L 7 VE 2/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 14 VE 15/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 VE 2/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Feststellung weiterer Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenrente.

Der 1976 geborene Kläger beantragte am 24. Juli 1996 beim Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Zivildienstgesetz (ZDG) wegen Frakturen des 11. und 12. Brustwirbelkörpers (BWK) und des rechten Fersenbeins. Er war während seiner Zivildiensttätigkeit im B.-heim B. am 16. Juli 1996 beim Dachanstrich ausgerutscht und vom Dach fünf Meter tief auf eine Rasenfläche gefallen. Nach dem Bericht des Kreiskrankenhauses B. vom 5. September 1996 habe sich der Kläger dort seit dem Unfalltag bis zum 4. September 1996 wegen einer Kompressionsfraktur des 12. BWK (ohne Lähmungserscheinungen) und einer Fraktur des hinteren Volkmann´schen Keiles der distalen Tibia rechts in stationärer Behandlung befunden. Der Tibiakantenbruch sei im Unterschenkelgips für ca. fünf Wochen ruhig gestellt worden. Die Entlassung sei gehfähig und weitgehend beschwerdefrei erfolgt. Im Zeitraum vom 11. September bis 9. Oktober 1996 unterzog sich der Kläger einem stationären Kurheilverfahren im Heilbad H. Nach dem Entlassungsbericht vom 22. Oktober 1996 sei das Gangbild des Klägers unauffällig gewesen. Der Bandapparat der Kniegelenke sei straff und die Meniskuszeichen negativ gewesen. Die Struktur und Funktion der Sprunggelenke sei normal gewesen. Auch der neurologische und psychische Befund sei unauffällig gewesen. Bei Beendigung der Maßnahme sei die Wirbelsäule des Klägers frei beweglich gewesen.

Der Facharzt für Orthopädie Dr. F. erstatte am 8. September 1997 ein versorgungsärztliches Gutachten für den Beklagten. Danach habe der Kläger über ständige Schmerzen im Bereich des 11. und 12. BWK und dadurch bedingte Einschlafstörungen berichtet. Schon ein geringes Vorbeugen des Oberkörpers sei nur unter großen Schmerzen möglich. Im Bereich des Sprunggelenkes bestünden keine wesentlichen Beschwerden. Lediglich nach längerem Autofahren habe er ein Druckgefühl im Bereich der rechten Ferse. In ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19. Mai 1998 verwies Dr. R. auf eine bereits vor dem Unfall durch Dr. F. am 4. Juli 1995 festgestellte leichte skoliotische Fehlbildung der Brustwirbelsäule (BWS) als konkurrierende Ursache. Darüber hinaus hatte Dr. F. über eine geringfügige Einschränkung der Lendenwirbelsäule (LWS) und eine Hyperlordosierung berichtet. Außerdem sei der Kläger von ihm bis 1987 wegen Fußfehlstellungen behandelt worden. Weiterhin lagen im Verwaltungsverfahren Dienstunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum des Zivildienstes vor: 21. bis 23. August 1995 wegen einer psychosomatischen Funktionsstörung (Dipl.-Med. S., Facharzt für Allgemeinmedizin), 5. bis 8. März 1996 wegen einer Kontusion des rechten Knies (Dr. K./G., Fachärzte für Chirurgie), 14. bis 21. Juni 1996 wegen einer Blockierung der LWS und Lumbalgie L2/L3 bei Osteochondrose in diesem Bereich (Dipl.-Med. S.). Nach dem Rezept der Praxis für Physiotherapie P. sei der Kläger dort vom 20. bis 26. Juni 1996 behandelt worden.

Schließlich lag das Gutachten des Prof. Dr. G. (Orthopädische Universitätsklinik M.) vom 22. April 1999 vor. Bei Untersuchung durch den Sachverständigen habe der Kläger über ständige Rückenschmerzen und dadurch bestehende Einschlafprobleme berichtet. Von Seiten des Sprunggelenks bestünden keine Beschwerden mehr. Bei der Untersuchung habe sich eine Bewegungseinschränkung bei Vorbeugung im Bereich der unteren LWS gezeigt. Die Seitneigung und Drehung der Wirbelsäule seien endgradig eingeschränkt gewesen. Die Röntgenaufnahmen zeigten ein Jahr nach dem Unfall einen ausgeheilten Wirbelbruch bei D12 mit einer Keilform des Wirbelkörpers bei Kompression der Deckplatte sowie einer geringen Deckplattenimpression des 11. BWK mit angedeuteter Keilform. Unfallunabhängig bestehe eine minimale Skoliose. Außerdem verwies der Sachverständige unter Bezugnahme auf die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen und das Rezept der Physiotherapie auf bereits vor dem Unfall bestehende behandlungsbedürftige Rückenschmerzen als konkurrierende Ursachen. Als weitere Schädigungsfolge sei eine Verletzung des rechten Sprunggelenks mit einer endgradigen Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk festzustellen (Extension/Flexion 10/0/40 Grad nach der Neutral-Null-Methode, Pro- und Supination seitengleich frei beweglich). Röntgenologisch weise das Sprunggelenk keine krankhaften Veränderungen mehr auf. Unter der Annahme einer stärkeren Schmerzhaftigkeit mit einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule im ersten Jahr nach dem Unfall könne für diesen Zeitraum eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vom Hundert (v.H.) festgestellt werden. Über den Zeitraum von 12 Monaten hinaus bestehe eine MdE von 20 v.H. Mit Bescheid vom 12. Juli 1999 erkannte der Beklagte dem Gutachten folgend als Folgen einer schädigenden Einwirkung im Sinne von § 47 ZDG an: Funktionseinschränkung im Brustwirbelsäulen-/Lendenwirbelsäulen-Übergang nach verheilter Fraktur des 11. und 12. BWK sowie Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenks. Darüber hinaus stellte der Beklagte fest: Die MdE betrage ab 1. Juli 1996 30 v.H. und ab 1. Juli 1997 unter 25 v. H.

