L 7 SB 57/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 9 SB 74/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 57/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.

Die am ... 1949 geborene Klägerin beantragte beim Beklagten am 7. Januar 1992 die Feststellung von Behinderungen und verwies auf einen Unfall-Rentenbescheid der ehemaligen DDR vom 10. September 1970, mit dem für einen Zustand nach Schulterblattfraktur eine Schädigung von 30% anerkannt wurde. Nach Sachaufklärung zu den aktuell bestehenden Behinderungen schlug der ärztliche Dienst des Beklagten für den Unfallschaden (Axillarisnervenschädigung nach Schulterblattbruch links) einen Einzel-GdB von 30, für umformende Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS) einen Einzel-GdB von 20 und einen Gesamt-GdB von 40 vor. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 14. Juni 1993 ab 7. Januar 1992 einen GdB von 40 fest.

Am 17. April 2009 beantragte die Klägerin die Neufeststellung ihres Behinderungsgrades und verwies auf einen Bandscheibenschaden, Kopfschmerzen, eine eingeschränkte Beweglichkeit des linken Arms sowie Herzrhythmusstörungen. Der Beklagte holte einen Befundbericht der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. H./ H. vom 18. Juni 2009 ein. Danach liege bei der Klägerin eine Teillähmung des linken Arms seit dem Unfall ihr Jahre 1970 vor. Dadurch bestünden sehr oft Schulter-, Nacken- und HWS-Beschwerden, die sich bei Belastung verstärkten. Sie habe teilweise starke Kopfschmerzen und leide unter einem Kribbeln in beiden Armen. Die Herzerkrankung sei asymptomatisch. Es träten Herzklopfen und Herzrasen auf. Die Herzrhythmusstörungen seien manchmal mit Übelkeit, Schweißausbrüchen, Blässe und Kopfschmerzen verbunden. Dem Befundschein lagen weitere Unterlagen bei: Der Internist/Kardiologe Dr. M. hatte am 4. April 2009 einen durchgehend normalen Sinusrhythmus, eine Neigung zum etwas schnellen Puls und eine vorhandene Tag-Nacht- und Aktivitätsregulation ohne Tachykardien und Bradykardien festgestellt. Aufgrund der Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule vom 7. April 2009 hatte Dipl.-Med. W. über Osteochondrosen (degenerative Erkrankungen der Knochen und Knorpel) im Bereich C5/C6 mit knöchern eingeengten Neuroforamen (Nervenaustrittskanale) bei Spondylosis deformans (degenerative Veränderungen an Wirbelkörpern) und eine Gefügestörung bei C4/C5 berichtet. Die Röntgenuntersuchung der Brustwirbelsäule (BWS) habe eine Hyperkyphose (Rundrücken) mit geringer linkskonvexer Skoliose, geringer Osteochondrose und umschriebener Spondylosis deformans im unteren Bereich der BWS gezeigt. Im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) lägen eine Hyperlordose (Hohlkreuz), eine geringe Osteochondrose und eine beginnende Spondylosis deformans vor. Außerdem hätten sich im linken Schulterbereich eine beginnende Arthrose, im Bereich des linken Beckens eine deutliche Hüftarthrose und beidseitige Arthrosen im Iliosakralgelenk (ISG) gezeigt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. N. hatte mit Arztbrief vom 22. April 2009 über eine linksseitige partielle Schultersteife bei deutlich abgeschwächter passiver und aktiver Abduktion, eine deutliche Teilfixierung und endgradige Schmerzhaftigkeit der HWS bei Rotation und Seitneigung, ein lumbosakrales Schmerzsyndrom mit eingeschränkter Extension und Flexion sowie eine Coxalgie links mit endgradig eingeschränkter Innenrotation berichtet.

Der beteiligte Vertragsarzt des Beklagten P. konnte nach Auswertung dieser Unterlagen keine Verschlechterung der anerkannten Behinderungen feststellen. Die LWS-Beschwerden seien wegen fehlender Funktionsbeeinträchtigung nicht mit einem GdB zu bewerten. Gleiches gelte für die lediglich asymptomatischen Herzrhythmusstörungen. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 6. Oktober 2009 den Neufeststellungsantrag ab.

