L 8 SO 7/18

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 29 SO 24/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 7/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 76/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anrechenbarkeit von im Juni 2014 erzieltem Einkommen auf die Höhe der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe-SGB XII) - im Weiteren: Grundsicherungsleistungen - streitig.

Der am ... 1948 geborene Kläger bezieht seit Dezember 2013 laufende Grundsicherungsleistungen. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 18. März 2014 gewährte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis zum 31. März 2015 monatliche Leistungen in Höhe von 919,97 EUR für Februar 2014, in Höhe von 789,39 EUR für März 2014 und ab April 2014 in Höhe von 789,04 EUR. Dabei berücksichtigte er einen Grundsicherungsbedarf in Höhe von jeweils monatlich 556,65 EUR (Regelbedarf in Höhe von 391,00 EUR und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 165,65 EUR) sowie Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 408,88 EUR (Grundmiete 291,96 EUR, Heizkosten 66,92 EUR, laufende Nebenkosten pauschal 50,00 EUR), für Februar 2014 zudem 17,95 EUR einmalige Nebenkosten (Gas-Nachzahlung). Als Einkommen wurde das vom Kläger bezogene Altersrente in Höhe von 63,51 EUR für Februar 2014, in Höhe 76,14 EUR für März 2014 und in Höhe von 76,49 EUR ab April 2014 vom Bedarf in Abzug gebracht.

Am 10. August 2014 teilte der Kläger dem Beklagten mit, aus nichtselbstständiger Tätigkeit am 8. Juni 2014 ein Einkommen von 60,40 EUR erzielt zu haben. Die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben hätten 65,00 EUR, nämlich Kosten der Hin- und Rückfahrt vom Wohnort zum Arbeitsort mit dem Pkw (260 Straßenkilometer á 0,25 EUR) betragen, die vom Einkommen abzusetzen seien. Ein anrechenbares Einkommen sei damit nicht entstanden. Es handele sich um einen einmaligen Vorgang, da die Tätigkeit bis auf weiteres nicht fortgesetzt werde. Er bitte um Auskunft, ob zur Verwaltungsvereinfachung in ähnlichen Fällen, d.h. wenn offensichtlich ein anrechenbares Einkommen nicht entstanden sei, die Meldung unterbleiben könne. Der Mitteilung war eine Lohn-/Gehaltsabrechnung der ... Taxi- und Service GmbH in B. für den Monat Juni 2014 beigefügt, wonach der Kläger - für den als Eintrittsdatum in den Betrieb der 8. Juli 2007 angegeben ist - von einem Gesamtumsatz in Höhe von 120,80 EUR eine Nettosumme von 60,40 EUR erhalten habe.

Mit Bescheid vom 9. September 2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 18. März 2014 gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) mit Wirkung ab dem 1. April 2014 auf und bewilligte dem Kläger für April 2014 monatlich 733,75 EUR aufgrund eines Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung 2013, für April 2014 unverändert in Höhe von 789,04 EUR, im Juni 2014 in Höhe von 746,76 EUR unter Berücksichtigung des aus der Tätigkeit bei der ... Taxi- und Service GmbH erzielten Einkommens, für Juli 2014 in Höhe von 818,55 EUR unter Berücksichtigung von Abfallgebühren und ab August 2014 in Höhe von 787,77 EUR. Für Juni 2014 berücksichtigte der Beklagte dabei ein anrechenbares Gesamteinkommen in Höhe von 118,77 EUR, indem er das Altersrente in Höhe von 76,49 EUR und das Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 60,40 EUR abzüglich eines Pauschbetrages in Höhe von 18,12 EUR anrechnete. Die entstandene Überzahlung von 42,28 EUR werde mit der laufenden Zahlung im Oktober 2014 verrechnet.

Hiergegen legte der Kläger am 30. September 2014 Widerspruch hinsichtlich der Festsetzung eines anrechenbaren Einkommens aus unselbstständiger Erwerbsarbeit in Höhe von 42,28 EUR ein. Gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII seien die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzuziehen. Hierzu zählten die Fahrtkosten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte.

