L 6 U 45/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 23 U 42/16
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 45/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 123/20 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

Laut D-Arztbericht vom ... 2015 wurde der 1956 geborene Kläger nach einer (betrieblichen) Weihnachtsfeier am 19. Dezember 2015 mit schweren Kopfverletzungen von Angehörigen auf der Straße vor der Haustür seiner Wohnung liegend aufgefunden. Die Diagnosen lauteten ausgedehnte traumatische Subarachnoidalblutung bifrontal rechtsbetont mit begleitendem 6 mm breitem Subduralhämatom der rechten Großhirnhemisphäre und Kalottenfraktur links sowie akute Alkoholintoxikation (laborchemischer Blutalkoholpegel 3,4 Promille; ebenso Entlassungsbericht der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. vom 11. Januar 2015 über die bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte stationäre Behandlung).

Unter dem 11. Januar 2016 gab die Ehefrau des Klägers an, die Weihnachtsfeier habe in der Gaststätte "H." (B.straße 1a, B.) stattgefunden. Für den Rückweg habe ihr um ca. 02:30 Uhr aufgefundener Mann ein Taxi benutzt.

Ergänzend teilte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 11. Januar 2016 mit, die Weihnachtsfeier habe am 18. Dezember 2015 um 18:00 Uhr begonnen und am 19. Dezember 2015 um 02:00 Uhr geendet. Der Kläger habe die Feier ca. um 01:30 Uhr verlassen (die Unternehmensleitung bzw. die von ihr beauftragten Personen um 02:00 Uhr).

Mit Bescheid vom 18. Januar 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 19. Dezember 2015 als Arbeitsunfall ab; Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien daher nicht zu erbringen. Zwar könnten betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen sowie der Weg dorthin und zurück nach Hause unter bestimmten Voraussetzungen unter Versicherungsschutz stehen. Hier seien die genauen Umstände des Sturzes aber nicht mehr aufklärbar. Angesichts der Stunden später festgestellten Blutalkoholkonzentration (BAK) sei mangels ersichtlicher anderer Wegegefahren von einem alkoholbedingten Unfall auszugehen, der dem privaten Risikobereich zuzurechnen sei.

Hiergegen erhob der Kläger noch im selben Monat mit der Begründung Widerspruch, andere Unfallursachen kämen durchaus in Frage; einen alkoholbedingten Sturz habe die Beklagte zu beweisen. Dies gelte umso mehr, als die Richtigkeit einer BAK von 3,4 Promille fraglich sei. Ein derartiger Wert setze einen sehr hohen Alkoholkonsum voraus, der dem Kläger fremd sei und den auch kein Teilnehmer der Weihnachtsfeier beobachtet habe. Außerdem stehe nicht fest, dass die laborchemische Feststellung fehlerfrei erfolgt sei. Erforderlich sei insoweit die Befassung eines akkreditierten Labors, das die Blutprobe mit zwei Verfahren untersuche.

Auf entsprechende Nachfrage der Beklagten führte der D-Arzt Prof. Dr. Dr. H. mit Schreiben vom 3. Mai 2016 erläuternd aus, der Kläger sei am 19. Dezember 2015 um 03:34 Uhr vom Notarzt in das Krankenhaus B. eingewiesen worden. Dieses habe im Rahmen der Labordiagnostik eine BAK von 3,4 Promille festgestellt. Im Labor des Klinikums B. sei die im Krankenhaus B. verwendete Bestimmungsmethodik recherchiert und entsprechend das Konfidenzintervall auf 3,06 bis 3,74 Promille bestimmt worden. Die erste Blutentnahme zur Labordiagnostik im Klinikum B. sei 06:05 Uhr erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe der BAK-Wert bei 2,49 Promille gelegen (Konfidenzintervall insoweit 2,24 bis 2,74 Promille). Der Abfall zwischen den in B. und in H. gemessenen Werten entspreche dem zeitlichen Verlauf des Alkoholabbaus, wie er üblicherweise zu beobachten sei. Demnach belegten sowohl die in B. als auch in H. bestimmten BAKen ungeachtet der Schwankungsbreite eine starke Alkoholisierung des Klägers mit Zentralnervendepression. Dabei sei völlig unerheblich, ob der wahre (mit chromatographischer Methode gemessene) Wert tatsächlich zunächst nicht 3,4, sondern "nur" 3,06 Promille betragen habe. Die Messmethode des Labors im Klinikum B. sei entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammer qualitätskontrolliert. Der letzte Ringversuch zur Qualitätssicherung habe im Oktober 2015 stattgefunden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2016 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin als unbegründet zurück.

