Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 87/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 36/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 29. Februar 2012 wird aufgehoben.
Die Kosten für das Gutachten von Prof. Dr. K. vom 28. September 2007 mit einem neuropsychologischen Zusatzgutachten der Dipl.-Psychologin V. vom 27. Juni 2007 und einem nervenfachärztlichen Zusatzgutachten von Dr. M. vom 10. September 2007 werden auf die Landeskasse übernommen.
Die Landeskasse trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin strebt die Übernahme von Kosten eines nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholten Gutachtens auf die Landeskasse an.
Die 1939 geborene Beschwerdeführerin zeigte Ende November 2004 bei der Beklagten an, sie leide seit 1998 an einer Parkinson-Erkrankung und führe dies auf täglichen Umgang mit Methanol im Rahmen einer 34-jährigen Tätigkeit in der chemischen Industrie zurück.
Die Beklagte zog Unterlagen aus einem früheren Berufskrankheitenverfahren wegen Verlustes des Geruchs- und Geschmackssinns durch Lösungsmittelverwendung bei. Darin enthalten war eine Auskunft der B. C. GmbH vom 6. Oktober 1994, wonach die Beschwerdeführerin vom 1. September 1959 bis 31. August 1993 als gelernte Laborantin in der Funktion einer Prüfingenieurin für Dünnschicht- und Papierchromatographie in der technischen Kontrollorganisation des Chemiekombinates B.-W. gearbeitet hatte. Nach einem Bericht des technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 23. Juni 1995 war die Beschwerdeführerin seit 1967 in der Qualitätskontrolle tätig. Unter anderem sei sie dabei Methanoleinfluss ausgesetzt gewesen, wovon täglich 10 Liter verbraucht worden seien. Eine Gesundheitsgefährdung durch organische Lösungsmittel dauerhaft oberhalb der Auslöseschwelle und täglich stundenweise über dem Grenzwert müsse angenommen werden. Im Rahmen beigezogener ärztlicher Unterlagen ergab sich, dass die Diagnose eines Morbus Parkinson nach einem stationären Aufenthalt im März/April 1999 von den Ärzten der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikums D. auf der Grundlage von Beschwerden gestellt worden war, die die Beschwerdeführerin seit Juli 1998 geäußert hatte.
Die Beklagte zog weiterhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Innere und für Arbeitsmedizin Dr. habil. D. vom 28. Januar 2005 bei, der darauf verwies, in der arbeitsmedizinischen Literatur gebe es derzeit keine gesicherten Hinweise, dass Lösungsmittel, insbesondere vom Typ des Methanols einen Morbus Parkinson bedingten. Methanol sei für andere Schädigungen bei hoher Intoxikation bekannt, die hier nicht vorgelegen habe. Dieser Auffassung trat die Gewerbeärztin S. in ihrer Stellungnahme vom 4. Februar 2005 bei.
Mit Bescheid vom 10. März 2005 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung, ebenso eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII, ab. Sie gab sinngemäß den Inhalt der beratungsärztlichen Stellungnahme wieder.
Gegen den Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 9. April 2005 Widerspruch und verwies auf internationale Veröffentlichungen, aus denen sich ein Zusammenhang ergebe. Auch gebe es bereits zusprechende Gerichtsentscheidungen.
Die Beklagte zog eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. habil. D. vom 5. August 2005 bei. Dieser stellte dar, eine Parkinson-Symptomatik in Verbindung mit Methanol werde nur bei Intoxikationen in sehr hohen Dosen bei oraler Aufnahme beschrieben. Die dazu erforderliche massive Belastung könne durch berufliche Exposition nicht erreicht werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er führte aus, die Parkinson-Erkrankung sei keiner Nummer in der Liste der Berufskrankheiten zuzuordnen. Es existierten auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über einen Zusammenhang dieser Erkrankung mit dem beruflichen Kontakt zu chemischen Stoffen.
Mit der am 7. Oktober 2005 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Beschwerdeführerin auf eine Liste von Chemikalien verwiesen, mit denen sie beruflich Umgang hatte. Auch sei eine Risikoerhöhung der Erkrankung an Parkinson beim Umgang mit Pflanzengiften wissenschaftlich beschrieben und habe bereits zu Anerkenntnissen geführt.