Mit Schreiben vom 26. Januar 2015 hörte der Beklagte den Kläger nach § 24 SGB X an und wies auf die rechtliche Grundlage für die Berechnung der Einkommensbereinigung in § 82 SGB XII sowie in § 3 der Durchführungsverordnung (VO) zu § 82 SGB XII hin. Demnach seien von dem Einkommen zunächst die Arbeitsmittelpauschale in Höhe von 5,20 EUR und danach gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 2 der VO zu § 82 SGB XII die Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte abzusetzen. Die konkrete Höhe ergebe sich aus § 3 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. a) der VO zu § 82 SGB XII. Demnach sei, vorausgesetzt, dass die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar gewesen wäre, pro gefahrenem Kilometer ein Betrag von 5,20 EUR abzusetzen. Dieser Betrag gelte aber für den gesamten Monat und maximal 40 Kilometer. Da der Kläger die Fahrt nur einmal durchgeführt habe, wäre das Ergebnis durch die Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage im Juni zu teilen. Somit errechne sich ein bereinigtes Nettoentgelt in Höhe von 44,80 EUR (60,40 EUR Nettoentgelt./. 5,20 EUR Arbeitsmittelpauschale./. 10,40 EUR Werbungskosten Pkw (anteilig für einen Tag bei 20 Arbeitstagen im Juni 2014)); abzüglich eines Eigenbehalts von 13,44 EUR (30 Prozent von 44,80 EUR) verbleibe ein anrechenbares Gesamteinkommen in Höhe von 31,36 EUR.

Hierzu nahm der Kläger unter dem 9. Februar 2005 dahingehend Stellung, dass er § 3 der VO zu § 82 SGB XII für rechtswidrig halte. Der 30-prozentige Eigenbehalt gemäß § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII sei vom gesamten Arbeitseinkommen zu berechnen und nicht von dem um die fiktiven Kosten bereinigten Betrag. Dies ergebe dann einen Abzug von 18,12 EUR und damit ein anrechenbares Einkommen von "26,78 EUR" (rechnerisch richtig wären 26,68 EUR gewesen), nicht aber von "31,38 EUR" (gemeint: 31,36 EUR).

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2015 half der Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als der Leistungsanspruch für den Monat Juni 2014 mit 757,42 EUR festgesetzt wurde. Der Differenzbetrag in Höhe von 10,66 EUR (zu der bereits erfolgten Auszahlung von 746,76 EUR) werde überwiesen. Es ergebe sich ein anrechenbares Gesamteinkommen in Höhe von 108,11 EUR unter Berücksichtigung des Renteneinkommens in Höhe von 76,49 EUR und des anrechenbaren Erwerbseinkommens in Höhe von 31,62 EUR. Denn ausgehend vom Nettoentgelt von 60,40 EUR seien die Arbeitsmittelpauschale in Höhe von 0,26 EUR (Arbeitsmittelpauschale bezogen auf einen Arbeitstag bei 20 Arbeitstagen im Monat Juni 2014) und in Höhe von 10,40 EUR Werbungskosten Pkw (anteilig für einen Tag bei 20 Arbeitstagen im Juni 2014 (40 km x 5,20 EUR = 208,00 EUR geteilt durch 20 Tage = 10,40 EUR)) abzusetzen und damit ein bereinigtes Nettoentgelt von 49,74 EUR abzüglich des Eigenbehalt von 18,12 EUR zu berücksichtigen.

Hiergegen hat der Kläger am 19. März 2015 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Er wende sich gegen den Abzug von 31,62 EUR als anrechenbares Einkommen. Die Beschränkung der Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstelle auf bis zu 40 Kilometer in § 3 Abs. 6 der VO zu § 82 SGB XII dürfe jedenfalls materiell rechtswidrig sein. Es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, die Anrechnung der Kosten auf 40 Kilometer zu beschränken. Es könne im Ergebnis nicht rechtens sein, dass man für eine Erwerbstätigkeit praktisch "bestraft" werde, indem ein Gewinn, der tatsächlich nicht erzielt worden sei, trotzdem von der Leistung abgezogen werde. Die Beklagte sei zur Zahlung von 31,62 EUR an ihn zu verurteilen.

