S 16 AS 280/20

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AS 280/20
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 04.10.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2020 wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt den Klägern für den Zeitraum 01.10.2019 bis 21.03.2020 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Form von Leistungen gemäß § 22 SGB II für den Zeitraum 01.10.2019 bis 31.03.2020.

Die Klägerin zu 1. und ihr Sohn, der Kläger zu 2., stehen bei der Beklagten seit geraumer Zeit im Leistungsbezug und haben durch Bescheid vom 04.10.2019 (Bl. 389 der Verwaltungsakte) für den Zeitraum 01.10.2019 bis 31.03.2020 vorläufig Leistungen nach diesem Gesetz in Höhe von 362,24 EUR erhalten. Neben den Regelbedarfen für die beiden Kläger sowie dem Mehrbedarf für Alleinerziehung für die Klägerin zu 1. hat die Beklagte eine Grundmiete i.H.v. 321,24 EUR, kalte Betriebskosten i.H.v. 50,00 EUR sowie Heizkosten i.H.v. 66,00 EUR als Bedarf berücksichtigt. Die Kläger hatten im streitigen Zeitraum eine Grundmiete i.H.v. 344,00 EUR, kalte Betriebskosten i.H.v. 50,00 EUR sowie Heizkosten i.H.v. 66,00 EUR zu zahlen.

Gegen diesen Bescheid haben die Kläger durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 04.11.2019 (Bl. 434 der Verwaltungsakte) Widerspruch eingelegt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen seien. Darüber hinaus hätte die Beklagte den Mehrbedarf der Klägerin zu 1. wegen einer bestehenden Schwangerschaft nicht berücksichtigt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 08.01.2019 (Bl. 493 der Verwaltungsakte) hat die Beklagte den oben angeführten Widerspruch zurückgewiesen. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft hat die Beklagte zur Begründung ausgeführt, die Kläger erhielten die angemessenen Kosten, auf welche Sie bereits mit Schreiben vom 22.03.2018 sowie in den Bewilligungsbescheiden vom 18.09.2018, 05.03.2019 sowie 04.10.2019 hingewiesen worden seien. Der Mehrbedarf für werdende Mütter werde der Klägerin zu 1. ab 07.12.2019 bis 31.12.2019 i.H.v. 60,07 EUR und in Höhe von 01.01.2020 bis 20.06.2020 in Höhe von monatlich 73,44 EUR bewilligt.

Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Anliegen weiter. Dabei unterliege die Bestimmung der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 durch den Leitungsträger der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG 19.11.2010 - B 14 AS 2/10 R). Die Angemessenheit sei dabei zweigeteilt zu beurteilen. Zunächst sei festzustellen, ob die im konkreten Fall anfallenden Aufwendungen über einer für den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum vom Leistungsträger zu ermittelnden Kostenobergrenze liegen (abstrakte Angemessenheitsprüfung). Sofern dies der Fall sei, sei gem. § 22 Abs. 1 S. 3 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, ob die Aufwendungen "den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang" übersteigen ("konkrete Angemessenheitsprüfung"). An die Feststellung einer Unangemessenheit im Einzelfall knüpften dann die weiteren Rechtsfolgen an.

Der Beklagte habe im streitgegenständlichen Bescheid die vorgenannten Grundsätze nicht beachtet. Eine konkret-individuelle Einzelfallprüfung hinsichtlich der Wohnsituation der Kläger sei augenscheinlich nicht vorgenommen worden. Es werde ausschließlich auf Angemessenheitsrichtlinien verwiesen ("abstrakte Angemessenheitsprüfung), ohne die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Der Beklagte habe es daher unterlassen, eine "konkrete Angemessenheitsprüfung" durchzuführen und den Klägern somit die Kosten der Unterkunft nicht im gesetzlich vorgesehenen Umfang gewährt.

Die Klägerinnen beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 27.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen den Klägerinnen für den Zeitraum 01.09.2018 bis 28.02.2019 die tatsächlichen Kosten zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im laufenden Rechtsstreit ihre Unterkunftsrichtlinien, welche sie bei der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II zugrunde gelegt hat, nachgebessert.

Die neu vorgelegte Richtlinie lautet für den streitigen Zeitraum wie folgt:

...

5. Die Richtlinie aus der Beschlussfassung 01/349/18 (Zeitraum ab 1.1.2019) wird wie folgt geändert:

Ziffer 1.1.1 (Angemessene Unterkunftskosten) Absätze 4 bis 6 erhalten folgende Fassung:

Die Angemessenheit der Bedarfe der Unterkunft wird anhand der Bruttowarmmiete bestimmt.

