L 3 R 160/18

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 8 R 29/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 160/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Übertragung von Rentenanrechten aus einem Verfahren über einen Versorgungsausgleich umstritten.

Die 1936 geborene Klägerin bezieht seit dem ... 1996 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, Altersrente für Frauen (Bescheid vom 30. Dezember 1996). Ihr damaliger Ehemann erhält seit dem ... 2003 - ebenfalls von der BfA sowie nachfolgend von der Beklagten - Vollrente wegen Alters.

Durch notarielle Vereinbarung vom ... 1997 traten die Eheleute in den Güterstand der Gütertrennung und schlossen einen Zugewinnausgleich aus. Eine Vereinbarung über einen Versorgungsausgleich trafen sie in diesem Rahmen nicht.

Auf den Antrag der Klägerin wurde die im ... 1962 geschlossene Ehe mit Urteil des Amtsgerichts (AG) K. vom ... 2015 geschieden und gleichzeitig der Versorgungsausgleich abgetrennt.

Mit Beschluss vom ... 2015 stellte das AG K. (Az ...) fest, dass die Beteiligten folgenden Vergleich abgeschlossen hätten:

1. Die Versorgungsanrechte, die die Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in der Ehezeit erworben hat, werden vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen.

2. Vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden 15,5000 Entgeltpunkte (Ost), bezogen auf das Ehezeitende, auf das Rentenkonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen. Im Übrigen wird der Versorgungsausgleich ausgeschlossen.

3. Hinsichtlich der Anrechte des Antragsgegners beim Versorgungsträger VBL wird der Versorgungsausgleich ausgeschlossen.

4. Der Antragsgegner zahlt an die Antragstellerin innerhalb einer Woche nach Protokollierung und gerichtlicher Bestätigung dieser Vereinbarung einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 3.000,00 EUR auf das Konto der Antragstellerin, IBAN: DE ...

Dieser Vergleich werde familiengerichtlich gebilligt.

Zudem ordnete das AG das schriftliche Verfahren gemäß § 113 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) i.V.m. § 128 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 95 bis 98 der Gerichtsakte des AG K. Bezug genommen.

Das AG K. stellte der Beklagten den Beschluss vom 26. Mai 2015 über die Feststellung des Vergleichs am 2. Juni 2015 zu und teilte unter dem 8. Juli 2015 mit, die vorgenannte Entscheidung vom 26. Mai 2015 sei seit dem 7. Juli 2015 rechtskräftig und wirksam. Daraufhin informierte die Beklagte die Klägerin unter dem 15. Juli 2015 dahingehend, dass vom AG K. ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen worden sei und der Zuschlag an 15,5000 Entgeltpunkten (Ost) berücksichtigt werde, was einer Erhöhung der Monatsrente von 419,28 EUR entspreche. Zudem teilte sie dem geschiedenen Ehemann der Klägerin unter dem 5. August 2015 die beabsichtigte Umsetzung des Versorgungsausgleichs mit.

Mit Bescheid vom 14. August 2015 berechnete die Beklagte die der Klägerin gewährte Altersrente für Frauen ab dem 1. September 2015 neu, da sich die persönlichen Entgeltpunkte aufgrund des Versorgungsausgleichs geändert hätten und hob den Bescheid vom 30. Dezember 1996 mit Wirkung ab dem 1. September 2015 hinsichtlich der Rentenhöhe auf.

Der geschiedene Ehemann der Klägerin widersprach unter dem 3. September 2015 der Mitteilung der Beklagten über die Durchführung des Versorgungsausgleichs sowie den vorgenommenen Abschlag von Versorgungsanrechten und der verminderten Rentenauszahlung an ihn. Bislang sei lediglich das Zustandekommen der Vereinbarung zum Versorgungsausgleich mit dem Beschluss vom 26. Mai 2015 bestätigt und gleichzeitig das schriftliche Verfahren angeordnet worden. Eine gerichtliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich sei noch nicht ergangen. Folglich könne noch kein Versorgungsausgleich vollzogen werden.

Das AG K. fasste sodann am 17. Dezember 2015 folgenden Beschluss:

"Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben."

