Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 44 AS 3153/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 509/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Widersprüche des Antragstellers gegen drei Sanktionsbescheide des Antragsgegners aufschiebende Wirkung haben.
Der am. 1981 geborene Antragsteller steht im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Am 11. Februar 2011 schlossen der Antragsteller und der Antragsgegner eine bis zum 10. August 2011 gültige Eingliederungsvereinbarung. Der Antragsteller verpflichtete sich, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mittel und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken. Der Antragsgegner wolle den Antragsteller nach einer Einzelfallprüfung während seiner Arbeitsuche im Rahmen der Möglichkeiten aktiv hinsichtlich der Leistungen aus dem Vermittlungsbugdet unterstützen.
In einem Beratungsgespräch am 3. Mai 2011 bot der Antragsgegner dem Antragsteller den Abschluss einer neuen Eingliederungsvereinbarung an, was der Antragsteller ablehnte. Bei einer weiteren Vorsprache am 9. Juni 2011 kam es ebenfalls nicht zum Abschluss einer neuen Eingliederungsvereinbarung.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2011 lud der Antragsgegner den Antragsteller zu einer Maßnahme ein ("Maßnahme zur beruflichen Eingliederung" bei der Akademie Ü.). Dieses Einladungsschreiben ist dem Antragsteller nach seinen Angaben nicht zugegangen. Mit Bescheid vom 15. Juni 2011 erließ der Antragsgegner einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 SGB II. Die Regelungen des Bescheids sollten für den Zeitraum vom 22. Juni bis zum 16. August 2011 gelten. Gegenstand war die Teilnahme an der Aktivierungsmaßnahme, die bereits Gegenstand des Einladungsschreibens vom 15. Juni 2011 war.
Der Antragsteller nahm diese Aktivierungsmaßnahme nicht auf. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens teilte er mit, die Zwangsteilnahme an einer Maßnahme sei nicht sanktionswürdig. Es werde in seine Vertragsabschlussfreiheit und in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingegriffen. Er habe sich nur gegen die Maßnahmedauer ausgesprochen. Es fehle an der notwendigen Potentialanalyse des Antragstellers. Außerdem sei die Rechtsfolgenbelehrung fehlerhaft.
Mit Bescheid vom 18. August 2011 kürzte der Antragsgegner die dem Antragsteller für die Zeit vom 1. September bis zum 30. November 2011 bewilligten Leistungen in Höhe von 10 % des Regelbedarfs. Der Antragsteller sei mit Schreiben vom 6. Juni 2011 zu einer Aktivierungsmaßnahme eingeladen worden, habe ohne wichtigen Grund hieran nicht teilgenommen und sei über die Rechtsfolgen in dem genannten Schreiben belehrt worden. Mit weiterem Sanktionsbescheid vom 18. August 2011 kürzte der Antragsgegner die bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. September bis zum 30. November 2011 in Höhe von weiteren 30 % des Regelbedarfs. Er habe eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt über die Teilnahme an der Aktivierungsmaßnahme bei der Akademie Ü. erhalten. Seiner Teilnahmeverpflichtung sei er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen, ohne dass hierfür ein Grund bestünde. Die Kürzungen waren bereits im Bewilligungsbescheid vom 17. August 2011 umgesetzt worden.
Der Antragsteller legte gegen diese Sanktionsbescheide am 25. August 2011 Widerspruch ein und führte aus, die Sanktionierung sei aufgrund eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht möglich. Die Eingliederungsvereinbarung enthalte lediglich Textbausteine. Eine Konkretisierung der zugewiesenen Maßnahme fehle. Eine Sanktionierung könne auch nicht aufgrund einer Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt erfolgen. Ihm sei zwar der ersetzende Verwaltungsakt zugegangen, nicht aber das Einladungsschreiben vom 6. Juni 2011.
Mit Schreiben vom 25. August 2011 schlug der Antragsgegner dem Antragsteller eine Arbeitsstelle als Helfer bei dem Zeitarbeitsunternehmen M GmbH mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden vor und bat ihn, sich umgehend telefonisch zu bewerben. Das Schreiben enthielt die Rechtsfolgenbelehrung, dass bei Weigerung der Arbeitsaufnahme oder Verhinderung der Anbahnung das Arbeitslosengeld II um 60 % gekürzt werde, da es sich um eine wiederholte Pflichtverletzung handeln würde. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner am 31. August 2011 mitgeteilt, dass nach Auskunft des Arbeitgebers keine Stelle im Bereich Qu ... verfügbar sei. Für die Arbeit im Bereich W. sei ein Führerschein zwingend erforderlich.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 hat der Antragsgegner die bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. November 2011 bis zum 31. Januar 2012 um 60 % des Regelbedarfes gemindert. Der Antragsteller habe einen Vermittlungsvorschlag als Helfer bei dem Unternehmen M. erhalten, durch sein Verhalten aber die Anbahnung bzw. die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung verhindert. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 24. Oktober 2011 Widerspruch eingelegt. Er habe sich ordnungsgemäß auf den Vermittlungsvorschlag beworben. Die Aufnahme der Beschäftigung sei jedoch unmöglich gewesen, da der pünktliche Arbeitsbeginn im Schichtsystem aufgrund der erforderlichen Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht realisierbar sei.
