L 3 BA 15/19

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 R 1103/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 BA 15/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 48.787,78 EUR aufgrund einer Betriebsprüfung.

Die Klägerin bietet ausweislich der aktenkundigen Handwerkskarte und der Gewerbeanmeldung - jeweils vom 30. März 1998 - als Gas- und Wasserinstallateur sowie Zentralheizungs- und Lüftungsbauer die Installation und den Service von Heizungs- und Sanitäranlagen, einschließlich Trockenbau, an und betreibt Handel mit Heizungs- und Sanitärmaterial sowie -erzeugnissen.

Das Hauptzollamt M. wandte sich unter dem 23. März und 25. Oktober 2016 in einem von ihm in Bezug auf die Klägerin durchgeführten Prüfverfahren an die Beklagte und bat für sechs Personen, namentlich O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R., um Mitteilung, ob diese einer selbstständigen Tätigkeit nachgingen oder eine Scheinselbstständigkeit vorliege. Sie übersandte hierzu jeweils maschinengeschrieben ausgefüllte Formulare zu "Angaben zum Auftraggeber/Persönliche Daten des Auftragnehmers" unter dem 7./9. März bzw. 10. Oktober 2016 - jeweils ohne Unterschrift - sowie eine Auflistung von Rechnungs- und Buchungsdaten und - von den oben aufgeführten Personen erstellte - an die Klägerin gerichtete Rechnungen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 3 bis 119 und 136 bis 149 der Verwaltungsakte verwiesen.

Unter dem 30. Mai 2016 teilte die Beklagte dem Hauptzollamt M. im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme mit, die Abwägung der Gründe für eine selbstständige Tätigkeit bzw. für eine abhängige Beschäftigung habe jeweils ergeben, dass die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwögen und es sich um ein abhängiges und sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe. Bezüglich der Schadensberechnung werde um Übermittlung der erforderlichen Daten mittels Erhebungshilfe gebeten.

Unter dem 2. Dezember 2016 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass das Hauptzollamt M. im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sie beauftragt habe, im Wege der Amtshilfe eine Betriebsprüfung durchzuführen. Die durchzuführende Beitragsüberwachung beziehe sich ausschließlich auf die Feststellungen des Hauptzollamtes M. im Ermittlungsverfahren EV ... und werde ihren - der Beklagten - Räumlichkeiten unter Hinweis auf § 28p Abs. 1 Satz 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) i.V.m. § 98 Abs. 1 Satz 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) durchgeführt. Es sei beabsichtigt, die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes M. aufgrund der sichergestellten Unterlagen und Nachweise im Betriebsprüfungsverfahren nach den oben genannten Vorschriften hinsichtlich der Personen O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R. für die Zeit vom 1. September 2012 bis 31. August 2013 auszuwerten. Da vom Hauptzollamt M. gegebenenfalls nicht alle Unterlagen sichergestellt worden, jedoch zur Durchführung der Betriebsprüfung erforderlich seien, werde die Klägerin gebeten, alle noch in ihrem - der Klägerin - Besitz befindlichen Unterlagen (z.B. Arbeitsverträge, Stundennachweise etc.) zur Verfügung zu stellen und bis zum 16. Dezember 2016 zu übersenden.