Zur Begründung ist ausgeführt:

"Nach § 224 Abs. 3 FamFG war festzustellen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Die Beteiligten haben über den Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten auf Versorgungen bzw. Versorgungsanwartschaften mit gerichtlichem Vergleich vom 26. Mai 2015 eine Vereinbarung getroffen und einen Ausgleich ausgeschlossen.
Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit dieser Vereinbarung oder für das Bestehen von Durchsetzungshindernissen sind nicht ersichtlich (§§ 6 bis 8 VersAusglG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1 FamFG."

Dem Beschluss ist die Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, dass der Ausspruch zum Versorgungsausgleich mit der Beschwerde angefochten werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 125, 126 der Gerichtsakte des AG K. Bezug genommen.

Der Beschluss wurde allen Beteiligten zugestellt, insbesondere der Beklagten am 15. Januar 2016 und dem (damaligen) Bevollmächtigten der Klägerin am 1. Februar 2016.

Den Hinweis der Beklagten vom 19. Februar 2016 an das AG K., wonach mit dem rechtskräftig gewordenen Beschluss vom 26. Mai 2015 Rentenanwartschaften "Ost" übertragen worden seien und eine entsprechende Änderung dieser Übertragung nach dortiger Auffassung lediglich im Zuge eines Abänderungsverfahrens möglich wäre, und damit die im Beschluss vom 17. Dezember 2015 angeführte Vereinbarung keine Wirksamkeit erlangen könne, beantwortete das AG K. unter dem 24. Februar 2016 dahingehend, dass der Beschluss vom 17. Dezember 2015 lediglich besage, dass kein gerichtlicher Versorgungsausgleich durchgeführt werde, weil der Vergleich vom 26. Mai 2015 bereits gelte.

Nachdem das AG K. der Beklagten mitgeteilt hatte, dass die Entscheidung vom 17. Dezember 2015 seit dem 2. März 2016 rechtskräftig und wirksam sei und bei der Beklagten intern mitgeteilt wurde, dass die Rente des geschiedenen Ehemannes in ungeminderter Höhe geleistet werde, wandte sich die Beklagte unter dem 20. Juni 2016 erneut an das AG K. und wies darauf hin, dass der Beschluss vom 17. Dezember 2015 von dem in der Parteivereinbarung erklärten Willen der früheren Ehegatten zur Durchführung des Versorgungsausgleichs abweiche und bat um Prüfung, ob das Familiengericht noch nachträglich die Durchführung des Versorgungsausgleichs auf der Grundlage der Parteivereinbarung anordnen könne. Denn erst wenn eine entsprechende gerichtliche Entscheidung rechtskräftig und wirksam geworden sei, könne diese von der Beklagten umgesetzt werden. Ergehe eine solche gerichtliche Anordnung nicht, könne der Versorgungsausgleich bei den früheren Ehegatten auch nicht berücksichtigt werden. Das AG K. reagierte auf diese Mitteilung zunächst nicht. Nach nochmaliger interner Prüfung hörte die Beklagte daraufhin die Klägerin unter dem 12. Juli 2016 dazu an, dass beabsichtigt sei, den Rentenbescheid vom 14. August 2015 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 1. Januar 2016 nach § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) zurückzunehmen und die Überzahlung für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. August 2016 in Höhe von 3.039,88 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern. Laut des Beschlusses des AG K. vom 17. Dezember 2015 finde ein Versorgungsausgleich nicht statt. Aufgrund dieses Beschlusses habe der Klägerin bewusst sein müssen, dass die Rente ohne einen Zuschlag aus einem Versorgungsausgleich zu zahlen sei und die Rente somit in unzutreffender Höhe geleistet werde. Hierzu hielt die Klägerin unter dem 28. Juli und 29. August 2016 an ihrer Auffassung fest, dass von ihr und ihrem früheren Ehemann der Versorgungsausgleich gerade nicht habe ausgeschlossen werden sollen. Sie sei nach wie vor von der Rechtmäßigkeit des rechtskräftigen Beschlusses des AG K. vom 26. Mai 2015 überzeugt. Auf die daraufhin von der Beklagten sie begünstigende Mitteilung vom 15. Juli 2015 und auf den Rentenbescheid vom 14. August 2015 habe sie vertrauen können mit der Folge, dass dieser nicht mehr zurückgenommen werden könne.

