Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 15 AS 3053/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 414/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anrechnung eines Nebenkostenguthabens auf die laufenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die am 1955 geborene, alleinstehende Klägerin bewohnte eine 65,8 m² große Mietwohnung. Ab September 2013 hatte sie monatlich eine Kaltmiete i.H.v. 226,54 EUR, Betriebskosten i.H.v. 57,21 EUR sowie Heizkosten i.H.v. 70 EUR zu zahlen (= 353,75 EUR). Zuvor hatte der Heizkostenabschlag 98,70 EUR/Monat betragen.
Die Klägerin bezog von dem Beklagten laufende Leistungen nach dem SGB II. Für die im Jahr 2012 fälligen Vorauszahlungen für die Heizkosten i.H.v. 98,70 EUR/Monat hatte der Beklagte Heizkosten nur i.H.v. 63 EUR (Januar bis Februar), 87 EUR (März bis Juni) und 78,50 EUR (Juli bis Dezember) zu Grunde gelegt.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 31. Juli 2013 Leistungen für die Zeit von September 2013 bis Februar 2014 i.H.v. 624,25 EUR/Monat. Für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) legte der Beklagte die Grundmiete und die Betriebskosten ungekürzt und die Heizkosten i.H.v. 78,50 EUR (statt 98,70 EUR) zu Grunde (= 362,25 EUR).
Am 1. August 2013 legte die Klägerin die Betriebskostenabrechnung der Vermieterin vom 29. Juli 2013 für das Jahr 2012 vor. Daraus ergab sich ein Guthaben i.H.v. 815,54 EUR, das am 26. August 2013 auf das Konto der Klägerin überwiesen wurde.
Mit Änderungsbescheid vom 6. August 2013 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) bewilligte der Beklagte für den Zeitraum von September 2013 bis Januar 2014 Leistungen nur noch i.H.v. 488,32 EUR/Monat und für Februar 2014 i.H.v. 488,33 EUR. Das Guthaben sei eine einmalige Einnahme i.S.v. § 11 Abs. 1 i.V.m. § 22 Satz 3 SGB II und mindere die KdU im auf die Auszahlung folgenden Monat. Da bei Berücksichtigung in dem Monat September 2013 der Leistungsanspruch entfiele, sei das Guthaben auf sechs Monate aufzuteilen gewesen (5 x 135,92 EUR/Monat und 1 x 135,94 EUR).
Nachdem die Klägerin die Minderung der Heizkostenvorauszahlung ab 1. September 2013 auf 70 EUR/Monat mitgeteilt hatte, hob der Beklagte mit Bescheid vom 12. September 2013 die bisherige Leistungsbewilligung mit Wirkung vom 1. Oktober 2013 teilweise auf. Er bewilligte für die Monate Oktober 2013 bis Januar 2014 Leistungen i.H.v. 479,83 EUR/Monat und für Februar 2014 i.H.v. 479,81 EUR.
In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, das Guthaben dürfe nicht vollständig auf die KdU angerechnet werden. Denn teilweise seien die Heizkostenabschläge aus ihrer Regelleistung erbracht worden.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2013 als unbegründet zurück. Der Bescheid vom 31. Juli 2013 sei zu Recht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X teilweise aufgehoben worden. Die zunächst nicht bekannte Gutschrift i.H.v. 815,54 EUR habe erst ab September 2013 anteilig berücksichtigt werden können.
Dagegen hat die Klägerin am 1. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Zunächst hat sie begehrt, für die Zeit von September 2013 bis Februar 2014 nur 95,52 EUR/Monat zur Anrechnung zu bringen. Von den tatsächlichen Heizkosten für das Jahr 2012 (683,19 EUR) seien ihre eigenen aus der Regelleistung aufgebrachten Zahlungen i.H.v. 242,40 EUR (richtig: 239,40 EUR) abzusetzen. Somit dürfe nur der Betrag von 441,57 EUR auf die Heizkosten angerechnet werden. Ferner hat sie ausgeführt, entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mindere das Nebenkostenguthaben nur die tatsächlichen und nicht die für angemessen gehaltenen KdU.