Unter dem 19. Dezember 2016 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, dass sie die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes M. aufgrund sichergestellter Unterlagen und Nachweise im Betriebsprüfungsverfahren hinsichtlich der Personen O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R. beitragsrechtlich für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2013 ausgewertet habe. Aufgrund dessen sei beabsichtigt, ungeachtet der vorangegangenen Betriebsprüfung vom März 2016 mit einem Prüfzeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 48.787,78 EUR zu erheben. Zur Begründung wurden die Ausführungen in der gutachterlichen Stellungnahme an das Hauptzollamt vom 30. Mai 2016 wiederholt. Das beitragspflichtige Arbeitsentgelt sei aus den vorliegenden Rechnungen übernommen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 150 bis 170 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Unter dem 26. Januar 2017 nahm die Klägerin zur Anhörung Stellung und führte aus, dass die genannten Personen zu jeder Zeit jeweils selbstständige Unternehmer gewesen seien. Zu den von der Beklagten genannten und für die Abgrenzung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gegenüber einer selbstständigen Tätigkeit angeführten Merkmalen "keine eigenen Arbeitnehmer, festgelegter Arbeitsort, keine Werbung, Weisungen hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit, Berichtspflicht, persönliche Leistungspflicht, kostenlos zur Verfügung gestellte Arbeitsmittel, kein Einsatz von Kapital, kein Unternehmerrisiko, keine Absprache über Haftung bei Schlechtleistung, keine betriebliche Unfallversicherung, Bezahlung nach Arbeitsstunden, keine Bezahlung von Steuern, kein Ersatzmann bei AU, Information bei Verhinderung und wenig Deutschkenntnisse" führte sie zu den genannten Personen im Einzelnen aus, weshalb dies nach ihrer Auffassung nicht zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung habe führen können. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 174 bis 198 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 8. Februar 2017 erhob die Beklagte Beitragsnachforderungen für O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R. für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 in Höhe von insgesamt 48.787,78 EUR. Zur Begründung wiederholte sie ihre Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben.

Mit dem am 1. März 2017 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Beklagte keine eigenen Sachverhaltskenntnisse getätigt habe, sondern sich vielmehr lediglich auf die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes M. berufen habe. Diese Ermittlungsergebnisse seien in Bezug auf die benannten Personen vollständig in Kopie vorzulegen.

Das Hauptzollamt M. teilte auf Nachfrage der Beklagten bezüglich der durchgeführten Befragung der rumänischen Arbeiter mit, diese seien, außer N. R., durch das Hauptzollamt M. mit Dolmetschern persönlich befragt worden; N. R. sei angeschrieben worden. Die Originalunterlagen mit Unterschrift lägen dem Hauptzollamt vor. Daraufhin schlug die Beklagte der Klägerin unter dem 12. Mai 2017 vor, sich mit dem zuständigen Bearbeiter des Hauptzollamtes in Verbindung zu setzen; dieser könne aufgrund des Vorliegens der Originalfragebögen mit Unterschrift genaue Informationen über den Prüfungsablauf und die Befragung der einzelnen Personen geben. Die durchgeführte Betriebsprüfung sei in Zusammenarbeit mit dem Hauptzollamt M. gemäß § 2 Abs. 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) erfolgt; demzufolge reichten die übersandten Unterlagen des Hauptzollamtes zur Durchführung der Betriebsprüfung aus.