Auf Befragen des Sozialgerichts hat der Kläger zu der Tätigkeit für die ... Taxi und Service GmbH angegeben, der "ursprüngliche (schriftliche) Arbeitsvertrag" sei in seiner Studentenzeit geschlossen worden. Ob er noch vorhanden sei, sei zweifelhaft; jedenfalls sei er beendet und wohl nicht mehr relevant. Seit seinem Umzug nach S. 2007 sei nur noch ganz gelegentlich in großen Abständen ein Arbeitsvertrag für einen Tag geschlossen und am selben Tag wieder beendet worden. So sei es auch am streitgegenständlichen Einsatztag im Juni 2014 gewesen; dieser Einsatz sei der erste nach seiner Verrentung gewesen. Die ausgeführte Tätigkeit habe darin bestanden, mit einem Taxi Personenbeförderung im Nahverkehr durchzuführen. Eine bestimmte Arbeitszeit sei dabei "branchenüblich (jedenfalls in B.)" nicht vereinbart worden. Die Entlohnung habe zwischen 57 und 50 Prozent der Einnahmen betragen. Eine Rechnung für seine Kfz-Versicherung für das Jahr 2014 könne er nicht mehr vorlegen. Er füge die von November 2015 bei, die der von 2014 in etwa entsprochen habe, maximal 20,00 EUR niedriger gewesen sei.

Auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2017, zu der der Kläger nicht persönlich geladen und auch nicht erschienen ist, hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2015 verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei Erwerbsminderung für den Monat Juni in Höhe von 4,94 EUR zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klage sei auf die Leistungsgewährung ohne Anrechnung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit im Monat Juni 2014 gerichtet gewesen. Streitgegenständlich sei der Bescheid vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2015, mit dem die dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 18. März 2014 gewährten Leistungen für den Monat Juni 2014 aufgehoben und die Überzahlung in Höhe von 31,62 EUR mit den laufenden Leistungen des Monats Oktober 2014 verrechnet worden sei. Da die Überzahlung bereits mit den Leistungen des Monats Oktober 2014 verrechnet worden sei, sei das Klageziel nicht allein durch eine Anfechtungsklage zu erreichen, sondern aufgrund des Klageziels der Auszahlung der Leistungen mit einer kombinierten Leistungsklage. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sei nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Klage sei im tenorierten Umfang begründet.

Die gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erforderliche Änderung der Verhältnisse sei nur in Höhe von 26,68 EUR durch verändertes Einkommen des Klägers eingetreten. Zwar habe der Kläger im Monat Juni Einkommen im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Höhe von 60,40 EUR erzielt; dieses sei jedoch nach der VO zu § 82 SGB XII insoweit zu bereinigen, als lediglich 26,68 EUR anzurechnen gewesen seien.

Vom Einkommen sei zunächst der Freibetrag gemäß § 82 Abs. 3 SGB XII in Höhe von 30 Prozent des Einkommens, also in Höhe von 18,12 EUR, abzusetzen.

Darüber hinaus seien die Aufwendungen für Arbeitsmittel in Höhe von 5,20 EUR abzuziehen. Nach § 3 Abs. 5 der VO zu § 82 SGB XII könne als Aufwendungen für Arbeitsmittel ein monatlicher Pauschbetrag von 5,20 EUR berücksichtigt werden, wenn nicht im Einzelfall höhere Aufwendungen nachgewiesen würden. Die Beklagte habe fehlerhaft die Arbeitsmittelpauschale lediglich anteilig für einen Arbeitstag gewährt. Eine solche Quotelung ergebe sich im Gegensatz zu der Regelung in § 3 Abs. 6 Satz 2 der VO zu § 82 SGB XII jedoch gerade nicht. § 3 Abs. 5 der VO zu § 82 SGB XII sehe zur Überzeugung des Gerichts nur die Anrechnung höherer Kosten vor. Lediglich wenn nachgewiesen sei, dass gar keine Kosten angefallen bzw. tatsächlich geringere Kosten angefallen seien, könne auch ein geringerer Betrag übernommen werden. Die Abweichung von der Pauschale sei nur dann möglich, wenn die genauen Kosten bekannt seien. Ein solcher Fall liege hier nicht vor.