Nachdem das Sozialgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hatte, beantragte die Beschwerdeführerin "vorsorglich", nach § 109 SGG ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. (vom 28. September 2007) mit einem neuropsychologischen Zusatzgutachten der Dipl.-Psychologin V. (vom 27. Juni 2007) und einem nervenfachärztlichen Zusatzgutachten von Dr. M. (vom 10. September 2007) einzuholen. Im Wesentlichen hat der Sachverständige ausgeführt, der bei der Beschwerdeführerin nachweisbare Morbus Parkinson sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch die Hauptarbeitsstoffe Methanol, Pestizide und Quecksilber verursacht worden. Entsprechendes gelte für eine nachweisbare Polyneuropathie. Die Gesundheitsstörungen könnten sowohl der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 1306), einer BK 1102, einer BK 1307 und einer BK 1310 zugeordnet werden, weiterhin bezüglich der Polyneuropathie und einer fraglichen Enzephalopathie der BK 1317. Auch die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Quasi-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII lägen vor. Bezüglich einer BK 1306 hat der Sachverständige auf verschiedene Studien verwiesen, in denen eine Parkinson-Erkrankung durch eine orale Aufnahme von Methanol verursacht worden sei. Weiterhin liege ein Fallbericht aus dem Jahre 2002 vor, in dem bei einem Laborassistenten nach jahrelanger Einwirkung von Methanoldämpfen eine Parkinson-Erkrankung aufgetreten und genetische Faktoren oder andere toxische Einwirkungen ausgeschlossen worden seien. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätze er mit 50 vom Hundert ein.
Das Sozialgericht hat ein weiteres Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. B., Oberärztin an der Sektion Arbeitsmedizin des Universitätsklinikums H., vom 18. August 2008 eingeholt. Die Sachverständige ist im Wesentlichen zu der Einschätzung gelangt, entsprechend dem aktuellen Merkblatt und der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit sei ein Morbus Parkinson bisher kein gesichertes Krankheitsbild im Sinne einer BK 1306. Bekannt seien lediglich Vergiftungserscheinungen mit anderer Symptomatik. Hinweise darüber, dass eine chronische Exposition gegenüber Methanol eine Parkinson-Erkrankung verursache, fänden sich in der Literatur nicht. Insoweit komme auch eine Quasi-Berufskrankheit nicht in Betracht. Auch für eine Quecksilberexposition könne die generelle Geeignetheit zur Verursachung der Parkinson-Erkrankung nicht als ausreichend wahrscheinlich angesehen werden. Gleiches gelte für Pestizide in Form von Phosphorsäureester und anderen Organophosphaten. Hierzu habe eine Analyse verschiedener Studien im Auftrag des Bundesinstituts für Risikobewertung schwache bis mäßige Verbindungen zwischen Einwirkung und Erkrankung ergeben. Die Datenlage reiche zum Beleg einer Ursachenbeziehung aber nicht aus. Selbst für den dort gesehenen Zusammenhang sei die Exposition der Beschwerdeführerin vergleichsweise aber auch noch zu gering. Im konkreten Fall der Beschwerdeführerin sprächen auch im Übrigen überwiegende Gesichtspunkte gegen die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs. Die diagnostizierte Polyneuropathie sei nicht wahrscheinlich mit der beruflichen Exposition in Verbindung zu bringen, weil der Abstand zwischen dem Ende der Einwirkung und der Diagnosestellung zu lang sei. Soweit Prof. Dr. K. einen hinreichenden Zusammenhang zwischen Methanoleinwirkung und Parkinson-Erkrankung gesehen habe, argumentiere er bezüglich chronischer inhalativer Expositionen mit Einzelfallberichten. Dieser Auffassung könne sie sich nicht anschließen. Sie stelle auch nicht die Meinung der überwiegenden Mehrheit medizinischer Sachverständiger dar.
Mit Urteil vom 5. November 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, bei der Beschwerdeführerin könne weder eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (Erkrankung durch Methylalkohol – Methanol) noch eine Quasi-Berufskrankheit im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII festgestellt werden. Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung der Beschwerdeführerin und der Parkinson-Erkrankung sei nicht wahrscheinlich. Das Gericht folge insoweit der Einschätzung der Sachverständigen Dr. B., während Prof. Dr. K. lediglich eine Möglichkeit aufzeige, die aber keine hinreichende Wahrscheinlichkeit begründe. Es gebe derzeit keine gesicherten epidemiologischen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen chronischen Einwirkungen der fraglichen Stoffe und der Parkinson-Erkrankung. Der Feststellungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 9 Abs. 2 SGB VII. Die Vorschrift enthalte keinen allgemeinen Auffangtatbestand für Fälle der Nichterfüllung konkreter Berufskrankheitentatbestände.
Gegen das ihr am 17. November 2008 zugestellte Urteil hat die Beschwerdeführerin am 17. Dezember 2008 Berufung eingelegt. Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen Dr. B. vom 12. Mai 2011, Bl. 296 - 301 d. A., eingeholt. Im Wesentlichen hat sie darin ausgeführt, ein Zusammenhang zwischen Pestizideinwirkungen und Parkinson-Erkrankungen sei weiterhin nicht hinreichend belegt.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2011 hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt die Berufung zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit bzw. ihrer nachgewiesenen Erkrankung wie einer Berufskrankheit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, weil die Voraussetzungen für einen solchen Versicherungsfall nicht vorliegen.