Die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist im Landkreis Jerichower Land regional unterschiedlich zu bewerten. Aus diesem Grund werden drei Vergleichsräume i.S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes gebildet:

• Vergleichsraum I: Burg

• Vergleichsraum II: Biederitz, Gommern, Möser

• Vergleichsraum III: Elbe-Parey, Genthin, Jerichow, Möckern

...

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten dem Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig und begründet. Sie ist insbesondere rechtmäßig auf die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt worden. Bei den Ansprüchen auf Leistungen für Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare selbstständige Ansprüche (BSG, Urteil vom 22.9.2009, B 4 AS 70/08 R).

Die Klägerinnen werden durch den Bescheid der Beklagten vom 27.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2019 dadurch in ihren Rechten verletzt, dass die Beklagte ihnen nicht die vollständig und tatsächlich gezahlten Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt hat.

Die Klägerin zu 1. ist Berechtigte i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a SGB II noch nicht erreicht, hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, war erwerbsfähig und hilfebedürftig. Der Kläger zu 2. ist leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Er lebte mit seiner Mutter, der Klägerin zu 1., in einer Bedarfsgemeinschaft.

Die Kläger haben Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 1 SGB II. Sie verfügten über kein bedarfsdeckendes Einkommen oder ein die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II haben sie Anspruch auf Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind.

Die Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für eine Wohnung ist nach der Rechtsprechung des BSG in mehreren Schritten zu prüfen. Es ist die Größe der Wohnung des Hilfebedürftigen festzustellen und zu prüfen, ob diese angemessen ist. Dabei erfolgt die Bemessung der angemessenen Größe nach den landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 50/09 R -, juris). Zur Bestimmung der angemessenen Größe ist nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (vgl. Urteile vom 3. März 2011, - L 5 AS 181/07 - und vom 09. Mai. 2012, - L 5 AS 2/09 -, juris) im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen (RdErl. des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (MRS) vom 23. Februar 1993, MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1281) und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt, RdErl. des MRS vom 23. Februar 1993, MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1285, RdErl. des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr vom 10. März 1995, MBl. LSA Nr. 31/1995, S. 1133) zurückzugreifen. Hiernach beträgt die förderfähige Wohnfläche für einen 2-Personen-Haushalt bis zu 60 m². Angemessen ist eine Wohnung darüber hinaus nur, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Es genügt jedoch insoweit, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009, a.a.O.; Urteil des BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R -, m.w.N.; juris; st. Rspr. des BSG). Ist das Produkt, ausgedrückt in der Höhe des Mietzinses, gleichwohl angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, etwa, weil der Standard der Wohnung nach unten abweicht, kann gegebenenfalls die Überschreitung der Wohnungsgröße ausgeglichen werden. Dazu ist es erforderlich, die Referenzmiete oder die Angemessenheitsobergrenze im Vergleichsraum zu bestimmen. Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts zu ermitteln. Ein solches Konzept liegt nur dann vor, wenn der Grundsicherungsträger planmäßig vorgegangen ist im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall (Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009 a.a.O.).

Das BSG hat in seinem Urteil vom 22. September 2009 (Wilhelmshaven) - B 4 AS 18/09 R - (juris) zum schlüssigen Konzept weiter ausgeführt:

Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG, Urteil vom 18.6.2008 B 14/7b AS 44/06 R = FEVS 60, 145, 149; vgl auch BSG, Urteil vom 19.3.2008 B 11b AS 41/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen (vgl Urteil des 7b. Senats vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R = juris RdNr 7). Entscheidend ist vielmehr, dass den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein Konzept zu Grunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.

Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall.

Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

- Angaben über den Beobachtungszeitraum,

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

- Validität der Datenerhebung,

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Bislang hat der Gesetz- und Verordnungsgeber davon abgesehen, der Verwaltung normative Vorgaben darüber zu machen, wie sie die Angemessenheitsgrenze ermittelt. Die Verwaltung ist daher bis auf Weiteres nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt. Sie selbst kann auf Grund ihrer Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten am besten einschätzen, welche Vorgehensweise sich für eine Erhebung der grundsicherungsrechtlich erheblichen Daten am besten eignen könnte. So kann es je nach Lage der Dinge etwa ausreichend sein, die erforderlichen Daten bei den örtlichen Wohnungsbaugenossenschaften zu erheben, wenn die für Hilfeempfänger in Betracht kommenden Wohnungen zum größten Teil im Eigentum dieser Genossenschaften steht. Hingegen sind derartige Auskünfte allein nicht ausreichend, wenn die Genossenschaften über keinen ins Gewicht fallenden Anteil am Wohnungsbestand des Vergleichsraumes verfügen und eine Mietpreisabfrage keine valide Datengrundlage für die Angemessenheitsgrenze ergeben kann.

