Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 R 1103/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 BA 15/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Beiträgen in Höhe von 48.787,78 EUR für den Prüfzeitraum 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 umstritten.
Die Klägerin betreibt in N. eine Firma mit dem Gewerbezweck Heizung, Sanitär und Kundendienst (so der Briefkopf). Für den Prüfzeitraum 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 prüfte das Hauptzollamt Magdeburg, Abteilung Schwarzmarktkontrolle die Geschäftsunterlagen der Klägerin und stellte fest, dass sechs rumänische Staatsangehörige (O. A., P. C., I. D., S. G., A. B. und N. R.) bei der Klägerin abhängig beschäftigt seien. Das Hauptzollamt legte der Personen einen Fragebogen vor, der von den sechs Rumänen ausgefüllt und von einem Dolmetscherbüro übersetzt worden seien. Die Personen hätten laut Auskunft des Gewerbeamtes Magdeburg ein Gewerbe angemeldet und seien ausschließlich für die Klägerin tätig gewesen.
Herr A. gab an, er sei von 2012 bis 2014 im Trockenbau tätig gewesen. Er habe ein Gewerbe in Magdeburg angemeldet und zahle Gewerbesteuern. Er habe eigene Geschäftsräume, ließ die Frage nach der Adresse jedoch unbeantwortet. Eine regelmäßige Arbeitszeit, die einzuhalten gewesen wäre, sei nicht vereinbart gewesen. Er habe die Arbeitszeit frei gestalten können. Er habe den Arbeitsort nicht frei wählen können. Ihm seien Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Arbeit erteilt worden. Werbung sei ihm nicht erlaubt gewesen; die Arbeit sei nicht kontrolliert worden. Er sei in den betrieblichen Ablauf der Klägerin nicht eingegliedert gewesen. Er habe der Klägerin regelmäßig berichten und habe die Arbeit persönlich ausführen müssen. Eigene Hilfskräfte habe er nicht einsetzen dürfen. Die Einstellung von Vertretungen bzw. Hilfskräften sei nicht von der Zustimmung der Klägerin abhängig gewesen. Ihm seien Arbeitsmittel, z.B. kostspieliges Werkzeug, kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Er sei nicht verpflichtet gewesen, eigenes Kapital einzusetzen bzw. sonstige Sicherheiten zur Verfügung zu stellen. Er habe von der Klägerin keine Finanzierungshilfen erhalten. Er habe ein konkretes Kalkulationsangebot abgegeben. Die Frage nach dem eigenen unternehmerischen Risiko beantwortete Herr A. nicht. Er habe mehrere Auftraggeber gehabt (Angabe: "Herr S."). Auf die im Fragebogen konkretisierte Nachfrage, Herr A. möge Adressen von und aktuelle Verträge mit anderen Auftraggebern vorlegen, legte Herr A. nur 19 Rechnungen, ausgestellt für die Klägerin, jedoch keine anderen Verträge oder Rechnungen vor. Er erklärte hierzu, die Rechnungen der Firma S. befänden sich beim Steuerberater. In den 19 Rechnungen wurden für zwei Bauvorhaben der Klägerin (L. Straße, Magdeburg; ...straße, Magdeburg) Verputzarbeiten in Rechnung gestellt. Aus den Rechnungen ergibt sich ein Stundenlohn in Höhe von 10,- EUR. Weiter erklärte Herr A., er habe einen eigenen Kundenstamm gehabt und habe seine Preise frei gestalten können. Arbeitszeitnachweise habe er nicht führen müssen und sei nach Stunden- und Objektlohn bezahlt worden. Besondere Lohnbestandteile habe er nicht erhalten. Lohnsteuer sei nicht entrichtet worden, Einkommensteuer hingegen schon. Einen Anspruch auf Lohnfortzahlung habe er nicht gehabt; bei Erkrankung habe er keinen Ersatzmann stellen müssen; wegen Erkrankung unerledigte Aufträge habe er nicht zurückgegeben. Auf die Frage, bei wem er sich im Falle einer plötzlichen Verhinderung habe melden müssen, erklärte Herr A.: "Ich musste es dem Chef der Firma melden". Urlaubsanspruch habe er nicht gehabt. Er sei nicht bei der Rentenversicherung versichert und sei von der Rentenversicherungspflicht befreit worden.
Herr C. machte entsprechende Angaben. Abweichend teilte er mit, seine Geschäftsräume würden sich in der ...straße 2 in Magdeburg befinden. Auf die Frage, ob er auch andere Auftraggeber habe, nannte Herr C. "Herr S.", die Rechnungen befänden sich beim Steuerbüro. Auch Herr C. legte 19 Rechnungen, ausgestellt für die Klägerin für Verputzarbeiten in den Bauvorhaben L. Straße, Magdeburg und ...straße in Magdeburg vor. Die Rechnungsdaten sind hinsichtlich der abgerechneten Zeiträume (bis auf zwei Ausnahmen am Anfang) deckungsgleich mit Herrn A., auch der Stundenlohn ist identisch.