Die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anl. 1 BKV seien nicht erfüllt, weil schon die Eignung einer chronisch ablaufenden Einwirkung von Methanol zur Verursachung einer Parkinson-Erkrankung nicht überwiegend wahrscheinlich sei. Denn es gebe keine in der Wissenschaft überwiegend bestätigten Erkenntnisse über einen solchen Zusammenhang außerhalb einer Exposition, die in den einzelnen Einwirkungsdosen deutlich höher als im Falle der Beschwerdeführerin liege und schon mit den einzelnen Dosen zu akuten Vergiftungserscheinungen führe. Diese Auffassung, die bereits Dr. habil. D. in seinen Stellungnahmen für die Beklagte schlüssig dargestellt habe, habe die Sachverständige Dr. B. mit ihren ausführlicheren Überlegungen bestätigt und die Entstehung einer Parkinson-Erkrankung durch chronische Methanol-Einwirkung als wissenschaftlich nicht hinreichend belegt bezeichnet. Der Senat schließe sich insbesondere auch ihrer Meinung an, ein einzelner Fallbericht reiche für einen hinreichenden Beleg eines allgemeinen Zusammenhangs nicht aus. Damit sei zugleich die Auffassung von Prof. Dr. K. nicht haltbar, der für die hier betroffene Problematik einer chronischen Einwirkung von Methanol allein einen Fallbericht anführe. Im Übrigen befasse er sich hinsichtlich des Methanols mit Schlussfolgerungen aus der Lage bei schweren und akuten Einwirkungen, die für den vorliegenden Fall, wie die Meinung Dr. B.s zeige, keine wissenschaftlich zwingenden Erkenntnisse liefere. Auch neue Erkenntnisse im Sinne der Beschwerdeführerin seien nicht ersichtlich. Dies gehe nicht nur aus der ergänzenden Stellungnahme von Dr. B. hervor, die bei ihrem Ergebnis bleibe, sondern auch aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachtenauszügen. Dort zitiere – so die Auskunft der Beschwerdeführerin – der Sachverständige Prof. Dr. M. in einem ausweislich des Aktenzeichens aktuellen Sozialgerichtsverfahren eine Studie aus dem Jahr 2005, die ebenfalls keinen hinreichenden Beleg für einen Zusammenhang einer chronischen Methanoleinwirkung und einer Parkinson-Erkrankung ergebe. Thematisch sei es dort nach Prof. Dr. M. um "Vergiftungen" mit verschiedenen Lösungsmitteln gegangen, von denen Methanol nur als eins aufgezählt ist. Prof. Dr. M. stelle das wissenschaftliche Ergebnis selbst schlüssig dahingehend dar, die Autoren "vermuteten" einen Zusammenhang, sähen ihn aber nicht als gesichert an. Dies entspricht dem wiedergegebenen Ergebnissatz der Studie, zusammenfassend erscheine es, dass berufliche Einwirkung zumindest einiger der Lösungsmittel zu einem gesteigerten Risiko einer Parkinson-Erkrankung in höherem Alter führe. Dies lasse weder zu, die wiedergegebene Vermutung zu einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu verdichten, noch die Aussage gerade auf Methanol-Einwirkung zu beziehen.
Die Beschwerdeführerin habe auch keinen Anspruch auf die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII. Auch insoweit sei die – unterdessen auch entsprechend beschränkte – Klage nur zulässig, soweit die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Folge einer Einwirkung von Methanol abgelehnt worden sei. Nur dagegen sei die Beschwerdeführerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 1 S. 2 SGG klagebefugt, weil der Bescheid sich nur damit befasse. Denn nur dieses Ergebnis sei Bestandteil der Prüfung, die die Beklagte in ihrem angefochtenen Ausgangsbescheid vorgenommen habe.
Mit dem verbleibenden Gegenstand – der Auswirkung von Methanol – könne die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es an der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 SGB VII fehle, wonach die Krankheit nicht schon durch Rechtsverordnung tatbestandlich erfasst sein darf. Denn auch eine Parkinson-Erkrankung fiele, wenn ihre Verursachung durch Methanol gesichert wäre, unter den Tatbestand der Nr. 1306 der Anl. 1 zur BKV.
Nach Abschluss des Verfahrens hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau mit Beschluss vom 29. Februar 2012 die Übernahme der Kosten des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Kosten seien dann zu übernehmen, wenn das Gutachten zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht und diese damit objektiv gefördert hätte, wobei ein unwesentlicher Beitrag nicht ausreiche. Dieses gelte für das Gutachten von Prof. Dr. K. nebst Zusatzgutachten nicht, weil sie nicht geeignet gewesen wären, die Beschwerdeführerin ihrem Anliegen näher zu bringen. Das Landessozialgericht habe die Auffassung Prof. Dr. K.s als nicht haltbar bezeichnet.
