem Eigenbetrieb Märkte der Stadt E , den Stadtwerken, der Abfallwirtschaft und dem Einwohnermeldeamt.
Mit Schreiben vom 17. März 2010 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin zu 1) mit, dass noch keine Entscheidung zum Antrag getroffen worden sei, da noch geprüft werden müsse, ob sie mit Herrn W in einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft lebe. Sie bitte um Vorlage der Anlagen zum Einkommen und Vermögen des Herrn W und die Vorlage der eigenen Erklärung EKS und der Einkommensteuerbescheide der Jahre 2006 bis 2008 sowie der Nachweise der Mietzahlungen. Die Antragstellerin zu 1) solle am 30. März 2010 bei ihr erscheinen. Sofern die Nachweise nicht beigebracht werden, werde die Leistung ganz versagt. Entsprechende Nachweise gingen bei der Antragsgegnerin nicht ein.
Am 9. April 2010 stellten die Antragstellerinnen einen Antrag auf Weiterbewilligung des Alg II und gaben an, dass bis auf die Erhöhung des Kindergeldes auf 184 Euro keine Veränderung eingetreten sei. Die Antragstellerin zu 1) schätzte ihren Gewinn im Abschnitt von Mai bis Oktober 2010 auf insgesamt 500 Euro.
Mit Bescheid vom 21. April 2010 versagte die Antragsgegnerin die Leistungen der Antragstellerinnen, weil die nach dem Schreiben vom 17. März 2010 vorzulegenden Unterlagen nicht eingereicht worden seien. Dadurch sei die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert worden. Eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen habe nicht erfolgen können. Von dem Ermessen sei Gebrauch gemacht worden. Zu Gunsten der Antragstellerinnen sprächen keine Ermessensgesichtspunkte. Nach Abwägung mit dem gesetzlichen Zweck sowie dem öffentlichen Interesse sei die Entscheidung in dieser Form zu treffen gewesen.
Bereits am 29. März 2010 hat die Antragstellerin zu 1) "als Vertreterin der BG A und V R " bei dem Sozialgericht Halle (SG) um vorläufigen Rechtsschutz wegen der Auszahlung der "gesamten Grundsicherungsleistungen ab November 2009, hilfsweise ab März 2010" nachgesucht: Sie erhielten seit November 2009 kein Alg II und sie könne ihre Miete nicht zahlen. Sie lebe mit Herrn W nicht zusammen und könne die verlangten Unterlagen zu seinem Einkommen und Vermögen nicht vorlegen, weil er kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei.
Mit Beschluss vom 9. Juli 2010 hat das SG nach Beweisaufnahme den Antrag abgelehnt: Eine einstweilige Anordnung sei nicht zu treffen, weil für die Zeit vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens kein Eilbedürfnis vorliege und im Übrigen kein Anspruch auf die Leistungen hinreichend glaubhaft gemacht worden sei. Die Antragstellerin habe nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Wohnung in der M ... straße in E. Dagegen spreche, dass nahezu kein Strom- und Wasserverbrauch belegt sei. Auch die Abfallentsorgung sei erst seit April 2010 zweimal im Monat glaubhaft, was aber auch durch bloßes Abstellen an der Straße herbeigeführt werden könne. Zuvor seien keine Tonnen geleert worden. Die nicht vernommenen und von der Antragstellerin zu 1) angebotenen Zeuginnen hätten zur Wahrnehmung der Streupflicht aussagen sollen, was aber nicht für einen gewöhnlichen Aufenthalt spreche. Es seien auch nur präsente Zeugen zu vernehmen. Die Erkenntnisse aus dem Hausbesuch seien nur geeignet, den Zustand der Wohnung zu belegen und seien nur ein Indiz für die Nutzung der Wohnung. Zur Zahlung der Miete habe die Antragstellerin widersprüchliche Angaben gemacht.
Gegen den ohne Rücklauf des Empfangsbekenntnisses zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin zu 1) am 2. August 2010 Beschwerde erhoben: Das SG habe nicht dargelegt, wo ihr gewöhnlicher Aufenthalt sei. Es sei auch notwendig gewesen, die angebotenen Zeuginnen zu hören. Im Übrigen komme es auf die derzeitige Wohnsituation und nicht die Verbräuche der Vergangenheit an. Ob eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Herrn W vorliege, sei gar nicht thematisiert worden. Die Antragstellerin zu 1) hat vorgebracht, dass sie keine Einnahmen erzielt habe. Sie wirtschafte sehr bescheiden und beziehe über Anzeigen beispielsweise kostenlos Holz. Die Antragstellerin zu 2) erziele Einkommen aus einer Praktikumstätigkeit in L mit 260 Euro monatlich. Sie beteilige sich ohne feste Vereinbarung an einer Fahrgemeinschaft mit einer Freundin, für die sie etwa 100 Euro aufwende.
Die Antragstellerin zu 1) hat in der Beschwerde ursprünglich die vorläufige Anordnung zur Gewährung von Leistungen ab November 2009 begehrt.
Die Antragstellerin zu 1) beantragt nunmehr, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. April 2010 anzuordnen und ihr des Weiteren vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache ab dem Eingang des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der eigenen Einnahmen ohne Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Die Antragstellerin zu 2) beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. April 2010 anzuordnen sowie ihr ab Eingang des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter der Berücksichtigung eigenen Einnahmen ohne Kosten der Unterkunft und Heizung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie gehe davon aus, dass der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts nicht nachgewiesen sei. Die Indizien aus dem geringen Verbrauch seien gewichtig. Die Antragstellerinnen seien ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen.
Der Berichterstatter des Senats hat in einem Erörterungstermin die Zeuginnen K und G zu den Lebensverhältnissen der Antragstellerinnen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats waren.