Der Antragsteller hat bereits am 13. September 2011 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) eine Entscheidung im Eilverfahren beantragt. Zur Begründung seines Eilantrags hat der Antragsteller sein Vorbringen aus den Widerspruchsverfahren ergänzt. Der sich überschneidende Erlass von Eingliederungsvereinbarungen sei rechtswidrig. Die Frühschicht bei M solle um 5.30 Uhr beginnen, er könne den Arbeitsort aber frühestens um 6.26 Uhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Der Antragsgegner hat erwidert, es sei verwunderlich, dass zwei Schreiben vom gleichen Tag nicht auch gleichzeitig zugestellt worden seien. Es ergebe sich aus dem Gesetz nicht, dass jeweils nur eine Eingliederungsvereinbarung existieren solle. Das Handlungsinstrument der Eingliederungsvereinbarung würde erheblich an Bedeutung verlieren, wenn sich der Hilfeempfänger der Integration entziehen könnte. Die Vorstellung des Antragstellers bei dem Unternehmen M. könne nicht als Bewerbung verstanden werden, da sein Verhalten nicht geeignet gewesen sei, ein Arbeitsverhältnis anzutreten.
Das SG hat eine Auskunft der M GmbH eingeholt. Es hat mit Beschluss vom 1. November 2011 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers vom 25. August 2011 gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 18. August 2011 sowie die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24. Oktober 2011 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Oktober 2011 angeordnet. Es bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Sanktionsbescheide, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege. Der Bescheid vom 18. August 2011, mit dem der Antragsgegner die Regelleistung um 10 % abgesenkt habe, sei voraussichtlich bereits wegen des fehlenden Nachweises des Zugangs des Einladungsschreibens rechtswidrig. Ausweislich der Postausgangsvermerke habe der Antragsgegner zwar am 15. Juni 2011 zwei Schriftstücke an den Antragsteller versandt, nämlich den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt vom 15. Juni 2011 und die Einladung zum Termin bei der Akademie Ü ... Nachgewiesen sei der Zugang allerdings nur für den Eingliederungsverwaltungsakt, da diesbezüglich eine Postzustellungsurkunde vorliege. Auch an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides vom 18. August 2011, mit dem der Antragsgegner die Regelleistung um 30 % gekürzt hat, bestünden ernstliche Bedenken. Die Voraussetzungen für den Erlass des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes hätten nicht vorgelegen, da für den betreffenden Zeitraum bereits eine bis zum 10. August 2011 gültige Eingliederungsvereinbarung bestanden habe. Der Erlass eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes während einer bestehenden Eingliederungsvereinbarung sei unzulässig und dürfte auch dem Sinn und Zweck der Eingliederungsvereinbarung nicht entsprechen. Die Eingliederungsvereinbarung erzeuge für den Leistungsträger und den Leistungsberechtigten Bindungswirkung hinsichtlich der hierin vereinbarten Rechte und Pflichten. Dies habe zur Folge, dass der Leistungsträger die Vereinbarung nicht ohne Weiteres einseitig durch Verwaltungsakt ergänzen, teilweise aufheben oder umgestalten dürfe. Bereits aufgrund der unterschiedlichen Inhalte von Eingliederungsvereinbarung und Ersetzungsbescheid sei die Existenz mehrer zeitgleicher bzw. sich überschneidender Eingliederungsvereinbarungen bzw. Eingliederungsverwaltungsakte unzulässig. Für den Leistungsberechtigten bestünde in diesem Fall die Gefahr, den Umfang seiner Pflichten aufgrund der verschiedenen Vereinbarungen nicht deutlich zu erkennen. Das Vorbringen des Antragsgegners, das Handlungsinstrument der Eingliederungsvereinbarung würde an Bedeutung verlieren, sei nicht nachvollziehbar. Es sei nicht notwendig, die Zuweisung zu einer Aktivierungsmaßnahme durch einen Eingliederungsverwaltungsakt zu regeln. Vielmehr sei es möglich, die Eingliederungsvereinbarung anzupassen bzw. sie aufzuheben, um eine Veränderung in den Verhältnissen berücksichtigen zu können. Schließlich könne die Nichtteilnahme an einer Maßnahme, die nicht in einer Eingliederungsvereinbarung bzw. einem Ersetzungsbescheid auferlegt worden sei, auch sanktioniert werden. Da die Pflicht zur Teilnahme an der Maßnahme nicht wirksam in dem Eingliederungsverwaltungsakt hätte auferlegt werden können, könne die Nichtteilnahme vorliegend jedoch keinen Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB II begründen. Auch der Sanktionsbescheid vom 19. Oktober 2011 wegen der Verhinderung der Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses begegne ernsthaften Bedenken. Die Nichtteilnahme an der Maßnahme zur beruflichen Eingliederung sei keine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, so dass das Verhalten des Antragstellers im Rahmen der Bewerbung bei M. keine wiederholte Pflichtverletzung sein könne. Eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 60 % der Regelleistung sei daher rechtswidrig. Eine geltungserhaltende Reduktion dahingehend, dass möglicherweise eine erstmalige Pflichtverletzung vorliege und das Arbeitslosengeld II um 30 % zu kürzen sei, sei unzulässig.