Die Beschwerdeführerin hat gegen den ihr am 8. März 2012 zugestellten Beschluss am 4. April 2004 beim Sozialgericht Beschwerde erhoben: Die knapp gehaltene Begründung überzeuge nicht; es komme nicht nur darauf an, dass die klagende Partei ihrem Ziel näher komme. Die wiedergegebene Auffassung des Landessozialgerichts sei "völlig abwegig" und durch nichts begründet. Das Sozialgericht habe zunächst allein auf Grund des Gutachtens erwogen (wörtlich – wohl Schreibfehler – bewogen), der Klage statt zu geben.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Rosslau vom 29. Februar 2012 aufzuheben und die Kosten für das Gutachten von Prof. Dr. K. vom 28. September 2007 mit einem neuropsychologischen Zusatzgutachten der Dipl.-Psychologin V. vom 27. Juni 2007 und einem nervenfachärztlichen Zusatzgutachten von Dr. M. vom 10. September 2007 auf die Staatskasse zu übernehmen.
Bei der Entscheidung haben neben der Beschwerdeakte die Gerichtsakten zum Hauptsacheverfahren vorgelegen.
II.
Die gem. § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beschwerde hat Erfolg.
Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf die Übernahme der Kosten für die Einschaltung des Sachverständigen Prof. Dr. K. nebst der Zusatzbegutachtung auf die Staatskasse. Nach § 109 Abs. 1 S. 2 SGG hat das Gericht darüber nach Ermessen zu entscheiden, wie aus dem inhaltlich uneingeschränkten Zusatz "vorbehaltlich einer anderen Entscheidung" folgt. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist insofern ermessensfehlerhaft, als es die positive Veränderung der Beweissituation der Beschwerdeführerin durch das Gutachten nicht hinreichend gewichtet hat. Insoweit kann ein Gutachten auch die Sachaufklärung fördern, indem es weitere Beweiserhebungen von Amts wegen erforderlich macht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 109 Rdnr. 16a). Das Gutachten hat hier in diesem Sinne die Beweissituation der Beschwerdeführerin im Verfahrensgang vor dem Sozialgericht jedenfalls insoweit verbessert, als das Sozialgericht sich anschließend zu weiterer Aufklärung von Amts wegen gedrängt gesehen hat. Dafür muss das Gutachten von Prof. Dr. K. als ursächlich angesehen werden, weil das Sozialgericht vor Einholung des Gutachtens augenscheinlich die Beweiserhebung zu Lasten der Beschwerdeführerin als abgeschlossen angesehen hat. Dies ergibt sich aus seiner Ladung zur mündlichen Verhandlung und dem Eingehen auf den nur vorsorglich gestellten Antrag nach § 109 SGG. Erst nach Eingang des Gutachtens von Prof. Dr. K. hat es weiteren Beweis durch die Einholung des Gutachtens von Dr. B. erhoben.
Dabei ist es hier nicht entscheidend, dass die Beweiserhebung schließlich zu einem für die Beschwerdeführerin ablehnenden Ergebnis geführt hat. Zwar reicht es für eine Kostenübernahme nicht aus, dass ein weiteres, von Amts wegen eingeholtes Gutachten lediglich die Unrichtigkeit des Gutachtens nach § 109 SGG bestätigt, ohne wesentliche zusätzliche Erkenntnisse zu erbringen (Keller, a.a.O., m.w.N.). Darin erschöpft sich die Funktion des Gutachtens von Dr. B. aber nicht. Schon das Sozialgericht hat sich bei seiner Urteilsbegründung für die Anspruchsablehnung insgesamt auf das Gutachten von Dr. B. gestützt, ohne erkennen zu lassen, inwieweit die Abweisung des Klageanspruchs auch auf Grund anderer Beweismittel möglich gewesen wäre. Diese Begründung war insoweit auch folgerichtig, da das Sozialgericht ohne eindeutige Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Einwirkung von Methanol die Verursachung der Parkinsonerkrankung durch chemische Substanzen geprüft und zum Gegenstand seiner Fragestellungen an die Sachverständigen gemacht hat. Nach summarischer Prüfung der Aktenlage hätte es darüber vor der Einholung eines Gutachtens nicht erkennbar entscheiden können. Damit hat erst die Einholung des Gutachtens von Prof. Dr. K. eine (weitere) Beweiserhebung erzwungen, ohne die der Rechtsstreit nach der späteren Sachbehandlung durch das Sozialgericht von vornherein nicht als entscheidungsreif anzusehen war.