Am 18. Juli 2008 stellte der Kläger beim Beklagten einen Verschlimmerungsantrag und begründete diesen mit einem Bandscheibenvorfall im Bereich L 4/5, Schmerzen im Hüftgelenk, einem außergewöhnlichen Schmerzsyndrom und einer psychischen Erkrankung. Nach dem MRT der Radiologischen Praxis W. vom 15. Mai 2008 habe sich im Bereich L4/5 ein kleiner Bandscheibenvorfall nachweisen lassen. Die übrigen Bandscheiben schlössen regelgerecht ab. Mit Befundschein vom 28. August 2008 berichtete die Fachärztin für Chirurgie K. über weiterhin bestehende Beschwerden im Bereich der BWS, insbesondere beim längeren Stehen und Schlafen. Neu hinzugekommen seien Schmerzen im Bereich der LWS und hin und wieder Schmerzen im rechten oberen Sprunggelenk (OSG) bei Belastung. Folgende Bewegungsmaße gab die Ärztin an: Seitneige Rumpf 25/0/20 Grad, Finger-Boden-Abstand (FBA) 29 cm, OSG: Extension/Flexion: 15/0/50 Grad. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin R. berichtete über eine seit Februar 2007 infolge einer psychischen Belastungssituation bestehende psychosomatische Störung, eine reaktive Depression und eine Angststörung. Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten (Dipl.-Med. K.) wies in Auswertung der Befunde am 23. Oktober 2008 darauf hin, dass die zunehmenden Wirbelsäulenbeschwerden auf den frisch diagnostizierten Bandscheibenvorfall in Höhe L4/L5 zurückzuführen seien. Da bei der Untersuchung der LWS im Jahre 1997 dieser nicht vorgelegen habe, handele es sich um ein schädigungsunabhängiges Leiden. Die endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes bedinge keinen GdS. Auch sei durch den Sturz vom Dach keine Verletzung im Bereich der Hüfte eingetreten, sodass die jetzigen Beschwerden in keinen Zusammenhang zu diesem stünden. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 6. November 2008 den Antrag auf Neufeststellung ab.

Dagegen legte der Kläger am 18. November 2008 Widerspruch ein und trug vor: Durch die Verheilung des Bruches in Fehlform und die nachfolgende Versteifung sei die Statik der Wirbelsäule dauerhaft gestört. Durch die Überbeanspruchung sei im Bereich L4/L5 ein Schaden eingetreten, da die geschädigte BWS die Beugebewegungen nicht mehr habe leisten können. Außerdem hätten im Frakturbereich der BWS die Schmerzen zugenommen. Der Bescheid habe sich mit der Schmerzzunahme und der psychischen Verschlimmerung nicht auseinandergesetzt.

Der Beklagte beteiligte nochmals seine ärztliche Gutachterin Dr. R., die in ihrer Stellungnahme am 23. April 2009 ergänzend ausführte: Ab dem 20. Lebensjahr stelle der Bandscheibenverschleiß einen ganz alltäglichen, üblicherweise physiologisch ablaufenden Alterungsprozess dar. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen weise ab dem 30. Lebensjahr Verschleißveränderungen der Bandscheiben der LWS auf. Bei Wirbelbrüchen komme es zwar zu einer dauerhaften Überlastung benachbarter Bereiche. Hier seien jedoch die benachbarten Bewegungssegmente gemeint, also im Fall des Klägers das Bewegungssegment Th10/11 bzw. Th12/L1. Ein ursächlicher Zusammenhang des Bandscheibenvorfalls im Bereich L4/5 mit den als Schädigungsfolge anerkannten Wirbelkörperschäden in den Bereichen T11/12 sei nicht wahrscheinlich zu machen. Damit seien auch das außergewöhnliche Schmerzsyndrom und die psychische Verschlimmerung nicht schädigungsbedingt. Dem folgend wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2009 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 12. Juni 2009 Klage beim Sozialgericht (SG) M. erhoben und vorgetragen: Der Bandscheibenvorfall sei auf die Unfallfolgen zurückzuführen. Da ein kompletter Ausfall der BWS vorliege, habe die LWS stärker belastet werden müssen, da die anliegende Halswirbelsäule (HWS) die Bewegungen nicht ersetzen könne. Der Kläger hat ein an seinen Prozessbevollmächtigten gerichtetes Schreiben des Dr. W. (Fachkrankenhaus für Orthopädie V.-G.) vom 23. September 2010 nach der dortigen Untersuchung des Klägers am 23. August 2010 vorgelegt. Der Arzt hat einen Zustand nach BWK11/12-Fraktur, eine zunehmende Coxarthrose rechts mehr als links, eine beginnende Sklerosierung des Taluskopfes und eine Teilversteifung im dorso-lumbalen Übergang festgestellt. Die Beweglichkeit des rechten OSG habe in Extension/Flexion 10/0/60 Grad betragen. Ergänzend hat der Kläger über eine Behandlung bei Dr. B. wegen einer schweren Depressionserkrankung und über die Einnahme von Antidepressiva berichtet. Durch den Unfall sei seine Lebensplanung völlig durcheinander geraten. Er habe monatelang im Krankenhaus gelegen. Deswegen habe sich seine Verlobte von ihm getrennt, seine beruflichen Pläne seien komplett zerstört worden. Aufgrund des Unfalls habe er das beabsichtigte Studium der Kraftfahrzeugtechnik nicht mehr absolvieren habe können. Er habe hierdurch eine Traumatisierung erlitten und befinde sich nunmehr auch in psychotherapeutischer Behandlung bei Prof. M. in M.

Der Beklagte hat auf die prüfärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 21. Juli 2010 und 25. November 2010 hingewiesen. Danach hätten anlagebedingte Veränderungen beim Kläger schon vor dem Trauma vorgelegen. Im Oktober 1994 sei ein Morbus Schlatter am linken Kniegelenk diagnostiziert worden (Verknöcherungsstörung) und im Juli 1995 habe Dr. F. Verspannungen im Bereich des linken Schulterblattes sowie eine leichte Linksverbiegung der Wirbelsäule im BWS/LWS-Bereich mitgeteilt. Dazu passe auch der Befund einer leichten Keilform des 8. BWK, die höchstwahrscheinlich, wie am Kniegelenk, Folge einer Wachstumsstörung sei. Zudem hätten bei dem damals 20-jährigen nachweisbare Einschränkungen der HWS- und LWS-Beweglichkeit bestanden. Neben den naturgemäß zu erwartenden Verschleißerscheinungen an den Bandscheiben sei im vorliegenden Fall von anlagebedingten vermehrten degenerativen Veränderungen auszugehen. Außergewöhnliche Schmerzen und seelische Störungen aufgrund der verheilten BWK-Fraktur seien nicht nachvollziehbar und aus den Befunden auch nicht abzuleiten. Ab 1996 seien keine Brückensymptome belegt. Die subjektiven Beschwerden seien schon sehr großzügig mit einem Grad der Schädigung (GdS) von 20 bewertet. Eine Verschlimmerung der Folgen der anerkannten BWK-Fraktur sei dem aktuellen Befund nicht zu entnehmen und auch nicht zu erwarten, weil alle altersrelevanten Funktionen weitestgehend durch die HWS bzw. LWS ausgeführt würden. Die Bewegungseinschränkungen im rechten OSG bedingten weiterhin keinen zusätzlichen GdS von mindestens 10. Die von Dr. W. mitgeteilten Bewegungsmaße belegten sogar noch eine Besserung.