Mit Bescheid vom 6. September 2016 berechnete die Beklagte die Altersrente für Frauen ab dem 1. Oktober 2016 neu, da sich die persönlichen Entgeltpunkte aufgrund des Versorgungsausgleichs geändert hätten. In der Anlage zum Bescheid ist ausgeführt, der Rentenbescheid vom 14. August 2015 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Zukunft ab dem 1. Oktober 2016 nach § 45 SGB X zurückgenommen. Die Rücknahme dieses rechtswidrigen Rentenbescheides für die Zukunft sei zulässig, da weder Vertrauensschutz nach den allgemeinen Grundsätzen des § 45 Abs. 2 Sätze 1 oder 2 SGB X gegeben noch die Frist des § 45 Abs. 3 SGB X abgelaufen sei. Auch die vorzunehmende Ermessensausübung führe zu keinem anderen Ergebnis. Mit dem Beschluss vom 26. Mai 2015 liege keine gerichtliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich vor. Es habe sich lediglich um einen Beschluss gehandelt, mit dem festgestellt worden sei, dass die geschiedenen Ehegatten einen Vergleich geschlossen hätten. Dieser Vergleich dürfe jedoch für die Feststellung von Rentenleistungen nicht zugrunde gelegt werden. Eine Übertragung von Rentenanrechten könne nur durch einen Beschluss des Familiengerichts angeordnet werden. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2015 habe das Familiengericht entschieden, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, und damit eine Anordnung über die teilweise Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht getroffen. Bei der Ermessensausübung seien die Interessenlagen gegeneinander abgewogen worden. Zum einen bestehe das Interesse der Klägerin daran, die Rente in der bisherigen Höhe weiter zu beziehen. Dies spreche gegen eine Rücknahme des Bescheides. Zum anderen habe die Versichertengemeinschaft, deren Gelder die Beklagte treuhänderisch zu verwalten habe, Interesse daran, dass Leistungen, auf die nach den gesetzlichen Vorschriften kein Anspruch bestehe, nicht weiter erbracht würden. Weiterhin sei die der Beklagten gesetzlich auferlegte Pflicht zur sparsamen und zweckgebundenen Verwendung der Mittel zu beachten. Diese Gründe sprächen für die Bescheidrücknahme. Unter Abwägung der Gründe, die "für" und "gegen" eine Bescheidrücknahme zu berücksichtigen seien, sei die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gründe, die "für" eine Bescheidrücknahme sprächen, überwiegen würden, so dass der Rentenbescheid mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werde.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2017 als unbegründet zurück. Sie wiederholte zum einen die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid. Der Einwand der Klägerin, die Verwaltung treffe ein Mitverschulden, führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Es sei nicht erheblich, wer die Rechtswidrigkeit verursacht habe. Die grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit entfalle nicht dadurch, dass die wesentliche Ursache der Unrichtigkeit des Verwaltungsaktes bei der Behörde liege. Maßgeblich sei insoweit allein, ob es der Klägerin möglich gewesen sei, die Fehlerhaftigkeit des Bescheides zu erkennen. In dem Bescheid vom 14. August 2015 sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Rente aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs neu berechnet worden sei. Die Klägerin habe demzufolge ohne weiteres erkennen können, dass die Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs bei der Berechnung der Rente rechtswidrig gewesen sei. Schließlich seien die Einwände nicht geeignet, im Wege des Ermessens von der Bescheidrücknahme abzusehen. Hier sei das öffentliche Interesse der Versichertengemeinschaft so schwerwiegend, dass es auch aus Sicht des Widerspruchsausschusses sachgerecht sei, von der Bescheidrücknahme für die Zukunft nicht abzusehen. Jeder Rentenbezieher solle nur die ihm gesetzlich zustehende Rente erhalten.

Hiergegen hat die Klägerin am 17. Januar 2017 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Sie hat die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 6. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 4. Januar 2017 und zunächst die - in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrecht erhaltene - Verpflichtung der Beklagten verfolgt, den Rentenbescheid vom 14. August 2015 hinsichtlich der Rentenhöhe aufrechtzuerhalten und den Zuschlag in Höhe von "15,000 Entgeltpunkten" auch für die Zeit ab dem 1. Oktober 2016 weiterzuzahlen. Die zwischen ihr und ihrem früheren Ehemann geschlossene Vereinbarung sei wirksam. Der Beschluss des AG K. vom 26. Mai 2015 müsse ausgeführt werden.