Herr D. machte entsprechende Angaben, gab aber keine Geschäftsadresse an. Auch er habe außer für die Klägerin für Herrn S. gearbeitet, übergab aber nur Rechnungen für die Klägerin. Auch er arbeitete in den Bauvorhaben L. Straße in Magdeburg, wo er Tapezierarbeiten durchführte, und ...straße in Magdeburg, wo er Verputzarbeiten durchführte. Auf die Frage, bei wem er sich im Falle der Arbeitsunfähigkeit habe melden müssen, erklärte er, er sei nicht krank gewesen. Er fügte 18 Rechnungen bei, die bis auf Ausnahmen am Anfang und im Sommer 2013 (und abgesehen von offensichtlichen Schreibfehlern, z.B. 01.07.-14.01.13) deckungsgleich mit den Abrechnungen der anderen Personen sind.
Herr G. machte entsprechende Angaben. Er gab als Adresse für Geschäfts- und Betriebsräume an: ...straße 2, Magdeburg. Er fügte 21 Rechnungen (davon je eine Abschlags- und eine Schlussrechnung) bei, die auf Putzarbeiten der Bauvorhaben L. Straße, Magdeburg und ...straße, Magdeburg ausgestellt sind und (bis auf zwei Ausnahmen am Anfang) deckungsgleich mit Herrn A. sind.
Frau B. machte entsprechende Angaben, gab aber keine Geschäftsadresse an. Sie habe vom 17. Juni 2013 bis 2014 für die Klägerin gearbeitet. Auch sie habe außer für die Klägerin für Herrn S. gearbeitet, übergab aber nur Rechnungen für die Klägerin. Sie arbeitete in dem Bauvorhaben ...straße in Magdeburg, wo sie Tapezierarbeiten durchführte. Auf die Frage, bei wem sie sich im Falle der Arbeitsunfähigkeit habe melden müssen, erklärte sie, sie sei nicht krank gewesen. Sie überreichte zehn Rechnungen, die zum großen Teil deckungsgleich mit Herrn G. waren.
Herr R. erklärte, er sei von September bis Oktober 2012 mit Abriss- und Baugrobreinigungsarbeiten betraut gewesen. Die Klägerin habe als Materialien Werkzeuge, Schubkarre und Schippe gestellt. Auf die Frage nach seinem unternehmerischen Risiko erklärte er, er sei sich nicht sicher gewesen, ob er für die Klägerin arbeiten könne. Er habe sich parallel andere Auftraggeber suchen sollen. Sein Risiko sei es gewesen, dass er keine Aussicht auf einen festen Arbeitsplatz gehabt habe. Er habe nicht mehrere Auftraggeber gehabt. Er fügte fünf Rechnungen bei, die auf Putzarbeiten des Bauvorhabens ...straße, Magdeburg ausgestellt sind und nicht deckungsgleich mit den anderen hier genannten Personen sind.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 hörte die Beklagte die Klägerin an. Sie habe die Unterlagen des Hauptzollamtes betreffend die Klägerin und die sechs genannten Personen für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2013 ausgewertet. Es sei beabsichtigt, für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 48.787,78 EUR zu erheben. Ausgehend von den vorliegenden Unterlagen und unter Berücksichtigung von Kriterien, die für jede einzelne Person für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit und für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung geprüft worden seien, sei allen sechs genannten Personen vom Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Die Klägerin erklärte hierzu, sie sei uneingeschränkt der Auffassung, die sechs genannten Personen seien zu jeder Zeit selbständig tätig gewesen.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2017 stellte die Beklagte für O. A., P. C., I. D., S. G., A. B. und N. R. das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zur Klägerin fest und forderte sie auf, für den Zeitraum 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 48.787,78 EUR nachzuentrichten. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts diene als Abgrenzungskriterium die Weisungsgebundenheit nach Art, Ort und Zeit der Arbeit. Die genannten Personen seien nicht hinsichtlich der Arbeitszeit frei gewesen; sie seien zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen. Hilfskräfte hätte sie nicht einsetzen können. Auch der Arbeitsort sei festgelegt gewesen. Zudem hätten sie keine Werbung betreiben dürfen. Außerdem habe die Klägerin persönliche Weisungen erteilt. Außerdem habe die Klägerin kostenlos Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt; es sei kein Einsatz von eigenem Kapital erfolgt und die Personen hätten kein Unternehmerrisiko getragen. Die Entlohnung sei nach Stunden erfolgt. Aufgrund der mangelnden bis fehlenden Deutschkenntnisse wären die betroffenen Personen gar nicht in der Lage gewesen, eine eigene Terminplanung, eine Ausführungsplanung, eine Abrechnung und Buchhaltung durchzuführen und damit unternehmerisch am Markt aufzutreten. Das Vorliegen einer Gewerbeanmeldung, die eigene Rechnungslegung, das Zahlen von Umsatz- und Einkommensteuer sowie das Fehlen einer Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle sowie bei Urlaub seien untergeordnete Merkmale. Auf der Grundlage dieser Kriterien hätten O. A., P. C., I. D., S. G., A. B. und N. R. kein unternehmerisches Risiko getragen und kein unternehmerisches Handeln gezeigt.
Ihren dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausschlaggebend für die Beurteilung die vertragliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten sei. Außerdem habe die Beklagte die Indizkriterien "Weisungsgebundenheit nach Ort, Zeit und Art und Weise der Arbeit" schlicht verkannt. Die Klägerin machte vorsorglich Amtshaftungsansprüche geltend. Auf Anforderung der Klägerin übersandte die Beklagte die Originalfragebögen nebst Übersetzungen. Die Klägerin reagierte nicht mehr.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und führte unter Benennung der Kriterien und Prüfung für jede Einzelne der sechs Personen aus, diese seien bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen.