II.
Gegenstand der Entscheidung ist die Beschwerde beider Antragstellerinnen. Dem Wortlaut des Beschwerdeschriftsatzes nach hat nur die Antragstellerin zu 1) die Beschwerde erhoben. Allerdings ist auch die Antragstellerin zu 2) im Beschwerdeverfahren Beteiligte und hat ihre Beschwerde selbst zulässig erhoben.
Gegen die Zulässigkeit ihres Begehrens spricht nicht schon, dass die Antragstellerin zu 2) etwa nicht innerhalb der Frist des § 173 Satz 1 des Sozialgerichtsgerichtsgesetzes (SGG) von einem Monat die Beschwerde erhoben hat. Ihr ist die Entscheidung des SG schon nicht wirksam mit der erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt worden. Der Beschluss wurde nur dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu 1) zugestellt. Durch das vom Rechtsanwalt nicht zurückgesandte Empfangsbekenntnis ist lediglich das Datum der gegen die Antragstellerin zu 1) wirkenden Zustellung unklar. Nur die Antragstellerin zu 1) wurde und wird von dem Prozessbevollmächtigten vertreten, weil die Vollmacht nur von der Antragstellerin zu 1) gezeichnet ist. Die Antragstellerin zu 2) ist volljährig, so dass die Antragstellerin zu 1) als ihre Mutter keine gesetzliche Vertretungsbefugnis hat. Die für die Antragstellerin zu 1) wegen § 38 SGB II vermutete Vertretungsbefugnis für die Antragstellerin zu 2) wirkt nur im Verwaltungsverfahren. Die Zustellung an den Rechtsanwalt bewirkte mithin nicht im Sinne des § 63 Abs. 1 SGG eine Zustellung an die Antragstellerin zu 2) und setzte nicht im Sinne des § 66 Abs. 1 SGG die Rechtsmittelfrist gegen die Antragstellerin zu 2) in Gang. Die Antragstellerin konnte daher – soweit der Beschluss des SG sie gleichfalls beschwerte – innerhalb eines Jahres und damit noch im Erörterungstermin am 8. November 2010 sinngemäß selbst Beschwerde erheben, § 66 Abs. 2 SGG. Damit kann offen bleiben, ob die Erklärung der Antragstellerin zu 1) zu Protokoll, dass die Beschwerde auch für sie als erhoben gilt, eine nachträgliche Genehmigung zur Erhebung der Beschwerde und eine Bevollmächtigung im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGG darstellt. Die Antragstellerin zu 2) ist auch tatsächlich durch den Beschluss des SG beschwert. Das SG hat zwar der äußeren Form nach nicht auch über den einstweiligen Rechtsschutzantrag der Antragstellerin zu 2) entschieden, das Begehren aber letztlich bei Würdigung des Beschlusses mit abgelehnt. Das SG hat den Antrag auf vorläufige Anordnung abgelehnt und hierbei nur nicht ausdrücklich die Antragstellerin zu 2) hervorgehoben, obwohl es erkannt hat, dass die Antragstellerinnen zusammen in einem Haushalt leben und daher eine Personenmehrheit in der Bedarfsgemeinschaft anzunehmen war, so dass im Ergebnis beide Antragstellerinnen betroffen waren.
Die im Übrigen form- und fristgerecht im Sinne des § 173 Satz 1 des Sozialgerichtsgerichtsgesetzes (SGG) erhobenen Beschwerden sind auch ansonsten zulässig. Insbesondere sind die Beschwerden nicht ausgeschlossen, weil der für die Zulässigkeit der Berufung in der Hauptsache maßgebliche Wert nicht erreicht wird und die Berufung daher nicht zulässig wäre, § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Dieser Beschwerdewert bestimmt sich nach dem Umfang, in dem das Gericht dem Begehren des Rechtsmittelführers nicht gefolgt ist, wobei der Wert dieser Beschwer bei Einlegung des Rechtsmittels zu ermitteln ist (vgl. LSG Sachsen-Anhalt v. 8. September 2010, Az. L 2 AS 292/10 B ER). Der den Antragstellerinnen einstweilen verwehrte Umfang höherer Leistungen seit dem November 2009 beträgt deutlich mehr als 750 Euro.
Die Beschwerde der Antragstellerin zu 1) ist auch in dem noch aufrechterhaltenen Umfang begründet.
Der Erlass der von den Antragstellerinnen begehrten vorläufigen Anordnung beurteilt sich zunächst nach § 86b Abs. 1 SGG. Im Hauptsacheverfahren wäre bezogen auf die versagte Bewilligung für den Zeitraum ab dem November 2009 zunächst Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG zu erheben, so dass Rechtsschutz in Form einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG nur noch ergänzend in Betracht kommt.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Nach § 86a Abs. 2 Ziff. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs u.a. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. In diesen Fällen ist die erlassene Behörde von der ihr grundsätzlich gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG obliegenden Pflicht, das öffentliche Interesse der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gesondert zu begründen, entbunden.
Hier hatte der Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. April 2010 gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Zu diesen Verwaltungsakten gehören auch Entscheidungen über die Versagung oder Entziehung von bereits bewilligten Leistungen gemäß § 66 SGB I (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2. Aufl., § 39 Rn. 12).
Im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG hat insoweit aufgrund der Regelung im § 39 SGB II nach der Wertung des Gesetzgebers das Vollzugsinteresse im Regelfall Vorrang vor dem Suspensiveffekt des Widerspruchs, so dass die aufschiebende Wirkung nur anzuordnen ist, wenn ein überwiegendes Interesse der durch den angefochtenen Verwaltungsakt Betroffenen festzustellen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 12a). Die aufschiebende Wirkung ist aber jedenfalls dann anzuordnen, wenn nach summarischer Prüfung deutlich mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes spricht. Denn es kann kein berechtigtes öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes bestehen.