Der Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.
gez. Eyrich gez. Dr. Ulmer gez. Dr. Ulrich
Die Kosten für das Gutachten von Prof. Dr. K. vom 28. September 2007 mit einem neuropsychologischen Zusatzgutachten der Dipl.-Psychologin V. vom 27. Juni 2007 und einem nervenfachärztlichen Zusatzgutachten von Dr. M. vom 10. September 2007 werden auf die Landeskasse übernommen.
Die Landeskasse trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin strebt die Übernahme von Kosten eines nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholten Gutachtens auf die Landeskasse an.
Die 1939 geborene Beschwerdeführerin zeigte Ende November 2004 bei der Beklagten an, sie leide seit 1998 an einer Parkinson-Erkrankung und führe dies auf täglichen Umgang mit Methanol im Rahmen einer 34-jährigen Tätigkeit in der chemischen Industrie zurück.
Die Beklagte zog Unterlagen aus einem früheren Berufskrankheitenverfahren wegen Verlustes des Geruchs- und Geschmackssinns durch Lösungsmittelverwendung bei. Darin enthalten war eine Auskunft der B. C. GmbH vom 6. Oktober 1994, wonach die Beschwerdeführerin vom 1. September 1959 bis 31. August 1993 als gelernte Laborantin in der Funktion einer Prüfingenieurin für Dünnschicht- und Papierchromatographie in der technischen Kontrollorganisation des Chemiekombinates B.-W. gearbeitet hatte. Nach einem Bericht des technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 23. Juni 1995 war die Beschwerdeführerin seit 1967 in der Qualitätskontrolle tätig. Unter anderem sei sie dabei Methanoleinfluss ausgesetzt gewesen, wovon täglich 10 Liter verbraucht worden seien. Eine Gesundheitsgefährdung durch organische Lösungsmittel dauerhaft oberhalb der Auslöseschwelle und täglich stundenweise über dem Grenzwert müsse angenommen werden. Im Rahmen beigezogener ärztlicher Unterlagen ergab sich, dass die Diagnose eines Morbus Parkinson nach einem stationären Aufenthalt im März/April 1999 von den Ärzten der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikums D. auf der Grundlage von Beschwerden gestellt worden war, die die Beschwerdeführerin seit Juli 1998 geäußert hatte.
Die Beklagte zog weiterhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Innere und für Arbeitsmedizin Dr. habil. D. vom 28. Januar 2005 bei, der darauf verwies, in der arbeitsmedizinischen Literatur gebe es derzeit keine gesicherten Hinweise, dass Lösungsmittel, insbesondere vom Typ des Methanols einen Morbus Parkinson bedingten. Methanol sei für andere Schädigungen bei hoher Intoxikation bekannt, die hier nicht vorgelegen habe. Dieser Auffassung trat die Gewerbeärztin S. in ihrer Stellungnahme vom 4. Februar 2005 bei.
Mit Bescheid vom 10. März 2005 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung, ebenso eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII, ab. Sie gab sinngemäß den Inhalt der beratungsärztlichen Stellungnahme wieder.
Gegen den Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 9. April 2005 Widerspruch und verwies auf internationale Veröffentlichungen, aus denen sich ein Zusammenhang ergebe. Auch gebe es bereits zusprechende Gerichtsentscheidungen.
Die Beklagte zog eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. habil. D. vom 5. August 2005 bei. Dieser stellte dar, eine Parkinson-Symptomatik in Verbindung mit Methanol werde nur bei Intoxikationen in sehr hohen Dosen bei oraler Aufnahme beschrieben. Die dazu erforderliche massive Belastung könne durch berufliche Exposition nicht erreicht werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er führte aus, die Parkinson-Erkrankung sei keiner Nummer in der Liste der Berufskrankheiten zuzuordnen. Es existierten auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über einen Zusammenhang dieser Erkrankung mit dem beruflichen Kontakt zu chemischen Stoffen.
Mit der am 7. Oktober 2005 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Beschwerdeführerin auf eine Liste von Chemikalien verwiesen, mit denen sie beruflich Umgang hatte. Auch sei eine Risikoerhöhung der Erkrankung an Parkinson beim Umgang mit Pflanzengiften wissenschaftlich beschrieben und habe bereits zu Anerkenntnissen geführt.