Mit ihrer hiergegen am 9. Oktober 2017 beim Sozialgericht Magdeburg begründeten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Grundsätzlich bedürfe es keiner ausdrücklichen Klagebegründung; der vorhandene Lebenssachverhalt sei eindeutig. Es werde in Abrede gestellt, dass sich die jeweilige "Befragung" bezogen auf Ort, Zeit und Inhalt so ereignet hätten, wie das Hauptzollamt meint dokumentieren zu können. Die Klägerin hat ferner behauptet, keine der befragten Personen sei über Hintergrund und Zielrichtung der Befragung aufgeklärt worden. Letztlich sei offenkundig, dass die benannten Personen selbständig erwerbstätig gewesen seien. Sie hätten über einen Gewerbeschein verfügt. Außerdem sei es selbstverständlich, dass der Generalunternehmer gegenüber seinem Subunternehmer den Arbeitsort festlege. Es sei auch fraglich, wie die Beklagte zu der Erkenntnis komme, die Personen hätten ihre tägliche Arbeitszeit nicht frei gestalten können. Das Anführen der Position "keine Werbung" sei schlicht unverständlich. Entsprechendes gelte für die Wertung hinsichtlich der Weisung hinsichtlich der Art der Ausübung der Arbeit. Die befragten Personen hätten nicht angegeben, dass sie die Arbeiten persönlich haben ausführen müssen und sich keiner Hilfskräfte hätten bedienen dürfen. Außerdem sei die Feststellung der Beklagten abwegig, die Personen hätten kein Kapital eingesetzt, kostenlos von der Klägerin zur Verfügung gestelltes Arbeitsmaterial erhalten und kein Unternehmerrisiko getragen. Die Bezahlung nach Arbeitsstunden sei von der Beklagten systematisch unzutreffend als Indiz für eine abhängige Beschäftigung gewertet worden. Das Kriterium "wenig Deutschkenntnisse" grenze an Unverschämtheit. Ein Unternehmerrisiko fehle nicht.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Das Gericht hat seine Absicht, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angekündigt. Die Beklagte hat zugestimmt, die Klägerin hat sich hierzu - nach Abgabe der Klagebegründung - nicht mehr geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden und damit zulässig.
Sie ist aber nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass die Personen O. A., P. C., I. D., S. G., A. B. und N. R. abhängig Beschäftigte der Klägerin waren.
Das Gericht kann durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören (§ 105 Abs. 1 SGG). Im vorliegend zu beurteilenden Rechtsstreit bestehen zwischen den Beteiligten hinsichtlich des Sachverhaltes keine diesen Gerichtsbescheid beeinflussenden Differenzen. Die rechtliche Beurteilung enthält keine Schwierigkeiten.
Die Klägerin hat in ihrer Klagebegründung auf den "vorhandenen Lebenssachverhalt" hingewiesen. Hieran möchte das Gericht zunächst anknüpfen. Der Lebenssachverhalt stellt sich so dar, dass sechs rumänische Staatsangehörige, die der deutschen Sprache kaum oder gar nicht mächtig sind, für eine Auftraggeberin, nämlich die Klägerin, auf ein- und denselben Baustellen (N. R. aus zeitlichen Gründen nur beim Bauvorhaben ...straße in Magdeburg) die gleichen Arbeiten verrichten (Ausnahme: Frau B.). Die Männer haben alle Putz- oder Verputzerarbeiten angegeben. Man muss sich den vorhandenen Lebenssachverhalt also so vorstellen, dass fünf Männer nebeneinander stehend, am besten noch aus einem Materialgefäß, mit dergleichen Arbeit betraut sind und dabei, da sie alle selbständig tätig sein sollen, in Konkurrenz zueinander stehen. Dabei reichen sie alle wortgleiche - und überraschenderweise in fehlerfreiem Deutsch geschriebene - Rechnungen ein, die in der ganz überwiegenden Anzahl die gleichen (auch über mehrere Wochen gleiche) Zeiträume betreffen und den gleichen Betrag von 10,- EUR pro Stunde ausweisen. Dies ist der Lebenssachverhalt.
Alles andere sind die äußeren Begleitumstände (Gewerbeschein, vertragliche Unterlagen), die für die Bewertung des Sachverhalts entgegen der Auffassung der Klägerin nicht maßgebend sind. Richtig ist hingegen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die tatsächlichen (Lebens-) Umstände maßgebend sind.
Dass diese Personen selbständig tätig sind, ist auf ganzer Linie unplausibel. Erhellend ist insofern die Aussage des Herrn R. auf die Frage nach seinem unternehmerischen Risiko. Er hat erklärt, er sei sich nicht sicher gewesen, ob er für die Klägerin arbeiten könne. Er habe sich parallel andere Auftraggeber suchen sollen. Sein Risiko sei es gewesen, dass er keine Aussicht auf einen festen Arbeitsplatz gehabt habe. Er habe nicht mehrere Auftraggeber gehabt. In dieser Aussage steckt das Ausnutzen der persönlichen Situation der betreffenden Personen. Er ist sich unsicher gewesen, ob er für die Klägerin arbeiten dürfe, zumal er - ganz offensichtlich - von ihr die Aufforderung erhalten hat, er solle sich weitere Auftraggeber suchen. Wer hätte Herrn R. sonst erklären sollen, er solle sich parallel weitere Auftraggeber suchen? Tatsächlich hat er angegeben, dass er nicht mehrere Auftraggeber gehabt hat. Sein persönliches Risiko ist gewesen, dass er keine Aussicht auf ein geregeltes Arbeitsverhältnis gehabt hat. Auch die übrigen fünf Personen haben nur für die Klägerin gearbeitet. Die Angabe, sie hätten für Herrn S. gearbeitet, bleibt unglaubhaft. Belege haben sie nicht vorgelegt. Wieso sollten die vollständigen Rechnungsunterlagen, die Klägerin betreffend, vorhanden sein, die anderen sich aber zeitgleich beim Steuerberater befinden? Dies ist nicht glaubhaft.