Dr. B. (Facharzt für Allgemeinmedizin/Suchtmedizin/Sportmedizin) hat am 9. Februar 2011 über eine Behandlung des Klägers seit Oktober 2008 berichtet. Nach seiner Auffassung folge aus der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit im Frakturbereich eine deutliche Mehrbelastung der LWS, um die Gesamtmobilität der Wirbelsäule zu ermöglichen, so dass davon auszugehen sei, dass eine Schädigung deutlich über dem altersentsprechenden Verschleiß vorliege. Dies führe zu einer permanenten schmerzhaften Einschränkung der Bewegungsfähigkeit. Die reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit und der ursächliche Zusammenhang zum Unfall seien zu diskutieren. Außerdem hat der Kläger auf einen Arztbrief des Dr. R. (Facharzt für Chirurgie) verwiesen, der den Verdacht auf eine Innenmeniskopathie geäußert hatte. Außerdem hatte der Arzt mitgeteilt, der Kläger sehe ebenso wie er einen Zusammenhang mit dem Unfall von 1996, hatte aber zugleich eingeräumt, dass dies auf einer persönlichen Annahme beruhe. Das MRT vom 22. Dezember 2011 hatte den Verdacht des Arztes (Schrägriss im Bereich des Innenmeniskushinterhorns) bestätigt.

Auf Veranlassung des SG hat der Facharzt für Orthopädie Dr. K. das Gutachten vom 20. April 2012 erstattet. Unter Berücksichtigung von mitgebrachten und am Untersuchungstag neu angefertigten Röntgenbefunden hat der Sachverständige folgende Diagnosen gestellt:

gut konsolidierter Zustand nach BWK 11 und 12–Fraktur vom 16.07.1996 in keiner maßgeblich unfallbedingten Fehlstatik

Lumbalsyndrom bei Gefügestörung und Bandscheibenprolaps L4/5 rechts

Verdacht auf abgelaufenen Morbus Scheuermann

leichte Skoliose

beginnende Coxarthrose beidseits mit rechts endgradig schmerzhaft eingeschränkter Adduktion

Meniskusläsion rechtes Kniegelenk medial

Zustand nach Fraktur rechtes Sprunggelenk, Volkmann´sches Dreieck 16.07.1996 mit beginnender posttraumatischer Arthrose

Depressionen bei Zustand nach kindlicher Mumpsmeningitis 1981

Nach seiner Ansicht seien die strukturellen Veränderungen im Bereich BWK11/12 auf den Unfall vom 16. Juli 1996 zurückzuführen, wobei der Verdacht bestehe, dass Veränderungen im Sinne eines Morbus Scheuermann zusätzlich bestünden. Für diesen Verdacht sprächen die Schmörlschen Knötchen im Bereich der BWS/LWS und die Eindellungen der Deckplatten von LWK1 und 2. Auch die Stellung der Wirbelsäule sei typisch für einen abgelaufenen Morbus Scheuermann und gleichzeitige Skoliose der Wirbelsäule, welche sicher nicht unfallbedingt seien. Trotzdem sei von einer maßgeblich traumatischen Wirbelkörperläsion im Bereich BWK11/12 auszugehen. Durch die Retroverlagerung des thorakolumbalen Übergangs, welche aus seiner Sicht nicht unfallbedingt sei, komme es zu einer Überlastung der mittleren LWS mit hier typischerweise im Laufe von Jahrzenten auftretender Bandscheiben- und Segmentzermürbung, so wie hier im Bereich L4/5. Hinsichtlich der posttraumatischen Wirbelsäulenschädigung im Bereich der unteren BWS sei festzustellen, dass es keine nachgewiesene Versteifung der benachbarten Wirbelsäulensegmente gebe. Es zeige sich auch keine Schädigung der Bandscheiben TH12/L1, L1/2, sondern erst im Bereich L4/5. Das sei eine typische Lokalisation für einen auch ohne spezielle Ursache degenerativ entstandenen Bandscheibenschaden, wobei die anlagebedingte bzw. im Rahmen des abgelaufenen Morbus Scheuermann entstandene leichte Fehlstatik der Wirbelsäule ebenfalls mitgewirkt haben könne. Eine maßgebliche posttraumatisch bedingte Fehlstatik der Wirbelsäule liege nicht vor. Der Zustand nach BWK 11/12-Fraktur sei mit einem GdS von 20 (mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit häufig rezidivierenden und über Tage anhaltenden Wirbelsäulensyndromen) zu bewerten. Die Frakturen seien gut konsolidiert und nur mit leichten statischen Auswirkungen verbunden. Es sei auch nur von leichten Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule auszugehen. Die Seitneigung der BWS/LWS sei weitgehend normal ausgeprägt (30/0/25 Grad). Die Rotation sei leicht bis mäßig eingeschränkt (35/0/25 Grad). Außerdem liege ein leichter Druckschmerz im Bereich der unteren BWS vor. Die Vorbeuge der Wirbelsäule sei mäßig eingeschränkt, wobei sich hier eine harmonische Umkrümmung der gesamten Wirbelsäule zeige, insbesondere keine Steifhaltung der BWS. Es zeige sich eine Einschränkung des Schober´schen Zeichens (10/12,5cm), die für eine verminderte Umkrümmung der LWS im Zusammenhang mit der hier vorliegenden Bandscheibenveränderung L4/5 spreche. Diese sei jedoch nicht unfallbedingt. Die Meniskusläsion im Bereich des rechten Kniegelenks zeige keinen zeitlichen Zusammenhang zum Unfallereignis 1996, sondern sei mit großer Sicherheit als degenerativ bedingt anzusehen. Im Übrigen sei von einer weitgehend normalen Funktion auszugehen (freie Beweglichkeit: 0/0/135 Grad, keine Muskelatrophie im Bereich des Oberschenkels). Die Sprunggelenksbeschwerden seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 16. Juli 1996 zurückzuführen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei dabei auch eine Knorpelläsion aufgetreten. Es zeige sich eine beginnende Arthrose, die deshalb als überwiegend posttraumatisch bedingt anzusehen sei. Es lägen aber keine sicheren Bewegungseinschränkungen vor (Dorsalextension/Plantarflexion 10/0/40 Grad, Eversion/Inversion 25/0/20, Pro-/Supination 35/0/20 Grad). Auch Reizerscheinungen, Paresen oder Sensibilitätsstörungen seien nicht festzustellen. Der Bandapparat sei fest, es bestehe eine normale Funktion. Für die beginnende posttraumatische Sprunggelenksarthrose rechts bei Zustand nach Fraktur sei daher kein GdS und in der Gesamtheit aller Schädigungsfolgen ein GdS von 20 anzunehmen. Gegenüber dem Gutachten des Dr. F. sei es zu einer deutlichen Verbesserung der Beweglichkeit von BWS/LWS gekommen. Gegenüber der Untersuchung bei Prof. Dr. G. sei jetzt eine leichte Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenks festzustellen. Aufgrund dieser leichten Funktionsstörung sei nicht von einer ausreichenden Fehlbelastung des rechten Kniegelenks, verursacht durch die posttraumatischen leichten Veränderungen am rechten Sprunggelenk, auszugehen.