Der Antragsgegner hat gegen den ihm am 4. November 2011 zugestellten Beschluss am 1. Dezember 2011 beim SG Beschwerde eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Der Inhalt des Schreibens des Antragstellers vom 22. Juli 2011 spreche für den Zugang des Einladungsschreibens vom 6. Juni 2011, da dieser sich auf die im Einladungsschreiben angebotene Aktivierungsmaßnahme beziehe. In Bezug auf die Existenz mehrerer Eingliederungsvereinbarungen sei mitzuteilen, dass die Abänderung einer bestehenden Eingliederungsvereinbarung durch eine weitere Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt zulässig sei. Aufgrund der anhaltend negativ verlaufenden Bewerbungsbemühungen sei seitens des Integrationsbereichs die Notwendigkeit gesehen worden, den Antragsteller in eine entsprechende Maßnahme zu integrieren. Insoweit sei lediglich die bestehende Eingliederungsvereinbarung in einem Punkt abgeändert worden, nämlich bezüglich der Teilnahme an einer Aktivierungsmaßnahme. Es widerspreche den Grundsätzen des SGB II, wenn der Antragsteller sich der Integration entziehen könne. Dieser habe gerade im vorliegenden Fall erkennen können, dass er in eine Aktivierungsmaßnahme habe integriert werden sollen, wobei jedoch eine einvernehmliche Übereinkunft nicht habe erzielt werden können. Der Antragsgegner gehe daher davon aus, dass der Erlass einer weiteren Eingliederungsvereinbarung nicht zu beanstanden sei. Im Übrigen könne die Eingliederungsvereinbarung in eine Einladung umgedeutet werden.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. November 2011 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde des Antraggegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdburg vom 1. November 2011 zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und führt insbesondere aus, dass die Anpassung eines geschlossenen Vertrages in § 59 Abs. 1 SGB X geregelt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Verwaltungsentscheidungen des Antragsgegners ist begründet. Das SG hat daher zu Recht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Sanktionsbescheide des Antragsgegners angeordnet.
Das Gericht der Hauptsache kann gem. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben - wie hier gem. § 39 Nr. 1 SGB II -, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Einen ausdrücklichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung sieht die genannte Norm nicht vor. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung. Je größer die Erfolgsaussichten, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Ist die in der Hauptsache zulässige Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Demgegenüber ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, wenn der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Sind die Erfolgsaussichten der Klage nicht derart eindeutig zu beurteilen, sind neben den Erfolgsaussichten weitere Gesichtpunkte in die Abwägungsentscheidung einzustellen, insbesondere auch eine Folgenabwägung sowie die Berücksichtigung des Regel-Ausnahmeverhältnisses des § 86a Abs. 2 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 12 - 12i).
Der Senat kommt nach Abwägung aller maßgeblichen Punkte und vor dem Hintergrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen, aber auch ausreichenden Prüfung nach dem derzeitigen Kenntnisstand zu dem Ergebnis, dass das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Denn die Sanktionsbescheide des Antragsgegners vom 18. August 2011 (10 % Minderung sowie 30 % Minderung) sowie der Sanktionsbescheid vom 19. Oktober 2011 (60 % Minderung) sind – nach dem genannten Prüfungsmaßstab – rechtswidrig und verletzen die Rechte des Antragstellers.
Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen des SG in dem Beschluss vom 1. November 2011 und macht sie sich im Wesentlichen zu eigen, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG. Ergänzend ist Folgendes anzumerken:
Der Antragsgegner konnte im Übrigen den Zugang des Einladungsschreibens vom 15. Juni 2011 nicht nachweisen. Aus der Postzustellungsurkunde vom 16. Juni 2011 ergibt sich lediglich die Zustellung des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheides. Denn auf der Zustellungsurkunde ist der Name der Bearbeiterin Frau A aufgeführt, nicht jedoch der von Herrn T., der das Einladungsschreibens bearbeitet hat. Dass der Antragsteller sich im Rahmen des Anhörungsverfahrens auf die Maßnahme bei der Akademie Ü bezogen hat, belegt den Zugang des Einladungsschreibens nicht. Denn diese Maßnahme wird auch ausdrücklich in dem unstreitig zugegangenen Verwaltungsakt erwähnt.
Der zweite Sanktionsbescheid vom 18. August 2011 konnte nicht an eine Nichterfüllung von Pflichten anknüpfen, die der Antragsgegner dem Antragsteller in dem die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt vom 15. Juni 2011 auferlegt hat. Der Antragsgegner hat diesen Verwaltungsakt auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gestützt. Danach sollen die in einer Eingliederungsvereinbarung zu treffenden Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn es bestand bereits eine Eingliederungsvereinbarung. Daher schließt bereits der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II es aus, dass der Antragsgegner eine bereits abgeschlossene und weiterhin geltende Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II einseitig ersetzen darf (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Januar 2012 – L 5 AS 2097/11 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. August 2011 – L 7 AS 2367/11 sowie Bayrisches LSG, Beschluss vom 25. Mai 2010 – L 11 AS 294/10 B ER – jeweils juris). Der ersetzende Verwaltungsakt ist damit nach dem oben genannten Prüfungsmaßstab rechtswidrig. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine geltende Eingliederungsvereinbarung geändert werden kann, war hier nicht zu entscheiden, da der Antragsgegner die bestehende Eingliederungsvereinbarung hier nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ersetzt hat, ohne dass die Voraussetzungen für diese Ersetzung vorlagen.
Ob die vom Antragsgegner für zulässig gehaltene Umdeutung des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheids vom 15. Juni 2011 in eine Einladung zur Teilnahme an der Maßnahme zulässig ist, kann dahinstehen. Denn der erste Sanktionsbescheid vom 18. August 2011 i.H.v. 10 % der Regelleistung kann nicht gemäß § 43 SGB X umgedeutet werden. Eine Sanktionierung einer solchen nicht befolgten Einladung nach § 32 Abs. 1 SGB II wäre schon deshalb rechtswidrig, weil nicht ordnungsgemäß auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden wäre. Denn in dem Bescheid vom 15. Juni 2011 ist eine Kürzung um 30 % der Regelleistung in der Rechtsfolgenbelehrung angekündigt anstelle der für eine nicht befolgte Einladung gesetzlich vorgesehenen 10 % (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 60/07 R (35) – juris). Ist die Rechtsfolgenbelehrung nicht konkret, richtig und vollständig, kann darauf nicht wirksam eine Sanktion gestützt werden.
Auch der Sanktionsbescheid vom 19. Oktober 2011 ist nach dem oben genannten Prüfungsmaßstab rechtswidrig. Es kann offen bleiben, ob – wie das SG ausführt – eine geltungserhaltende Reduktion dahingehend möglich ist, dass eine Minderung um 30 % rechtmäßig wäre. Denn jedenfalls war die angebotene Arbeit dem Antragsteller nicht zumutbar, denn er konnte – nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen, aber auch ausreichenden Prüfung – die Frühschicht nicht aufnehmen, da die erste Verbindung mit dem öffentlichen Personennahverkehr zwischen dem Wohnort des Antragstellers und dem Arbeitsort erst eine Stunde nach Arbeitsbeginn möglich war. Der Antragsteller hat keinen Führerschein, sodass er die Arbeitsstelle auch nicht mit einem Auto erreichen konnte. Zudem ergibt sich nach Internetrecherche des Senats aus allen Stellenangeboten des Unternehmens M., dass ein Führerschein für die Arbeit erforderlich ist. Dies ist dem Antragsteller auch telefonisch so mitgeteilt worden. Der Antragsteller hat jedoch keinen Führerschein, sodass er die angebotene Arbeit nicht verrichten konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist endgültig, § 177 SGG.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Widersprüche des Antragstellers gegen drei Sanktionsbescheide des Antragsgegners aufschiebende Wirkung haben.