Nachdem das Sozialgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hatte, beantragte die Beschwerdeführerin "vorsorglich", nach § 109 SGG ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. (vom 28. September 2007) mit einem neuropsychologischen Zusatzgutachten der Dipl.-Psychologin V. (vom 27. Juni 2007) und einem nervenfachärztlichen Zusatzgutachten von Dr. M. (vom 10. September 2007) einzuholen. Im Wesentlichen hat der Sachverständige ausgeführt, der bei der Beschwerdeführerin nachweisbare Morbus Parkinson sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch die Hauptarbeitsstoffe Methanol, Pestizide und Quecksilber verursacht worden. Entsprechendes gelte für eine nachweisbare Polyneuropathie. Die Gesundheitsstörungen könnten sowohl der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 1306), einer BK 1102, einer BK 1307 und einer BK 1310 zugeordnet werden, weiterhin bezüglich der Polyneuropathie und einer fraglichen Enzephalopathie der BK 1317. Auch die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Quasi-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII lägen vor. Bezüglich einer BK 1306 hat der Sachverständige auf verschiedene Studien verwiesen, in denen eine Parkinson-Erkrankung durch eine orale Aufnahme von Methanol verursacht worden sei. Weiterhin liege ein Fallbericht aus dem Jahre 2002 vor, in dem bei einem Laborassistenten nach jahrelanger Einwirkung von Methanoldämpfen eine Parkinson-Erkrankung aufgetreten und genetische Faktoren oder andere toxische Einwirkungen ausgeschlossen worden seien. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätze er mit 50 vom Hundert ein.
Das Sozialgericht hat ein weiteres Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. B., Oberärztin an der Sektion Arbeitsmedizin des Universitätsklinikums H., vom 18. August 2008 eingeholt. Die Sachverständige ist im Wesentlichen zu der Einschätzung gelangt, entsprechend dem aktuellen Merkblatt und der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit sei ein Morbus Parkinson bisher kein gesichertes Krankheitsbild im Sinne einer BK 1306. Bekannt seien lediglich Vergiftungserscheinungen mit anderer Symptomatik. Hinweise darüber, dass eine chronische Exposition gegenüber Methanol eine Parkinson-Erkrankung verursache, fänden sich in der Literatur nicht. Insoweit komme auch eine Quasi-Berufskrankheit nicht in Betracht. Auch für eine Quecksilberexposition könne die generelle Geeignetheit zur Verursachung der Parkinson-Erkrankung nicht als ausreichend wahrscheinlich angesehen werden. Gleiches gelte für Pestizide in Form von Phosphorsäureester und anderen Organophosphaten. Hierzu habe eine Analyse verschiedener Studien im Auftrag des Bundesinstituts für Risikobewertung schwache bis mäßige Verbindungen zwischen Einwirkung und Erkrankung ergeben. Die Datenlage reiche zum Beleg einer Ursachenbeziehung aber nicht aus. Selbst für den dort gesehenen Zusammenhang sei die Exposition der Beschwerdeführerin vergleichsweise aber auch noch zu gering. Im konkreten Fall der Beschwerdeführerin sprächen auch im Übrigen überwiegende Gesichtspunkte gegen die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs. Die diagnostizierte Polyneuropathie sei nicht wahrscheinlich mit der beruflichen Exposition in Verbindung zu bringen, weil der Abstand zwischen dem Ende der Einwirkung und der Diagnosestellung zu lang sei. Soweit Prof. Dr. K. einen hinreichenden Zusammenhang zwischen Methanoleinwirkung und Parkinson-Erkrankung gesehen habe, argumentiere er bezüglich chronischer inhalativer Expositionen mit Einzelfallberichten. Dieser Auffassung könne sie sich nicht anschließen. Sie stelle auch nicht die Meinung der überwiegenden Mehrheit medizinischer Sachverständiger dar.
Mit Urteil vom 5. November 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, bei der Beschwerdeführerin könne weder eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit Nr. 1306 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (Erkrankung durch Methylalkohol – Methanol) noch eine Quasi-Berufskrankheit im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII festgestellt werden. Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung der Beschwerdeführerin und der Parkinson-Erkrankung sei nicht wahrscheinlich. Das Gericht folge insoweit der Einschätzung der Sachverständigen Dr. B., während Prof. Dr. K. lediglich eine Möglichkeit aufzeige, die aber keine hinreichende Wahrscheinlichkeit begründe. Es gebe derzeit keine gesicherten epidemiologischen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen chronischen Einwirkungen der fraglichen Stoffe und der Parkinson-Erkrankung. Der Feststellungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 9 Abs. 2 SGB VII. Die Vorschrift enthalte keinen allgemeinen Auffangtatbestand für Fälle der Nichterfüllung konkreter Berufskrankheitentatbestände.
Gegen das ihr am 17. November 2008 zugestellte Urteil hat die Beschwerdeführerin am 17. Dezember 2008 Berufung eingelegt. Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen Dr. B. vom 12. Mai 2011, Bl. 296 - 301 d. A., eingeholt. Im Wesentlichen hat sie darin ausgeführt, ein Zusammenhang zwischen Pestizideinwirkungen und Parkinson-Erkrankungen sei weiterhin nicht hinreichend belegt.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2011 hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt die Berufung zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit bzw. ihrer nachgewiesenen Erkrankung wie einer Berufskrankheit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, weil die Voraussetzungen für einen solchen Versicherungsfall nicht vorliegen.