Die Klägerin wies unter dem 18. Mai 2017 sodann darauf hin, dass sie sich keinesfalls mit dem zuständigen Bearbeiter des Hauptzollamtes in Verbindung setzen werde. Die Beklagte habe den streitgegenständlichen Bescheid in eigener Verantwortung erlassen und somit dessen Voraussetzungen zu prüfen. Nach § 2 Abs. 2 SchwarzArbG würden nach seinem Wortlaut "die Behörden der Zollverwaltung" von den in Absatz 2 genannten Behörden und Institutionen bei den in Absatz 1 erwähnten Prüfungen unterstützt und nicht andersherum. Daraufhin zog die Beklagte vom Hauptzollamt die Originalfragebögen in Fotokopie bei und übersandte diese der Klägerin. Ferner informierte sie O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R. unter dem 12. Juni 2017 über die von ihr vorgenommene Statusfeststellung. Auf Nachfrage der Beklagten teilte das Hauptzollamt unter dem 10. August 2017 mit, ein Schlussbericht sei (noch) nicht erstellt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die sich aus der Betriebsprüfung ergebende Beitragsnachforderung in Höhe von insgesamt 48.787,78 EUR bleibe bestehen. Im Rahmen der Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass die Klägerin die in den Berechnungsanlagen zum angefochtenen Bescheid näher bezeichneten sechs rumänischen Arbeitnehmer im Zeitraum vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 beschäftigt habe und eine ordnungsgemäße Beitragsabführung nicht erfolgt sei. Deshalb seien Sozialversicherungsbeiträge nachberechnet worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 343 bis 348 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Am 9. Oktober 2017 hat die Klägerin beim Sozialgericht Magdeburg Klage gegen den Bescheid vom 8. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2017 erhoben. Da die Klage zunächst nicht begründet worden ist, hat das Sozialgericht mit gerichtlichem Schreiben vom 17. April 2018 mitgeteilt zu beabsichtigen, durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Mit der dann am 18. Mai 2018 eingegangenen Klagebegründung hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die erwogene Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG nicht vorlägen; jedenfalls soweit der Rechtsstreit nicht als vollumfänglich zu ihren Gunsten entscheidungsreif angesehen werde. Allenfalls biete sich eine Zurückverweisungsentscheidung nach § 131 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an. Hier mangele es bereits an jeder auch nur ansatzweise hinreichenden Tatsachenfeststellung durch die Beklagte, die die Annahme einer ihr zuzurechnenden abhängigen Beschäftigung ermögliche. Dies sei in Bezug auf jede einzelne Person, die seitens der Beklagten einbezogen worden sei, zu beachten. Hier beziehe sich die Beklagte auf irgendwelche Feststellungen durch Dritte und dies völlig unkritisch. Sie - die Klägerin - halte daran fest, dass die befragten Personen selbstständig tätig gewesen seien. Sie hätten jeweils über einen Gewerbeschein verfügt. Die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 8. Februar 2017 vorgenommene "Gegenüberstellung" und "Wertung" erweise sich in jeder Hinsicht als unvollständig, wenig objektiv und nicht plausibel. Hinsichtlich der Stellungnahme zu den einzelnen Positionen wird auf Blatt 63 bis 68 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beklagte hat zunächst die Beiladung der AOK Sachsen-Anhalt als Einzugsstelle und der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 75 Abs. 2 SGG angeregt. Sodann hat sie mit Schriftsatz vom 20. August 2018 die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid für gegeben erachtet. Eine Zurückverweisung im Sinne von § 131 Abs. 5 SGG - wie von der Klägerin angeregt - scheide aus, da die "einzelnen Arbeitnehmer" durch das Hauptzollamt M. mit Dolmetschern persönlich befragt worden seien. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf Blatt 82 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 20. August 2018 hat das Sozialgericht der Klägerin den Schriftsatz der Beklagten vom 20. August 2018 weitergeleitet und mit folgendem Zusatz (Hervorhebung durch das Sozialgericht) versehen:

- Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG liegen allein deswegen nicht vor, weil die Verwaltungsakten der Beklagten am 9. November 2017 im Gericht eingegangen sind. Insofern liegen Ihre das Gericht belehrenden Ausführungen neben der Sache.

Das Gericht geht im Übrigen ausgehend von den vorliegenden Unterlagen nicht davon aus, dass die sechs rumänischen Staatsangehörigen selbständig tätig gewesen sind. Unabhängig davon, dass dieses "Geschäftsmodell" grassiert und auch beim Sozialgericht Magdeburg entsprechende Vergleichsfälle anhängig sind, hält es das Gericht für vollkommen unglaubwürdig, dass sechs rumänische Staatsangehörige, die kein Wort deutsch sprechen, ein selbständiges Gewerbe anmelden, selbst ihre Kunden akquirieren und dann für einen Auftraggeber (hier: den Kläger) nebeneinander auf einer Baustelle arbeiten. Entsprechend hat das BSG auch zu Recht entschieden, dass der Gewerbeanmeldung keine Bedeutung beigemessen werden kann.

Sofern die bisherige Ankündigung des Gerichts, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, auf der fehlenden Klagebegründung fußte, so wird das Gericht den Rechtsstreit nunmehr auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen und der Klagebegründung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Die bereits übersandte Ankündigung wirkt insofern fort. -

Mit dem am 5. Februar 2019 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz vom 1. Februar 2019 hat die Klägerin um Sachstandsmitteilung sowie um Förderung des Verfahrens gebeten. Ferner hat sie folgendes ausgeführt:

- Auch im Ergebnis einer erneuten Prüfung des sicherlich nicht unbewusst in Fettdruck gehaltenen "Zusatz" vom 21. August 2018 bitten wir das Gericht zunächst um interne Prüfung, ob sich daraus nicht die Voraussetzungen gemäß bzw. entsprechend § 48 ZPO ergeben.