Dagegen legte die Klägerin am 2. November 2009 Widerspruch ein und trug vor: Sie habe wegen ihrer körperlichen Einschränkungen ihre berufliche Tätigkeit aufgeben und ein Altersteilzeitmodell wählen müssen. Der Zwang, zu Hause bleiben zu müssen, habe bei ihr auch zu Depressionen geführt. Der Beklagte holte im Widerspruchsverfahren einen Befundschein des Orthopäden Dr. N. vom 7. Dezember 2009 ein, der eine linksseitige partielle Schultersteife und partielle Axillarisparese mit deutlicher Teilfixierung, ein chronisches cervicobrachiales Schmerzsyndrom, eine Degeneration der unteren HWS, einen fixierten Rundrücken, eine Degeneration der mittleren und unteren BWS, ein chronisches lumbosakrales Schmerzsyndrom bei beginnenden degenerativen Veränderungen, eine linksbetonte Coxalgie mit ISG-Reizung, eine Coxarthrose links mehr als rechts sowie Knick-Platt-Spreizfüße diagnostizierte. Folgende Bewegungsmaße gab er an: Abduktion/Adduktion im linken Schultergelenk 40/0/20 Grad; HWS in allen Richtungen endgradig eingeschränkt; LWS-Extension schmerzhaft aufgehoben, Schober 10/14 cm, Finger-Boden-Abstand (FBA) 25 cm; Hüftgelenke: Extension/Flexion: rechts/links 0/0/110 bzw. 0/0/90 Grad; Kniegelenke frei beweglich. Als Hilfsmittel erhalte die Klägerin Fußbettungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2010 wies der Beklagte nach nochmaliger Beteiligung seines ärztlichen Dienstes (Dr. V.-S.) den Widerspruch der Klägerin zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 17. Mai 2010 Klage beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben und vorgetragen: Allein für die Schulterversteifung sei ein Einzel-GdB von 40 bis 50 anzunehmen. Hinzu kämen die Beschwerden der Wirbelsäule und der Hüftgelenke, die in Zusammenschau die Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigten. In Anlage hat sie einen Arztbrief der Allgemeinmedizinerin/Chirotherapeutin Dipl.-Med. D. vom 25. März 2011 mit folgenden Diagnosen übersandt: Zustand nach Schulterblattfraktur links mit Nervenschädigung, chronisches Lumbalsyndrom, Blockierung im Bereich des zerviko-thorakalen Übergangs. Der FBA habe 20 cm betragen und die Reklination der Wirbelsäule sei eingeschränkt gewesen. Im Bereich der HWS lägen massive Verspannungen sowie eine Rotations- und Seitneigestörung vor. Durch Akupunktur habe eine weitgehende Schmerzreduktion erreicht werden können.

Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Dr. N. hat am 26. März 2012 keine Befundfragen beantwortet, sondern auf die letzte Konsultation am 21. April 2009 verwiesen. Dipl.-Med. D. hat am 23. März 2012 auf ihre Behandlungsunterlagen (Zeitraum vom 25. Januar bis 12. April 2011) Bezug genommen. Nach ihrer Einschätzung liege bei der Klägerin ein Wirbelsäulenschaden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität vor. Die Fachärztin für Orthopädie/Chirotherapie Dr. L. hat am 20. April 2012 über zweimalige Behandlungen der Klägerin im Sommer 2010 berichtet. Damals hätten geringe funktionelle Auswirkungen im Bereich der HWS und mittelgradige im Bereich von BWS und LWS bestanden. Diese Einschätzung folge aus den klinischen und radiologischen Befunden. Im Bereich der Schulter habe ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom bestanden. Folgende Befunde hat die Ärztin angegeben: Finger-Fuß-Abstand (FFA) 10 cm; HWS mit endgradigen Funktionsstörungen im Bereich C2/C3 beidseits und des zerviko-thorakalen Übergangs; passive Beweglichkeit der linken Schulter: Anteversion 80 Grad (aktiv 45 Grad), Abduktion 50 Grad (aktiv 40 Grad); grobe Kraft beider Hände bei angelegtem Oberarm intakt, deutlicher Kraftverlust im Bereich des Oberarms; Hüft- und Kniegelenke altersentsprechend frei beweglich.

Der Beklagte hat die Berichte durch seine Gutachterin Dr. W. am 18. Juni 2012 auswerten lassen. Danach bestehe nur ein teilweiser Ausfall des Nervus axillaris links, denn der Arm könne aktiv bis 45 Grad angehoben werden und die Kraft in beiden Händen sei intakt. Eigentlich sei erst bei einem vollständigen Ausfall des Nervus axillaris ein GdB von 30 festzustellen. Bei der letzten orthopädischen Konsultation seien keine Funktionsminderungen der Wirbelsäule mit mittelschweren funktionellen Auswirkungen objektivierbar. Die subjektiven Beschwerden seien mit einem GdB von 20 maximal hoch bewertet. Eine Herzerkrankung bzw. relevante Herzrhythmusstörungen seien nicht belegt. Bei zwei GdB-Werten im obersten Beurteilungsbereich und deutlicher Überschneidung der Funktionsstörungen sei keinesfalls ein noch höherer Gesamt-GdB als 40 zu begründen.