Die Aussagen der benannten Personen geben ein für die Beurteilung des Sachverhalts uneinheitliches Bild ab:
Für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit spricht die Gewerbeanmeldung, die Zahlung von Gewerbe- und Einkommensteuern, die freie Arbeitszeitgestaltung, die fehlende Kontrolle der Arbeit, die fehlende Eingliederung in den Betrieb der Klägerin, der eigene Kundenstamm, die freie Preisgestaltung, fehlender Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle und auf Urlaub.
Gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit spricht, dass die Personen den Arbeitsort nicht haben frei wählen können, die Erteilung von Weisungen während der Arbeit, das Werbeverbot, die Pflicht, die Arbeit persönlich auszuführen bzw. das Verbot, eine andere Person einzusetzen, die Berichtspflicht an die Klägerin, das Zurverfügungstellung von Arbeitsmitteln, der fehlende Kapitaleinsatz für die Firma und die ausschließlich auf die Klägerin ausgestellten Rechnungen.
Nach Auffassung des Gerichts sind vorliegend für die sechs Personen die Kriterien für eine selbständige Tätigkeit bewusst geschaffen worden. Es stellt sich die Frage, woher die rumänischen Staatsangehörigen ohne irgendwelche Deutschkenntnisse wissen, dass sie einen Gewerbeschein beantragen müssen und wer ihn letztlich beantragt hat? Mit diesen Vorgaben, die neben dem Schutz von Arbeitnehmerrechten auch alle auch das Fehlen von sozialversicherungsrechtlichem Schutz bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfall nach sich ziehen, sind die Personen, die sonst keine Aussicht auf eine Beschäftigung gehabt haben (Aussage Herr R.), in schutzlose Verhältnisse gedrängt worden. Und das ist das eigentliche (Unternehmer-) Risiko der sechs Personen. Herr R. hat dies anschaulich geschildert. Und mag es die Klägerin auch für unverschämt halten, die fehlenden Deutschkenntnisse sind entscheidend für die Führung eines Betriebes, für die Kundenakquise, für das Schreiben von Angeboten und Rechnungen, für Abrechnungen mit dem Finanzamt usw. Und in diesem Zusammenhang ist auch entscheidend, dass die Personen für ihr "Unternehmen" keine Werbung machen durften. Es stellt sich dabei zunächst die Frage, aus welcher Rechtsposition heraus die Klägerin dies hat verbieten können; für die sechs Personen hat dies bedeutet, nur auf die Klägerin angewiesen zu sein, zumal ohne Deutschkenntnisse.
Letztlich sind die Antworten von vier der sechs Personen (die anderen Beiden haben angegeben, nicht krank gewesen zu sein) auf die Frage, bei wem sie sich im Falle einer plötzlichen Verhinderung haben melden müssen, bezeichnend, geradezu entlarvend: Sie haben - ziemlich wortgleich - angegeben, sie müssen es dem Chef der Firma melden. Dass die Antwort auf diese Frage für jemanden, der vorgibt, selbständig zu sein, widersinnig ist, liegt auf der Hand. Aber die sechs Personen haben es offensichtlich so empfunden, dass es einen "Chef der Firma" gibt. Dass diese Person die Klägerin (in der Gestalt des Geschäftsführers) ist, die ihnen Weisungen auf der Arbeitsstelle gibt (Aussage Herr A.), ist mehr als offensichtlich.
Die sechs Personen sind also ungeachtet der Tatsache, ob dies vollkommen freiwillig geschehen ist oder nicht, in die Rolle der bzw. des Selbständigen gedrängt worden, ohne dies selbst so zu empfinden.
Fraglich ist, was die Klägerin damit meint, es werde in Abrede gestellt, dass sich die jeweilige "Befragung" bezogen auf Ort, Zeit und Inhalt so ereignet hätten, wie das Hauptzollamt meint dokumentieren zu können. Es liegen die von den betroffenen Personen unterschriebenen Fragebögen vor. Diese sind Grundlage der Entscheidung der Beklagten, aber auch des Gerichts. Irgendwelche Zweifel an der Echtheit hat die Klägerin nicht geäußert. Sofern die Klägerin ferner behauptet hat, keine der befragten Personen sei über Hintergrund und Zielrichtung der Befragung aufgeklärt worden, so ist auch dieser Hinweis für das Gericht gänzlich unverständlich. Ein Zeugnisverweigerungsrecht hat den sechs Personen nicht zur Seite gestanden; eine Verletzung könnte ohnehin nicht die Klägerin rügen.