Am 26. Juli 2016 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau Klage erhoben und ergänzend vorgetragen, der Konsum alkoholischer Getränke bei Weihnachtsfeiern sei betriebsüblich gewesen. Nahezu alle Anwesenden hätten Alkohol zu sich genommen. Eine alkoholbedingte Beeinträchtigung sei daher der betrieblichen Sphäre zuzurechnen. Im Übrigen sei ein Alkoholabbau von 3,4 auf 2,49 Promille zwischen 03:34 und 06:05 Uhr völlig unrealistisch. Schließlich habe eine Kollegin den Kläger nur leicht alkoholisiert in Erinnerung.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. März 2017 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Zwar habe sich der Kläger bei der Fahrt von der Weihnachtsfeier nach Hause grundsätzlich auf einem versicherten Weg befunden. Es fehle wegen absoluter Verkehrsuntüchtigkeit jedoch am inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22. Oktober 1958 – 2 RU 234/57 – SGb 1958, 285). Denn zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 03:34 Uhr habe die BAK beim Kläger mindestens 3,06 Promille betragen. Für eine absolute Verkehrsuntüchtigkeit spreche auch, dass sich der Kläger weder an das Taxiunternehmen, den Taxifahrer noch die Sturzumstände erinnern könne. Der danach gegebene Anscheinsbeweis eines alkoholbedingten Unfalls könne nur durch den vollen Beweis eines atypischen Geschehensablaufs entkräftet werden, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich seien. Ein Unfallversicherungsschutz sei auch nicht wegen Verletzung einer etwaigen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bestehen geblieben. Denn ein Alkoholkonsum verliere nicht dadurch seinen Charakter als private Tätigkeit, dass er mit Duldung des Arbeitgebers geschehe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 29. Juni 1972 – 2 RU 61/70 – juris; Urteil vom 22. Oktober 1958 – 2 RU 234/57 – s.o.). Abgesehen davon sei einer etwaigen Fürsorgepflicht durch die Beförderung des Klägers mittels Taxi Rechnung getragen worden.

Gegen den ihm am 20. März 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. April 2017 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt unter Wiederholung seines Vorbringens Berufung eingelegt. Vertiefend trägt er vor, äußere Zeichen eines alkoholbedingten Leistungsabfalls hätten nicht bestanden. Außerdem habe die Straße sich seinerzeit in einem schlechten Zustand befunden und Schlaglöcher aufgewiesen. Später sei sie saniert worden. Insoweit hat der Kläger ein undatiertes Schreiben einer S. S. vorgelegt, wonach die Feldstraße zwischen P.- und L.straße Stolperfallen aufgewiesen habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 7. März 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen des Arbeitsunfalls vom 19. Dezember 2015 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren; hilfsweise, das Ereignis vom 19. Dezember 2015 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des SG. Es sei nicht zu belegen, dass sich im objektiv verursachten Schaden eine versicherte Wegegefahr, wie z.B. Bodenglätte, Schäden oder Unebenheiten im Bereich der Straße und/oder des Gehweges, unzureichende oder fehlende Beleuchtung bzw. die Einwirkung eines Fahrzeugs, einer anderen Person oder eines Tieres, verwirklicht habe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R – juris).

Auf entsprechende gerichtliche Nachfrage hat die Stadt B.(Fachbereich Bauwesen) mit Schreiben vom 25. April 2019 Fotos zum Zustand der F.straße vom 12. August 2009 übermittelt und erläutert, dass im vierten Quartal 2016 eine Deckschichtsanierung mittels Dünnschichtbelags erfolgt sei. Laut Mitteilung des Sachbereichs Hoch- und Tiefbau habe die Straße infolge starker Beanspruchung während des Hochwassers im Jahr 2013 Spurrinnen aufgewiesen. Ob zum Unfallzeitpunkt Schlaglöcher existiert hätten, könne weder bestätigt noch ausgeschlossen werden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg, worüber der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte.

Dies gilt auch angesichts einer vom Kläger mit Schreiben vom 18. Februar 2020 erklärten Rücknahme seiner Zustimmung. Zwar ist eine Lösung vom erklärten Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bis zu dem Zeitpunkt möglich, bis seitens der Gegenseite eine entsprechende Erklärung bei Gericht eingeht. Denn bis dahin ist keine prozessuale Wirkung eingetreten (vgl. näher hierzu Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt. SGG, 12. Aufl. 2017, § 124 Rn. 3e ff., m.w.N.). Nachdem die erstmalige Zustimmung der Beklagten am 18. Dezember 2018 beim Senat eingegangen ist (Einverständnis des Klägers am 30. November 2018), haben die Beteiligten auf gerichtliche Nachfrage am 10. Juli 2019 (Kläger) bzw. 23. Juli 2019 (Beklagte) aber nochmals ausdrücklich ihr Einverständnis bekräftigt. Die Erklärung vom 18. Februar 2020 konnte wegen Verspätung folglich keine Rechtswirkung (mehr) haben.