Am 22. Juni 2012 hat die mündliche Verhandlung vor dem SG stattgefunden, in der die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt hat, dass sich diese derzeit wegen einer asthmatoiden Bronchitis in der Reha-Maßnahme befinde und die dementsprechende Verordnung vorgelegt. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Bei einer stärkeren Einschränkung der Bewegungsfähigkeit des Schultergelenks (Armhebung bis 90 Grad) sei ein Einzel-GdB von 20 vorgesehen. Die Klägerin könne den linken Arm aktiv aber nur 45 Grad anheben, so dass in der Gesamtschau für den Bereich des linken Schultergelenks trotz des nur partiellen Ausfalls des Nervus axillaris ein GdB von 30 vergeben werden könne. Für das Wirbelsäulenleiden könne kein höherer GdB als 20 festgestellt werden. Im Bereich der HWS und LWS seien jeweils nur geringe Funktionseinschränkungen mitgeteilt worden. Sofern die Orthopädin Dr. L. nach zweimaliger Behandlung im Jahre 2010 mittelgradige Auswirkungen im Bereich der BWS und LWS festgestellt hat, überzeuge dies nicht. Die Chiropraktikerin Dipl.-Med. D. habe anschließend über eine erfolgreiche Akupunkturbehandlung von Januar bis April 2011 berichtet, so dass nach ihrer Einschätzung ein Wirbelsäulenschaden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität vorliege. Dafür sei ein Einzel-GdB von 0 bis 10 festzustellen. Die außerdem geltend gemachten Funktionseinschränkungen bedingten keinen GdB von mindestens 10. Insbesondere sei ein Hüftleiden im orthopädischen Befundbericht vom April 2012 nicht bestätigt worden. Ob die nunmehr diagnostizierte asthmatoide Bronchitis zu einer dauerhaften Funktionseinschränkung führe, bleibe abzuwarten. Der Gesamt-GdB von 40 sei bei den Einzel-GdB-Graden von 30 für die Schulter und 20 für die Wirbelsäule nicht zu beanstanden.

Der Klägerin ist das Urteil am 5. Juli 2012 zugestellt worden.

Am 25. Juli 2012 ist ein Befundbericht des Dr. H. vom 20. Juni 2012 beim SG mit folgenden Diagnosen eingegangen: Herz-Kreislauf-Erkrankung (Koronare Herzkrankheit) mit Hypertonie und Rhythmusstörung, Fraktur der Schulter links (Unfall 1970) mit Lähmung des linken Armes, lumbosakraler Bandscheibenkomplex, Coxarthrose links mehr als rechts, linkskonvexe Kyphoskoliose. Neben Herzinsuffizienzbeschwerden (NYHA II bis III) bestünden vor allem Kopfschmerzen nach dem Unfallereignis. Nach vielen Jahren der Fehlhaltung habe sich ein ständiger Schulter-Nacken-Schmerz entwickelt. Ständige Physiotherapien und Schmerzmittel seien notwendig. Daneben bestünde ein pseudoradikuläres Wurzelreizsyndrom im Bereich L4 bis S1. Eine körperliche Belastung sei nicht mehr möglich. Aufgrund der schweren Erkrankung des Ehemanns habe sich die Klägerin bisher zurückgenommen und auf notwendige Kurmaßnahmen verzichtet.