Die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 1306 der Anl. 1 BKV seien nicht erfüllt, weil schon die Eignung einer chronisch ablaufenden Einwirkung von Methanol zur Verursachung einer Parkinson-Erkrankung nicht überwiegend wahrscheinlich sei. Denn es gebe keine in der Wissenschaft überwiegend bestätigten Erkenntnisse über einen solchen Zusammenhang außerhalb einer Exposition, die in den einzelnen Einwirkungsdosen deutlich höher als im Falle der Beschwerdeführerin liege und schon mit den einzelnen Dosen zu akuten Vergiftungserscheinungen führe. Diese Auffassung, die bereits Dr. habil. D. in seinen Stellungnahmen für die Beklagte schlüssig dargestellt habe, habe die Sachverständige Dr. B. mit ihren ausführlicheren Überlegungen bestätigt und die Entstehung einer Parkinson-Erkrankung durch chronische Methanol-Einwirkung als wissenschaftlich nicht hinreichend belegt bezeichnet. Der Senat schließe sich insbesondere auch ihrer Meinung an, ein einzelner Fallbericht reiche für einen hinreichenden Beleg eines allgemeinen Zusammenhangs nicht aus. Damit sei zugleich die Auffassung von Prof. Dr. K. nicht haltbar, der für die hier betroffene Problematik einer chronischen Einwirkung von Methanol allein einen Fallbericht anführe. Im Übrigen befasse er sich hinsichtlich des Methanols mit Schlussfolgerungen aus der Lage bei schweren und akuten Einwirkungen, die für den vorliegenden Fall, wie die Meinung Dr. B.s zeige, keine wissenschaftlich zwingenden Erkenntnisse liefere. Auch neue Erkenntnisse im Sinne der Beschwerdeführerin seien nicht ersichtlich. Dies gehe nicht nur aus der ergänzenden Stellungnahme von Dr. B. hervor, die bei ihrem Ergebnis bleibe, sondern auch aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachtenauszügen. Dort zitiere – so die Auskunft der Beschwerdeführerin – der Sachverständige Prof. Dr. M. in einem ausweislich des Aktenzeichens aktuellen Sozialgerichtsverfahren eine Studie aus dem Jahr 2005, die ebenfalls keinen hinreichenden Beleg für einen Zusammenhang einer chronischen Methanoleinwirkung und einer Parkinson-Erkrankung ergebe. Thematisch sei es dort nach Prof. Dr. M. um "Vergiftungen" mit verschiedenen Lösungsmitteln gegangen, von denen Methanol nur als eins aufgezählt ist. Prof. Dr. M. stelle das wissenschaftliche Ergebnis selbst schlüssig dahingehend dar, die Autoren "vermuteten" einen Zusammenhang, sähen ihn aber nicht als gesichert an. Dies entspricht dem wiedergegebenen Ergebnissatz der Studie, zusammenfassend erscheine es, dass berufliche Einwirkung zumindest einiger der Lösungsmittel zu einem gesteigerten Risiko einer Parkinson-Erkrankung in höherem Alter führe. Dies lasse weder zu, die wiedergegebene Vermutung zu einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu verdichten, noch die Aussage gerade auf Methanol-Einwirkung zu beziehen.
Die Beschwerdeführerin habe auch keinen Anspruch auf die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII. Auch insoweit sei die – unterdessen auch entsprechend beschränkte – Klage nur zulässig, soweit die Anerkennung der Parkinson-Erkrankung als Folge einer Einwirkung von Methanol abgelehnt worden sei. Nur dagegen sei die Beschwerdeführerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 1 S. 2 SGG klagebefugt, weil der Bescheid sich nur damit befasse. Denn nur dieses Ergebnis sei Bestandteil der Prüfung, die die Beklagte in ihrem angefochtenen Ausgangsbescheid vorgenommen habe.
Mit dem verbleibenden Gegenstand – der Auswirkung von Methanol – könne die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es an der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 SGB VII fehle, wonach die Krankheit nicht schon durch Rechtsverordnung tatbestandlich erfasst sein darf. Denn auch eine Parkinson-Erkrankung fiele, wenn ihre Verursachung durch Methanol gesichert wäre, unter den Tatbestand der Nr. 1306 der Anl. 1 zur BKV.
Nach Abschluss des Verfahrens hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau mit Beschluss vom 29. Februar 2012 die Übernahme der Kosten des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Kosten seien dann zu übernehmen, wenn das Gutachten zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht und diese damit objektiv gefördert hätte, wobei ein unwesentlicher Beitrag nicht ausreiche. Dieses gelte für das Gutachten von Prof. Dr. K. nebst Zusatzgutachten nicht, weil sie nicht geeignet gewesen wären, die Beschwerdeführerin ihrem Anliegen näher zu bringen. Das Landessozialgericht habe die Auffassung Prof. Dr. K.s als nicht haltbar bezeichnet.