Der Kläger hat ein ärztliches Attest " zur Vorlage bei Gericht" des Prof. Dr. M. vom 16. Juni 2012 vorgelegt, wonach er bei diesem Arzt seit Juli 2010 wegen einer periodischen Depression in Behandlung sei. Der Arzt hat in dem Attest mitgeteilt, die ersten Depressionsschübe seien nach dem Unfall im Juli 1996 ausgelöst worden. Durch die unfallbedingte Persönlichkeitsveränderung sei es dreimal zu Partnerschaftstrennungen gekommen. Die sozialen Kontakte, auch zur eigenen Familie, seien immer spärlicher bzw. seien abgebrochen worden. Der Kläger fühle sich isoliert und nehme nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teil. Es sei zu wiederholten Umbesetzungen am Arbeitsplatz und Kündigungen gekommen, da er Anpassungsschwierigkeiten habe, sich bei Vorgesetzten und Arbeitskollegen zu integrieren. Es handele sich um eine schwere psychische Störung mit schweren sozialen Anpassungsstörungen.

Das SG hat einen weiteren Befundbericht des Dr. B. vom 20. September 2012 eingeholt, der über eine Verschlechterung der Befunde seit November 2011 aufgrund der ständigen Schmerzen und Depressionen berichtet hat.

Ergänzend hat der Kläger mitgeteilt, er befindet sich seit September 2012 in psychologischer Behandlung bei dem Dipl.-Psych. R. Er hat eine Bescheinigung des Diplom-Psychologen über den Termin vom 20. September 2012 vorgelegt, wonach die Tests eine dependente und narzisstische Persönlichkeitsstruktur gezeigt hätten. Der Stressfragebogen habe einen dauernden Stresszustand dokumentiert. Dem Kläger sei es immer schwer gefallen, sich einzupassen (Anpassungsstörungen) und längerfristige Beziehungen zu halten (geringes Durchhaltevermögen, geringe Frusttoleranz).

Schließlich hat das SG das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. A. vom 10. Juli 2013 eingeholt. Danach habe von Mai bis Oktober 2010 eine kurzzeitige psychotherapeutische Behandlung in E. stattgefunden. Seit Juli 2010 sei er in nervenärztlicher Behandlung bei Prof. Dr. M., die überwiegend durch Telefonate "aller paar Wochen" erfolge. Antidepressiva erhalte er durch den Hausarzt. Seit Oktober 2012 befinde er sich aller 14 Tage in psychotherapeutischer Behandlung. Die Sachverständige hat folgende psychische Diagnosen gestellt:

Persönlichkeitsakzentuierung mit narzisstischen, emotional-instabilen, schizoiden und sthenischen Strukturanteilen;

Anpassungsstörung mit rezidivierenden depressiven Verstimmungszuständen im Zusammenhang mit psychosozialen Konflikt- und Belastungssituationen,

neurotische Fehlverarbeitung eines Unfallereignisses 1996 mit fixierter Begehrenshaltung

Zusammenfassend ergebe die psychiatrisch-psychotherapeutische Begutachtung keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein psychischer Primärschaden und/oder eine psychische Funktionsstörung im Sinne eines möglichen Sekundärschadens mit dem Unfallereignis kausal in Verbindung gebracht werden könne. Die Sachverständige hat dargelegt, dass die Persönlichkeitsakzentuierungen im Primärcharakter des Klägers zu sehen seien, dessen Entstehungsbedingungen durch genetische Prädisposition sowie Entwicklungsbedingungen in der Kindheit beeinflusst seien. Aus der Zeit nach dem Unfall ergäben sich keine Hinweise auf einen psychischen Primärschaden. Beim Eintreffen des Rettungsdienstes am Unfallort sei der Kläger als "ansprechbar, bewusstseinsklar und neurologisch o. B." beschrieben worden. Eine Amnesie sei durch das Unfallereignis nicht ausgelöst worden. Die stationäre Behandlung sei ohne Komplikationen verlaufen. Im Rehabilitationsbericht H. sei der psychische Befund als "unauffällig" dokumentiert worden. Auch im versorgungsärztlichen Gutachten vom September 1997 seien vom Kläger und dem Gutachter ausschließlich körperliche Folgeschäden beschrieben worden. Das orthopädische Gutachten vom April 1999 zeige keine Hinweise auf eine signifikante psychische Beeinträchtigung. Erst im Neufeststellungsantrag aus dem Jahre 2008 habe der Kläger eine depressive Störung wegen der anhaltenden Rückenschmerzen geltend gemacht. Aus der Aktenlage ergebe sich aber keine adäquate und kontinuierliche psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung vor dem Jahr 2008. Die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung ergäben sich weder für die Vergangenheit aus der Aktenlage noch zum jetzigen Zeitpunkt. Der Kläger habe während der Begutachtung geschildert, dass er Ende 1996 in ein depressives Loch gefallen sei, nachdem seine damalige Beziehung gescheitert sei. Zu diesem Zeitpunkt (1/2 Jahr nach dem Unfall) sei die Behandlung der Unfallfolgen weitgehend abgeschlossen gewesen und der Kläger habe ein Studium aufgenommen. Es lasse sich nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein zeitlicher und kausaler Zusammenhang zum Unfallereignis herstellen. Vielmehr sei vor dem Hintergrund der beschriebenen Persönlichkeit des Klägers das Scheitern der Beziehung erheblich kränkend und mit einer Destabilisierung des Selbstwertes verbunden gewesen sein, was nachfolgend eine Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung ausgelöst habe. Im biografischen Kontext werde deutlich, dass der Kläger im Zusammenhang mit (vor allem zwischenmenschlichen) Konflikt-, Belastungs- und Beanspruchungssituationen zu depressiven Anpassungsstörungen neige. Es zeige sich eine unzureichende Konfliktverarbeitung. Es sei ihm nicht ausreichend möglich, sich mit erlittenen Verunsicherungen, Enttäuschungen, Verletzungen und Kränkungen und der aktuell veränderten Lebenssituation auseinanderzusetzen. Er verharre in einer inaktiven und passiven Opferrolle. Die Ursachen der hierdurch zeitweise auftretenden psychischen Dekompensationen seien als unfallunabhängig und im rechtlichen Sinne als sonstige lebensgeschichtliche schädigungsfremde Faktoren zu sehen. Beim Kläger zeige sich eine neurotische Fehlverarbeitung des Unfallereignisses von 1996 mit einer fixierten Begehrenshaltung und Kompensationswünschen. Die damit verbundene psychische Fehlhaltung sei im Wesentlichen durch das Streben nach Versorgung und Sicherheit und die starre Anklammerung an eine vorgestellte Rechtsposition geprägt. Seine Wünsche nach Gerechtigkeit und Entschädigung der mit dem Schädigungsereignis verbundenen Unannehmlichkeiten sowie die Frustration, mit seinen Ansprüchen nicht durchzudringen, stellten keine psychische Schädigungsfolge dar, sondern seien ebenfalls im Rahmen konkurrierender Faktoren (im alltäglichen Leben vorkommendes Ereignis im Sinne der Äquivalenztheorie) zu werten. Bei der psychiatrischen Begutachtung hätten sich auch Hinweise auf eine nicht authentische Beschwerdeschilderung und Aggravationstendenzen ergeben. Es zeigten sich deutliche Differenzen zwischen der subjektiv geschilderten Intensität und den objektiven erhobenen Untersuchungsbefunden. Die Schilderung von Krankheitsverlauf und Beschwerden sei häufig sehr unpräzise. Das Ausmaß der geschilderten Beschwerden stünde auch nicht in Übereinstimmung mit einer entsprechenden Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe. Das psychosoziale Funktionsniveau des Klägers bei der Alltagsbewältigung sei weitgehend intakt. Die geschilderte Unfähigkeit, vorbereitende Fragebögen im Vorfeld der Untersuchung auszufüllen, sei durch den klinisch-psychiatrischen Befund nicht zu erklären. Gegen einen hohen subjektiven Leidensdruck spreche auch, dass der Beginn einer psychiatrisch/psychotherapeutischen Behandlung erst in unmittelbarem Zusammenhang mit der juristischen Auseinandersetzung stehe. Die Schilderungen der Beschwerden durch den Kläger erfolgten überwiegend durch angelernte "Fachbegriffe" und seien kaum affektiv und emotional unterfüttert. Den nervenärztlichen Attesten des Prof. Dr. M. könne die Sachverständige weder in Bezug auf die diagnostischen Einschätzungen noch hinsichtlich der Meinung folgen, die geschilderten Störungen stünden im direkten kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis 1996.