Am 31. Juli 2012 hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und vorgetragen: Das Gericht habe nicht hinreichend den Befundbericht der Orthopädin Dr. L. gewürdigt, wonach die funktionellen Auswirkungen in drei Wirbelsäulenabschnitten einen Einzel-GdB von 30 bis 40 rechtfertigten. Außerdem seien das außergewöhnliche Schmerzsyndrom im Bereich der linken Schulter sowie die Luftnot zu berücksichtigen. Ergänzend hat sie den Arztbrief der Dr. L. vom 25. September 2012 (Untersuchung 14. August 2012) mit folgenden Diagnosen übersandt: Schulterblattfraktur 1970 mit Läsion des Plexus brachialis, Lumbalsyndrom, Thorakalsyndrom, Osteopenie, Zervikalneuralgie, erworbener Knick-/Senkfuß, primäre Coxarthrose. Folgenden Befund hatte sie am 14. August 2012 erhoben: FFA 15 cm; Aufrichteschmerz aus Rumpfvorbeuge; Gangbild regelrecht; HWS: Kopfgelenk altersentsprechend, C2/3 rechts 1/3 schmerzhaft eingeschränkt, Zervikothorakaler Übergang rechts zur Hälfe schmerzhaft eingeschränkt; linke Schulter: Anteversion 80 Grad, Abduktion 50 Grad, Außenrotation bei angelegtem Oberarm 5 Grad, Retroversion 15 Grad; bekannter Kraftverlust im Bereich des Armes bei Zustand nach Plexusläsion; BWS-Rotation nach rechts 1/3 schmerzhaft eingeschränkt; rechtes Hüftgelenk: Extension/Flexion 0/0/95 Grad, linkes Hüftgelenk: 0/0/100 Grad; Kniegelenke altersentsprechend, keine pathologische Neurologie. Die Röntgenbefunde vom 14. August 2012 hätten im Bereich der HWS eine isolierte schwere Osteochondrose C5/6, beginnende bis mäßige Spondylarthrosen C4 bis C7 bzw. TH1 und im Bereich des Beckens mäßige bis kräftige Coxarthrosen beidseits gezeigt. Im Bereich der BWS bestünden mäßige Osteochondrosen ab TH 9 bis TH 12. Im Bereich der LWS habe sie fünf freie Lendenwirbelkörper, eine kräftige Osteochondrose im Bereich L5/S1, beginnende bis mäßige Osteochondrosen im Bereich L1 bis L4 und eine beginnenden Osteochondrose im Bereich L4/5 festgestellt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Juni 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr ab 17. April 2009 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er sieht seine Bewertung durch das Urteil des SG gestützt. Auch die weiteren Ermittlungen haben keine Funktionseinschränkungen gezeigt, die einen GdB von 50 rechtfertigen können.

Am 1. Oktober 2013 hat eine nichtöffentliche Sitzung des Senats stattgefunden, in dem die Klägerin erklärt hat, dass sie sich nicht in kardiologischer Behandlung befindet.

Auf Antrag der Klägerin sollte zunächst der Kardiologe Dr. M. ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstatten. Nachdem dieser als behandelnder Arzt die Erstellung des Gutachtens abgelehnt hat, hat der Senat nochmals einen Befundbericht dieses Arztes eingeholt. Dieser hat am 12. Februar 2014 mitgeteilt, dass EKG und die Echokardiographie normale Befunde gezeigt hätten. In Anlage befand sich der Bericht von der Ultraschalluntersuchung am 9. Februar 2012. Dort waren normal große Herzhöhlen mit normaler Muskeldicke, eine normale Kinetik, eine normale diastolische Funktion sowie morphologisch und funktionell unauffällige Herzklappen festgestellt worden. Die Belastung sei bis 100 Watt erfolgt, wobei sich keine akute Coronarinsuffizienz ergeben habe. Der Verdacht auf eine paraxysmale Tachykardie (plötzliches, anfallsweise Auftreten einer stark beschleunigten Herzaktivität) wurde geäußert.