Soweit der Kläger – trotz gerichtlichen Hinweises – global an einer Verurteilung der Beklagten zur Erbringung von "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Arbeitsunfalls vom 19. Dezember 2015" festhält, ist die Klage bereits unzulässig. Denn abgesehen davon, dass die Beklagte das Ereignis vom 19. Dezember 2015 im angefochtenen Bescheid gerade nicht als Arbeitsunfall anerkannt hat, fehlt es auch an einer Regelung zu bestimmten Leistungen. Der im Bescheid vom 18. Januar 2016 insoweit allgemein verneinte Anspruch ist lediglich (erläuternder) Ausfluss der Ablehnung eines Versicherungsfalls dem Grunde nach, welcher Voraussetzung einer jeden Leistung ist. Richtige Rechtsschutzform ist in dieser Situation die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach den §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. nur BSG, Urteil vom 15. Februar 2005 – B 2 U 1/04 R – juris; Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 R – juris). Unabhängig hiervon ist der Antrag jedenfalls zu unbestimmt, da völlig unklar ist, welche konkreten Sach- und/oder Geldleistungen aus dem Spektrum der §§ 26 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) der Kläger überhaupt begehrt.

Die hilfsweise verfolgte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2016 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Denn das Ereignis vom 19. Dezember 2015 ist nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen, wie die Beklagte zutreffend entschieden hat.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden (versicherten) Tätigkeit, zu der gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit ihr zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit gehört. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher bzw. innerer Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfall – geführt (Unfallkausalität) und dieser Unfall ebenso rechtlich wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (z.B. BSG, Urteil vom 4. September 2007 – B 2 U 24/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 24; Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 18).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Zwar hatte der Kläger, als er am 19. Dezember 2015 gegen 02:30 Uhr vor seiner Wohnung verunglückt aufgefunden wurde, den nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII im sachlichen Zusammenhang mit der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten betrieblichen Weihnachtsfeier (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 15/15 R – juris; Urteil vom 5. Juli 2016 – B 2 U 19/14 R – juris, jeweils m.w.N.) stehenden Heimweg zurückgelegt. Es ist auch nicht strittig, dass der Kläger in Form der ausgedehnten Subarachnoidalblutung bifrontal rechtsbetont mit begleitendem Subduralhämatom der rechten Großhirnhemisphäre sowie der Kalottenfraktur links einen Gesundheitserstschaden erlitt, der mit Wahrscheinlichkeit durch einen sturzbedingten Aufschlag des Kopfes auf die Straße verursacht worden ist. Schließlich stellt das nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII geschützte Zurücklegen des Heimweges auch eine (naturwissenschaftliche) Grundbedingung dieses Sturzes dar. Ein Arbeitsunfall liegt aber deshalb nicht vor, weil kein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen der unfallbringenden Verrichtung und dem Sturz (Unfallkausalität) feststellbar bzw. nicht zu belegen ist, dass sich bei ihm überhaupt ein versichertes Risiko verwirklicht hat. Der Unfall ist damit entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht "infolge" der Verrichtung der versicherten Tätigkeit eingetreten und ihr damit nicht zuzurechnen.

Die Unfallkausalität wird zwar grundsätzlich vermutet, ist jedoch insbesondere bei alkoholbedingtem Vollrausch ausgeschlossen. Typisches Beispiel hierfür ist eine absolute Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrern, die bei einer BAK von 1,1 Promille und höher liegt. In einem solchen Fall wird ohne weiteres vermutet, dass die Folgen des Alkoholgenusses für die Verursachung des Unfalls von überragender Bedeutung waren. Bei einem Wert darunter (relative Fahruntüchtigkeit) sind weitere alkoholtypische Ausfallerscheinungen erforderlich. Je geringer die festgestellte BAK, desto gravierender müssen derartige Indizien sein, um alkoholbedingte Ausfälle als allein wesentliche Unfallursache ausmachen zu können, wobei dies selbst bei einer BAK von 0,44 Promille nicht ausgeschlossen ist (siehe nur BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 23/05 R – juris, m.w.N.; im Sinne einer bei einer BAK von 2,8 Promille wohl zusätzlich erforderlichen Aufhebung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aber BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R – juris).