Insoweit spricht derzeit bei der im einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen summarischen Prüfung mehr gegen eine Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts vom 21. April 2010 als dafür.
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen. Dies setzt voraus, dass die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind und dass der Leistungsberechtigte seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Gemäß § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folgen schriftlich hingewiesen worden ist und er seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Der Umfang der Mitwirkungspflichten wird von § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB I bestimmt. Derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, hat Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Begrenzt werden die Mitwirkungspflichten von § 65 Abs. 1 und 3 SGB I. Mitwirkungspflichten bestehen nur dann nicht, soweit ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung steht, ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann, oder der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Angaben, die den Antragsteller, den Leistungsberechtigen oder ihm nahe stehende Personen in die Gefahr bringen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.
Nach diesem Regelungskonzept war es nicht gerechtfertigt, bei Nichterfüllung der von den Antragstellerinnen verlangten Mitwirkung, die Einkommens- und Vermögenslage des Herrn W. durch die Vorlage entsprechend ausgefüllter Formulare zu belegen, die Leistungen für die Antragstellerinnen insgesamt zu versagen. Ein solches Vorgehen wäre selbst bei Annahme einer vom Gesetz als Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft definierten Lebensgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II) zwischen der Antragstellerin zu 1) und dem Herrn W problematisch. Zwar wäre dann auch Einkommen und Vermögen der Partner innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigten, so dass eine diesbezügliche Mitwirkung der Partner an der Aufklärung gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II gefordert werden kann. Die Antragsgegnerin ist zunächst in der Regel gehalten, diese Auskünfte nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II unmittelbar von dem angenommenen Partner einzuholen. Von dem anderen Partner kann verlangt werden, dass er zumindest die ihm bekannten Einzelheiten und die ihm zugänglichen Unterlagen zur Verfügung stellt und so an der Aufklärung mitwirkt. Um dies durchzusetzen bzw. um die Voraussetzungen einer Partnerschaft zu ermitteln, stehen der Antragsgegnerin auch hinreichende Mittel zur Verfügung. Sie kann die Auskunftsverpflichtung mit einem Verwaltungsakt und den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchsetzen, im Rahmen des § 21 SGB X eigene Ermittlungen durchführen und z.B. den Partner als Zeugen vernehmen bzw. durch das SG vernehmen lassen (§ 22 Abs. 1 SGB X) und andere Behörden um Amtshilfe bitten. Wenn die Antragsgegnerin hier allerdings von der Antragstellerin zu 1) die Vorlage von detailliert ausgefüllten Formularen zum Einkommen und Vermögen des Herrn W verlangt, geht dies über die Pflicht hinaus, die ihr bekannten Angaben zu machen, so dass eine Leistungsversagung rechtswidrig ist und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen war.
Ergänzend war antragsgemäß eine Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu treffen, denn nur so kann den Antragstellerinnen der von ihnen begehrte Umfang des Rechtsschutzes gewährt werden. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe gegen eine rechtswidrigen Versagensentscheidung führt in den Fällen, in denen mit dieser Entscheidung keine vorgehende Bewilligung auflebt, noch nicht zu dem von den Antragstellerinnen verfolgten Rechtsschutzziel der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz.
Die Voraussetzungen einer solchen Regelungsanordnung liegen auch vor.
Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86b Abs. 2 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, weil sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dabei stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) und ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch sind glaubhaft.
Vorliegend spricht nichts dagegen, dass die Antragstellerin zu 1) die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt, da sie das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II ist, und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II) hat und hilfebedürftig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II ist. Die Antragstellerin zu 2) ist dann gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 Teil der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin zu 1).
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der monatliche Bedarf der Antragstellerin zu 1) und 2) setzt sich aus den jeweiligen Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 und 2a SGB II von 359 Euro bzw. 287 Euro und sowie den Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs.1 SGB II zusammen. Anhaltspunkte für Mehrbedarfszuschläge bestehen nicht. Antragsgemäß bleiben die Kosten der Unterkunft und Heizung außer Betracht.
Die Antragstellerin zu 1) hat nach ihrem Vorbringen im Erörterungstermin derzeit weder aus nichtselbständiger Beschäftigung noch aus selbständiger Tätigkeit Einnahmen. Anhaltspunkte, dass dies nicht den Tatsachen entspricht, sind für den Senat nicht ersichtlich.
Die Antragstellerin zu 2) hat als zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II lediglich ihre monatliche Praktikumsvergütung von 260 Euro angegeben und hierfür notwendige Absetzungen im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II als Beteiligung an den Fahrtkosten in einer Fahrgemeinschaft nach L (rund 80 km einfache Strecke) von ungefähr 100 Euro geltend gemacht. In dieser Höhe wäre der sog. Grundfreibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu gewähren, so dass darüber hinaus noch monatlich eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro absetzbar (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AlgII-V) ist und gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II i.V.m. § 30 SGB II ein monatlicher Erwerbstätigenfreibetrag von 32 Euro zu gewähren ist. Zusätzlich ist das an die Antragstellerin zu 1) gezahlte Kindergeld von 184 Euro noch nach der Zuordnungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Einkommen der Antragstellerin zu 2) zu behandeln, weil die Antragstellerin zu 2) noch als Kind zu der Bedarfsgemeinschaft zählt. Insgesamt verbleiben von dem Einkommen von 444 Euro nach Abzügen von 162 Euro noch 282 Euro als zu berücksichtigendes Einkommen, welches den Regelleistungsbedarf um lediglich 5 Euro unterschreitet. Für die Antragstellerin zu 2) werden daher vorläufig keine Leistungen angeordnet, weil die nach ihren Angaben entrichteten Zuschüsse zur Fahrgemeinschaft nicht festgelegt sind und auch nur ungefähr 100 Euro erreichen, so dass aufgrund der schwankenden Höhe auch kein Leistungsanspruch bestehen könnte.