Der am. 1981 geborene Antragsteller steht im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Am 11. Februar 2011 schlossen der Antragsteller und der Antragsgegner eine bis zum 10. August 2011 gültige Eingliederungsvereinbarung. Der Antragsteller verpflichtete sich, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mittel und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken. Der Antragsgegner wolle den Antragsteller nach einer Einzelfallprüfung während seiner Arbeitsuche im Rahmen der Möglichkeiten aktiv hinsichtlich der Leistungen aus dem Vermittlungsbugdet unterstützen.
In einem Beratungsgespräch am 3. Mai 2011 bot der Antragsgegner dem Antragsteller den Abschluss einer neuen Eingliederungsvereinbarung an, was der Antragsteller ablehnte. Bei einer weiteren Vorsprache am 9. Juni 2011 kam es ebenfalls nicht zum Abschluss einer neuen Eingliederungsvereinbarung.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2011 lud der Antragsgegner den Antragsteller zu einer Maßnahme ein ("Maßnahme zur beruflichen Eingliederung" bei der Akademie Ü.). Dieses Einladungsschreiben ist dem Antragsteller nach seinen Angaben nicht zugegangen. Mit Bescheid vom 15. Juni 2011 erließ der Antragsgegner einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 SGB II. Die Regelungen des Bescheids sollten für den Zeitraum vom 22. Juni bis zum 16. August 2011 gelten. Gegenstand war die Teilnahme an der Aktivierungsmaßnahme, die bereits Gegenstand des Einladungsschreibens vom 15. Juni 2011 war.
Der Antragsteller nahm diese Aktivierungsmaßnahme nicht auf. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens teilte er mit, die Zwangsteilnahme an einer Maßnahme sei nicht sanktionswürdig. Es werde in seine Vertragsabschlussfreiheit und in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingegriffen. Er habe sich nur gegen die Maßnahmedauer ausgesprochen. Es fehle an der notwendigen Potentialanalyse des Antragstellers. Außerdem sei die Rechtsfolgenbelehrung fehlerhaft.
Mit Bescheid vom 18. August 2011 kürzte der Antragsgegner die dem Antragsteller für die Zeit vom 1. September bis zum 30. November 2011 bewilligten Leistungen in Höhe von 10 % des Regelbedarfs. Der Antragsteller sei mit Schreiben vom 6. Juni 2011 zu einer Aktivierungsmaßnahme eingeladen worden, habe ohne wichtigen Grund hieran nicht teilgenommen und sei über die Rechtsfolgen in dem genannten Schreiben belehrt worden. Mit weiterem Sanktionsbescheid vom 18. August 2011 kürzte der Antragsgegner die bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. September bis zum 30. November 2011 in Höhe von weiteren 30 % des Regelbedarfs. Er habe eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt über die Teilnahme an der Aktivierungsmaßnahme bei der Akademie Ü. erhalten. Seiner Teilnahmeverpflichtung sei er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen, ohne dass hierfür ein Grund bestünde. Die Kürzungen waren bereits im Bewilligungsbescheid vom 17. August 2011 umgesetzt worden.
Der Antragsteller legte gegen diese Sanktionsbescheide am 25. August 2011 Widerspruch ein und führte aus, die Sanktionierung sei aufgrund eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht möglich. Die Eingliederungsvereinbarung enthalte lediglich Textbausteine. Eine Konkretisierung der zugewiesenen Maßnahme fehle. Eine Sanktionierung könne auch nicht aufgrund einer Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt erfolgen. Ihm sei zwar der ersetzende Verwaltungsakt zugegangen, nicht aber das Einladungsschreiben vom 6. Juni 2011.
Mit Schreiben vom 25. August 2011 schlug der Antragsgegner dem Antragsteller eine Arbeitsstelle als Helfer bei dem Zeitarbeitsunternehmen M GmbH mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden vor und bat ihn, sich umgehend telefonisch zu bewerben. Das Schreiben enthielt die Rechtsfolgenbelehrung, dass bei Weigerung der Arbeitsaufnahme oder Verhinderung der Anbahnung das Arbeitslosengeld II um 60 % gekürzt werde, da es sich um eine wiederholte Pflichtverletzung handeln würde. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner am 31. August 2011 mitgeteilt, dass nach Auskunft des Arbeitgebers keine Stelle im Bereich Qu ... verfügbar sei. Für die Arbeit im Bereich W. sei ein Führerschein zwingend erforderlich.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 hat der Antragsgegner die bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. November 2011 bis zum 31. Januar 2012 um 60 % des Regelbedarfes gemindert. Der Antragsteller habe einen Vermittlungsvorschlag als Helfer bei dem Unternehmen M. erhalten, durch sein Verhalten aber die Anbahnung bzw. die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung verhindert. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 24. Oktober 2011 Widerspruch eingelegt. Er habe sich ordnungsgemäß auf den Vermittlungsvorschlag beworben. Die Aufnahme der Beschäftigung sei jedoch unmöglich gewesen, da der pünktliche Arbeitsbeginn im Schichtsystem aufgrund der erforderlichen Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht realisierbar sei.