Damit ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 197a, 183 SGG.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Beiträgen in Höhe von 48.787,78 EUR für den Prüfzeitraum 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 umstritten.
Die Klägerin betreibt in N. eine Firma mit dem Gewerbezweck Heizung, Sanitär und Kundendienst (so der Briefkopf). Für den Prüfzeitraum 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 prüfte das Hauptzollamt Magdeburg, Abteilung Schwarzmarktkontrolle die Geschäftsunterlagen der Klägerin und stellte fest, dass sechs rumänische Staatsangehörige (O. A., P. C., I. D., S. G., A. B. und N. R.) bei der Klägerin abhängig beschäftigt seien. Das Hauptzollamt legte der Personen einen Fragebogen vor, der von den sechs Rumänen ausgefüllt und von einem Dolmetscherbüro übersetzt worden seien. Die Personen hätten laut Auskunft des Gewerbeamtes Magdeburg ein Gewerbe angemeldet und seien ausschließlich für die Klägerin tätig gewesen.
Herr A. gab an, er sei von 2012 bis 2014 im Trockenbau tätig gewesen. Er habe ein Gewerbe in Magdeburg angemeldet und zahle Gewerbesteuern. Er habe eigene Geschäftsräume, ließ die Frage nach der Adresse jedoch unbeantwortet. Eine regelmäßige Arbeitszeit, die einzuhalten gewesen wäre, sei nicht vereinbart gewesen. Er habe die Arbeitszeit frei gestalten können. Er habe den Arbeitsort nicht frei wählen können. Ihm seien Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Arbeit erteilt worden. Werbung sei ihm nicht erlaubt gewesen; die Arbeit sei nicht kontrolliert worden. Er sei in den betrieblichen Ablauf der Klägerin nicht eingegliedert gewesen. Er habe der Klägerin regelmäßig berichten und habe die Arbeit persönlich ausführen müssen. Eigene Hilfskräfte habe er nicht einsetzen dürfen. Die Einstellung von Vertretungen bzw. Hilfskräften sei nicht von der Zustimmung der Klägerin abhängig gewesen. Ihm seien Arbeitsmittel, z.B. kostspieliges Werkzeug, kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Er sei nicht verpflichtet gewesen, eigenes Kapital einzusetzen bzw. sonstige Sicherheiten zur Verfügung zu stellen. Er habe von der Klägerin keine Finanzierungshilfen erhalten. Er habe ein konkretes Kalkulationsangebot abgegeben. Die Frage nach dem eigenen unternehmerischen Risiko beantwortete Herr A. nicht. Er habe mehrere Auftraggeber gehabt (Angabe: "Herr S."). Auf die im Fragebogen konkretisierte Nachfrage, Herr A. möge Adressen von und aktuelle Verträge mit anderen Auftraggebern vorlegen, legte Herr A. nur 19 Rechnungen, ausgestellt für die Klägerin, jedoch keine anderen Verträge oder Rechnungen vor. Er erklärte hierzu, die Rechnungen der Firma S. befänden sich beim Steuerberater. In den 19 Rechnungen wurden für zwei Bauvorhaben der Klägerin (L. Straße, Magdeburg; ...straße, Magdeburg) Verputzarbeiten in Rechnung gestellt. Aus den Rechnungen ergibt sich ein Stundenlohn in Höhe von 10,- EUR. Weiter erklärte Herr A., er habe einen eigenen Kundenstamm gehabt und habe seine Preise frei gestalten können. Arbeitszeitnachweise habe er nicht führen müssen und sei nach Stunden- und Objektlohn bezahlt worden. Besondere Lohnbestandteile habe er nicht erhalten. Lohnsteuer sei nicht entrichtet worden, Einkommensteuer hingegen schon. Einen Anspruch auf Lohnfortzahlung habe er nicht gehabt; bei Erkrankung habe er keinen Ersatzmann stellen müssen; wegen Erkrankung unerledigte Aufträge habe er nicht zurückgegeben. Auf die Frage, bei wem er sich im Falle einer plötzlichen Verhinderung habe melden müssen, erklärte Herr A.: "Ich musste es dem Chef der Firma melden". Urlaubsanspruch habe er nicht gehabt. Er sei nicht bei der Rentenversicherung versichert und sei von der Rentenversicherungspflicht befreit worden.
Herr C. machte entsprechende Angaben. Abweichend teilte er mit, seine Geschäftsräume würden sich in der ...straße 2 in Magdeburg befinden. Auf die Frage, ob er auch andere Auftraggeber habe, nannte Herr C. "Herr S.", die Rechnungen befänden sich beim Steuerbüro. Auch Herr C. legte 19 Rechnungen, ausgestellt für die Klägerin für Verputzarbeiten in den Bauvorhaben L. Straße, Magdeburg und ...straße in Magdeburg vor. Die Rechnungsdaten sind hinsichtlich der abgerechneten Zeiträume (bis auf zwei Ausnahmen am Anfang) deckungsgleich mit Herrn A., auch der Stundenlohn ist identisch.