Es ist nicht ersichtlich, das zum Lebensunterhalt einzusetzendes Vermögen besteht.
Ebensowenig sind derzeit Anhaltspunkte erkennbar, dass zwischen der Antragstellerin zu 1) und dem Herrn W eine Bedarfsgemeinschaft anzunehmen wäre, so dass das Einkommen und Vermögen des Herrn W Einfluss auf die Höhe der Leistungsansprüche der Antragstellerinnen haben würde. Eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Herrn W könnte nur vorliegen, wenn mit der Antragstellerin zu 1) eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II begründet wäre. Es sind aber trotz der anonymen Anzeigen nach dem bisherigen Akteninhalt von der Antragsgegnerin keinerlei Hinweistatsachen ermittelt worden, nach denen wenigstens von einem gemeinsamen Haushalt ausgegangen werden könnte. Daher kann noch nicht einmal die widerlegliche Annahme (§ 7 Abs. 3a SGB II), dass die Antragstellerin zu 1) und der Herr W. füreinander einstehen wollen, auf konkrete Umstände wie einen gemeinsamen Haushalt und ein Zusammenleben von mehr als einem Jahr gestützt werden.
Der gewöhnliche Aufenthalt der Antragstellerinnen in der Wohnung in der M straße in E ist für die Leistungshöhe aufgrund des eingeschränkten Umfangs des Antrages nicht relevant und ist auch sonst nicht entscheidungserheblich. Die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach §§ 36 i.V.m. 44b Abs. 3 SGB II ist sowohl bei einem gewöhnlichen Aufenthalt in der M straße als auch bei einem Aufenthalt unter der Adresse des Herrn W gegeben.
Ein Anordnungsgrund, dass der Antragstellerin zu 1) zur Abwendung wesentlicher Nachteile vorläufig Leistungen zu erbringen sind, ist glaubhaft. Der Senat konnte nicht feststellen, dass derzeit maßgebliche Unterstützungsleistungen durch Dritte erbracht werden, so dass die Antragstellerin zu 1) gerichtlichen Eilrechtsschutz benötigt.
Der Senat hat davon abgesehen, die Leistungen aufgrund der noch nicht endgültig geklärten Kosten der Unterkunft vorläufig nur vermindert anzuordnen, weil die Antragstellerinnen ihren Antrag insoweit bereits selbst beschränkt haben. Der Zeitraum der Geltung der Anordnung zur Leistung orientiert sich an der bisherigen kalendarischen Lage der Bewilligungsabschnitte.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt den Verfahrensausgang, nach dem die Antragstellerinnen nur teilweise mit ihren ursprünglichen Anträgen Erfolg hatten.
Der Antragstellerin zu 1) war hinsichtlich der Kosten wegen ihres Unterliegens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil ihre Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hatte und sie die Kosten des Verfahrens nicht selbst aufbringen konnte, §§ 73a SGG i.V.m. 114 ff. ZPO. Die Angaben zu den weiteren Unterstützungsleistungen Dritter sind erst im Termin am 8. November 2010 hinreichend konkretisiert worden, so dass auch erst ab diesem Zeitpunkt Bewilligungsreife vorlag.
Die Entscheidung ist endgültig, § 177 SGG.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin zu 1) vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache monatlich 359,00 Euro ab dem 29. März 2010 bis einschließlich 30. April 2011 zu gewähren.
Der Antrag der Antragstellerin zu 2) wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin zu 1) 3/5 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Außergerichtliche Kosten der Antragstellerin zu 2) sind nicht zu erstatten.
Der Antragstellerin zu 1) wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 8. November 2010 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G gewährt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Erstmals am 29. Mai 2006 beantragte die am 1970 geborene Antragstellerin zu 1) für sich und ihre am 1991 geborene Tochter (Antragstellerin zu 2) Hilfe zum Lebensunterhalt bei der Antragsgegnerin. Anspruch auf Arbeitslosengeld bestand nach einem Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 1. Juni 2006 nicht. Die Antragstellerin zu 1) erklärte, dass sie eine Wohnung von 58 qm bewohne, für die sie keine Heizkosten geltend mache, da sie Holz sammle und geschenkt erhalte. Der hierzu vorgelegte Mietvertrag vom 1. August 2002 wies eine Miete von 200 Euro einschließlich Strom aus, die in bar zu entrichten war. Die Antragstellerin zu 1) erhielt zu diesem Zeitpunkt Kindergeld auf das Konto des Herrn E R ... (Vater der Antragstellerin zu 1) ausgezahlt. Die Antragsgegnerin bewilligte den Antragstellerinnen mit Bescheid vom 3. Juli 2006 erstmals ab dem 26. Mai 2006 Arbeitslosengeld II (Alg II).
Am 1. Februar 2008 meldete die Antragstellerin zu 1) eine Tätigkeit als Feuerwerkerin zum Gewerbe an.
Am 11. Juni 2009 stellte die Antragstellerin zu 1) erneut einen Antrag auf Weiterbewilligung des Alg II und erklärte, dass in ihren Verhältnissen keine Veränderungen eingetreten seien. Ihre Einnahmen aus der selbständigen Beschäftigung schätzte sie auf einen im Zeitraum vom Mai 2009 bis Oktober 2009 kumulierten Gewinn von 530 Euro. Die Antragsgegnerin bewilligte den Antragstellerinnen mit Bescheid vom 15. Juli 2009 vorläufig Alg II ab Mai 2009 bis zum Oktober 2009 in Höhe von zuletzt 682 Euro monatlich.