Der Antragsteller hat bereits am 13. September 2011 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) eine Entscheidung im Eilverfahren beantragt. Zur Begründung seines Eilantrags hat der Antragsteller sein Vorbringen aus den Widerspruchsverfahren ergänzt. Der sich überschneidende Erlass von Eingliederungsvereinbarungen sei rechtswidrig. Die Frühschicht bei M solle um 5.30 Uhr beginnen, er könne den Arbeitsort aber frühestens um 6.26 Uhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Der Antragsgegner hat erwidert, es sei verwunderlich, dass zwei Schreiben vom gleichen Tag nicht auch gleichzeitig zugestellt worden seien. Es ergebe sich aus dem Gesetz nicht, dass jeweils nur eine Eingliederungsvereinbarung existieren solle. Das Handlungsinstrument der Eingliederungsvereinbarung würde erheblich an Bedeutung verlieren, wenn sich der Hilfeempfänger der Integration entziehen könnte. Die Vorstellung des Antragstellers bei dem Unternehmen M. könne nicht als Bewerbung verstanden werden, da sein Verhalten nicht geeignet gewesen sei, ein Arbeitsverhältnis anzutreten.
Das SG hat eine Auskunft der M GmbH eingeholt. Es hat mit Beschluss vom 1. November 2011 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers vom 25. August 2011 gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 18. August 2011 sowie die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24. Oktober 2011 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Oktober 2011 angeordnet. Es bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Sanktionsbescheide, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege. Der Bescheid vom 18. August 2011, mit dem der Antragsgegner die Regelleistung um 10 % abgesenkt habe, sei voraussichtlich bereits wegen des fehlenden Nachweises des Zugangs des Einladungsschreibens rechtswidrig. Ausweislich der Postausgangsvermerke habe der Antragsgegner zwar am 15. Juni 2011 zwei Schriftstücke an den Antragsteller versandt, nämlich den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt vom 15. Juni 2011 und die Einladung zum Termin bei der Akademie Ü ... Nachgewiesen sei der Zugang allerdings nur für den Eingliederungsverwaltungsakt, da diesbezüglich eine Postzustellungsurkunde vorliege. Auch an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides vom 18. August 2011, mit dem der Antragsgegner die Regelleistung um 30 % gekürzt hat, bestünden ernstliche Bedenken. Die Voraussetzungen für den Erlass des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes hätten nicht vorgelegen, da für den betreffenden Zeitraum bereits eine bis zum 10. August 2011 gültige Eingliederungsvereinbarung bestanden habe. Der Erlass eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes während einer bestehenden Eingliederungsvereinbarung sei unzulässig und dürfte auch dem Sinn und Zweck der Eingliederungsvereinbarung nicht entsprechen. Die Eingliederungsvereinbarung erzeuge für den Leistungsträger und den Leistungsberechtigten Bindungswirkung hinsichtlich der hierin vereinbarten Rechte und Pflichten. Dies habe zur Folge, dass der Leistungsträger die Vereinbarung nicht ohne Weiteres einseitig durch Verwaltungsakt ergänzen, teilweise aufheben oder umgestalten dürfe. Bereits aufgrund der unterschiedlichen Inhalte von Eingliederungsvereinbarung und Ersetzungsbescheid sei die Existenz mehrer zeitgleicher bzw. sich überschneidender Eingliederungsvereinbarungen bzw. Eingliederungsverwaltungsakte unzulässig. Für den Leistungsberechtigten bestünde in diesem Fall die Gefahr, den Umfang seiner Pflichten aufgrund der verschiedenen Vereinbarungen nicht deutlich zu erkennen. Das Vorbringen des Antragsgegners, das Handlungsinstrument der Eingliederungsvereinbarung würde an Bedeutung verlieren, sei nicht nachvollziehbar. Es sei nicht notwendig, die Zuweisung zu einer Aktivierungsmaßnahme durch einen Eingliederungsverwaltungsakt zu regeln. Vielmehr sei es möglich, die Eingliederungsvereinbarung anzupassen bzw. sie aufzuheben, um eine Veränderung in den Verhältnissen berücksichtigen zu können. Schließlich könne die Nichtteilnahme an einer Maßnahme, die nicht in einer Eingliederungsvereinbarung bzw. einem Ersetzungsbescheid auferlegt worden sei, auch sanktioniert werden. Da die Pflicht zur Teilnahme an der Maßnahme nicht wirksam in dem Eingliederungsverwaltungsakt hätte auferlegt werden können, könne die Nichtteilnahme vorliegend jedoch keinen Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB II begründen. Auch der Sanktionsbescheid vom 19. Oktober 2011 wegen der Verhinderung der Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses begegne ernsthaften Bedenken. Die Nichtteilnahme an der Maßnahme zur beruflichen Eingliederung sei keine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, so dass das Verhalten des Antragstellers im Rahmen der Bewerbung bei M. keine wiederholte Pflichtverletzung sein könne. Eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 60 % der Regelleistung sei daher rechtswidrig. Eine geltungserhaltende Reduktion dahingehend, dass möglicherweise eine erstmalige Pflichtverletzung vorliege und das Arbeitslosengeld II um 30 % zu kürzen sei, sei unzulässig.