Darüber hinaus kann von hieraus nicht beurteilt werden, ob dieses "Geschäftsmodell" "grassiert" und beim SG Magdeburg "entsprechende Vergleichsfälle" anhängig sind.

Dementsprechend wird hierzu um konkrete nähere Erläuterung gebeten, damit gegebenenfalls eine damit korrespondierende Akteneinsicht, auch in andere Verfahren, genommen werden kann.

Auch die weiteren von dem Gericht mit dem Zusatz vom 21. August 2018 jedenfalls behaupteten "Sachverhaltskenntnisse" bedürfen einer näheren Erläuterung, um die hiermit vorsorglich gebeten wird.

Vorsorglich wird erneut darauf hingewiesen, dass kein Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid besteht. -

Mit Gerichtsbescheid vom 5. Februar 2019 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass die Personen O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R. abhängig Beschäftigte der Klägerin gewesen seien. Das Gericht könne durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Die Beteiligten seien vorher zu hören. Im vorliegend zu beurteilenden Rechtsstreit bestünden zwischen den Beteiligten hinsichtlich des Sachverhaltes keine diesen Gerichtsbescheid beeinflussenden Differenzen. Die rechtliche Beurteilung enthalte keine Schwierigkeiten. Der zugrunde zu legende Sachverhalt stelle sich so dar, dass sechs rumänische Staatsangehörige, die der deutschen Sprache kaum oder gar nicht mächtig seien, für eine Auftraggeberin, nämlich die Klägerin, auf ein- und denselben Baustellen die gleichen Arbeiten verrichtet hätten. Die Männer hätten alle Putz- oder Verputzerarbeiten angegeben. Man müsse sich den vorhandenen Lebenssachverhalt also so vorstellen, dass fünf Männer nebeneinanderstehend, am besten noch aus einem Materialgefäß, mit der gleichen Arbeit betraut seien und dabei, da sie alle selbstständig tätig sein sollten, in Konkurrenz zueinander stünden. Dabei reichten sie alle wortgleiche - überraschenderweise in fehlerfreiem Deutsch geschriebene - Rechnungen ein, die in der ganz überwiegenden Anzahl die gleichen (auch über mehrere Wochen gleiche) Zeiträume beträfen und den gleichen Betrag von 10,00 EUR pro Stunde auswiesen. Alles andere seien äußere Begleitumstände (Gewerbeschein, vertragliche Unterlagen), die für die Bewertung des Sachverhalts entgegen der Auffassung der Klägerin nicht maßgebend seien. Es lägen die von den betroffenen Personen unterschriebenen Fragebögen vor. Diese seien Grundlage der Entscheidung der Beklagten, aber auch des Gerichts. Irgendwelche Zweifel an der Echtheit hätte die Klägerin nicht geäußert.

Der Gerichtsbescheid ist am 6. Februar 2019 an die Beteiligten abgesandt worden. Unter dem 7. Februar 2019 hat das Sozialgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Schriftsatz der Klägerin vom 1. Februar 2019 nach Erlass des Gerichtsbescheides eingegangen sei.

Die Klägerin hat gegen den ihr nach ihren Angaben am 12. Februar 2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 26. Februar 2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hat daran festgehalten, dass die Beklagte sich in nahezu jeder Hinsicht unreflektiert auf irgendwelche Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes M. berufen und trotz der Auskunft des Hauptzollamtes mit Schreiben vom 10. August 2017, wonach das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, den Widerspruchsbescheid vom 7. September 2017 erlassen habe. Vorsorglich werde die Beiziehung der Ermittlungsakten des Hauptzollamtes M. beantragt. Ferner lasse sich - nach der durchgeführten Akteneinsicht - ein "Bearbeitungsvermerk" des erstinstanzlich zuständigen Richters nicht erkennen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Februar 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2017 aufzuheben,

hilfsweise, das Verfahren an das Sozialgericht Magdeburg zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihren Bescheid für rechtmäßig. Die Beklagte sieht auch die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an das Sozialgericht nicht für gegeben an. Sie hat zudem darauf hingewiesen, dass eine Beiladung im Sinne von § 75 Abs. 2 SGG in allen Tatsacheninstanzen möglich sei und daher auch in der zweiten Instanz nachgeholt werden könne. Die unterlassenen Beiladungen im erstinstanzlichen Verfahren stellten keinen wesentlichen Mangel dar. Die als abhängig beschäftigt eingestuften Personen seien im Rahmen des Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 12 Abs. 2 SGB X durch sie - die Beklagte - beteiligt worden. Ebenso sei die AOK Sachsen-Anhalt als zuständige Einzugsstelle von ihr über alle Verfahrensschritte regelmäßig informiert worden. Zudem dürfte notwendig sein, die Bundesagentur für Arbeit sowie die beteiligten Personen nach § 75 Abs. 2 SGG beizuladen.