Mit weiteren Bescheiden vom 5. und 13. Februar 2014 hat der Beklagte für die Monate Januar und Februar 2014 eine Erhöhung der Regelleistung sowie eine Mietminderung berücksichtigt. Die Anrechnung des Nebenkostenguthabens hat er jeweils nicht geändert.
Das Sozialgericht hat - nach Umstellung des Klageantrags der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits - mit Urteil vom 10. Juni 2016 die Leistungsbescheide geändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin weitere Bedarfe für die KdU i.H.v. 27,88 EUR für November 2013, i.H.v. 135,92 EUR/Monat für Dezember 2013 und Januar 2014 und i.H.v. 135,94 EUR für Februar 2014 zu gewähren. Zulässigerweise habe die Klägerin den Klageantrag in der mündlichen Verhandlung gemäß § 99 Satz 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erweitert. Ein Fall des § 48 Abs. 1 SGB X liege nicht vor. Im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe sei bereits bekannt gewesen, dass der Klägerin am 26. August 2013 ein Guthaben ausgezahlt werde. Der Bescheid vom 6. August 2013 habe aber auf § 45 SGB X gestützt werden können. Die Anrechnung des Guthabens auf die KdU sei nur für September und Oktober sowie teilweise für November 2013 zulässig gewesen. Das Guthaben sei gemäß § 22 Abs. 3 SGB II ab September 2013 auf den Leistungsanspruch anzurechnen gewesen. Für die Frage der Anrechnung sei unerheblich, wer die Vorauszahlungen getätigt habe. Deshalb sei das Guthaben nicht um den aus der Regelleistung erbrachten Betrag zu reduzieren gewesen. Das Guthaben sei nicht gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen gewesen. Die Vorschrift sei schon nach dem Wortlaut nicht anwendbar, denn nach § 22 Satz 3 SGB II sei das Guthaben nur auf die Aufwendungen für die KdU anzurechnen. Der Regelbedarf verbleibe selbst bei vollständiger Anrechnung des Guthabens. Zudem widerspräche eine Anwendung dem Sinn und Zweck von § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II. Der Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. Februar 2013 sei daher nicht zu folgen. Das Guthaben sei so aufzuteilen, dass es zunächst im September und Oktober 2013 vollständig auf die tatsächlichen KdU anzurechnen sei. Der Restbetrag sei im November 2013 (815,54 EUR - 353,75 EUR - 353,75 EUR = 108,04 EUR) anzurechnen. Hinsichtlich der begehrten weiteren 40,40 EUR/Monat im September bis November 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.
Gegen das ihm am 22. Juni 2016 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17. Juli 2016 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Das Guthaben sei auf sechs Monate aufzuteilen gewesen, weil nach § 22 Satz 3 SGB II ein Guthaben die Unterkunftskosten nicht zwingend im Folgemonat bzw. in den nachfolgenden Monaten bis zur Abschmelzung jeweils vollständig mindere. Soweit das Guthaben - wie hier - in Geld ausbezahlt werde, müsse es gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II gleichmäßig auf sechs Monate verteilt werden. Dies entspreche auch der Auffassung des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt im Schreiben vom 4. Februar 2013.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Juni 2016 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit Erklärungen vom 2. und 6. Dezember 2016 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Beklagten ist nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhoben.
Sie ist auch statthaft, da das Sozialgericht die Berufung zugelassen hat (§ 144 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG).
Der Senat durfte gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden.
II.
Die Berufung ist unbegründet, da das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg rechtmäßig ist. Dieses hat - im Ergebnis - zu Recht die Änderungsbescheide vom 6. August und 12. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2013 sowie die Bescheide vom 5. und 13. Februar 2014 geändert. Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten auch zur Bewilligung weiterer Leistungen für die Monate November 2013 bis Februar 2014 verpflichtet.
1.
Die Klägerin hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die teilweise Aufhebung der im Bescheid vom 31. Juli 2013 bewilligten Leistungen für die KdU beschränkt (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 132/11 R (14)).
2.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Bescheid vom 31. Juli 2013 zunächst rechtmäßig gewesen und erst mit dem tatsächlichem Zufluss des Nebenkostenguthabens am 26. August 2013 rechtswidrig geworden. Wird eine Leistungsbewilligung nach dem SGB II wegen erzielten Einkommens fehlerhaft, ist insoweit der tatsächliche Zufluss des Einkommens maßgebend. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist nicht auf die Kenntnis der Behörde von dem zu erwartenden Einkommenszufluss abzustellen (BSG, Urteil vom 10. August 2016, B 14 AS 51/15 R (12)).