Am 18. August 2009 erklärte ein nicht namentlich bekannter Anrufer bei der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin zu 1) und ihr Vermieter Herr W seit Jahren als Paar zusammenleben. Die Antragstellerin zu 1) lebe zudem nicht in der von ihr gemieteten Wohnung, sondern mit der Antragstellerin zu 2) bei dem Herrn W im Wohnwagen. Die Antragstellerin zu 2) sei die Tochter des Herrn W. Das Gewerbe übten sie gemeinsam aus.
Die Antragsgegnerin verlangte sodann von der Antragstellerin zu 1) die Geburtsurkunde der Tochter zu übersenden (Schreiben vom 18. August 2009). Bei einem Besuch von Mitarbeitern der Antragsgegnerin bei den Antragstellerinnen am 3. September 2009 wurde die Wohnung besichtigt.
Aufgrund nicht vorgelegter Urkunden zur Abstammung der Antragstellerin zu 2) versagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5. Oktober 2009 die weiteren Leistungen für die Antragstellerinnen, was die Antragsgegner sodann wieder rückgängig machte.
Am 19. Januar 2010 reichte die Antragstellerin zu 1) erneut einen Antrag auf Weiterbewilligung des Alg II ab dem November 2009 ein und erklärte, dass sich ihre Verhältnisse nicht geändert haben. Ihren voraussichtlichen Gewinn aus der selbständigen Beschäftigung schätzte die Antragstellerin zu 1) im Zeitraum vom November 2009 bis April 2010 auf höchstens 90 Euro monatlich. Darüber hinaus werde in der Bedarfsgemeinschaft mit der Antragstellerin zu 2) nur noch Kindergeld in Höhe von 164 Euro eingenommen.
Die Antragsgegnerin teilte mit Schreiben vom 2. März 2010 mit, dass der Antrag noch nicht entschieden werden konnte, weil Unterlagen zum Verdienst noch nicht vorgelegen haben.
Am 15. März 2010 teilte bei der Antragsgegnerin eine nicht namentlich bekannte Person mit, dass die Antragstellerin zu 1) seit mehreren Jahren die Partnerin des Herrn W sei und bei ihm in R lebe. Das Gebäude in der M straße sei unbewohnt. In der Folge führten die Mitarbeiter der Antragsgegnerin Gespräche mit dem Gewerbeamt und dem Eigenbetrieb Märkte der Stadt E , den Stadtwerken, der Abfallwirtschaft und dem Einwohnermeldeamt.
Mit Schreiben vom 17. März 2010 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin zu 1) mit, dass noch keine Entscheidung zum Antrag getroffen worden sei, da noch geprüft werden müsse, ob sie mit Herrn W in einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft lebe. Sie bitte um Vorlage der Anlagen zum Einkommen und Vermögen des Herrn W und die Vorlage der eigenen Erklärung EKS und der Einkommensteuerbescheide der Jahre 2006 bis 2008 sowie der Nachweise der Mietzahlungen. Die Antragstellerin zu 1) solle am 30. März 2010 bei ihr erscheinen. Sofern die Nachweise nicht beigebracht werden, werde die Leistung ganz versagt. Entsprechende Nachweise gingen bei der Antragsgegnerin nicht ein.
Am 9. April 2010 stellten die Antragstellerinnen einen Antrag auf Weiterbewilligung des Alg II und gaben an, dass bis auf die Erhöhung des Kindergeldes auf 184 Euro keine Veränderung eingetreten sei. Die Antragstellerin zu 1) schätzte ihren Gewinn im Abschnitt von Mai bis Oktober 2010 auf insgesamt 500 Euro.
Mit Bescheid vom 21. April 2010 versagte die Antragsgegnerin die Leistungen der Antragstellerinnen, weil die nach dem Schreiben vom 17. März 2010 vorzulegenden Unterlagen nicht eingereicht worden seien. Dadurch sei die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert worden. Eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen habe nicht erfolgen können. Von dem Ermessen sei Gebrauch gemacht worden. Zu Gunsten der Antragstellerinnen sprächen keine Ermessensgesichtspunkte. Nach Abwägung mit dem gesetzlichen Zweck sowie dem öffentlichen Interesse sei die Entscheidung in dieser Form zu treffen gewesen.
Bereits am 29. März 2010 hat die Antragstellerin zu 1) "als Vertreterin der BG A und V R " bei dem Sozialgericht Halle (SG) um vorläufigen Rechtsschutz wegen der Auszahlung der "gesamten Grundsicherungsleistungen ab November 2009, hilfsweise ab März 2010" nachgesucht: Sie erhielten seit November 2009 kein Alg II und sie könne ihre Miete nicht zahlen. Sie lebe mit Herrn W nicht zusammen und könne die verlangten Unterlagen zu seinem Einkommen und Vermögen nicht vorlegen, weil er kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei.
Mit Beschluss vom 9. Juli 2010 hat das SG nach Beweisaufnahme den Antrag abgelehnt: Eine einstweilige Anordnung sei nicht zu treffen, weil für die Zeit vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens kein Eilbedürfnis vorliege und im Übrigen kein Anspruch auf die Leistungen hinreichend glaubhaft gemacht worden sei. Die Antragstellerin habe nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Wohnung in der M ... straße in E. Dagegen spreche, dass nahezu kein Strom- und Wasserverbrauch belegt sei. Auch die Abfallentsorgung sei erst seit April 2010 zweimal im Monat glaubhaft, was aber auch durch bloßes Abstellen an der Straße herbeigeführt werden könne. Zuvor seien keine Tonnen geleert worden. Die nicht vernommenen und von der Antragstellerin zu 1) angebotenen Zeuginnen hätten zur Wahrnehmung der Streupflicht aussagen sollen, was aber nicht für einen gewöhnlichen Aufenthalt spreche. Es seien auch nur präsente Zeugen zu vernehmen. Die Erkenntnisse aus dem Hausbesuch seien nur geeignet, den Zustand der Wohnung zu belegen und seien nur ein Indiz für die Nutzung der Wohnung. Zur Zahlung der Miete habe die Antragstellerin widersprüchliche Angaben gemacht.