Ein schlüssiges Konzept kann sowohl auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards abstellen. Legt der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen so genannten einfachen Standards zu Grunde, muss er nachvollziehbar offen legen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat. In diesem Fall ist als Angemessenheitsgrenze der Spannenoberwert, dh der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne zu Grunde zu legen.

Für die Datenerhebung kommen nicht nur die Daten von tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen in Betracht, sondern auch von bereits vermieteten (Urteil des Senats vom 19.2 ...2009 - B 4 AS 30/08 R = juris RdNr 24). Im Gegensatz zur Erstellung von Mietspiegeln oder Mietdatenbanken, deren wesentliches Anliegen das dauerhafte Funktionieren des Marktes frei finanzierter Mietwohnungen ist (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3), ist im Rahmen der KdU grundsätzlich sämtlicher Wohnraum zu berücksichtigen, der auch tatsächlich zu diesem Zweck vermietet wird; so etwa auch Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist. Nicht zu berücksichtigen ist hingegen Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann; so etwa Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnisse (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen Verwandten). Auszunehmen ist auch Wohnraum, der in der Regel nicht länger als ein halbes Jahr und damit nach Auffassung des Senats nur vorübergehend vermietet werden soll (zB Ferienwohnungen, Wohnungen für Montagearbeiter).

Die erhobenen Daten müssen vergleichbar sein, das heißt, ihnen muss derselbe Mietbegriff zu Grunde liegen. Typischerweise ist dies entweder die Netto- oder die Bruttokaltmiete. Wird die Nettokaltmiete als Grundlage gewählt, sind die kalten Nebenkosten (Betriebskosten) von der Bruttokaltmiete abzuziehen. Ist die Bruttokaltmiete Vergleichsbasis, müssen auch Daten zu den vom Mieter gesondert zu zahlenden Betriebskosten erhoben werden. Wird Wohnraum etwa (teil-)möbliert vermietet und lässt sich das für die Nutzung der Möbel zu entrichtende Entgelt bestimmen, ist dieser Betrag, ansonsten ein nach dem räumlichen Vergleichsmaßstab hierfür üblicherweise zu zahlender Betrag herauszurechnen.

Entschließt sich der Grundsicherungsträger zur Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, wird dies aus finanziellen Gründen regelmäßig nur auf der Basis einer Stichprobe erfolgen können. Hier bietet es sich an, sich hinsichtlich Stichprobenumfang und Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard anzulehnen (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 38 f): Die Stichprobe kann, muss aber nicht proportional vorgenommen werden. Proportional bedeutet in diesem Zusammenhang, dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der Grundgesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, RdNr 650).

Das Konzept, auf welches die Beklagte ihre Leistungsbewilligungen nach § 22 SGB II stützt, genügt weder in der ursprünglichen noch in der nachgebesserten Form den oben angeführten Anforderungen.

1. In der ursprünglichen Form hat die Beklagte den gesamten Landkreis als einen Vergleichsraum bezeichnet und zur Unterscheidung so genannte Wohnungsmarkttypen gebildet.

Nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 30.01.2019, B 14 AS 12/18 R, B 14 AS 10/R, B 14 AS 11/18 R sowie B 14 AS 24/18 R, finde die Einteilung von Vergleichsräumen in einzelne Wohnungsmarkttypen im Gesetz keine Grundlage. Deshalb seien die Konzepte der Landkreise Harz, Börde und Salzlandkreis nicht schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Dieses trifft danach auf das ursprüngliche Konzept der Beklagten zu.

2. Auch die Nachbesserung genügt nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts.

Im Gericht ist es nicht möglich, festzustellen, auf welcher Grundlage die Beklagte zu der von ihr vorgenommenen Vergleichsraumbildung gelangt ist. Die Unterkunftsrichtlinie selbst enthält keinerlei Angaben hierzu.

Auch das von der Firma Analyse & Konzepte erstellte Konzept tätig hierzu bis auf das seitenweise zitieren der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keinerlei nachvollziehbare und überprüfbare Angaben.