Im Berufungsverfahren sind die Gerichtsakten vom Amtsgericht H. in dem Verfahren ... beigezogen worden. Daraus ergibt sich, dass gegen den geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin unter dem 17. August 2017 Anklage wegen des Vorenthaltens von Beiträgen zur Sozialversicherung als Arbeitgeber für die rumänischen Staatsangehörigen O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R. erhoben worden ist. Ferner sind die Originalfragebögen vom Hauptzollamt beigezogen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten, der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bzw. der Gerichtsakten des Amtsgerichts H. in dem Verfahren ... und der Unterlagen des Hauptzollamtes, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 8. Februar 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 SGG).

Im Rahmen der Betriebsprüfung konnte die Beklagte gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV über die Versicherungspflicht der rumänischen Staatsangehörigen O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R. und über die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin entscheiden. Dem steht nicht entgegen, dass das Verfahren durch ein Prüfverfahren des Hauptzollamtes ausgelöst wurde. Denn die Beklagte hat die Klägerin unter dem 2. Dezember 2016 darüber informiert, das Anliegen des Hauptzollamtes zum Anlass zu nehmen, eine Betriebsprüfung durchzuführen, die vom Hauptzollamt ermittelten Ergebnisse zugrunde zu legen und der Klägerin Gelegenheit gegeben, weitere Unterlagen vorzulegen.

Die Beklagte ist im Ergebnis der Betriebsprüfung zu Recht von einer abhängigen Beschäftigung der rumänischen Staatsangehörigen O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R. bei der Klägerin in der Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 mit einer daraus resultierenden Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung ausgegangen. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung; § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung; § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung; § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt. Auf der Grundlage des festgestellten (wahren) Inhalts der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R -, juris, RdNr. 16 f., m.w.N.).

Bei der Tätigkeit der rumänischen Staatsangehörigen O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R. für die Klägerin überwiegen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung.

Soweit nach den vorstehenden Grundsätzen zunächst vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen ist, liegen keine schriftlichen vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin vor. Die Klägerin hat dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals ausdrücklich bestätigt. Die rumänischen Staatsangehörigen O. A., P. C., I. C., S. G., A. B. und N. R. haben bei ihrer Befragung beim Hauptzollamt auch keine näheren Angaben zu mündlichen Vereinbarungen mit der Klägerin gemacht. Die Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung im Verhältnis zur Klägerin vorliegt, ist daher anhand der tatsächlichen Gegebenheiten vorzunehmen. Hier ergeben sich entscheidende Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung aus den aktenkundigen Rechnungen (siehe Beweismittelheft der beigezogenen Strafakte), die als Aussteller die jeweiligen Beigeladenen und als Adressaten jeweils - mit einer Ausnahme, in der Aussteller und Adressat nach der Anrede identisch sind - die Klägerin ausweisen. Sie sind vom äußeren Erscheinungsbild und vom Inhalt im Wesentlichen identisch. Das Schriftbild, die Anordnung der Rechnung, die Anzahl der Stunden, der Stundenlohn sowie die Zeiträume stimmen überwiegend überein. Dies widerspricht der Würdigung, dass die Rumänen jeweils als selbstständig Tätige in eigener Verantwortung die aktenkundigen Rechnungen erstellt haben. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestritten hat, diese für die rumänischen Staatsangehörigen erstellt zu haben und auf die guten Deutschkenntnisse des S. G. verwiesen hat, überzeugt dies nicht. Zwar hat S. G. - als einziger der betroffenen rumänischen Staatsangehörigen - einen in deutscher Sprache abgefassten Fragebogen beantwortet; dabei hat er die Antworten aber in rumänischer Sprache abgefasst. Insoweit erscheint es für den Senat nicht wahrscheinlich, dass er die in fehlerfreiem Deutsch geschriebenen Rechnungen für alle rumänischen Staatsangehörigen erstellt hat.