Auch bei Bekanntgabe des Bescheides vom 31. Juli 2013 einige Tage nach dem Erlass war das Nebenkostenguthaben der Klägerin noch nicht zugeflossen. Der Beklagte hat seinen Bescheid über die Anrechnung der Nebenkostenerstattung auf die KdU zu Recht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt.
3.
Im Ergebnis hat das Sozialgericht aber zu Recht eine von der Auffassung des Beklagten abweichende Anrechnung des Nebenkostenguthabens vorgenommen.
Die Anrechnung des Nebenkostenguthabens auf die laufenden Leistungen richtet sich nach § 22 Satz 3 SGB II. Danach mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen, bleiben außer Betracht.
a.
Der Beklagte hat zu Recht das gesamte Nebenkostenguthaben für das Jahr 2012 zur Anrechnung gebracht. Entgegen der Auffassung der Klägerin waren die im Jahr 2012 aus der Regelleistung aufgebrachten Eigenanteile nicht abzusetzen. Insoweit verweist der Senat in vollem Umfang auf die Ausführungen des Sozialgerichts. Diese entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 139/11 R (19); Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 83/12 R (15); Urteil vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 56/13 R (22)).
b.
Auch die vom Sozialgericht vorgenommene Anrechnung des Betriebskostenguthabens auf die Folgemonate des Zuflusses entspricht der gesetzlichen Regelung, dem Sinn und Zweck der Regelung sowie der Rechtsprechung BSG (Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 139/11 R (14); Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 83/12 R (11); so auch: Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 2. September 2016, L 16 AS 144/16 NZB (18)). Insoweit verweist der Senat in vollem Umfang auf die Ausführungen des Sozialgerichts und macht sie sich zu Eigen.
Insbesondere liegen die Voraussetzungen von § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II für eine gleichmäßige Aufteilung der einmaligen Einnahme auf sechs Monate nicht vor. Voraussetzung wäre, dass der Leistungsanspruch der Klägerin durch die Berücksichtigung in einem Monat entfiele. Dies wäre hier nicht der Fall gewesen. Da die Klägerin auch bei Anrechnung des Nebenkostenguthabens der Anspruch auf die Regelleistungen verblieb, ist ihr Leistungsanspruch durch die vom Sozialgericht vorgenommene Aufteilung ab September 2013 nicht entfallen. Ob bei einer solchen Konstellation eine gleichmäßige Aufteilung der einmaligen Einnahme auf sechs Monate zulässig ist, kann hier dahinstehen (bejaht: Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 20. Juli 2016, L 4 AS 225/14 (37) nach § 2 Abs. 4 S. 3 Alg II-V für das Jahr 2011).
Der Auffassung des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. Februar 2013 ist nicht zu folgen. Sie berücksichtigt weder den eindeutigen Wortlaut von § 11 Abs. 3 SGB II, noch Sinn und Zweck von § 22 Abs. 3 SGB II sowie die Rechtsprechung des BSG.
c.
Zu Recht hat das Sozialgericht auch die für September 2013 i.H.v. 8,50 EUR zu hoch bewilligten KdU von der Anrechnung ausgenommen. § 22 Abs. 3 SGB II stellt ausschließlich auf die "Aufwendungen" für Unterkunft und Heizung ab, die durch die Nebenkostenrückzahlung gemindert werden. Unerheblich ist daher, dass im vorliegenden Fall der Bedarf der Klägerin für Unterkunft und Heizung um 8,50 EUR geringer war als die tatsächlich zu zahlende Gesamtmiete (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 83/12 R (13)).
d.