Der räumliche Vergleichsmaßstab ist so zu wählen, dass Leistungsberechtigte im Regelfall ihr soziales Umfeld beizubehalten vermögen. Deshalb ist hier in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgeblich. Der räumliche Vergleichsmaßstab kann dabei im Hinblick auf seine Größe durchaus unterschiedlich sein - je nachdem, ob es sich um einen ländlichen Raum oder ein Ballungszentrum handelt (BSG, Urt. v. 18.06.2008, Az.: B 14/7b AS 44/06 R). Er muss sich jedenfalls nicht strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" orientieren. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstab kann es - insbesondere im ländlichen Raum - durchaus geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen (BSG, Urt. v. 07.11.2006, Az.: B 7b AS 18/06 R). Ausgehend vom Wohnort des Leistungsberechtigten sind Vergleichsmaßstab diejenigen ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung, die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl. etwa BSG, Urt. v. 19.02.2009, Az.: B 4 AS 30/08 R; zuvor BSG, Urt. v. 07.11.2006, Az.: B 7b AS 18/06 R).

Fraglich ist vorliegend, ob dieser Begriff des räumlichen Zusammenhalts zwischen dem Wohnort der Kläger, Möckern, und den weiteren Städten und Gemeinden des Vergleichsraumes, der Gemeinde Elbe-Parey, der Einheitsgemeinde Stadt Jerichow sowie der Stadt Genthin besteht.

So benötigt man zwischen Möckern als südlichstem Punkt des Vergleichsraumes nach Jericho zwischen 1 ½ Stunden bis 2 Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wobei Verbindungen nicht einmal stündlich erfolgen; zwischen Möckern und Genthin als größter Stadt und so genanntem Mittelzentrum sind es immer noch mindestens eine Stunde, während Verbindungen nach Burg im schnellsten Fall 30 Minuten bis maximal eine Stunde betragen.

Hinzu kommt, dass Verbindungen nach Magdeburg, der Landeshauptstadt, ganztägig im Stundentakt und zu Stoßzeiten öfters möglich sind und sich Möckern darüber hinaus in geringerer Entfernung zu Magdeburg befindet als zu Genthin.

Im Übrigen fehlen jegliche Angaben, in welchem räumlichen und tatsächlichen Zusammenhalt Möckern beispielsweise mit der Gemeinde Elbe-Parey steht, welche verkehrstechnische Verbundenheit zwischen den Gemeinden und Städten in dem Vergleichsraum überhaupt besteht, die beispielsweise über die zu dem weiteren Vergleichsraum Burg oder dem kleinen, wie ein Halbmond um die Landeshauptstadt Magdeburg herum gebildeten Vergleichsraum Möser-Biederitz-Gommern liegen.

Hinzu kommt, dass auch nicht festzustellen ist, dass die vier Gemeinden bzw. Städte des Vergleichsraums einen homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden, was sich bereits daraus ergibt, dass es sich bei Genthin um eine Stadt im engeren Sinne handelt während die übrigen Gemeinden eher ländlichen Charakter haben und sich über einen größeren Raum erstrecken.

Nach allem kann das Gericht nicht feststellen, dass das von der Beklagten angewandte Konzept schlüssig ist im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Nach den Entscheidungen vom 30.01.2019 ist dann auf die Werte der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen, wobei regelmäßig aus Sicherheitsgründen noch ein Aufschlag von 10% hinzuzurechnen ist (Vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, Rn. 30).

Nach § 12 Abs. 1 WoGG richten sich die monatlichen Höchstbeträge für Miete und Belastung nach der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmietglieder sowie der Mietenstufe, welche sich aus der Anlage 1 WoGG ergeben.

Der Wohnort der Kläger, der Landkreis Jerichower Land, gehört nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 Wohngeldverordnung zur Mietenstufe II. Nach der Tabelle zu § 12 WoGG ergibt sich hiernach ein monatlicher Höchstbetrag von EUR 380,00, welcher um einen Sicherheitszuschlag von 10%, entsprechend EUR 38,00, zu erhöhen ist. Das bedeutet, dass die Kläger Anspruch haben auf eine monatliche Bruttokaltmiete von EUR 418,00. Die Kläger haben im streitigen Zeitraum tatsächlich eine Bruttokaltmiete von EUR 371,24 zu zahlen, die danach angemessen ist.

Hinzu kommen die Heizkosten, die die Beklagte mit EUR 66,00 unstreitig anerkannt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Gericht hat gemäß § 144 Abs. 2 Ziff. 1. SGG die Berufung zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Es existiert derzeit in Sachsen-Anhalt, soweit bekannt, keine rechtskräftige Entscheidung zur Frage der Schlüssigkeit der von den Leistungsträgern bei der Leistungsbewilligung nach § 22 SGB II zugrunde gelegten Konzepte.
Rechtskraft
Aus
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