Als weitere Absetzposition sei die Fahrtkostenpauschale des § 3 Abs. 6 der VO zu § 82 SGB XII in Höhe von 10,40 EUR zu berücksichtigen. Soweit der Kläger die Absetzung höherer Kosten - z.B. durch die Berücksichtigung der Pauschale aus dem Steuerrecht bzw. der Anerkennung der tatsächlichen Entfernungskilometer - begehre, teile die Kammer diese Auffassung nicht. Nach der Regelung des § 3 Abs. 6 der VO zu § 82 SGB XII könnten - sofern keine öffentlichen Verkehrsmittel verfügbar seien - pro Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte monatlich 5,20 EUR je Entfernungskilometer, begrenzt auf 40 Entfernungskilometer, abgesetzt werden. Diese Regelung finde uneingeschränkte Anwendung. Die Pauschale sei weder im Hinblick auf ihre Höhe noch auf die Beschränkung der Entfernungskilometer zu beanstanden. Jedoch sei zur Überzeugung der Kammer der Nachweis höherer Kosten möglich. Die Höhe der Pauschale sei, auch wenn sie seit 1976 nicht mehr erhöht worden sei, "(noch) nicht als offensichtlich willkürlich zu niedrig anzusehen". Hier folge die Kammer in ihrer Bewertung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ((BGH), Hinweis auf Urteil vom 8. August 2012 - XII ZB 291/11 -, juris). Allerdings decke die Pauschale von monatlich 5,20 EUR je Entfernungskilometer nur die Betriebskosten einschließlich der Steuern ab. Die Kosten der Haftpflichtversicherung für das Auto seien dem Grunde nach gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII zu berücksichtigen. Die Kosten hierfür habe der Kläger nicht nachweisen können. Die Kammer folge der Argumentation des BGH in der vorgenannten Entscheidung vom 8. August 2012 hinsichtlich der Begrenzung der Pauschale auf höchstens 40 Entfernungskilometer. Danach finde die im Sozialhilferecht verankerte Beschränkung auf maximal 40 Entfernungskilometer Wegstrecke zur Arbeit ihre Rechtfertigung darin, dass einem Beschäftigten, der mehr als 40 Kilometer von der Arbeitsstätte entfernt wohne, grundsätzlich angesonnen werden könne, eine näher zur Arbeitsstätte gelegene Wohnung zu nehmen und dadurch unnötige Fahrtaufwendungen zu ersparen. Komme er dem nicht nach, fielen ihm die Mehraufwendungen selbst zur Last. Die fehlende Möglichkeit, tatsächlich höhere Kosten nachzuweisen - im Gegensatz zu den Regelungen in § 3 Abs. 5 VO zu § 82 SGB XII sowie in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V vom 17. Dezember 2007)- spreche dafür, dass die Pauschale als abgeltende Pauschale gemeint sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass trotz verschiedener Änderungen der VO zu § 82 SGB XII, zuletzt durch Art. 8 des Gesetzes vom 22. Dezember 2015 (BGBl. I, 2557), weder die Höhe der Pauschale noch die Begrenzung der Entfernungskilometer geändert worden sei.

Von dem Erwerbseinkommen in Höhe von 60,40 EUR seien somit die Arbeitsmittelpauschale in Höhe von 5,20 EUR, Fahrtkosten in Höhe von 10,40 EUR sowie ein Eigenbehalt von 18,12 EUR abzusetzen, so dass von dem Erwerbseinkommen insgesamt 26,68 EUR und das Renteneinkommen in Höhe von 76,49 EUR anzurechnen gewesen seien. Damit stehe dem Kläger unter Berücksichtigung der übrigen Bedarfe ein Anspruch auf Leistungen für Juni 2014 in Höhe von 762,36 EUR zu. Weil dem Kläger 757,42 EUR bereits bewilligt worden seien, sei die Differenz von 4,94 EUR zu gewähren.

Das Sozialgericht hat die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Ungeklärt sei, wie § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII in Verbindung mit § 3 Abs. 5 der VO zu § 82 SGB XII im Sozialhilferecht auszulegen sei. Die Klärung dieser Frage liege im allgemeinen Interesse.