Gegen das Gutachten hat der Kläger unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Prof. Dr. M. vom 21. November 2013 vorgetragen: Es sei von periodischen Depressionsphasen auszugehen, die erstmals durch den Sturz vom Dach 1996 ausgelöst worden seien. Er habe den Kläger in Phasen tiefer Depression erlebt. Die Sachverständige habe sich mit dieser Diagnose nicht auseinandergesetzt. Auch die Eltern des Klägers stünden seit 2007 in regelmäßiger Behandlung bei ihm. Die prämorbide Persönlichkeitsstruktur des Klägers stehe auf einem anderen Blatt. Dass schwere Unfälle eine biologisch bedingte Depression auslösen und in Folge zu Persönlichkeitsveränderungen führen könnten, sei eine anerkannte klinische und wissenschaftliche Tatsache.

In einer ergänzenden Stellungnahme hat die Sachverständige Dr. A. am 4. Dezember 2013 ausgeführt: Sie sei als Sachverständige in einer grundsätzlich anderen Position als der behandelnde Arzt. Sie habe insbesondere den Kausalzusammenhang unter Berücksichtigung der sozialrechtlichen Kausalitätslehre zu beurteilen. Danach sei weder ein zeitlicher noch ein kausaler Zusammenhang mit dem Unfallereignis herzustellen. Auf die erstmals nach 14 Jahren nach dem Unfallereignis beginnende psychiatrische Behandlung sowie die nichtauthentische Beschwerdeschilderung werde nochmals ausdrücklich hingewiesen. Vielmehr sei von einer neurotischen Fehlverarbeitung mit fixierter Begehrenshaltung und Kompensationswünschen auszugehen.

Mit Urteil vom 5. Dezember 2013 hat das SG M. die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Gutachten des Dr. K. seien der Bandscheibenvorfall und die Meniskusläsion nicht schädigungsbedingt. Auch die psychischen Gesundheitsstörungen stünden nach dem Gutachten von Dr. A. nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Das Gericht folge nicht der Einschätzung des Prof. Dr. M., wonach beim Kläger eine periodische Depression durch den Sturz vom Dach erstmals ausgelöst worden sei. Nach dem Gutachten von Dr. A. sei kein psychiatrischer Primärschaden eingetreten. Erst im Mai 2010, also 14 Jahre nach dem Unfallereignis und ein Jahr nach Beginn dieses Klageverfahrens, habe sich der Kläger erstmals in psychotherapeutische Behandlung begeben. Bei dem Kläger bestehe eine Persönlichkeitsakzentuierung, die wiederholt zu Anpassungsstörungen mit depressiven Verstimmungen geführt habe. Beim ihm liege eine neurotische Fehlverarbeitung des Unfallereignisses von 1996 mit fixierter Begehrenshaltung und Kompensationswünschen vor. Die Wünsche des Klägers nach Gerechtigkeit und Entschädigung stellten jedoch keine psychische Schädigungsfolge dar, sondern seien konkurrierende Ursachen. Die anerkannten Schädigungsfolgen (Zustand nach BWK11 und 12–Fraktur sowie beginnende posttraumatische Sprunggelenksarthrose rechts bei Zustand nach Fraktur) seien weiterhin insgesamt mit einem GdS von 20 zu bewerten. Ein Anspruch auf Versorgung ergebe sich daraus nicht.

Gegen das ihm am 23. Dezember 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Januar 2014 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und ergänzend vorgetragen: Sofern das SG einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den körperlichen Beschwerden und dem Unfallereignis nicht habe sehen können, werde auf die ärztlichen Behandlungen durch Dr. K., Dr. W. und Dr. B. verwiesen. Auch bestehe ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Beschwerden im Bereich L4/5 und dem Unfall. Zwar sei die Fraktur an einer anderen Stelle der Wirbelsäule entstanden, doch sei durch den Sturz die Wirbelsäule als Ganzes in erhebliche Mitleidenschaft gezogen worden. Es habe eine großflächige Verletzung gegeben, die weit über das hinausgehe, was mit dem Bruch in Verbindung stehe. Insbesondere könnten keine körperlichen Beeinträchtigungen die Abnutzung der Wirbelsäule erklären. Bei seiner abwechslungsreichen Tätigkeit als Bauingenieur könnten keine einseitigen Belastungen und Abnutzungen entstehen, die zu einem Bandscheibenvorfall hätten führen können. Er habe immer leichten Sport getrieben, nie irgendwelche Sportarten, die zu einer besonderen Belastung führten. Auch sei für die Meniskusläsion keine andere Ursache als der Sturz vom Dach denkbar. Zwar sei dabei zunächst der Fuß gebrochen worden, die Kraft habe aber auf das Bein weiter eingewirkt. Dadurch sei das nächste Gelenk, also das Knie besonders belastet gewesen. Durch den Sturz sei er derart geschädigt worden, dass danach die entsprechende weitere Beeinträchtigung zu erklären sei. Auch die psychische Schmerzsituation liege seit Jahren vor und habe sich durch den Bandscheibenvorfall und die allgemeine Verschlechterung der Situation am Stützapparat seit 2008 verstärkt. Vor dem Unfall sei er psychisch überhaupt nicht auffällig gewesen.