Nachdem das AG K. der Klägerin und ihrem geschiedenen Ehemann unter dem 17. Mai 2017 die Anfrage der Beklagten vom 20. Juni 2016 weitergeleitet und die Beteiligten sich hierzu geäußert hatten, antwortete das AG K. unter dem 11. Juli 2017 der Beklagten, es verbleibe bei den Entscheidungen vom 26. Mai und 17. Dezember 2015, da der Versorgungsausgleich rechtskräftig ausgeschlossen und kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt worden sei; deshalb könne über den Versorgungsausgleich nicht noch einmal neu entschieden werden.

Mit Urteil vom 13. März 2018 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig. Die Beklagte habe zu Recht den Bescheid vom 14. August 2015 mit Wirkung für die Zukunft ab dem 1. Oktober 2016 zurückgenommen. Der die Klägerin begünstigende Rentenbescheid vom 14. August 2015, mit dem die Übertragung von Anrechten von Entgeltpunkten auf ihr Versicherungskonto bei der Beklagten und damit die Zahlung einer um den Zuschlag von 15,5000 Entgeltpunkten (Ost) erhöhten Altersrente vorgenommen worden sei, sei rechtswidrig. Denn der Zuwachs an Entgeltpunkten aus einem Versorgungsausgleich erfolge erst mit Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts (§ 52 Abs. 1 Satz 3 SGB VI). Die verfahrensbeendende Beschlussfassung des Familiengerichts über die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 224 FamFG sei erst mit Beschluss vom 17. Dezember 2015 erfolgt. Die Bestätigung des Familiengerichts über das Zustandekommen der Vereinbarung zum Versorgungsausgleich mit Beschluss vom 26. Mai 2015 sei keine gerichtliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich. Nach § 224 Abs. 4 FamFG sei das Gericht verpflichtet, im Tenor und in der Begründung der Endentscheidung die Anrechte ausdrücklich zu benennen, bei denen ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht stattfinde bzw. welche Anrechte ausgeglichen werden sollten. Außerdem seien die tragenden Gründe zur formellen und materiellen Wirksamkeit der jeweiligen Vereinbarung (§§ 6 bis 8 VersAusglG) deutlich zu machen. Mit dem Beschluss vom 17. Dezember 2015 habe das Familiengericht den Versorgungsausgleich ganz ausgeschlossen. Diese gerichtliche Entscheidung habe rechtsgestaltende Wirkung und die feststellende Entscheidung sei in Rechtskraft erwachsen. Dies habe zwar nicht dem ursprünglichen Willen der geschiedenen Ehegatten - zumindest nicht dem Willen der Klägerin - entsprochen. Jedoch sei die Entscheidung in formeller Rechtskraft erwachsen und könne im Nachhinein nicht abgeändert bzw. dem Willen, so wie er im protokollierten Vergleich zum Ausdruck gekommen sei, angepasst werden. Eine Durchbrechung der Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich sei nur über ein Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 48 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 579, 580 ZPO möglich. Diese Wiederaufnahmegründe setzten voraus, dass der Ausgleichspflichtige ein Anrecht in betrügerischer Absicht bewusst verheimlicht und dies zumindest zur Einleitung eines Strafverfahrens geführt habe. Der Fall eines versehentlich nicht berücksichtigten Anrechts sei damit nicht erfasst. Ob ein Fall der Anwaltshaftung vorliege, liege außerhalb des Überprüfungsauftrags des Sozialgerichts. Mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft sei der Rentenversicherungsträger verpflichtet, die Entscheidung umzusetzen (§ 52 Abs. 1 Satz 3 SGB VI). Mit dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs habe die Klägerin keinen Anspruch auf Übertragung von Anrechten. Soweit ein Begünstigter auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig sei, dürfe ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Absatz 2 Satz 1 nicht zurückgenommen werden. Die Beklagte habe insofern eine Abwägung zwischen den Belangen der begünstigten Klägerin mit dem öffentlichen Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände vorgenommen. Bei der Fallgestaltung der Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft habe die Beklagte zu Recht die dauernde Änderung der Lebensführung bzw. Vermögensdispositionen für die Zukunft im Rahmen der ausführlichen Ermessenabwägung ausgeschlossen. Die Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X zur Rücknahme sei gewahrt.