Gegen den ohne Rücklauf des Empfangsbekenntnisses zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin zu 1) am 2. August 2010 Beschwerde erhoben: Das SG habe nicht dargelegt, wo ihr gewöhnlicher Aufenthalt sei. Es sei auch notwendig gewesen, die angebotenen Zeuginnen zu hören. Im Übrigen komme es auf die derzeitige Wohnsituation und nicht die Verbräuche der Vergangenheit an. Ob eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Herrn W vorliege, sei gar nicht thematisiert worden. Die Antragstellerin zu 1) hat vorgebracht, dass sie keine Einnahmen erzielt habe. Sie wirtschafte sehr bescheiden und beziehe über Anzeigen beispielsweise kostenlos Holz. Die Antragstellerin zu 2) erziele Einkommen aus einer Praktikumstätigkeit in L mit 260 Euro monatlich. Sie beteilige sich ohne feste Vereinbarung an einer Fahrgemeinschaft mit einer Freundin, für die sie etwa 100 Euro aufwende.
Die Antragstellerin zu 1) hat in der Beschwerde ursprünglich die vorläufige Anordnung zur Gewährung von Leistungen ab November 2009 begehrt.
Die Antragstellerin zu 1) beantragt nunmehr, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. April 2010 anzuordnen und ihr des Weiteren vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache ab dem Eingang des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der eigenen Einnahmen ohne Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Die Antragstellerin zu 2) beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. April 2010 anzuordnen sowie ihr ab Eingang des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter der Berücksichtigung eigenen Einnahmen ohne Kosten der Unterkunft und Heizung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie gehe davon aus, dass der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts nicht nachgewiesen sei. Die Indizien aus dem geringen Verbrauch seien gewichtig. Die Antragstellerinnen seien ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen.
Der Berichterstatter des Senats hat in einem Erörterungstermin die Zeuginnen K und G zu den Lebensverhältnissen der Antragstellerinnen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats waren.
II.
Gegenstand der Entscheidung ist die Beschwerde beider Antragstellerinnen. Dem Wortlaut des Beschwerdeschriftsatzes nach hat nur die Antragstellerin zu 1) die Beschwerde erhoben. Allerdings ist auch die Antragstellerin zu 2) im Beschwerdeverfahren Beteiligte und hat ihre Beschwerde selbst zulässig erhoben.
Gegen die Zulässigkeit ihres Begehrens spricht nicht schon, dass die Antragstellerin zu 2) etwa nicht innerhalb der Frist des § 173 Satz 1 des Sozialgerichtsgerichtsgesetzes (SGG) von einem Monat die Beschwerde erhoben hat. Ihr ist die Entscheidung des SG schon nicht wirksam mit der erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt worden. Der Beschluss wurde nur dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu 1) zugestellt. Durch das vom Rechtsanwalt nicht zurückgesandte Empfangsbekenntnis ist lediglich das Datum der gegen die Antragstellerin zu 1) wirkenden Zustellung unklar. Nur die Antragstellerin zu 1) wurde und wird von dem Prozessbevollmächtigten vertreten, weil die Vollmacht nur von der Antragstellerin zu 1) gezeichnet ist. Die Antragstellerin zu 2) ist volljährig, so dass die Antragstellerin zu 1) als ihre Mutter keine gesetzliche Vertretungsbefugnis hat. Die für die Antragstellerin zu 1) wegen § 38 SGB II vermutete Vertretungsbefugnis für die Antragstellerin zu 2) wirkt nur im Verwaltungsverfahren. Die Zustellung an den Rechtsanwalt bewirkte mithin nicht im Sinne des § 63 Abs. 1 SGG eine Zustellung an die Antragstellerin zu 2) und setzte nicht im Sinne des § 66 Abs. 1 SGG die Rechtsmittelfrist gegen die Antragstellerin zu 2) in Gang. Die Antragstellerin konnte daher – soweit der Beschluss des SG sie gleichfalls beschwerte – innerhalb eines Jahres und damit noch im Erörterungstermin am 8. November 2010 sinngemäß selbst Beschwerde erheben, § 66 Abs. 2 SGG. Damit kann offen bleiben, ob die Erklärung der Antragstellerin zu 1) zu Protokoll, dass die Beschwerde auch für sie als erhoben gilt, eine nachträgliche Genehmigung zur Erhebung der Beschwerde und eine Bevollmächtigung im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGG darstellt. Die Antragstellerin zu 2) ist auch tatsächlich durch den Beschluss des SG beschwert. Das SG hat zwar der äußeren Form nach nicht auch über den einstweiligen Rechtsschutzantrag der Antragstellerin zu 2) entschieden, das Begehren aber letztlich bei Würdigung des Beschlusses mit abgelehnt. Das SG hat den Antrag auf vorläufige Anordnung abgelehnt und hierbei nur nicht ausdrücklich die Antragstellerin zu 2) hervorgehoben, obwohl es erkannt hat, dass die Antragstellerinnen zusammen in einem Haushalt leben und daher eine Personenmehrheit in der Bedarfsgemeinschaft anzunehmen war, so dass im Ergebnis beide Antragstellerinnen betroffen waren.