Der Kläger hat zunächst ein Attest des Prof. Dr. M. vom 9. Januar 2014 vorgelegt, in dem Arzt bemängelt hat, dass Dr. A. sich nicht mit der Diagnose einer biologisch, genetisch bedingten periodischen Depression auseinandersetze, auch nachdem er die familiäre Belastung durch die Eltern hervorgehoben habe. Schließlich hat er eine weitere Stellungnahme des Prof. Dr. M. vom 13. Mai 2014 vorgelegt, wonach der Grad der Behinderung (GdB) auf psychiatrischem Gebiet mindestens 50 bis 60 betrage. Danach leide der Kläger an einer erblich bedingten, immer wieder in Schüben auftretenden periodischen Depression, die bis zum heutigen Tag eine ununterbrochene antidepressive Therapie erfordere. Außerdem habe der Kläger eine schwere Persönlichkeitsstörung mit schweren Sozialanpassungsstörungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Dezember 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 6. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 12. Juli 1999 dahingehend abzuändern, dass als weitere Schädigungsfolgen der Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5, die Meniskusläsion im rechten Kniegelenk sowie das psychische Leiden anerkannt werden und dem Kläger ab dem 1. Juli 2008 eine Beschädigtenversorgung nach einem GdS in Höhe von mindestens 30 zu gewähren ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 SGG statthafte und auch in der von § 151 Abs. 1 SGG vorgeschriebenen Form und Frist eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Urteil des SG Magdeburg vom 5. Dezember 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2009 sind rechtmäßig. Für die vorliegende Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage ist der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage der gesamte Zeitraum der Antragstellung bis zur mündlichen Verhandlung des Senats.

Zu Recht hat der Beklagte den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 18. Juli 2008 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) abgelehnt. Nach dieser Norm ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 12. Juli 1999 beim Kläger bestandskräftig eine Funktionseinschränkung im BWS/LWS-Übergang nach verheilter Fraktur des 11. und 12. BWK sowie eine Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenks durch schädigende Einwirkung im Sinne von § 47 ZDG anerkannt. Hinweise für eine wesentliche Verschlechterung dieser Schädigungsfolgen, die eine Bewertung mit einem rentenberechtigenden GdS rechtfertigen würden, lassen sich aus den eingeholten medizinischen Befunden nicht feststellen. Hinsichtlich der darüber hinaus begehrten Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen kann der Senat nicht feststellen, dass der Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5, die Meniskusläsion im rechten Kniegelenk und die psychische Erkrankung auf die Zivildienstbeschädigung zurückzuführen sind.

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 ZDG erhält ein Dienstpflichtiger, der eine Zivildienstbeschädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Eine Zivildienstbeschädigung ist nach § 47 Abs. 2 eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Dienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Zivildienstgesetzes erlittenen Unfall oder durch die dem Zivildienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Die Schädigungsfolge muss danach auf einer Gesundheitsstörung beruhen, die durch einen vom ZDG erfassten Tatbestand (schädigender Vorgang) verursacht worden ist. Die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen (schädigender Vorgang, Gesundheitsstörung, Schädigungsfolge) gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, die nachgewiesen, d.h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein müssen. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 47 Abs. 7 ZDG). Nach diesem Beweismaßstab ist die erforderliche Wahrscheinlichkeit dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 BSozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14, m.w.N.).

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 ZDG richtet sich der Anspruch auf Versorgung nach dem BVG in entsprechender Anwendung. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Beschädigtenrente ist § 31 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 BVG. Diese Vorschriften sind durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Da das Gesetz keine Übergangsvorschriften enthält, sind diese Vorschriften vom 21. Dezember 2007 an in der neuen Fassung (n.F.) und für den vorangegangenen streitgegenständlichen Zeitraum in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. I S. 21) und der nachfolgenden Änderungen (a.F.) anzuwenden.

Nach § 31 Abs. 1 BVG a.F. erhielten Beschädigte bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 30 v.H. eine monatliche Grundrente. Nach Abs. 2 der Vorschrift stellten die nach Abs. 1 für die Höhe der Rente maßgeblichen Vomhundertsätze Durchschnittssätze dar, von denen eine um fünf v.H. geringere MdE mit umfasst wurde. Nach § 31 Abs. 1 BVG n.F. setzt die Gewährung einer Grundrente einen GdS von mindestens 30 voraus. In der bis zum 21. Dezember 2007 geltenden Fassung des § 30 Abs. 1 BVG waren und in der seitdem geltenden Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 sind die Grundsätze geregelt, nach denen die MdE zu beurteilen war und nach der Neufassung der GdS zu beurteilen ist. Nach der alten Fassung des § 30 Abs. 1 BVG war die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren (Satz 1). Für die Beurteilung war maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt waren (Satz 2). Nach der Neufassung ist der GdS nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (Satz 1). Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (Satz 2). Demnach reicht – wie zuvor nach § 31 Abs. 2 BVG a.F. – ein GdS von 25 zur Rentenberechtigung aus.

Als Grundlage für die Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte dienten der Praxis die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Anhaltspunkte), die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 RSozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Um verfassungsrechtliche Einwände gegen die Legitimation der "Anhaltspunkte" auszuräumen, ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in § 30 Abs. 17 BVG, der durch das Änderungsgesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) angefügt worden ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt worden. Auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) erlassen. Nach ihrem § 1 regelt diese Verordnung unter anderem die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung ihres Schweregrades im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG. Nach § 2 VersMedV sind die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" als deren Bestandteil festgelegt. Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des Grades der Behinderung bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in der Fassung von 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG) sind nicht geändert worden. Daher werden im Folgenden die VMG zitiert.