Der Antragsgegner hat gegen den ihm am 4. November 2011 zugestellten Beschluss am 1. Dezember 2011 beim SG Beschwerde eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Der Inhalt des Schreibens des Antragstellers vom 22. Juli 2011 spreche für den Zugang des Einladungsschreibens vom 6. Juni 2011, da dieser sich auf die im Einladungsschreiben angebotene Aktivierungsmaßnahme beziehe. In Bezug auf die Existenz mehrerer Eingliederungsvereinbarungen sei mitzuteilen, dass die Abänderung einer bestehenden Eingliederungsvereinbarung durch eine weitere Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt zulässig sei. Aufgrund der anhaltend negativ verlaufenden Bewerbungsbemühungen sei seitens des Integrationsbereichs die Notwendigkeit gesehen worden, den Antragsteller in eine entsprechende Maßnahme zu integrieren. Insoweit sei lediglich die bestehende Eingliederungsvereinbarung in einem Punkt abgeändert worden, nämlich bezüglich der Teilnahme an einer Aktivierungsmaßnahme. Es widerspreche den Grundsätzen des SGB II, wenn der Antragsteller sich der Integration entziehen könne. Dieser habe gerade im vorliegenden Fall erkennen können, dass er in eine Aktivierungsmaßnahme habe integriert werden sollen, wobei jedoch eine einvernehmliche Übereinkunft nicht habe erzielt werden können. Der Antragsgegner gehe daher davon aus, dass der Erlass einer weiteren Eingliederungsvereinbarung nicht zu beanstanden sei. Im Übrigen könne die Eingliederungsvereinbarung in eine Einladung umgedeutet werden.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. November 2011 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde des Antraggegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdburg vom 1. November 2011 zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und führt insbesondere aus, dass die Anpassung eines geschlossenen Vertrages in § 59 Abs. 1 SGB X geregelt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Verwaltungsentscheidungen des Antragsgegners ist begründet. Das SG hat daher zu Recht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Sanktionsbescheide des Antragsgegners angeordnet.
Das Gericht der Hauptsache kann gem. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben - wie hier gem. § 39 Nr. 1 SGB II -, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Einen ausdrücklichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung sieht die genannte Norm nicht vor. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung. Je größer die Erfolgsaussichten, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Ist die in der Hauptsache zulässige Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Demgegenüber ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, wenn der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Sind die Erfolgsaussichten der Klage nicht derart eindeutig zu beurteilen, sind neben den Erfolgsaussichten weitere Gesichtpunkte in die Abwägungsentscheidung einzustellen, insbesondere auch eine Folgenabwägung sowie die Berücksichtigung des Regel-Ausnahmeverhältnisses des § 86a Abs. 2 SGG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 12 - 12i).
Der Senat kommt nach Abwägung aller maßgeblichen Punkte und vor dem Hintergrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen, aber auch ausreichenden Prüfung nach dem derzeitigen Kenntnisstand zu dem Ergebnis, dass das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Denn die Sanktionsbescheide des Antragsgegners vom 18. August 2011 (10 % Minderung sowie 30 % Minderung) sowie der Sanktionsbescheid vom 19. Oktober 2011 (60 % Minderung) sind – nach dem genannten Prüfungsmaßstab – rechtswidrig und verletzen die Rechte des Antragstellers.
Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen des SG in dem Beschluss vom 1. November 2011 und macht sie sich im Wesentlichen zu eigen, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG. Ergänzend ist Folgendes anzumerken:
Der Antragsgegner konnte im Übrigen den Zugang des Einladungsschreibens vom 15. Juni 2011 nicht nachweisen. Aus der Postzustellungsurkunde vom 16. Juni 2011 ergibt sich lediglich die Zustellung des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheides. Denn auf der Zustellungsurkunde ist der Name der Bearbeiterin Frau A aufgeführt, nicht jedoch der von Herrn T., der das Einladungsschreibens bearbeitet hat. Dass der Antragsteller sich im Rahmen des Anhörungsverfahrens auf die Maßnahme bei der Akademie Ü bezogen hat, belegt den Zugang des Einladungsschreibens nicht. Denn diese Maßnahme wird auch ausdrücklich in dem unstreitig zugegangenen Verwaltungsakt erwähnt.
Der zweite Sanktionsbescheid vom 18. August 2011 konnte nicht an eine Nichterfüllung von Pflichten anknüpfen, die der Antragsgegner dem Antragsteller in dem die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt vom 15. Juni 2011 auferlegt hat. Der Antragsgegner hat diesen Verwaltungsakt auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gestützt. Danach sollen die in einer Eingliederungsvereinbarung zu treffenden Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn es bestand bereits eine Eingliederungsvereinbarung. Daher schließt bereits der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II es aus, dass der Antragsgegner eine bereits abgeschlossene und weiterhin geltende Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II einseitig ersetzen darf (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Januar 2012 – L 5 AS 2097/11 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. August 2011 – L 7 AS 2367/11 sowie Bayrisches LSG, Beschluss vom 25. Mai 2010 – L 11 AS 294/10 B ER – jeweils juris). Der ersetzende Verwaltungsakt ist damit nach dem oben genannten Prüfungsmaßstab rechtswidrig. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine geltende Eingliederungsvereinbarung geändert werden kann, war hier nicht zu entscheiden, da der Antragsgegner die bestehende Eingliederungsvereinbarung hier nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ersetzt hat, ohne dass die Voraussetzungen für diese Ersetzung vorlagen.
Ob die vom Antragsgegner für zulässig gehaltene Umdeutung des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheids vom 15. Juni 2011 in eine Einladung zur Teilnahme an der Maßnahme zulässig ist, kann dahinstehen. Denn der erste Sanktionsbescheid vom 18. August 2011 i.H.v. 10 % der Regelleistung kann nicht gemäß § 43 SGB X umgedeutet werden. Eine Sanktionierung einer solchen nicht befolgten Einladung nach § 32 Abs. 1 SGB II wäre schon deshalb rechtswidrig, weil nicht ordnungsgemäß auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden wäre. Denn in dem Bescheid vom 15. Juni 2011 ist eine Kürzung um 30 % der Regelleistung in der Rechtsfolgenbelehrung angekündigt anstelle der für eine nicht befolgte Einladung gesetzlich vorgesehenen 10 % (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 60/07 R (35) – juris). Ist die Rechtsfolgenbelehrung nicht konkret, richtig und vollständig, kann darauf nicht wirksam eine Sanktion gestützt werden.
Auch der Sanktionsbescheid vom 19. Oktober 2011 ist nach dem oben genannten Prüfungsmaßstab rechtswidrig. Es kann offen bleiben, ob – wie das SG ausführt – eine geltungserhaltende Reduktion dahingehend möglich ist, dass eine Minderung um 30 % rechtmäßig wäre. Denn jedenfalls war die angebotene Arbeit dem Antragsteller nicht zumutbar, denn er konnte – nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen, aber auch ausreichenden Prüfung – die Frühschicht nicht aufnehmen, da die erste Verbindung mit dem öffentlichen Personennahverkehr zwischen dem Wohnort des Antragstellers und dem Arbeitsort erst eine Stunde nach Arbeitsbeginn möglich war. Der Antragsteller hat keinen Führerschein, sodass er die Arbeitsstelle auch nicht mit einem Auto erreichen konnte. Zudem ergibt sich nach Internetrecherche des Senats aus allen Stellenangeboten des Unternehmens M., dass ein Führerschein für die Arbeit erforderlich ist. Dies ist dem Antragsteller auch telefonisch so mitgeteilt worden. Der Antragsteller hat jedoch keinen Führerschein, sodass er die angebotene Arbeit nicht verrichten konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist endgültig, § 177 SGG.
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