Die im Übrigen form- und fristgerecht im Sinne des § 173 Satz 1 des Sozialgerichtsgerichtsgesetzes (SGG) erhobenen Beschwerden sind auch ansonsten zulässig. Insbesondere sind die Beschwerden nicht ausgeschlossen, weil der für die Zulässigkeit der Berufung in der Hauptsache maßgebliche Wert nicht erreicht wird und die Berufung daher nicht zulässig wäre, § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Dieser Beschwerdewert bestimmt sich nach dem Umfang, in dem das Gericht dem Begehren des Rechtsmittelführers nicht gefolgt ist, wobei der Wert dieser Beschwer bei Einlegung des Rechtsmittels zu ermitteln ist (vgl. LSG Sachsen-Anhalt v. 8. September 2010, Az. L 2 AS 292/10 B ER). Der den Antragstellerinnen einstweilen verwehrte Umfang höherer Leistungen seit dem November 2009 beträgt deutlich mehr als 750 Euro.
Die Beschwerde der Antragstellerin zu 1) ist auch in dem noch aufrechterhaltenen Umfang begründet.
Der Erlass der von den Antragstellerinnen begehrten vorläufigen Anordnung beurteilt sich zunächst nach § 86b Abs. 1 SGG. Im Hauptsacheverfahren wäre bezogen auf die versagte Bewilligung für den Zeitraum ab dem November 2009 zunächst Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG zu erheben, so dass Rechtsschutz in Form einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG nur noch ergänzend in Betracht kommt.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Nach § 86a Abs. 2 Ziff. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs u.a. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. In diesen Fällen ist die erlassene Behörde von der ihr grundsätzlich gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG obliegenden Pflicht, das öffentliche Interesse der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gesondert zu begründen, entbunden.
Hier hatte der Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. April 2010 gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Zu diesen Verwaltungsakten gehören auch Entscheidungen über die Versagung oder Entziehung von bereits bewilligten Leistungen gemäß § 66 SGB I (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2. Aufl., § 39 Rn. 12).
Im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG hat insoweit aufgrund der Regelung im § 39 SGB II nach der Wertung des Gesetzgebers das Vollzugsinteresse im Regelfall Vorrang vor dem Suspensiveffekt des Widerspruchs, so dass die aufschiebende Wirkung nur anzuordnen ist, wenn ein überwiegendes Interesse der durch den angefochtenen Verwaltungsakt Betroffenen festzustellen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 12a). Die aufschiebende Wirkung ist aber jedenfalls dann anzuordnen, wenn nach summarischer Prüfung deutlich mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes spricht. Denn es kann kein berechtigtes öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes bestehen.
Insoweit spricht derzeit bei der im einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen summarischen Prüfung mehr gegen eine Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts vom 21. April 2010 als dafür.
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen. Dies setzt voraus, dass die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind und dass der Leistungsberechtigte seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Gemäß § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folgen schriftlich hingewiesen worden ist und er seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Der Umfang der Mitwirkungspflichten wird von § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB I bestimmt. Derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, hat Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Begrenzt werden die Mitwirkungspflichten von § 65 Abs. 1 und 3 SGB I. Mitwirkungspflichten bestehen nur dann nicht, soweit ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung steht, ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann, oder der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Angaben, die den Antragsteller, den Leistungsberechtigen oder ihm nahe stehende Personen in die Gefahr bringen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.
Nach diesem Regelungskonzept war es nicht gerechtfertigt, bei Nichterfüllung der von den Antragstellerinnen verlangten Mitwirkung, die Einkommens- und Vermögenslage des Herrn W. durch die Vorlage entsprechend ausgefüllter Formulare zu belegen, die Leistungen für die Antragstellerinnen insgesamt zu versagen. Ein solches Vorgehen wäre selbst bei Annahme einer vom Gesetz als Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft definierten Lebensgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II) zwischen der Antragstellerin zu 1) und dem Herrn W problematisch. Zwar wäre dann auch Einkommen und Vermögen der Partner innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigten, so dass eine diesbezügliche Mitwirkung der Partner an der Aufklärung gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II gefordert werden kann. Die Antragsgegnerin ist zunächst in der Regel gehalten, diese Auskünfte nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II unmittelbar von dem angenommenen Partner einzuholen. Von dem anderen Partner kann verlangt werden, dass er zumindest die ihm bekannten Einzelheiten und die ihm zugänglichen Unterlagen zur Verfügung stellt und so an der Aufklärung mitwirkt. Um dies durchzusetzen bzw. um die Voraussetzungen einer Partnerschaft zu ermitteln, stehen der Antragsgegnerin auch hinreichende Mittel zur Verfügung. Sie kann die Auskunftsverpflichtung mit einem Verwaltungsakt und den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchsetzen, im Rahmen des § 21 SGB X eigene Ermittlungen durchführen und z.B. den Partner als Zeugen vernehmen bzw. durch das SG vernehmen lassen (§ 22 Abs. 1 SGB X) und andere Behörden um Amtshilfe bitten. Wenn die Antragsgegnerin hier allerdings von der Antragstellerin zu 1) die Vorlage von detailliert ausgefüllten Formularen zum Einkommen und Vermögen des Herrn W verlangt, geht dies über die Pflicht hinaus, die ihr bekannten Angaben zu machen, so dass eine Leistungsversagung rechtswidrig ist und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen war.
Ergänzend war antragsgemäß eine Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu treffen, denn nur so kann den Antragstellerinnen der von ihnen begehrte Umfang des Rechtsschutzes gewährt werden. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe gegen eine rechtswidrigen Versagensentscheidung führt in den Fällen, in denen mit dieser Entscheidung keine vorgehende Bewilligung auflebt, noch nicht zu dem von den Antragstellerinnen verfolgten Rechtsschutzziel der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz.
Die Voraussetzungen einer solchen Regelungsanordnung liegen auch vor.
Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86b Abs. 2 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, weil sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dabei stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) und ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch sind glaubhaft.