Die Beschwerdeführerin hat gegen den ihr am 8. März 2012 zugestellten Beschluss am 4. April 2004 beim Sozialgericht Beschwerde erhoben: Die knapp gehaltene Begründung überzeuge nicht; es komme nicht nur darauf an, dass die klagende Partei ihrem Ziel näher komme. Die wiedergegebene Auffassung des Landessozialgerichts sei "völlig abwegig" und durch nichts begründet. Das Sozialgericht habe zunächst allein auf Grund des Gutachtens erwogen (wörtlich – wohl Schreibfehler – bewogen), der Klage statt zu geben.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Rosslau vom 29. Februar 2012 aufzuheben und die Kosten für das Gutachten von Prof. Dr. K. vom 28. September 2007 mit einem neuropsychologischen Zusatzgutachten der Dipl.-Psychologin V. vom 27. Juni 2007 und einem nervenfachärztlichen Zusatzgutachten von Dr. M. vom 10. September 2007 auf die Staatskasse zu übernehmen.
Bei der Entscheidung haben neben der Beschwerdeakte die Gerichtsakten zum Hauptsacheverfahren vorgelegen.
II.
Die gem. § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beschwerde hat Erfolg.
Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf die Übernahme der Kosten für die Einschaltung des Sachverständigen Prof. Dr. K. nebst der Zusatzbegutachtung auf die Staatskasse. Nach § 109 Abs. 1 S. 2 SGG hat das Gericht darüber nach Ermessen zu entscheiden, wie aus dem inhaltlich uneingeschränkten Zusatz "vorbehaltlich einer anderen Entscheidung" folgt. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist insofern ermessensfehlerhaft, als es die positive Veränderung der Beweissituation der Beschwerdeführerin durch das Gutachten nicht hinreichend gewichtet hat. Insoweit kann ein Gutachten auch die Sachaufklärung fördern, indem es weitere Beweiserhebungen von Amts wegen erforderlich macht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 109 Rdnr. 16a). Das Gutachten hat hier in diesem Sinne die Beweissituation der Beschwerdeführerin im Verfahrensgang vor dem Sozialgericht jedenfalls insoweit verbessert, als das Sozialgericht sich anschließend zu weiterer Aufklärung von Amts wegen gedrängt gesehen hat. Dafür muss das Gutachten von Prof. Dr. K. als ursächlich angesehen werden, weil das Sozialgericht vor Einholung des Gutachtens augenscheinlich die Beweiserhebung zu Lasten der Beschwerdeführerin als abgeschlossen angesehen hat. Dies ergibt sich aus seiner Ladung zur mündlichen Verhandlung und dem Eingehen auf den nur vorsorglich gestellten Antrag nach § 109 SGG. Erst nach Eingang des Gutachtens von Prof. Dr. K. hat es weiteren Beweis durch die Einholung des Gutachtens von Dr. B. erhoben.
Dabei ist es hier nicht entscheidend, dass die Beweiserhebung schließlich zu einem für die Beschwerdeführerin ablehnenden Ergebnis geführt hat. Zwar reicht es für eine Kostenübernahme nicht aus, dass ein weiteres, von Amts wegen eingeholtes Gutachten lediglich die Unrichtigkeit des Gutachtens nach § 109 SGG bestätigt, ohne wesentliche zusätzliche Erkenntnisse zu erbringen (Keller, a.a.O., m.w.N.). Darin erschöpft sich die Funktion des Gutachtens von Dr. B. aber nicht. Schon das Sozialgericht hat sich bei seiner Urteilsbegründung für die Anspruchsablehnung insgesamt auf das Gutachten von Dr. B. gestützt, ohne erkennen zu lassen, inwieweit die Abweisung des Klageanspruchs auch auf Grund anderer Beweismittel möglich gewesen wäre. Diese Begründung war insoweit auch folgerichtig, da das Sozialgericht ohne eindeutige Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Einwirkung von Methanol die Verursachung der Parkinsonerkrankung durch chemische Substanzen geprüft und zum Gegenstand seiner Fragestellungen an die Sachverständigen gemacht hat. Nach summarischer Prüfung der Aktenlage hätte es darüber vor der Einholung eines Gutachtens nicht erkennbar entscheiden können. Damit hat erst die Einholung des Gutachtens von Prof. Dr. K. eine (weitere) Beweiserhebung erzwungen, ohne die der Rechtsstreit nach der späteren Sachbehandlung durch das Sozialgericht von vornherein nicht als entscheidungsreif anzusehen war.
Der Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.
gez. Eyrich gez. Dr. Ulmer gez. Dr. Ulrich
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