Aufgrund des Verbots der Saldierung innerhalb eines Bewilligungsabschnitts über die einzelnen Monate hinweg (dazu grundlegend: BSG, Urteil vom 5. September 2007, B 11b AS 15/06 R (42)) kann der Beklagte auch nicht gegen die Verpflichtung zur Zahlung weiterer Leistungen einwenden, für September bis Oktober 2013 bereits zu hohe Leistung erbracht zu haben.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Anrechnung eines Nebenkostenguthabens auf die laufenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die am 1955 geborene, alleinstehende Klägerin bewohnte eine 65,8 m² große Mietwohnung. Ab September 2013 hatte sie monatlich eine Kaltmiete i.H.v. 226,54 EUR, Betriebskosten i.H.v. 57,21 EUR sowie Heizkosten i.H.v. 70 EUR zu zahlen (= 353,75 EUR). Zuvor hatte der Heizkostenabschlag 98,70 EUR/Monat betragen.
Die Klägerin bezog von dem Beklagten laufende Leistungen nach dem SGB II. Für die im Jahr 2012 fälligen Vorauszahlungen für die Heizkosten i.H.v. 98,70 EUR/Monat hatte der Beklagte Heizkosten nur i.H.v. 63 EUR (Januar bis Februar), 87 EUR (März bis Juni) und 78,50 EUR (Juli bis Dezember) zu Grunde gelegt.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 31. Juli 2013 Leistungen für die Zeit von September 2013 bis Februar 2014 i.H.v. 624,25 EUR/Monat. Für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) legte der Beklagte die Grundmiete und die Betriebskosten ungekürzt und die Heizkosten i.H.v. 78,50 EUR (statt 98,70 EUR) zu Grunde (= 362,25 EUR).
Am 1. August 2013 legte die Klägerin die Betriebskostenabrechnung der Vermieterin vom 29. Juli 2013 für das Jahr 2012 vor. Daraus ergab sich ein Guthaben i.H.v. 815,54 EUR, das am 26. August 2013 auf das Konto der Klägerin überwiesen wurde.
Mit Änderungsbescheid vom 6. August 2013 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) bewilligte der Beklagte für den Zeitraum von September 2013 bis Januar 2014 Leistungen nur noch i.H.v. 488,32 EUR/Monat und für Februar 2014 i.H.v. 488,33 EUR. Das Guthaben sei eine einmalige Einnahme i.S.v. § 11 Abs. 1 i.V.m. § 22 Satz 3 SGB II und mindere die KdU im auf die Auszahlung folgenden Monat. Da bei Berücksichtigung in dem Monat September 2013 der Leistungsanspruch entfiele, sei das Guthaben auf sechs Monate aufzuteilen gewesen (5 x 135,92 EUR/Monat und 1 x 135,94 EUR).
Nachdem die Klägerin die Minderung der Heizkostenvorauszahlung ab 1. September 2013 auf 70 EUR/Monat mitgeteilt hatte, hob der Beklagte mit Bescheid vom 12. September 2013 die bisherige Leistungsbewilligung mit Wirkung vom 1. Oktober 2013 teilweise auf. Er bewilligte für die Monate Oktober 2013 bis Januar 2014 Leistungen i.H.v. 479,83 EUR/Monat und für Februar 2014 i.H.v. 479,81 EUR.
In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, das Guthaben dürfe nicht vollständig auf die KdU angerechnet werden. Denn teilweise seien die Heizkostenabschläge aus ihrer Regelleistung erbracht worden.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2013 als unbegründet zurück. Der Bescheid vom 31. Juli 2013 sei zu Recht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X teilweise aufgehoben worden. Die zunächst nicht bekannte Gutschrift i.H.v. 815,54 EUR habe erst ab September 2013 anteilig berücksichtigt werden können.
Dagegen hat die Klägerin am 1. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Zunächst hat sie begehrt, für die Zeit von September 2013 bis Februar 2014 nur 95,52 EUR/Monat zur Anrechnung zu bringen. Von den tatsächlichen Heizkosten für das Jahr 2012 (683,19 EUR) seien ihre eigenen aus der Regelleistung aufgebrachten Zahlungen i.H.v. 242,40 EUR (richtig: 239,40 EUR) abzusetzen. Somit dürfe nur der Betrag von 441,57 EUR auf die Heizkosten angerechnet werden. Ferner hat sie ausgeführt, entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mindere das Nebenkostenguthaben nur die tatsächlichen und nicht die für angemessen gehaltenen KdU.