Schließlich hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG Dr. H., Fachärztin für Innere Medizin, Sozial- und Betriebsmedizin das Gutachten vom 20. März 2015 (Untersuchung am 15. Dezember 2014) erstattet. Die Sachverständige hat folgende Diagnosen gestellt: Partielle Nervenplexuslähmung des linken Armes, beschleunigter Sinusrhythums, supraventrikuläre Tachykardie 1993 ohne Anhalt für komplexe Rhythmusstörung, arterielle Hypertonie mit Linksherzhypertrophie, Asthma bronchiale, dysthyme Stimmungsstörung und Panikzustände bei Herzrasensituationen, Coxarthrose links, Koxalgie rechts, degeneratives HWS-, BWS- und LWS-Syndrom. Nach ihrer Einschätzung sei die Schulterblattfraktur mit Armteillähmung links unter Mitberücksichtigung des chronischen Schmerzsyndroms mit einem GdB von 30 zu bewerten. Es liege ein mittelgradiges passives Funktionsdefizit am linken Schultergelenk vor. Die Komplexbewegung sei dadurch deutlich gestört. Den linken Arm habe die Klägerin mit Unterstützung des rechten Arms bis 80 Grad nach vorn und seitlich bis 60 Grad heben können. Durch die Mindernutzung des linken Armes sei auch eine geringe Atrophie des Deltamuskels vorhanden. Die Kraftentfaltung des Oberarms werde durch die Myatrophie leicht gemindert. Der Bluthochdruck sei wegen der begleitenden Linksherzhypertrophie mit einem GdB von 20 zu bewerten. Es hätten keine Hinweise auf eine kardiopulmonale Insuffizienz bestanden. Bei der Belastungsuntersuchung sei diese bei 50 Watt ohne objektive Abbruchkriterien unter belastungsinadäquater Kreislaufregulation erfolgt. Hinweise für eine Belastungskoronarinsuffizienz hätten dabei nicht bestanden. Auch eine Rhythmusstörung habe sich nicht entwickelt. Farbdopplerechokardiographisch sei eine normale systolische und diastolische Funktion der linken Herzhauptkammer mit konzentrischer und linksventrikulärer Wandhypertrophie festgestellt worden. Der beschleunigte Sinusrhythmus bedinge keine Beschwerden und führe zu keinem GdB. Die geringfügige Einschränkung der glomerulären Filtrationsrate (Gesamtvolumen des Primärharns) sei ohne Krankheitswert und nicht mit einem GdB zu berücksichtigen. Ein GdB von maximal 10 könne für das saisonal auftretende Asthma bronchiale mit Husten und Auswurf anerkannt werden. Eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion bestehe nicht. Die belastungsabhängig angegebene Atemnot sei eher Folge von Trainingsmangel und nicht Folge eines Asthma bronchiale. Der Stütz- und Bewegungsapparat habe im Bereich der Wirbelsäule keine relevanten Funktionsstörungen aufgewiesen. Bei den gezielten Bewegungsprüfungen hätten keine Defizite nachgewiesen werden können. Auch bestünden keine Hinweise für sensomotorische Störungen, Entzündungszeichen oder atrophische Muskelareale als Ausdruck einer Schonhaltung. Für das HWS- und BWS/LWS-Syndrom sei aufgrund der nach Aktenlage wiederkehrenden Schmerzen und Bewegungseinschränkungen ohne Nachweis neurologischer Ausfälle maximal ein GdB von 20 gerechtfertigt. Die Gelenke der unteren Extremitäten hätten keine funktionellen Einschränkungen aufgewiesen. Lediglich am rechten Hüftgelenk sei in der endgradigen Bewegungsphase ein Schmerz auslösbar gewesen, für den aber kein GdB festzustellen sei. Die seelische Stimmungsstörung im Rahmen des Schmerzsyndroms mit den somatischen Faktoren der Verletzungsfolgen am linken Schultergelenk und den begleitenden psychischen Faktoren sei in die relativ hohe Einschätzung zum GdB von 30 eingegangen. Für das Funktionssystem Nervensystem und Psyche mit den davon nicht zu trennenden funktionellen Folgen am System Haltungs- und Bewegungsorgane hat die Sachverständige wegen der negativ potenzierenden Auswirkung für die beiden Funktionssysteme maximal einen GdB von 40 vorgeschlagen. Der Bluthochdruck mit Linksherzbeteiligung und die Asthmaerkrankungen verstärkten die Wirkung auf den Gesamtbehinderungsgrad nicht weiter, so dass es beim GdB von 40 bleibe. Diese Einschätzung treffe auf den gesamten Zeitraum seit dem 17. April 2009 zu. Eine wesentliche Veränderung sei nicht nachzuweisen.

Die Klägerin hat gegen das Gutachten eingewandt: Die Sachverständige habe bestätigt, dass eine Belastbarkeit nur für körperlich leichte Anforderungen vorliege. Daher sei ein Gesamt-GdB von 40 nicht nachvollziehbar. Sie habe lediglich mit 25 Watt belastet werden können. Wegen des Anstiegs von Herzfrequenz und Blutdruckwerten habe die Belastungserprobung bei 50 Watt abgebrochen werden müssen. Außerdem hat die Klägerin einen Arztbrief des Dr. H. vom 7. Juli 2015 vorgelegt, wonach er bei der letztmaligen Behandlung der Klägerin im März 2012 Herzinsuffizienzbeschwerden festgestellt habe.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte und gemäß § 143 SGG auch statthafte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte mit Bescheid vom 6. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2010 die Neufeststellung des Behinderungsgrades ab 17. April 2009 abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft liegen weiterhin nicht vor.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 17. April 2009. Hierbei handelt es sich um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, für die bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitraum von der Antragstellung bis zum letzten Entscheidungszeitpunkt des Senates maßgeblich ist.

Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 14. Juni 1993 einen GdB von 40 festgestellt und damit über den Behinderungsgrad der Klägerin entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die Neufeststellung nach § 48 Abs.1 des Zehnten Buches des (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades um wenigstens 10 ergibt. Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 14. Juni 1993 vorgelegen haben, ist keine Änderung eingetreten. Die Funktionsstörungen der Klägerin rechtfertigen auch weiterhin die Feststellung eines GdB von 40.