Zur Überzeugung des Senats betrug die BAK beim Kläger zum Unfallzeitpunkt mindestens 3,06 Promille und lag damit fast dreimal über demjenigen Wert, der beim Führen eines Kfz absolute Fahruntüchtigkeit begründen würde. Bei einer derart hohen BAK liegt eine Lösung von den den Versicherungsschutz begründenden betrieblichen Belangen vor, die es generell ausschließt, den Sturz noch der versicherten Zurücklegung des Heimwegs zuzurechnen (nach BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 23/05 R – s.o., insoweit bereits kein sachlicher Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls mehr).

Dem lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht mit der Erwägung eines unternehmensbedingten Alkoholgenusses begegnen. Denn hierfür reicht es nicht aus, dass der Konsum von Alkohol bei Weihnachtsfeiern betriebsüblich gewesen sein mag (siehe nochmals BSG, Urteil vom 29. Juni 1972 – 2 RU 61/70 – juris). Abgesehen davon kann eine versicherte Tätigkeit – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber einen Alkoholkonsum hätte verhindern müssen – nur durch eine konkrete betriebsbezogene Verrichtung des Versicherten selbst im Sinne einer höchstpersönlichen, unvertretbaren Handlung verwirklicht werden. Eine Zurechnung des Verhaltens Dritter durch positives Tun oder Unterlassen scheidet hierbei aus (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R – juris).

Jedenfalls ist nicht gesichert und auch nicht mehr aufklärbar, dass beim Sturz überhaupt eine der von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII beim versicherten Zurücklegen des Heimweges erfassten Gefahren mitwirkte, wie sie die Beklagte beispielhaft aufgeführt hat. Die Norm schützt nur vor Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremden Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen durch die Beschaffenheit des Verkehrsraumes hervorgehen (siehe ausführlich hierzu nochmals BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R – juris).

Hier ist schon nicht feststellbar, dass sich beim Sturz überhaupt eine solche versicherte Wegegefahr verwirklicht hat. Denn selbst wenn entsprechend dem Vorbringen des Klägers unterstellt wird, dass die Feldstraße zum Unfallzeitpunkt im Bereich seines Hauseingangs nicht nur Spurrinnen, sondern auch Schlaglöcher aufgewiesen hat, bleibt die Annahme eines dadurch bewirkten Sturzes Spekulation. Der Eintritt eines von der gesetzlichen Wegeunfallversicherung erfassten Risikos ist damit lediglich möglich, aber nicht positiv zu belegen. Umgekehrt steht dagegen fest, dass erst durch den – unversicherten – Genuss des Alkohols eine (überragende) versicherungsfremde Gefahr geschaffen worden ist, die allein mit dem Zurücklegen des Heimwegs nicht verbunden war und daher § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nicht zuzurechnen ist, eine sturzbedingte Kopfverletzung aber mühelos erklärt (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R – s.o.).

Zu einer vom Kläger begehrten Beiziehung des Berichts der laborchemischen Untersuchung vom 19. Dezember 2015 sah sich der Senat nicht veranlasst. Eben zu diesem bereits im Vorverfahren erhobenen Einwand des Klägers liegt nämlich schon die Stellungnahme Prof. Dr. Dr. H.s als Ärztlichem Direktor und Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. H. vom 3. Mai 2016 vor. Einer zusätzlichen Vernehmung von Privatdozent Dr. S. (der zudem nicht mehr als Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin sowie Schmerztherapie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. H. tätig ist) bedurfte es insoweit nicht mehr.

Wie von Prof. Dr. Dr. H. ausgeführt worden ist, wurde im Labor des Klinikums B. nicht nur die im Krankenhaus B. verwendete Bestimmungsmethodik recherchiert und entsprechend das Konfidenzintervall für die von der dortigen Labordiagnostik ermittelte BAK von 3,4 Promille auf 3,06 bis 3,74 Promille bestimmt. Vielmehr erfolgte im Klinikum B. um 06:05 Uhr eine weitere Blutentnahme, die einen BAK-Wert von 2,49 Promille erbrachte (Konfidenzintervall insoweit 2,24 bis 2,74 Promille). Laut Prof. Dr. Dr. H. korreliert der Abfall zwischen den in B. und in H. gemessenen Werten mit dem üblicherweise zu beobachtenden Verlauf, so dass ungeachtet der Schwankungsbreite eine starke Alkoholisierung des Klägers mit Zentralnervendepression bestand. Diesen Darlegungen schließt sich der Senat als überzeugend an, zumal das Labor des Klinikums B. nach den Angaben Prof. Dr. Dr. H.s eine entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammer qualitätskontrollierte Messmethodik verwendet und – entgegen der Behauptung des Klägers – auch an Ringversuchen zur Qualitätssicherung teilnimmt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung auf gesicherter Rechtslage und tatsächlicher Einzelfallbewertung beruht.
Rechtskraft
Aus
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