Mit weiteren Bescheiden vom 5. und 13. Februar 2014 hat der Beklagte für die Monate Januar und Februar 2014 eine Erhöhung der Regelleistung sowie eine Mietminderung berücksichtigt. Die Anrechnung des Nebenkostenguthabens hat er jeweils nicht geändert.
Das Sozialgericht hat - nach Umstellung des Klageantrags der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits - mit Urteil vom 10. Juni 2016 die Leistungsbescheide geändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin weitere Bedarfe für die KdU i.H.v. 27,88 EUR für November 2013, i.H.v. 135,92 EUR/Monat für Dezember 2013 und Januar 2014 und i.H.v. 135,94 EUR für Februar 2014 zu gewähren. Zulässigerweise habe die Klägerin den Klageantrag in der mündlichen Verhandlung gemäß § 99 Satz 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erweitert. Ein Fall des § 48 Abs. 1 SGB X liege nicht vor. Im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe sei bereits bekannt gewesen, dass der Klägerin am 26. August 2013 ein Guthaben ausgezahlt werde. Der Bescheid vom 6. August 2013 habe aber auf § 45 SGB X gestützt werden können. Die Anrechnung des Guthabens auf die KdU sei nur für September und Oktober sowie teilweise für November 2013 zulässig gewesen. Das Guthaben sei gemäß § 22 Abs. 3 SGB II ab September 2013 auf den Leistungsanspruch anzurechnen gewesen. Für die Frage der Anrechnung sei unerheblich, wer die Vorauszahlungen getätigt habe. Deshalb sei das Guthaben nicht um den aus der Regelleistung erbrachten Betrag zu reduzieren gewesen. Das Guthaben sei nicht gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen gewesen. Die Vorschrift sei schon nach dem Wortlaut nicht anwendbar, denn nach § 22 Satz 3 SGB II sei das Guthaben nur auf die Aufwendungen für die KdU anzurechnen. Der Regelbedarf verbleibe selbst bei vollständiger Anrechnung des Guthabens. Zudem widerspräche eine Anwendung dem Sinn und Zweck von § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II. Der Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. Februar 2013 sei daher nicht zu folgen. Das Guthaben sei so aufzuteilen, dass es zunächst im September und Oktober 2013 vollständig auf die tatsächlichen KdU anzurechnen sei. Der Restbetrag sei im November 2013 (815,54 EUR - 353,75 EUR - 353,75 EUR = 108,04 EUR) anzurechnen. Hinsichtlich der begehrten weiteren 40,40 EUR/Monat im September bis November 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.
Gegen das ihm am 22. Juni 2016 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17. Juli 2016 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Das Guthaben sei auf sechs Monate aufzuteilen gewesen, weil nach § 22 Satz 3 SGB II ein Guthaben die Unterkunftskosten nicht zwingend im Folgemonat bzw. in den nachfolgenden Monaten bis zur Abschmelzung jeweils vollständig mindere. Soweit das Guthaben - wie hier - in Geld ausbezahlt werde, müsse es gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II gleichmäßig auf sechs Monate verteilt werden. Dies entspreche auch der Auffassung des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt im Schreiben vom 4. Februar 2013.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Juni 2016 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit Erklärungen vom 2. und 6. Dezember 2016 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Beklagten ist nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhoben.
Sie ist auch statthaft, da das Sozialgericht die Berufung zugelassen hat (§ 144 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG).
Der Senat durfte gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden.
II.
Die Berufung ist unbegründet, da das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg rechtmäßig ist. Dieses hat - im Ergebnis - zu Recht die Änderungsbescheide vom 6. August und 12. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2013 sowie die Bescheide vom 5. und 13. Februar 2014 geändert. Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten auch zur Bewilligung weiterer Leistungen für die Monate November 2013 bis Februar 2014 verpflichtet.
1.
Die Klägerin hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die teilweise Aufhebung der im Bescheid vom 31. Juli 2013 bewilligten Leistungen für die KdU beschränkt (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 132/11 R (14)).
2.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Bescheid vom 31. Juli 2013 zunächst rechtmäßig gewesen und erst mit dem tatsächlichem Zufluss des Nebenkostenguthabens am 26. August 2013 rechtswidrig geworden. Wird eine Leistungsbewilligung nach dem SGB II wegen erzielten Einkommens fehlerhaft, ist insoweit der tatsächliche Zufluss des Einkommens maßgebend. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist nicht auf die Kenntnis der Behörde von dem zu erwartenden Einkommenszufluss abzustellen (BSG, Urteil vom 10. August 2016, B 14 AS 51/15 R (12)).