Nach § 69 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Regelung knüpft materiell-rechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden. Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG, Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt.

Soweit der streitigen Bemessung des GdB die GdS-Tabelle der VMG (Teil A) zugrunde zu legen ist, gilt Folgendes: Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil B, Nr. 1) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a).

Nach diesem Maßstab ist bei der Klägerin weiterhin ein GdB von 40 ab 17. April 2009 bis zum jetzigen Zeitpunkt festzustellen. Dabei stützt sich der Senat auf die eingeholten Befundberichte nebst Anlagen sowie die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Beklagten.

a)

Die Schulterblattfraktur mit Armteillähmung links ist unter Mitberücksichtigung des chronischen Schmerzsyndroms dem Funktionssystem Arme zuzuordnen und mit einem GdB von 30 zu bewerten.

Für die Bewertung sind die Vorgaben nach Teil B, Nr. 18.13 VMG zu berücksichtigen. Sofern der Arm nur bis zu 90 Grad angehoben werden kann, erfolgt danach die Bewertung mit einem GdB von 20. Erst der vollständige Ausfall des Nervus axillaris rechtfertigt einen GdB von 30. Nach diesem Maßstab ist wegen des nur partiellen Ausfalls des Nervus axillaris unter Berücksichtigung der auf 80 Grad limitierten Armbewegung nach vorn (Arztbriefe Dr. L. vom 20. April und 25. September 2012) allein aufgrund des objektiven Befundes nur ein GdB von 20 festzustellen. Auch der Facharzt für Orthopädie Dr. N. hat mit Arztbrief vom 22. April 2009 über eine linksseitige partielle Schultersteife bei deutlich abgeschwächter passiver und aktiver Abduktion und eine deutliche Teilfixierung, nicht aber über einen vollständigen Ausfall des Nervus axillaris berichtet. Doch erscheint die Bewertung mit einem GdB von 30 wegen der damit verbundenen chronischen Schmerzen im Schulter-, Nacken- und HWS-Bereich und der Kopfschmerzen vertretbar. Mit dem GdB von 30 sind auch die damit einhergehenden seelischen Begleiterscheinungen wegen der eingeschränkten Alltagsbeweglichkeit erfasst, da keine fachärztliche psychiatrische Behandlung erfolgt, die eine noch weiter erhöhende Bewertung zuließe (dazu VMG, Teil A, Nr. 2j). Eine andere Bewertung kann auch nicht aufgrund der medizinischen Feststellungen von Dr. H. erfolgen. Die Sachverständige hat die Angaben der behandelnden Ärzte bestätigt (mittelgradiges passives Funktionsdefizit am linken Schultergelenk mit Limitierung der Vorhebens auf 80 Grad, deutliche Störung der Komplexbewegung, geringe Atrophie des Deltamuskels, leichte Minderung der Kraftentfaltung des Oberarms durch Myatrophie) und ebenso einen GdB von 30 unter Berücksichtigung des Schmerzsyndroms vorgeschlagen.

b)

Für das HWS- und BWS/LWS- Syndrom kann maximal ein GdB von 20 angenommen werden.

Nach Teil B, Nr. 18.9 VMG rechtfertigen Funktionsstörungen geringeren Grades einen Einzel-GdB von 10. Erst mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grades, bedingen einen Einzel-GdB von 20. Ein GdB von 30 setzt entweder schwere Schäden in einem Abschnitt oder mittelgradige in zwei Abschnitten voraus. Allein die bildtechnisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen rechtfertigen nicht die Annahme eines GdB (VMG, Teil B, Nr. 18.1).