Der Kläger hat gegen das ihm am 19. Januar 2018 zugestellte Urteil am 15. Februar 2018 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Es treffe nicht zu, dass er höhere Kosten nicht nachgewiesen habe. Der von ihm zurückgelegte Fahrweg habe die Pauschale um das Sechsfache überstiegen. Das hätte genügen müssen, um zu erkennen, dass ein anrechenbares Einkommen nicht vorhanden gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 13. Dezember 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2015 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm weitere 26,68 EUR für Juni 2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er halte daran fest, dass gemäß der VO zu § 82 SGB XII höchstens 40 Kilometer Fahrtkosten für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anerkannt werden könnten. Im vorliegenden Fall seien dies 10,40 EUR, welche auch vom Einkommen des Klägers abgesetzt worden seien. Weitere Fahrtkosten könnten nicht anerkannt werden, da er - der Beklagte - an die vorgenannte VO gebunden sei.

Dem Kläger ist vom Senat aufgegeben worden, darzulegen und nachzuweisen, wann und wie die mit der Lohn-/Gehaltsabrechnung der ... Taxi und Service GmbH B. ausgewiesenen 60,40 EUR gezahlt worden seien. Er ist ferner um Mitteilung gebeten worden, ob er vom Arbeitgeber einen Zuschuss für die Anreise angesichts der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort erhalten habe und ob er sich über Angebote, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel oder einem Fernbus zum Arbeitsort zu gelangen, informiert habe. Ferner ist er um Darlegung gebeten worden, wann er genau von seinem Wohnort nach B. gefahren und wann er zurückgekehrt sei. Schließlich ist ihm aufgegeben worden, Tankrechnungen vorzulegen.

Der Kläger hat hierzu unter dem 28. Mai 2019 mitgeteilt, da der Arbeitseinsatz fünf Jahre zurückliege, seien Quittungen oder Kontoauszüge nicht mehr vorhanden. Er habe sich über Alternativen zum Erreichen des Arbeitsortes informiert. Öffentliche Verkehrsmittel wären teurer gewesen. Fernbusse seien damals nicht von W. gefahren. Der genaue Zeitpunkt der Fahrt sei ihm nicht mehr erinnerlich. Tankrechnungen seien nicht mehr vorhanden. Dass ein Pkw Kraftstoff verbrauche, sei unbestreitbar. Sein Pkw verbrauche 6 Liter/100 Kilometer. Multipliziert mit dem Literpreis ergäben sich die Treibstoffkosten, nicht aber die "in Rechnung zu stellenden Pkw-Kosten". Aus seiner Sicht seien hier neue Tatsachen nicht zu ermitteln, sondern es gehe einzig um die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 6 der VO zu § 82 SGB XII.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Denn der Senat ist an die Zulassung der Berufung gebunden, wenn diese - wie hier - ausdrücklich im Tenor und in den Entscheidungsgründen für beide Beteiligte ausgesprochen worden ist. Dabei müssen weder die Berufungsgründe mit den Zulassungsgründen übereinstimmen noch ist der Senat an den Zulassungsgrund gebunden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG; 12. Auflage, § 144 RdNr. 43 f.).

Die (nur) vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger weitere 26,68 EUR auszuzahlen. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 SGG.

Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen, wonach ihm - dem Kläger - höhere Kosten als die nach der in § 3 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) der VO (vom 28. November 1962 (BGBl. I, S. 692), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 22. Dezember 2015 (BGBl. I, S. 2557)) zu § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII (in der vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2015 und damit hier anwendbaren Fassung) genannten Pauschale entstanden seien und er dies mit der Berechnung der im Steuerrecht anwendbaren Pauschale der Multiplikation eines Entfernungskilometers mit 0,25 EUR nachgewiesen habe, gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung. Der Absetzungstatbestand des § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII folgt sozialhilferechtlichen Zwecken und ist deshalb nicht mit dem Einkommensteuerrecht und dessen Regeln über Werbungskosten zu vergleichen (W. in G./W., SGB XII, 6. Auflage, 2018, § 82 RdNr. 96). Die Begrenzung des Pauschbetrages von 5,20 EUR bei der Benutzung eines Pkw auf 40 Kilometer und damit auf 10,40 EUR für den Kläger ist vorliegend bereits deshalb nicht zu Lasten des Klägers erfolgt, weil bereits die Voraussetzungen für die Absetzung dieses Pauschbetrages nicht vorliegen. Denn die Notwendigkeit der Benutzung eines Kfz ist nicht nachgewiesen. Zwischen dem Wohnort des Klägers, S., und B. bestand (auch) im Juni 2014 eine Bus- und Bahnverbindung, die vom Kläger hätte genutzt werden können. Dass ihm deren Nutzung nicht zumutbar gewesen sei, hat der Kläger nicht vorgetragen. Er hat das öffentliche Verkehrsmittel nach seinem Vorbringen nicht genutzt, obwohl dies geringfügig preiswerter gewesen sei als - unter steuerrechtlichen und damit hier nicht maßgebenden Gesichtspunkten - die Benutzung seines Pkw.