Zudem enthalten die aktenkundigen Fragebögen der rumänischen Staatsangehörigen wesentliche Hinweise darauf, dass die Klägerin ihre Arbeitgeberin war. Die Klägerin hat Ort und Art der Ausführung sowie Zeit und Dauer der verrichteten Tätigkeiten vorgegeben. Alle rumänischen Staatsangehörigen haben übereinstimmend angegeben, Verputz-, Tapezier-, Maler- und Reinigungsarbeiten für die Klägerin in deren Bauvorhaben S.-Straße und L. Straße in M. verrichtet zu haben. I. C. hat bei der Beantwortung der Fragen in den Fragebögen des Hauptzollamtes unter dem 9. April 2015 angegeben, "Chef sagt, muss 7:00 Uhr anfangen" sowie "arbeitet immer mit A. O. zusammen (selbstständig) und immer für Sc.". O. A. hat bei der Personenbefragung am 9. April 2015 angegeben, die Arbeitszeiten von 7:00 bis 16:00 Uhr würden vom Auftraggeber festgelegt. Alle betroffenen rumänischen Staatsangehörigen haben angegeben, keine eigenen Arbeitnehmer eingestellt zu haben. Auch Anhaltspunkte dafür, dass die vorgenannten Personen tatsächlich im Rahmen eigener Entscheidungsmöglichkeiten auch für andere Auftraggeber tätig werden konnten, sieht der Senat nicht. Dagegen sprechen insbesondere die fortlaufenden Rechnungsnummern, jedenfalls für das Jahr 2013. N. R. hat die zudem Frage, ob ihm eine weitere Tätigkeit bei anderen Auftraggebern erlaubt war, zwar mit "ja", allerdings mit dem Zusatz beantwortet: "Nur wenn keine Arbeit da war". Dies zeigt, dass er sich in Bezug auf die Entscheidung über seinen Arbeitseinsatz abhängig von den Anweisungen der Klägerin gesehen hat. Übereinstimmend haben O. A., P. C. und S. G. angegeben, ihnen seien "kostspielige Werkzeuge" "zur Verfügung gestellt" worden, N. R. hat angegeben, ihm seien "Werkzeuge, Schubkarre, Schippe" gestellt worden. Eigene Arbeitsmittel und damit ein Unternehmerrisiko sind damit ebenfalls nicht ersichtlich. Letzteres hat auch deshalb nicht bestanden, weil die verrichtete Arbeit den rumänischen Staatsangehörigen jeweils nicht zugeordnet werden konnte. Sie haben teilweise zusammen gearbeitet, ohne dass abgrenzbar war, wer welche Arbeit - mängelfrei oder mängelbehaftet - verrichtet hatte. Sie haben - nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - von der Klägerin beschafftes Material verwendet und bereits insoweit keinen Einfluss auf die Kosten der Beschaffung sowie auf die Qualität der verwendeten Stoffe und damit auf die Höhe des zu erzielenden Gewinns gehabt. Dementsprechend haben sie sich - wie abhängig Beschäftigte - nach Stunden bezahlen lassen. Hinsichtlich des einheitlich von allen betroffenen Rumänen in Rechnung gestellten Stundenlohns von 10,00 EUR ist ebenfalls kein Gesichtspunkt einer selbstständigen Tätigkeit zu erkennen. Denn die Höhe ist offensichtlich nicht von jedem einzelnen ausgehandelt, sondern entsprechend dem Baumindestlohn, der ab dem 1. Januar 2012 in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen galt (vgl. Tarifsammlung für die Bauwirtschaft 2012/2013, S. 79), von der Klägerin festgesetzt worden. P. C., S. G. und N. R. haben ferner übereinstimmend angegeben, bei plötzlicher Erkrankung/Verhinderung hätten sie "dem Firmenchef" die Daten melden müssen.