Herr D. machte entsprechende Angaben, gab aber keine Geschäftsadresse an. Auch er habe außer für die Klägerin für Herrn S. gearbeitet, übergab aber nur Rechnungen für die Klägerin. Auch er arbeitete in den Bauvorhaben L. Straße in Magdeburg, wo er Tapezierarbeiten durchführte, und ...straße in Magdeburg, wo er Verputzarbeiten durchführte. Auf die Frage, bei wem er sich im Falle der Arbeitsunfähigkeit habe melden müssen, erklärte er, er sei nicht krank gewesen. Er fügte 18 Rechnungen bei, die bis auf Ausnahmen am Anfang und im Sommer 2013 (und abgesehen von offensichtlichen Schreibfehlern, z.B. 01.07.-14.01.13) deckungsgleich mit den Abrechnungen der anderen Personen sind.
Herr G. machte entsprechende Angaben. Er gab als Adresse für Geschäfts- und Betriebsräume an: ...straße 2, Magdeburg. Er fügte 21 Rechnungen (davon je eine Abschlags- und eine Schlussrechnung) bei, die auf Putzarbeiten der Bauvorhaben L. Straße, Magdeburg und ...straße, Magdeburg ausgestellt sind und (bis auf zwei Ausnahmen am Anfang) deckungsgleich mit Herrn A. sind.
Frau B. machte entsprechende Angaben, gab aber keine Geschäftsadresse an. Sie habe vom 17. Juni 2013 bis 2014 für die Klägerin gearbeitet. Auch sie habe außer für die Klägerin für Herrn S. gearbeitet, übergab aber nur Rechnungen für die Klägerin. Sie arbeitete in dem Bauvorhaben ...straße in Magdeburg, wo sie Tapezierarbeiten durchführte. Auf die Frage, bei wem sie sich im Falle der Arbeitsunfähigkeit habe melden müssen, erklärte sie, sie sei nicht krank gewesen. Sie überreichte zehn Rechnungen, die zum großen Teil deckungsgleich mit Herrn G. waren.
Herr R. erklärte, er sei von September bis Oktober 2012 mit Abriss- und Baugrobreinigungsarbeiten betraut gewesen. Die Klägerin habe als Materialien Werkzeuge, Schubkarre und Schippe gestellt. Auf die Frage nach seinem unternehmerischen Risiko erklärte er, er sei sich nicht sicher gewesen, ob er für die Klägerin arbeiten könne. Er habe sich parallel andere Auftraggeber suchen sollen. Sein Risiko sei es gewesen, dass er keine Aussicht auf einen festen Arbeitsplatz gehabt habe. Er habe nicht mehrere Auftraggeber gehabt. Er fügte fünf Rechnungen bei, die auf Putzarbeiten des Bauvorhabens ...straße, Magdeburg ausgestellt sind und nicht deckungsgleich mit den anderen hier genannten Personen sind.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 hörte die Beklagte die Klägerin an. Sie habe die Unterlagen des Hauptzollamtes betreffend die Klägerin und die sechs genannten Personen für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2013 ausgewertet. Es sei beabsichtigt, für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 48.787,78 EUR zu erheben. Ausgehend von den vorliegenden Unterlagen und unter Berücksichtigung von Kriterien, die für jede einzelne Person für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit und für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung geprüft worden seien, sei allen sechs genannten Personen vom Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Die Klägerin erklärte hierzu, sie sei uneingeschränkt der Auffassung, die sechs genannten Personen seien zu jeder Zeit selbständig tätig gewesen.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2017 stellte die Beklagte für O. A., P. C., I. D., S. G., A. B. und N. R. das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zur Klägerin fest und forderte sie auf, für den Zeitraum 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 48.787,78 EUR nachzuentrichten. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts diene als Abgrenzungskriterium die Weisungsgebundenheit nach Art, Ort und Zeit der Arbeit. Die genannten Personen seien nicht hinsichtlich der Arbeitszeit frei gewesen; sie seien zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen. Hilfskräfte hätte sie nicht einsetzen können. Auch der Arbeitsort sei festgelegt gewesen. Zudem hätten sie keine Werbung betreiben dürfen. Außerdem habe die Klägerin persönliche Weisungen erteilt. Außerdem habe die Klägerin kostenlos Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt; es sei kein Einsatz von eigenem Kapital erfolgt und die Personen hätten kein Unternehmerrisiko getragen. Die Entlohnung sei nach Stunden erfolgt. Aufgrund der mangelnden bis fehlenden Deutschkenntnisse wären die betroffenen Personen gar nicht in der Lage gewesen, eine eigene Terminplanung, eine Ausführungsplanung, eine Abrechnung und Buchhaltung durchzuführen und damit unternehmerisch am Markt aufzutreten. Das Vorliegen einer Gewerbeanmeldung, die eigene Rechnungslegung, das Zahlen von Umsatz- und Einkommensteuer sowie das Fehlen einer Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle sowie bei Urlaub seien untergeordnete Merkmale. Auf der Grundlage dieser Kriterien hätten O. A., P. C., I. D., S. G., A. B. und N. R. kein unternehmerisches Risiko getragen und kein unternehmerisches Handeln gezeigt.
Ihren dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausschlaggebend für die Beurteilung die vertragliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten sei. Außerdem habe die Beklagte die Indizkriterien "Weisungsgebundenheit nach Ort, Zeit und Art und Weise der Arbeit" schlicht verkannt. Die Klägerin machte vorsorglich Amtshaftungsansprüche geltend. Auf Anforderung der Klägerin übersandte die Beklagte die Originalfragebögen nebst Übersetzungen. Die Klägerin reagierte nicht mehr.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und führte unter Benennung der Kriterien und Prüfung für jede Einzelne der sechs Personen aus, diese seien bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen.