Zudem hat der Kläger nicht nachgewiesen, welche Fahrtkosten ihm tatsächlich entstanden sind und dass diese höher gewesen sind als die in der Pauschale - für die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - berücksichtigten Kosten. Tankquittungen hat er zu keinem Zeitpunkt vorgelegt. Der Senat ist aufgrund der Gesamtumstände nicht davon überzeugt, dass die Behauptung des Klägers zutreffend ist, den am 6. Juni 2014 erzielten Einnahmen hätten höhere Kosten gegenüberstanden. Denn bei dem vom Kläger angegebenen Verbrauch von 6 Litern Treibstoff auf 100 Kilometer, wären ihm unter Zugrundelegung eines Treibstoffpreises von 1,56 EUR pro Liter Super E 10 24,34 EUR - für Hin- und Rückweg - an Kosten entstanden. Ob er tatsächlich seinen eigenen Pkw allein ohne die Mitnahme anderer Personen genutzt hat, um dann in B. entgeltlich Personen zu befördern, ist nicht aufzuklären gewesen. Im Hinblick auf das vom Kläger an den Beklagten herangetragene Anliegen, "zur Verwaltungsvereinfachung" in "ähnlichen Fällen" eine Meldung von Einkommenserzielung zu unterlassen, sollte ihm offensichtlich eine Möglichkeit eröffnet werden, vor dem Hintergrund abstrakt errechneter Kosten ungeschmälerte Einkünfte neben dem Bezug von Grundsicherungsleistungen erzielen zu können.

Aufgrund des Fehlens von Nachweisen hinsichtlich der dem Kläger konkret entstandenen Kosten kann der Senat unentschieden lassen, ob nach § 3 Abs. 6 Satz 1 VO zu § 82 SGB XII - im Unterschied zu § 3 Abs. 5 VO zu § 82 SGB XII - kein Nachweis höherer Aufwendungen zuzulassen ist. Ob ein solcher Nachweis möglich ist, wird unterschiedlich beantwortet. Soweit befürwortet wird, aus Gleichheitsgründen wegen der für einen höheren Nachweis offenen Parallelregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b Alg II-V die Vorschrift nicht mehr als abgeltende Pauschalierung zu handhaben (so Schmidt in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 3 VO zu § 82 SGB XII RdNr. 20), steht dem nach Auffassung des erkennenden Senats die fehlende Vergleichbarkeit von Beziehern von Grundsicherungsleistungen mit den Beziehern von Arbeitslosengeld II entgegen. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Urteil vom 25. April 2018 (B 8 SO 24/16 R, juris, RdNr. 20) an, wonach es innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums liegt, wenn dieser Anreize zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt Personen nach Erreichen der Regelaltersgrenze nicht mehr zur Verfügung stellt, da dieser Personenkreis typischerweise dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Die Möglichkeit, höhere mit dem Erreichen des Arbeitsplatzes verbundene Kosten vom erzielten Einkommen abzusetzen, sind vergleichbar mit der vom BSG in der o.g. Entscheidung beurteilten Berücksichtigung eines höheren Grundfreibetrages des SGB II. Die mit dem höheren Grundfreibetrag bezweckte besondere Anreizfunktion kommt in diesen Fällen (typisierend) nicht mehr zum Tragen.

Bedenken gegen die Anwendbarkeit von § 3 Abs. 6 der VO zu § 82 SGB XII, insbesondere dessen Verfassungsmäßigkeit, hat der Senat somit aus den o.g. Gründen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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