Vorliegend spricht nichts dagegen, dass die Antragstellerin zu 1) die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt, da sie das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II ist, und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II) hat und hilfebedürftig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II ist. Die Antragstellerin zu 2) ist dann gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 Teil der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin zu 1).
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der monatliche Bedarf der Antragstellerin zu 1) und 2) setzt sich aus den jeweiligen Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 und 2a SGB II von 359 Euro bzw. 287 Euro und sowie den Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs.1 SGB II zusammen. Anhaltspunkte für Mehrbedarfszuschläge bestehen nicht. Antragsgemäß bleiben die Kosten der Unterkunft und Heizung außer Betracht.
Die Antragstellerin zu 1) hat nach ihrem Vorbringen im Erörterungstermin derzeit weder aus nichtselbständiger Beschäftigung noch aus selbständiger Tätigkeit Einnahmen. Anhaltspunkte, dass dies nicht den Tatsachen entspricht, sind für den Senat nicht ersichtlich.
Die Antragstellerin zu 2) hat als zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II lediglich ihre monatliche Praktikumsvergütung von 260 Euro angegeben und hierfür notwendige Absetzungen im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II als Beteiligung an den Fahrtkosten in einer Fahrgemeinschaft nach L (rund 80 km einfache Strecke) von ungefähr 100 Euro geltend gemacht. In dieser Höhe wäre der sog. Grundfreibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu gewähren, so dass darüber hinaus noch monatlich eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro absetzbar (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AlgII-V) ist und gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II i.V.m. § 30 SGB II ein monatlicher Erwerbstätigenfreibetrag von 32 Euro zu gewähren ist. Zusätzlich ist das an die Antragstellerin zu 1) gezahlte Kindergeld von 184 Euro noch nach der Zuordnungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Einkommen der Antragstellerin zu 2) zu behandeln, weil die Antragstellerin zu 2) noch als Kind zu der Bedarfsgemeinschaft zählt. Insgesamt verbleiben von dem Einkommen von 444 Euro nach Abzügen von 162 Euro noch 282 Euro als zu berücksichtigendes Einkommen, welches den Regelleistungsbedarf um lediglich 5 Euro unterschreitet. Für die Antragstellerin zu 2) werden daher vorläufig keine Leistungen angeordnet, weil die nach ihren Angaben entrichteten Zuschüsse zur Fahrgemeinschaft nicht festgelegt sind und auch nur ungefähr 100 Euro erreichen, so dass aufgrund der schwankenden Höhe auch kein Leistungsanspruch bestehen könnte.
Es ist nicht ersichtlich, das zum Lebensunterhalt einzusetzendes Vermögen besteht.
Ebensowenig sind derzeit Anhaltspunkte erkennbar, dass zwischen der Antragstellerin zu 1) und dem Herrn W eine Bedarfsgemeinschaft anzunehmen wäre, so dass das Einkommen und Vermögen des Herrn W Einfluss auf die Höhe der Leistungsansprüche der Antragstellerinnen haben würde. Eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Herrn W könnte nur vorliegen, wenn mit der Antragstellerin zu 1) eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II begründet wäre. Es sind aber trotz der anonymen Anzeigen nach dem bisherigen Akteninhalt von der Antragsgegnerin keinerlei Hinweistatsachen ermittelt worden, nach denen wenigstens von einem gemeinsamen Haushalt ausgegangen werden könnte. Daher kann noch nicht einmal die widerlegliche Annahme (§ 7 Abs. 3a SGB II), dass die Antragstellerin zu 1) und der Herr W. füreinander einstehen wollen, auf konkrete Umstände wie einen gemeinsamen Haushalt und ein Zusammenleben von mehr als einem Jahr gestützt werden.
Der gewöhnliche Aufenthalt der Antragstellerinnen in der Wohnung in der M straße in E ist für die Leistungshöhe aufgrund des eingeschränkten Umfangs des Antrages nicht relevant und ist auch sonst nicht entscheidungserheblich. Die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach §§ 36 i.V.m. 44b Abs. 3 SGB II ist sowohl bei einem gewöhnlichen Aufenthalt in der M straße als auch bei einem Aufenthalt unter der Adresse des Herrn W gegeben.
Ein Anordnungsgrund, dass der Antragstellerin zu 1) zur Abwendung wesentlicher Nachteile vorläufig Leistungen zu erbringen sind, ist glaubhaft. Der Senat konnte nicht feststellen, dass derzeit maßgebliche Unterstützungsleistungen durch Dritte erbracht werden, so dass die Antragstellerin zu 1) gerichtlichen Eilrechtsschutz benötigt.
Der Senat hat davon abgesehen, die Leistungen aufgrund der noch nicht endgültig geklärten Kosten der Unterkunft vorläufig nur vermindert anzuordnen, weil die Antragstellerinnen ihren Antrag insoweit bereits selbst beschränkt haben. Der Zeitraum der Geltung der Anordnung zur Leistung orientiert sich an der bisherigen kalendarischen Lage der Bewilligungsabschnitte.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt den Verfahrensausgang, nach dem die Antragstellerinnen nur teilweise mit ihren ursprünglichen Anträgen Erfolg hatten.
Der Antragstellerin zu 1) war hinsichtlich der Kosten wegen ihres Unterliegens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil ihre Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hatte und sie die Kosten des Verfahrens nicht selbst aufbringen konnte, §§ 73a SGG i.V.m. 114 ff. ZPO. Die Angaben zu den weiteren Unterstützungsleistungen Dritter sind erst im Termin am 8. November 2010 hinreichend konkretisiert worden, so dass auch erst ab diesem Zeitpunkt Bewilligungsreife vorlag.
Die Entscheidung ist endgültig, § 177 SGG.
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