Die vom Hauptzollamt beigezogenen im Original vorliegenden Fragebögen sowie deren Übersetzungen, die in Fotokopie vorliegenden Rechnungen, die übereinstimmend in der Verwaltungsakte der Beklagten und in der von der Staatsanwaltschaft M. beigezogenen Akten vorliegen, ergeben darüber hinaus keine wesentlichen Anhaltspunkte für jeweils selbstständige Tätigkeiten der rumänischen Staatsangehörigen.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung beim Senat angegeben hat, sie selbst habe aufgrund des von ihr betriebenen Handwerks die Gewerke, für die sie die rumänischen Staatsangehörigen eingesetzt habe, nicht zulässigerweise anbieten können, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn diese Rechtsauffassung der Klägerin vermag für sich genommen nichts an der Rechtsstellung der Klägerin und der betroffenen Personen zueinander zu ändern, wenn - wie hier - dies keine Auswirkungen auf die Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen untereinander nach sich gezogen hat. Zudem hat die Klägerin - nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung beim Senat - zwar überprüft, ob die Rumänen jeweils über eine Gewerbeanmeldung und eine Steuernummer verfügten; die jeweilige Berechtigung, zulassungspflichtige Handwerkerleistungen zu erbringen, hat sie sich nicht vorlegen lassen. Schließlich haben die rumänischen Staatsangehörigen auch - entgegen den Angaben der Klägerin - nicht nur zulassungspflichtige Handwerksleistungen, sondern auch zulassungsfreie, wie z.B. Abriss- und Baugrobreinigungsarbeiten, erbracht. Zulassungspflichtig ist nach der Nummer 10 Anlage A der Handwerksordnung nur das Gewerbe "Maler und Lackierer". Schließlich haben O. A., S. G., P. C. und I. C. nach eigenen Angaben (auch) Trockenbauarbeiten verrichtet; Trockenbau bietet die Klägerin ausweislich der Gewerbeanmeldung vom 30. März 1998 aber ebenfalls selbst an.

Die Berechnung der Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge begegnet keinen Bedenken. Denn die Beiträge sind auf der Grundlage der von den jeweiligen rumänischen Staatsangehörigen in Rechnung gestellten Beträge errechnet worden. Der zugrunde gelegte Stundenlohn entsprach - wie oben dargelegt - dem Baumindestlohn.

Der Hilfsantrag der Klägerin ist ebenfalls ohne Erfolg geblieben. Der Senat hat sich gegen eine Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht entschieden. Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG (in der ab dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung, BGBl I, S. 3057) kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Hierüber entscheidet das LSG nach eigenem Ermessen von Amts wegen.

Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist gegeben, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts darauf beruhen kann. Bei Verfahrensfehlern, die absolute Revisionsgründe sind (§ 202 SGG i.V.m. § 547 Zivilprozessordnung (ZPO)), beruht die Entscheidung stets auf dem Verfahrensmangel (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 159 RdNr. 3a).

Die Entscheidung des Sozialgerichts leidet zwar an Verfahrensmängeln. Zum einen hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden, obwohl die dafür im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen sind. Zum anderen stellt die Entscheidung des Sozialgerichts einen Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs und gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dar.

Das Sozialgericht hat durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorgelegen haben. Dadurch hat es der Klägerin ihren gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz entzogen, nämlich der Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 125 SGG). Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens, der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 59/04 R -, juris, Rdnr. 13 ff.). Die Möglichkeit, allein zu entscheiden, setzt voraus, dass die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Hier wies der Sachverhalt insoweit Schwierigkeiten tatsächlicher Art auf, als das Sozialgericht anhand der im ersten Rechtszug nur vorliegenden Unterlagen nicht abschließend aufklären konnte, ob - wie von der Klägerin bezweifelt - die Angaben der betroffenen rumänischen Personen so zu Stande gekommen sind, dass sie für die hier entscheidende Frage, ob die Klägerin als Arbeitgeberin dieser Personen angesehen werden kann, rechtsfehlerfrei beantwortet werden konnte. Aufgrund der Einwände der Klägerin lag kein geklärter und von den Beteiligten als unstreitig zu Grunde zu legender Sachverhalt vor, der Grundlage der Entscheidung des Sozialgerichts hätte werden können. Der Kammervorsitzende hat in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides in sehr pointierter Diktion den Sachverhalt aus seinem Blickwinkel als gegeben angesehen und bewertet. Hierbei hat er vor dem Hintergrund des aktenkundigen gerichtlichen Schreibens vom 21. August 2018, wonach das "Geschäftsmodell selbstständig tätiger rumänischer Staatsangehöriger grassiert" und auch beim Sozialgericht Magdeburg entsprechende Vergleichsfälle anhängig seien, allein seine persönliche Sichtweise zugrunde gelegt, die jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheids nicht durch aktenkundige Fakten belegt gewesen ist.