Gegen das ihr am 16. April 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. Mai 2018 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zu berücksichtigen sei, dass die Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach § 224 FamFG nicht nur hinsichtlich der Beschlussformel, sondern auch mit den tragenden Gründen der Entscheidung in Rechtskraft erwachse. Insoweit werde auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 16. August 2011 (4 UF 135/11) verwiesen. Da in der Entscheidung des AG K., wonach ein Versorgungsausgleich nicht stattzufinden habe, ausdrücklich auf die Vereinbarung der Ehegatten über den Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Anteile Bezug genommen werde, stelle sich der Tenor, wonach ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, als offensichtlich unrichtig und nicht gewollt dar, da in den Gründen gleichzeitig auf die getroffene Vereinbarung und damit auf die darin gewünschte Übertragung von Entgeltpunkten zu ihren Gunsten Bezug genommen werde. Der Rentenbescheid der Beklagten vom 14. August 2015 habe genau derjenigen materiellen Rechtslage entsprochen, auf die sich die ehemaligen Eheleute geeinigt hätten. Dieser Beschluss hätte vom Familiengericht K. bei der verfahrensbeendenden Endentscheidung umgesetzt werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 13. März 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 6. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihren Bescheid für rechtmäßig.

Die Klägerin hat sich mit ihrem berufungsbegründenden Anliegen zudem am 22. August 2018 an das AG K. gewandt und die Berichtigung des Beschlusses vom 17. Dezember 2015 verfolgt. Diesen Antrag hat das AG K. mit Beschluss vom 7. Januar 2019 zurückgewiesen. Gemäß § 42 Abs. 1 FamFG könnten Schreibfehler, Rechenfehler und andere offensichtliche Unrichtigkeiten jederzeit berichtigt werden. Eine dem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche Unrichtigkeit sei ein Fehler, der aus Versehen entstanden sei, also als banale, auf Unachtsamkeit beruhende Fehlleistung des Gerichtes zu werten sei. Dieser müsse zusätzlich für alle Beteiligten als Fehler offenbar sein, also für alle, selbst für Dritte, deutlich erkennbar sein. Schon an diesem zweiten Punkt scheitere der Berichtigungsantrag. Denn über die Frage sei ein Verfahren vor dem Sozialgericht geführt worden, da der aus dem Vergleich verpflichtete Versorgungsträger aufgrund des Beschlusses keine Anrechte habe ausgleichen wollen. Das Sozialgericht habe den Beschluss für nicht offensichtlich unrichtig gehalten. Wie bereits gegenüber dem Rentenversicherungsträger, der eine Ergänzung des Beschlusses angeregt hatte, mitgeteilt worden sei, hätten die Beteiligten kein Rechtsmittel gegen den Beschluss eingelegt. Dies wäre der richtige Weg gewesen, den Beschluss, der den Vergleich nicht berücksichtigt habe, zu ändern.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakte des AG K. zum Aktenzeichen ... Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senat gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Bescheid der Beklagten vom 14. August 2015 entsprach gerade nicht der materiellen Rechtslage, da für die Übertragung der Rentenanwartschaften die Entscheidung des Familiengerichts darüber maßgeblich ist und nicht die zwischen den geschiedenen Ehegatten geschlossene Vereinbarung. Denn eine Vereinbarung der Ehegatten kann nur durch richterlichen Gestaltungsakt umgesetzt werden und nicht auf privatrechtlichem Wege (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 3. September 2015 - 9 UF 295/14 -, juris RdNr. 35). Insoweit ist auf den Beschluss des AG K. vom 17. Dezember 2015 abzustellen, der die Entscheidung über den Versorgungsausgleich getroffen hat und nicht auf den Beschluss vom 26. Mai 2015. Denn die Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach vorangegangener Einigung zwischen den früheren Ehegatten findet im Rahmen eines zweistufigen Verfahrens statt. Zunächst hat das Familiengericht die Vereinbarungen der Ehegatten zu prüfen (§§ 6 bis 8 VersAuslG). Erachtet das Gericht die Vereinbarung für wirksam, so hat es aufgrund der nach § 6 Abs. 2 VersAusglG bestehenden Bindungen entsprechend der Vereinbarung zu entscheiden. Ist der Versorgungsausgleich vollständig ausgeschlossen worden, hat das Gericht gemäß § 224 Abs. 3 FamFG in der Beschlussformel ausdrücklich festzustellen, dass kein Versorgungsausgleich stattfindet. Hier ist es im Rahmen der zweiten Stufe zu dem fehlerhaften Beschluss nach § 224 Abs. 3 FamFG gekommen, der jedoch rechtskräftig geworden ist.