Die Röntgenuntersuchungen der Wirbelsäule haben bei der Klägerin zwar Verschleißerscheinungen gezeigt, doch sind die damit verbundenen Funktionseinschränkungen maximal mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die Klägerin leidet unter degenerativen Veränderungen der HWS, BWS und LWS mit einer Osteochondrose im Bereich C5/6 und mäßigen Spondylarthrose im Bereich C4 bis C 7 bzw. TH 1. Im Bereich der LWS sind fünf freie Lendenwirbelkörper, eine kräftige Osteochondrose im Bereich L5/S1, beginnende bis mäßige Osteochondrosen im Bereich L1 bis L4 und eine beginnende Osteochondrose im Bereich L4/5 nachgewiesen. Die erhobenen Befunde zeigen aber keine dauerhaften Bewegungseinschränkungen. So hat Dipl.-Med. D. nach der Akkupunkturbehandlung im Jahr 2011 keine Bewegungseinschränkungen und keine Instabilität feststellen können. Auch Dr. H. hat keine Bewegungseinschränkungen nachgewiesen. Selbst die zuvor mitgeteilten Bewegungseinschränkungen von Dr. N. (Befundbericht vom 7. Dezember 2009) sind allenfalls geringgradig (HWS in allen Richtungen endgradig eingeschränkt; LWS-Extension schmerzhaft aufgehoben, Schober 10/14 cm, FBA 25 cm). Allein auf die Einschätzung von Dr. L. in ihrem Befundbericht vom 20. April 2012 (nach zweimaligen Behandlungen im Sommer 2010) lässt sich kein höherer GdB als 20 stützen. Sofern diese über geringe funktionelle Auswirkungen im Bereich der HWS und mittelgradige im Bereich von BWS und LWS berichtet hat, lassen die von ihr erhobenen Bewegungsmaße eine solche Einschätzung nicht zu (FFA 10 cm; HWS mit endgradigen Funktionsstörungen im Bereich C2/C3 beidseits und des zerviko-thorakalen Übergangs). Auch die in ihrem Bericht vom 25. September 2012 mitgeteilten Bewegungsmaße (FFA 15 cm; Aufrichteschmerz aus Rumpfvorbeuge; Gangbild regelrecht; HWS: Kopfgelenk altersentsprechend, C2/3 rechts 1/3 schmerzhaft eingeschränkt, zervikothorakaler Übergang rechts zur Hälfe schmerzhaft eingeschränkt; BWS-Rotation nach rechts 1/3 schmerzhaft eingeschränkt) lassen keine mittelgradigen Einschränkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten erkennen. Damit erscheint die Bewertung mit einem GdB von 20 ohne dauerhafte Bewegungseinschränkungen aufgrund der wiederkehrenden Schmerzen - wie auch von Dr. H. vorgeschlagen - sehr wohlwollend.

c)

Das Bluthochdruckleiden der Klägerin rechtfertigt einen GdB von 20.

Nach Teil B, Nr. 9.3 VMG ist die leichte Form der Hypertonie, bei der keine oder eine geringe Leistungsbeeinträchtigung und höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen vorliegen, mit einem GdB von 0 bis zu 10 zu bewerten. Die mittelschwere Form eröffnet je nach Leistungsbeeinträchtigung einen Bewertungsrahmen von 20 bis 40. Kriterien dafür sind Organbeteiligungen leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen – Fundus hypertonicus I bis II- und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie) sowie diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung.

Nach diesem Maßstab ist seit dem 15. Dezember 2014 ein Einzel-GdB von 20 für die Blutdruckerkrankung festzustellen, denn die Untersuchung durch Dr. H. hat an diesem Tag eine Linksherzhypertrophie nachgewiesen. Es haben allerdings keine Hinweise auf eine kardiopulmonale Insuffizienz bestanden, sodass keine höhere Bewertung als mit 20 erfolgen kann. Dies entspricht auch dem Vorschlag von Dr. H. Zwar war nur eine Belastung der Klägerin bis 50 Watt möglich gewesen, doch erfolgte der Abbruch ohne objektive Abbruchkriterien. Hinweise für eine Belastungskoronarinsuffizienz haben dabei nicht bestanden. Auch eine Rhythmusstörung hat sich nicht entwickelt. Farbdopplerechokardiographisch konnte Dr. H. eine normale systolische und diastolische Funktion der linken Herzhauptkammer mit konzentrischer und linksventrikulärer Wandhypertrophie feststellen. Das Fehlen von Hinweisen auf eine kardiopulmonale Insuffizienz stimmt auch mit den Berichten des behandelnden Kardiologen Dr. M. überein. Auch dieser hat am 4. April 2009 einen durchgehenden normalen Sinusrhythmus, eine Neigung zum etwas schnellen Puls und eine vorhandene Tag-Nacht- und Aktivitätsregulation ohne Tachykardien und Bradykardien festgestellt. Mit Befundbericht vom 12. Februar 2014 hat er mitgeteilt, dass EKG und die Echokardiographie hätten normale Befunde ergeben. In Anlage hat er den Bericht von der Ultraschalluntersuchung am 9. Februar 2012 übersandt. Dort waren normal große Herzhöhlen mit normaler Muskeldicke, eine normale Kinetik, eine normale diastolische Funktion sowie morphologisch und funktionell unauffällige Herzklappen festgestellt worden. Die Belastung sei bis 100 Watt erfolgt, wobei sich dort keine akute Koronarinsuffizienz ergeben habe. Lediglich der Verdacht auf eine paraxysmale Tachykardie (plötzliches, anfallsweise Auftreten einer stark beschleunigten Herzaktivität) wurde geäußert.