Durch diese Vorgehensweise liegt zudem ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs vor. Denn die Grundlagen zu der Auffassung, dass das oben genannte "Geschäftsmodell grassiert" und dem Sozialgericht Magdeburg noch weitere Vergleichsfälle bekannt seien, sind nicht aktenkundig gemacht worden, so dass die Klägerin hierzu keinerlei Stellung nehmen konnte.

Es fehlt darüber hinaus an der - von der Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren beantragten und schon bereits von der Beklagten nicht vorgenommenen - Beiziehung der Ermittlungsakten beim Hauptzollamt M. einschließlich der (Straf-) Ermittlungsverfahrensakten und der Originalfragebögen der betroffenen Rumänen. Nur nach Beiziehung und Auswertung dieser Unterlagen hätte für die Klägerin die Möglichkeit bestanden, hierzu im einzelnen Stellung zu nehmen.

Die Verfahrensmängel sind wesentlich, da die getroffene Entscheidung hierauf beruht und der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts vorliegt. Der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 3 ZPO ist nicht erfüllt. Soweit die Klägerin das Sozialgericht zunächst um interne Prüfung gebeten hat, ob nicht die Voraussetzungen gemäß § 48 ZPO vorlägen, ist dies nicht nachweislich vor der Entscheidung durch Gerichtsbescheid erfolgt. Ein von der rechtskundig vertretenen Klägerin gestellter unmissverständlicher Befangenheitsantrag gegen den Kammervorsitzenden ist nicht aktenkundig.

Die erstinstanzlich unterlassene Sachverhaltsermittlung stellt jedoch keine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme i. S. von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar. Die Ermittlungsakten des Hauptzollamtes, insbesondere die Originalfragebögen der betroffenen Rumänen, konnten ohne weiteres beigezogen und ausgewertet werden.

Die gemäß § 75 Abs. 2 SGG notwendigen Beiladungen der Einzugsstelle und der Bundesagentur für Arbeit - da auch ihnen gegenüber die Entscheidung nur einheitlich ergehen kann - sowie die (nur) nach § 75 Abs. 1 SGG erforderlichen Beiladungen der betroffenen Rumänen - deren Interessen durch die Entscheidung (nur) betroffen sind, die Einstellung der Beiträge aber von deren zukünftiger Meldung und Versicherungsnummernvergabe abhängig ist -, können vom Senat noch nach der Ermessensentscheidung, die Streitsache nicht zurückzuverweisen, bis zur Rechtskraft des Urteils nachgeholt werden und stellen damit ebenfalls keinen für sich genommen ausschlaggebenden Grund für eine Zurückverweisung dar (vgl. Roos/Wahrendorf, SGG, § 75 RdNr. 15, 194; BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 - B 3 KR 7/10 -, juris RdNr. 16, 17).

Der Senat macht von dem ihm in § 159 SGG eröffneten Ermessen, die Sache nicht zurückzuverweisen, Gebrauch. In diese Ermessenabwägung ist - wie ausgeführt - eingeflossen, dass die notwendigen Ermittlungen ohne größeren Aufwand durchgeführt werden konnten und die Beiladungen ebenfalls noch nachgeholt werden können. Insoweit fällt der Verlust einer Tatsacheninstanz nicht besonders ins Gewicht. Zudem war für den Senat von Bedeutung, dass sich die Beklagte mit der von der Klägerin hilfsweise beantragten Zurückverweisung an das Sozialgericht nicht einverstanden erklärt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichts abweicht.
Rechtskraft
Aus
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