Nach diesem Maßstab sind die angegriffenen Bescheide nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 12. Juli 1999 beim Kläger bestandskräftig eine Funktionseinschränkung im BWS/LWS-Übergang nach verheilter Fraktur des 11. und 12. BWK sowie eine Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenkes durch schädigende Einwirkung im Sinne von § 47 ZDG anerkannt. Die darüber hinaus vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen (der Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5, die Meniskusläsion im rechten Kniegelenk sowie das psychische Leiden) sind nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nach § 47 Abs. 7 ZDG auf die Zivildienstbeschädigung zurückzuführen. Der Senat folgt insoweit den Sachverständigen Dr. K. und Dr. A. sowie den versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Beklagten. Die Einschätzungen der behandelnden Ärzte des Klägers sind nicht überzeugend, weil es sowohl hinsichtlich des Bandscheibenvorfalls, der Kniegelenksschädigung als auch der psychischen Gesundheitsstörung an einem Primärschaden, einem zeitlichen Zusammenhang und schließlich einer medizinisch nachvollziehbaren Erklärung fehlt, weshalb der Unfall zu diesem Gesundheitsstörungen hätte führen können.

Der Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen von Dr. K. an. Eine Primärschädigung ist in dem vom Bandscheibenvorfall betroffenen Bereich L4/5 durch den Unfall nicht eingetreten. Die posttraumatische Wirbelsäulenschädigung im Bereich der unteren BWS kann den Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 nicht erklären. Dagegen spricht zunächst die fehlende Versteifung der benachbarten Wirbelsäulensegmente. Auch hat Dr. K. keine Schädigung an den durch den Unfall geschädigten angrenzenden Bandscheiben (TH12/L1, L1/2) nachweisen können, sondern erst eine isolierte Schädigung im entfernteren Bereich L4/5. Nach Einschätzung des Sachverständigen handelt es dabei um eine typische Lokalisation für einen auch ohne spezielle Ursache degenerativ entstandenen Bandscheibenschaden, wobei die anlagebedingte bzw. im Rahmen des abgelaufenen Morbus Scheuermann entstandene leichte Fehlstatik der Wirbelsäule ebenfalls mitgewirkt haben könnte. So kann es durch die Retroverlagerung des thorakolumbalen Übergangs zu einer Überlastung der mittleren LWS mit hier typischerweise im Laufe von Jahrzenten auftretender Bandscheiben- und Segmentzermürbung im auch beim Kläger betroffenen Bereich L 4/5 kommen. Doch ist nach Einschätzung des Sachverständigen diese Verlagerung nicht unfallbedingt. Schließlich spricht für eine unfallunabhängige Ursache, dass der Kläger bereits zuvor wegen Wirbelsäulenbeschwerden ärztliche und physiotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen hat. Nach alledem lassen sich der Bandscheibenschaden im Bereich L4/5 und die damit verbundenen funktionellen Einschränkungen und Schmerzen nicht auf den Sturz zurückführen.

Die Meniskusläsion im rechten Kniegelenk ist nach Überzeugung des Senates auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den anerkannten Unfall zurückzuführen. Auch insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. an. Im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis, insbesondere während der Behandlung im Kreiskrankenhaus B. und während des stationären Kurheilverfahrens im Heilbad H., konnte keine Primärverletzung im Bereich des Kniegelenkes festgestellt werden. Auch der Kläger hat im engen zeitlichen Zusammenhang zum Unfallereignis keine Kniegelenksbeschwerden geschildert. Insbesondere waren bei der Befunderhebung in H. der Bandapparat der Kniegelenke straff, die Beweglichkeit frei und die Meniskuszeichen negativ. Auch bei den orthopädischen Befunderhebungen durch Dr. F. (September 1997) und Prof. Dr. G. (April 1999) hat der Kläger keine Funktionseinschränkungen der Kniegelenke angegeben oder haben diese Ärzte eine solche festgestellt. Erst nachdem durch MRT vom 22. Dezember 2011 der Schrägriss im Bereich des Innenmeniskushinterhorns nachgewiesen wurde, hat der Kläger einen Zusammenhang zum Unfallereignis geltend gemacht. Über 15 Jahre nach dem Unfall kann allerdings kein zeitlicher Zusammenhang mehr festgestellt werden. Die vom Kläger vorgetragene Überbelastung der Kniegelenke durch die Sprunggelenksverletzung kann aufgrund der nur sehr geringen Auswirkungen nicht medizinisch nachvollzogen werden. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung von Dr. K. und den versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Beklagten an. Während des stationären Aufenthalts in B. war zunächst eine Ruhigstellung der Wirbelsäule bzw. des rechten Beines mittels Unterschenkelgips erfolgt. Der Kläger ist danach gehfähig entlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt wurde ebenso wie anschließend in H. ein unauffälliges Gangbild festgestellt. Nach diesen Befunden kann unmittelbar nach dem Unfall keine Über- und Fehlbelastung der Kniegelenke aufgrund der Sprunggelenksverletzung angenommen werden. Eine solche haben auch Dr. F. und Prof. Dr. G. in der Folgezeit nicht dokumentiert. Schließlich hat nunmehr auch Dr. K. festgestellt, dass die geringen Einschränkungen im Sprunggelenk nicht geeignet seien, eine Überbelastung im Kniegelenk hervorzurufen. Daher spricht bei Abwägung aller Umstände mehr für die Einschätzung des Sachverständigen Dr. K., dass die Kniegelenksverletzung degenerativ bedingt ist.