Auch bei Bekanntgabe des Bescheides vom 31. Juli 2013 einige Tage nach dem Erlass war das Nebenkostenguthaben der Klägerin noch nicht zugeflossen. Der Beklagte hat seinen Bescheid über die Anrechnung der Nebenkostenerstattung auf die KdU zu Recht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt.
3.
Im Ergebnis hat das Sozialgericht aber zu Recht eine von der Auffassung des Beklagten abweichende Anrechnung des Nebenkostenguthabens vorgenommen.
Die Anrechnung des Nebenkostenguthabens auf die laufenden Leistungen richtet sich nach § 22 Satz 3 SGB II. Danach mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen, bleiben außer Betracht.
a.
Der Beklagte hat zu Recht das gesamte Nebenkostenguthaben für das Jahr 2012 zur Anrechnung gebracht. Entgegen der Auffassung der Klägerin waren die im Jahr 2012 aus der Regelleistung aufgebrachten Eigenanteile nicht abzusetzen. Insoweit verweist der Senat in vollem Umfang auf die Ausführungen des Sozialgerichts. Diese entsprechen der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 139/11 R (19); Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 83/12 R (15); Urteil vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 56/13 R (22)).
b.
Auch die vom Sozialgericht vorgenommene Anrechnung des Betriebskostenguthabens auf die Folgemonate des Zuflusses entspricht der gesetzlichen Regelung, dem Sinn und Zweck der Regelung sowie der Rechtsprechung BSG (Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 139/11 R (14); Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 83/12 R (11); so auch: Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 2. September 2016, L 16 AS 144/16 NZB (18)). Insoweit verweist der Senat in vollem Umfang auf die Ausführungen des Sozialgerichts und macht sie sich zu Eigen.
Insbesondere liegen die Voraussetzungen von § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II für eine gleichmäßige Aufteilung der einmaligen Einnahme auf sechs Monate nicht vor. Voraussetzung wäre, dass der Leistungsanspruch der Klägerin durch die Berücksichtigung in einem Monat entfiele. Dies wäre hier nicht der Fall gewesen. Da die Klägerin auch bei Anrechnung des Nebenkostenguthabens der Anspruch auf die Regelleistungen verblieb, ist ihr Leistungsanspruch durch die vom Sozialgericht vorgenommene Aufteilung ab September 2013 nicht entfallen. Ob bei einer solchen Konstellation eine gleichmäßige Aufteilung der einmaligen Einnahme auf sechs Monate zulässig ist, kann hier dahinstehen (bejaht: Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 20. Juli 2016, L 4 AS 225/14 (37) nach § 2 Abs. 4 S. 3 Alg II-V für das Jahr 2011).
Der Auffassung des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. Februar 2013 ist nicht zu folgen. Sie berücksichtigt weder den eindeutigen Wortlaut von § 11 Abs. 3 SGB II, noch Sinn und Zweck von § 22 Abs. 3 SGB II sowie die Rechtsprechung des BSG.
c.
Zu Recht hat das Sozialgericht auch die für September 2013 i.H.v. 8,50 EUR zu hoch bewilligten KdU von der Anrechnung ausgenommen. § 22 Abs. 3 SGB II stellt ausschließlich auf die "Aufwendungen" für Unterkunft und Heizung ab, die durch die Nebenkostenrückzahlung gemindert werden. Unerheblich ist daher, dass im vorliegenden Fall der Bedarf der Klägerin für Unterkunft und Heizung um 8,50 EUR geringer war als die tatsächlich zu zahlende Gesamtmiete (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 83/12 R (13)).
d.
Aufgrund des Verbots der Saldierung innerhalb eines Bewilligungsabschnitts über die einzelnen Monate hinweg (dazu grundlegend: BSG, Urteil vom 5. September 2007, B 11b AS 15/06 R (42)) kann der Beklagte auch nicht gegen die Verpflichtung zur Zahlung weiterer Leistungen einwenden, für September bis Oktober 2013 bereits zu hohe Leistung erbracht zu haben.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
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