Mit ihrer hiergegen am 9. Oktober 2017 beim Sozialgericht Magdeburg begründeten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Grundsätzlich bedürfe es keiner ausdrücklichen Klagebegründung; der vorhandene Lebenssachverhalt sei eindeutig. Es werde in Abrede gestellt, dass sich die jeweilige "Befragung" bezogen auf Ort, Zeit und Inhalt so ereignet hätten, wie das Hauptzollamt meint dokumentieren zu können. Die Klägerin hat ferner behauptet, keine der befragten Personen sei über Hintergrund und Zielrichtung der Befragung aufgeklärt worden. Letztlich sei offenkundig, dass die benannten Personen selbständig erwerbstätig gewesen seien. Sie hätten über einen Gewerbeschein verfügt. Außerdem sei es selbstverständlich, dass der Generalunternehmer gegenüber seinem Subunternehmer den Arbeitsort festlege. Es sei auch fraglich, wie die Beklagte zu der Erkenntnis komme, die Personen hätten ihre tägliche Arbeitszeit nicht frei gestalten können. Das Anführen der Position "keine Werbung" sei schlicht unverständlich. Entsprechendes gelte für die Wertung hinsichtlich der Weisung hinsichtlich der Art der Ausübung der Arbeit. Die befragten Personen hätten nicht angegeben, dass sie die Arbeiten persönlich haben ausführen müssen und sich keiner Hilfskräfte hätten bedienen dürfen. Außerdem sei die Feststellung der Beklagten abwegig, die Personen hätten kein Kapital eingesetzt, kostenlos von der Klägerin zur Verfügung gestelltes Arbeitsmaterial erhalten und kein Unternehmerrisiko getragen. Die Bezahlung nach Arbeitsstunden sei von der Beklagten systematisch unzutreffend als Indiz für eine abhängige Beschäftigung gewertet worden. Das Kriterium "wenig Deutschkenntnisse" grenze an Unverschämtheit. Ein Unternehmerrisiko fehle nicht.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Das Gericht hat seine Absicht, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angekündigt. Die Beklagte hat zugestimmt, die Klägerin hat sich hierzu - nach Abgabe der Klagebegründung - nicht mehr geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden und damit zulässig.
Sie ist aber nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass die Personen O. A., P. C., I. D., S. G., A. B. und N. R. abhängig Beschäftigte der Klägerin waren.
Das Gericht kann durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören (§ 105 Abs. 1 SGG). Im vorliegend zu beurteilenden Rechtsstreit bestehen zwischen den Beteiligten hinsichtlich des Sachverhaltes keine diesen Gerichtsbescheid beeinflussenden Differenzen. Die rechtliche Beurteilung enthält keine Schwierigkeiten.
Die Klägerin hat in ihrer Klagebegründung auf den "vorhandenen Lebenssachverhalt" hingewiesen. Hieran möchte das Gericht zunächst anknüpfen. Der Lebenssachverhalt stellt sich so dar, dass sechs rumänische Staatsangehörige, die der deutschen Sprache kaum oder gar nicht mächtig sind, für eine Auftraggeberin, nämlich die Klägerin, auf ein- und denselben Baustellen (N. R. aus zeitlichen Gründen nur beim Bauvorhaben ...straße in Magdeburg) die gleichen Arbeiten verrichten (Ausnahme: Frau B.). Die Männer haben alle Putz- oder Verputzerarbeiten angegeben. Man muss sich den vorhandenen Lebenssachverhalt also so vorstellen, dass fünf Männer nebeneinander stehend, am besten noch aus einem Materialgefäß, mit dergleichen Arbeit betraut sind und dabei, da sie alle selbständig tätig sein sollen, in Konkurrenz zueinander stehen. Dabei reichen sie alle wortgleiche - und überraschenderweise in fehlerfreiem Deutsch geschriebene - Rechnungen ein, die in der ganz überwiegenden Anzahl die gleichen (auch über mehrere Wochen gleiche) Zeiträume betreffen und den gleichen Betrag von 10,- EUR pro Stunde ausweisen. Dies ist der Lebenssachverhalt.
Alles andere sind die äußeren Begleitumstände (Gewerbeschein, vertragliche Unterlagen), die für die Bewertung des Sachverhalts entgegen der Auffassung der Klägerin nicht maßgebend sind. Richtig ist hingegen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die tatsächlichen (Lebens-) Umstände maßgebend sind.
Dass diese Personen selbständig tätig sind, ist auf ganzer Linie unplausibel. Erhellend ist insofern die Aussage des Herrn R. auf die Frage nach seinem unternehmerischen Risiko. Er hat erklärt, er sei sich nicht sicher gewesen, ob er für die Klägerin arbeiten könne. Er habe sich parallel andere Auftraggeber suchen sollen. Sein Risiko sei es gewesen, dass er keine Aussicht auf einen festen Arbeitsplatz gehabt habe. Er habe nicht mehrere Auftraggeber gehabt. In dieser Aussage steckt das Ausnutzen der persönlichen Situation der betreffenden Personen. Er ist sich unsicher gewesen, ob er für die Klägerin arbeiten dürfe, zumal er - ganz offensichtlich - von ihr die Aufforderung erhalten hat, er solle sich weitere Auftraggeber suchen. Wer hätte Herrn R. sonst erklären sollen, er solle sich parallel weitere Auftraggeber suchen? Tatsächlich hat er angegeben, dass er nicht mehrere Auftraggeber gehabt hat. Sein persönliches Risiko ist gewesen, dass er keine Aussicht auf ein geregeltes Arbeitsverhältnis gehabt hat. Auch die übrigen fünf Personen haben nur für die Klägerin gearbeitet. Die Angabe, sie hätten für Herrn S. gearbeitet, bleibt unglaubhaft. Belege haben sie nicht vorgelegt. Wieso sollten die vollständigen Rechnungsunterlagen, die Klägerin betreffend, vorhanden sein, die anderen sich aber zeitgleich beim Steuerberater befinden? Dies ist nicht glaubhaft.