Auch die geltend gemachte psychische Störung ist nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. A. vom 10. Juli 2003 leidet der Kläger an einer Persönlichkeitsakzentuierung mit narzisstischen, emotional-instabilen, schizoiden und sthenischen Strukturanteilen, einer Anpassungsstörung mit rezidivierenden depressiven Verstimmungszuständen im Zusammenhang mit psychosozialen Konflikt- und Belastungssituationen und einer neurotischen Fehlverarbeitung des Unfallereignisses im Jahre 1996 mit fixierter Begehrenshaltung. Die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund des Unfallereignisses konnte sie weder für die Vergangenheit aus der Aktenlage noch zum jetzigen Zeitpunkt feststellen. Überzeugend und für den Senat schlüssig hat die Sachverständige begründet, dass keine dieser psychischen Gesundheitsstörungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Schädigungsvorgang steht. Diese Einschätzung wird zunächst durch den Umstand gestützt, dass sich aus der Zeit nach dem Unfall keine Hinweise auf einen psychischen Primärschaden ergeben. Der Kläger war unmittelbar nach dem Unfall beim Eintreffen des Rettungsdienstes ansprechbar und bewusstseinsklar. Neurologische Beeinträchtigungen sind weder beim Krankenhausaufenthalt noch während der Rehabilitation in H. festgestellt worden. Der psychische Befund war damals unauffällig. Auch der Kläger selbst hat im zeitlichen Zusammenhang zum Unfall keine solchen Einschränkungen mitgeteilt, sodass sich die Begutachtungen im September 1997 und April 1999 auch jeweils nur auf die orthopädischen Schädigungsfolgen bezogen haben. Signifikante psychische Beeinträchtigungen sind diesen Ärzten nicht aufgefallen. Erst mit seinem Neufeststellungsantrag im Jahr 2008 hat der Kläger auf eine depressive Störung wegen der anhaltenden Rückenschmerzen hingewiesen. Da auch seine Hausärztin R. erstmals im diesem Jahr angegeben hat, dass seit Februar 2007 Depressionen und Angststörungen bestehen, kann eine aktenkundige Dokumentation der psychischen Erkrankung fast 11 Jahre nach dem Unfallereignis nicht mehr im zeitlichen Zusammenhang zum Unfallereignis gesehen werden. Daher ist es für den Senat überzeugend, dass die Sachverständige die zeitweise auftretenden psychischen Dekompensationen als unfallunabhängig und im rechtlichen Sinne als sonstige lebensgeschichtliche schädigungsfremde Faktoren sieht. Der Kläger habe nach ihrer Auffassung Persönlichkeitsakzentuierungen, die im Primärcharakter angelegt und durch genetische Prädisposition sowie Entwicklungsbedingungen in der Kindheit beeinflusst seien. Im Zusammenhang mit psychosozialen Konflikten und belastenden Lebensereignissen führten diese Persönlichkeitsakzentuierungen zur psychischen Destabilisierung im Sinne von Anpassungsstörungen und Depressionen. Des Weiteren hat Dr. A. beim Kläger eine neurotische Fehlverarbeitung des Unfallereignisses von 1996 mit einer fixierten Begehrenshaltung und Kompensationswünschen festgestellt. Seine Wünsche nach Gerechtigkeit und Entschädigung der mit dem Schädigungsereignis verbundenen Unannehmlichkeiten sowie die Frustration, mit seinen Ansprüchen nicht durchzudringen, sind nach ihrer überzeugenden Auffassung aber keine psychische Schädigungsfolgen, sondern konkurrierende Faktoren (im alltäglichen Leben vorkommendes Ereignis im Sinne Äquivalenztheorie). Dem schließt sich der Senat an. Schließlich ist der Hinweis des Klägers darauf, dass vor dem Unfall keine psychische Auffälligkeit bestanden hat, nicht nachvollziehbar. Denn der Kläger hat auch schon vor dem Unfall ärztliche Hilfe wegen einer psychosomatischen Funktionsstörung in Anspruch genommen, wie die Dienstunfähigkeitsbescheinigung vom 21. bis 23. August 1995 durch Dipl.-Med. S. zeigt.

Der abweichenden Bewertung von Prof. Dr. M. folgt der Senat nicht. Auch insoweit schließt sich der Senat Dr. A. an. Die Sachverständige hat schon den diagnostischen Einschätzungen des Arztes nicht folgen können. Vielmehr hat sie bei ihrer Begutachtung deutliche Hinweise auf Aggravationstendenzen feststellen können. Der Kläger hat seine Beschwerden nicht authentisch geschildert (kaum affektiv und emotional unterfüttert, angelernte "Fachbegriffe") und es haben sich deutliche Differenzen zwischen der subjektiv geschilderten Intensität und den objektiven erhobenen Untersuchungsbefunden gezeigt. Die Schilderung von Krankheitsverlauf und Beschwerden war nach der Einschätzung der Sachverständigen häufig sehr unpräzise und das Ausmaß habe nicht mit der entsprechenden Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe übereingestimmt. Gegen einen hohen subjektiven Leidensdruck spricht nach überzeugender Auffassung der Sachverständigen auch, dass der Beginn einer psychiatrisch/psychotherapeutischen Behandlung erst in unmittelbarem Zusammenhang mit der juristischen Auseinandersetzung steht. Auch der Einschätzung des Prof. Dr. M., wonach die geschilderten Störungen im direkten kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis 1996 stünden, hat die Sachverständige mit Hinweis auf den fehlenden zeitlichen Zusammenhang und die Aggravationshinweise nicht folgen können. Insoweit ist zu beachten, dass Prof. Dr. M. den Kläger nicht nach dem Unfall untersucht und behandelt hat, sondern erstmals im Jahr 2010, d.h. 14 Jahre nach dem Unfallereignis. Über den psychischen Zustand des Klägers bis zu diesem Zeitpunkt kann er also aus eigener Befunderhebung keine Angaben machen. Zudem hat Prof. Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2014 neben einer Persönlichkeitsstörung mit Sozialanpassungsstörungen eine erblich bedingte, immer wieder in Schüben auftretende periodischen Depression diagnostiziert und damit selbst auch keinen Zusammenhang mehr zum Unfall gesehen, sondern eine unfallunabhängige Ursache der Erkrankung angegeben.

Schließlich kann unter Zugrundelegung des Gutachtens von Dr. K. keine Verschlechterung der anerkannten Schädigungsfolgen festgestellt werden. Der Zustand nach BWK11/12-Fraktur ist danach auch weiterhin mit einem GdS von 20 nach Teil B, Nr. 18.9 VMG zu bewerten. Es ist von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt - der BWS - mit häufig rezidivierenden und über Tage anhaltenden Wirbelsäulensyndromen auszugehen. Nach der Befunderhebung von Dr. K. sind die Frakturen gut konsolidiert und nur mit leichten statischen Auswirkungen verbunden. Auch die Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule sind nur leichtgradig. Die Seitneigung der BWS/LWS war weitgehend normal (30/0/25 Grad) und die Rotation leicht bis mäßig eingeschränkt (35/0/25). Dr. K. konnte keine reaktiven knöchernen Überbrückungen im Bereich der unteren BWS und oberen LWS feststellen. Die Vorbeuge der Wirbelsäule war mäßig eingeschränkt (FBA 45cm), wobei sich hier eine harmonische Umkrümmung der gesamten Wirbelsäule, also keine Steifhaltung der BWS gezeigt hatte. Bei insgesamt nur leichter Einschränkung von Statik und Beweglichkeit erscheint selbst unter Berücksichtigung der Schmerzen eine GdS von 20 eher großzügig. Zwar sind nach der Befunderhebung von Dr. K. auch leichte Bewegungseinschränkungen des rechten Sprunggelenks festzustellen (Dorsalextension/Plantarflexion 10/0/40 Grad, Eversion/Inversion 25/0/20, Pro-/Supination 35/0/20 Grad). Dieser erreichen aber nach Teil B, Nr. 18.14 VMG noch kein GdS-relevantes Ausmaß. Denn erst eine Bewegungseinschränkung mittleren Grades (Heben/Senken 0/0/30 Grad) rechtfertigt die Bewertung mit einem GdS von 10.

Da nach alledem keine weiteren Schädigungsfolgen festzustellen sind und die bereits durch den Beklagten anerkannten Schädigungsfolgen nicht höher bewertet werden können, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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