Die von Dr. H. aufgrund der letztmaligen Untersuchung im März 2012 gestellte Diagnose einer koronaren Herz-Kreislauf-Erkrankung und die Mitteilung von Herzinsuffizienzbeschwerden kann nicht zur Feststellung eines GdB führen, denn er hat diese Befunde nicht aufgrund einer Herzuntersuchung (wie z.B. EKG, Echokardiographie, Ergometriebelastung) erhoben. Dagegen haben die durchgeführten fachärztlichen Untersuchungen im Februar 2012 und Dezember 2014 eine Herz-Kreislauf-Erkrankung gerade ausgeschlossen. Allein Angaben der Klägerin über Herzinsuffizienzbeschwerden ohne entsprechende organische Befunde rechtfertigen nicht die Feststellung eines GdB.

Da erst die nachgewiesene Linksherzhypertrophie zur Annahme einer mittelschweren Form des Bluthochdrucks und damit zur Bewertung mit 20 führt, ist bis zu diesem Zeitpunkt lediglich ein Einzel-GdB von maximal 10 festzustellen.

d)

Für das Asthma bronchiale ohne Lungenfunktionseinschränkung kann nach dem Gutachten von Dr. H. maximal ein GdB von 10 nach Teil B, Nr. 8.5 VMG festgestellt werden. Darüber hinausgehende medizinische Befunde, die eine höhere Bewertung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

e)

Weitere Funktionseinschränkungen, die einen GdB begründen könnten, sind nicht nachgewiesen. So ist die Arthrose in den Hüftgelenken nicht mit GdB-relevanten Bewegungseinschränkungen verbunden. Auch Dr. H. hat lediglich am rechten Hüftgelenk einen endgradigen Bewegungsschmerz feststellen können. Die Kniegelenke waren bei den Untersuchungen durch Dr. N., Dr. L. und Dr. H. frei beweglich. Auch die von Dr. N. im Befundschein vom 7. Dezember 2009 festgestellten Knick-Platt-Spreizfüße rechtfertigen bei fehlenden statischen Auswirkungen keinen GdB (Teil B, Nr. 18.14 VMG). Dr. H. hat diese Diagnose gar nicht gestellt, sodass jedenfalls nicht von einer GdB-relevanten Behinderung ausgegangen werden kann. Die von Dr. H. dagegen erstmals festgestellte geringfügige Einschränkung der glomerulären Filtrationsrate ist ohne Krankheitswert und als Labordiagnose nicht mit einem GdB zu berücksichtigen. Schließlich liegt auch keine eigenständige seelische Erkrankung vor. Die bestehenden seelischen Störungen aufgrund des Schmerzsyndroms im Armbereich und den damit verbundenen Alltagseinschränkungen sind bereits bei dem Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem Arme erhöhend mit berücksichtigt worden. Eine Bewertung der gleichen Funktionseinschränkungen in einem anderen Funktionssystem ist unzulässig.

f)

Da bei der Klägerin Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren GdB vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Gesamtbehinderungsgrad zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Teil A, Nr. 3 der VMG anzuwenden. Nach Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.

Danach hat der Beklagte ausgehend von dem Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem Arme eine Erhöhung aufgrund der Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, die mit maximal 20 zu bewerten sind, auf 40 vorgenommen. Eine weitere Erhöhung kommt nicht in Betracht. Dabei ist zu beachten, dass nach Teil A, Nr. 3 ee VMG auch Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 als leichte Funktionsstörungen angesehen werden, die es vielfach nicht rechtfertigen, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Nach diesem Maßstab führt der Bluthochdruck, der mit einem GdB von 20 zu bewerten ist, nicht zur Verstärkung des Gesamtausmaßes der Behinderung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der fehlenden kardiopulmonalen Beeinträchtigung die Teilhabebeeinträchtigung der Klägerin auch nicht größer wird. Auch Dr. H. hat sich gegen eine weitere Erhöhung des Behinderungsgrades aufgrund des Bluthochdrucks ausgesprochen. Schließlich erhöht das Asthma bronchiale, das mit einem GdB von 10 bewertet wird, als leichte Funktionsstörung nach Teil A, Nr. 3 ee VMG nicht das Gesamtausmaß. Ein besonders gelagerter Einzelfall, der ausnahmsweise eine Erhöhung rechtfertigt, liegt hier nicht vor.

Letztlich widerspräche die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bei der Klägerin dem nach Teil A, Nr. 3 VMG zu berücksichtigenden Vergleichsmaßstab. So spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Eine derartig schwere Funktionsstörung liegt bei der Klägerin nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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