Die Aussagen der benannten Personen geben ein für die Beurteilung des Sachverhalts uneinheitliches Bild ab:
Für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit spricht die Gewerbeanmeldung, die Zahlung von Gewerbe- und Einkommensteuern, die freie Arbeitszeitgestaltung, die fehlende Kontrolle der Arbeit, die fehlende Eingliederung in den Betrieb der Klägerin, der eigene Kundenstamm, die freie Preisgestaltung, fehlender Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle und auf Urlaub.
Gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit spricht, dass die Personen den Arbeitsort nicht haben frei wählen können, die Erteilung von Weisungen während der Arbeit, das Werbeverbot, die Pflicht, die Arbeit persönlich auszuführen bzw. das Verbot, eine andere Person einzusetzen, die Berichtspflicht an die Klägerin, das Zurverfügungstellung von Arbeitsmitteln, der fehlende Kapitaleinsatz für die Firma und die ausschließlich auf die Klägerin ausgestellten Rechnungen.
Nach Auffassung des Gerichts sind vorliegend für die sechs Personen die Kriterien für eine selbständige Tätigkeit bewusst geschaffen worden. Es stellt sich die Frage, woher die rumänischen Staatsangehörigen ohne irgendwelche Deutschkenntnisse wissen, dass sie einen Gewerbeschein beantragen müssen und wer ihn letztlich beantragt hat? Mit diesen Vorgaben, die neben dem Schutz von Arbeitnehmerrechten auch alle auch das Fehlen von sozialversicherungsrechtlichem Schutz bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfall nach sich ziehen, sind die Personen, die sonst keine Aussicht auf eine Beschäftigung gehabt haben (Aussage Herr R.), in schutzlose Verhältnisse gedrängt worden. Und das ist das eigentliche (Unternehmer-) Risiko der sechs Personen. Herr R. hat dies anschaulich geschildert. Und mag es die Klägerin auch für unverschämt halten, die fehlenden Deutschkenntnisse sind entscheidend für die Führung eines Betriebes, für die Kundenakquise, für das Schreiben von Angeboten und Rechnungen, für Abrechnungen mit dem Finanzamt usw. Und in diesem Zusammenhang ist auch entscheidend, dass die Personen für ihr "Unternehmen" keine Werbung machen durften. Es stellt sich dabei zunächst die Frage, aus welcher Rechtsposition heraus die Klägerin dies hat verbieten können; für die sechs Personen hat dies bedeutet, nur auf die Klägerin angewiesen zu sein, zumal ohne Deutschkenntnisse.
Letztlich sind die Antworten von vier der sechs Personen (die anderen Beiden haben angegeben, nicht krank gewesen zu sein) auf die Frage, bei wem sie sich im Falle einer plötzlichen Verhinderung haben melden müssen, bezeichnend, geradezu entlarvend: Sie haben - ziemlich wortgleich - angegeben, sie müssen es dem Chef der Firma melden. Dass die Antwort auf diese Frage für jemanden, der vorgibt, selbständig zu sein, widersinnig ist, liegt auf der Hand. Aber die sechs Personen haben es offensichtlich so empfunden, dass es einen "Chef der Firma" gibt. Dass diese Person die Klägerin (in der Gestalt des Geschäftsführers) ist, die ihnen Weisungen auf der Arbeitsstelle gibt (Aussage Herr A.), ist mehr als offensichtlich.
Die sechs Personen sind also ungeachtet der Tatsache, ob dies vollkommen freiwillig geschehen ist oder nicht, in die Rolle der bzw. des Selbständigen gedrängt worden, ohne dies selbst so zu empfinden.
Fraglich ist, was die Klägerin damit meint, es werde in Abrede gestellt, dass sich die jeweilige "Befragung" bezogen auf Ort, Zeit und Inhalt so ereignet hätten, wie das Hauptzollamt meint dokumentieren zu können. Es liegen die von den betroffenen Personen unterschriebenen Fragebögen vor. Diese sind Grundlage der Entscheidung der Beklagten, aber auch des Gerichts. Irgendwelche Zweifel an der Echtheit hat die Klägerin nicht geäußert. Sofern die Klägerin ferner behauptet hat, keine der befragten Personen sei über Hintergrund und Zielrichtung der Befragung aufgeklärt worden, so ist auch dieser Hinweis für das Gericht gänzlich unverständlich. Ein Zeugnisverweigerungsrecht hat den sechs Personen nicht zur Seite gestanden; eine Verletzung könnte ohnehin nicht die Klägerin rügen.
Damit ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 197a, 183 SGG.
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