Der Beschluss vom 26. Mai 2015 trifft keine Entscheidung über den Versorgungsausgleich, sondern billigt lediglich die Vereinbarungen der Ehegatten nach der Prüfung gemäß §§ 6 bis 8 VersAuslG.

Gegen den Beschluss vom 17. Dezember 2015, mit dem das von den ehemaligen Eheleuten Gewollte und unter dem 26. Mai 2015 vom AG K. Gebilligte nicht umgesetzt wurde, stand der Klägerin das Rechtsmittel der Beschwerde zu. Der Beschluss ist dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden und es hätte die Möglichkeit bestanden, innerhalb der Rechtsmittelfrist hiergegen Beschwerde einzulegen. Dies ist nicht geschehen. Der Antrag auf Berichtigung des Beschlusses vom 17. Dezember 2015 ist ebenfalls rechtskräftig mit dem Beschluss das AG K. vom 7. Januar 2019 abgelehnt worden.

Soweit sich die Klägerin zur Stützung ihrer Berufung auf den Beschluss des OLG Hamm vom 16. August 2011 (4 UF 135/11) beruft, folgt der Senat dem nicht. Denn die hier im Beschluss vom 17. Dezember 2015 enthaltene negative Beschlussformel und die nachfolgende Begründung entsprechen den gesetzlichen Vorgaben. Der Umstand, dass weder die Beschlussformel noch die Begründung dem gebilligten Vergleich entsprochen haben, ändert an der Wirksamkeit des Beschlusses vom 17. Dezember 2015 nichts. Welche Konsequenzen sich ergeben würden, wenn die Beschlussformel mit einer Begründung, die das Gebilligte wiedergegeben hätte, versehen worden wäre, bedarf keiner näheren Erörterung.

Schließlich ist die Ermessensbetätigung der Beklagten hinsichtlich der Rücknahme des die ab dem 1. September 2015 erhöhte Altersrente bewilligenden Bescheides vom 14. August 2015 für die Zukunft, d.h. ab dem 1. Oktober 2016, nicht zu beanstanden. Insbesondere bei Dauerleistungen ist das öffentliche Interesse an der Korrektur des rechtswidrigen Verwaltungsaktes in der Regel höher einzuschätzen als bei der Gewährung einmaliger Leistungen. Auch ist es für das öffentliche Interesse allgemein gleichgültig, ob und in welchem Ausmaß die Unrichtigkeit einer Entscheidung von der Verwaltung zu vertreten ist. Die Zurechnung zum Verantwortungsbereich der Verwaltung verbietet nicht in jedem Fall, einen begünstigenden Verwaltungsakt zurückzunehmen. Allenfalls kann für die Abwägung zu Lasten des öffentlichen Interesses bedeutsam sein, dass das Vertrauen durch ein Versagen der Verwaltung gefestigt worden ist (vgl. zum Vorstehenden Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25. Juni 1986 - 9a RVg 2/84 -, juris RdNr. 28 ff. m.w.N.). Hier hatte der geschiedene Ehemann der Klägerin bereits noch vor der Bestandskraft des begünstigenden rechtswidrigen Bescheides vom 14. August 2015 darauf hingewiesen, dass es an einer bindenden gerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich fehle und der Übertragung der Rentenanwartschaften - zu seinen Lasten - erfolgreich widersprochen. Ebenfalls kurze Zeit später, nämlich unter dem 17. Dezember 2015, folgte dann der Beschluss des AG K., wonach ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Ein gefestigtes schützenswertes Vertrauen der Klägerin in den Zuschlag an Entgeltpunkten (Ost) aufgrund eines Versorgungsausgleichs konnte daher nicht entstehen. Besondere Umstände, die zugunsten der Klägerin über das bloße Interesse, eine höhere Rente zu erhalten, hinausgehend in die Ermessensbetätigung hätten einfließen müssen, sind weder benannt noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
Saved