L 4 AS 642/16

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 720/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 642/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Kläger) wenden sich gegen Erstattungsforderungen des Beklagten und Berufungsklägers (im Weiteren: Beklagter) nach endgültiger Festsetzung von zunächst vorläufig erbrachten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dabei geht es insbesondere um die Auslegung eines im Güterichterverfahren geschlossenen Vergleichs.

Die 1951 geborene Klägerin und der im selben Jahr geborene Kläger sind verheiratet und beziehen seit 2005 von dem Beklagten ergänzende SGB II-Leistungen. Sie bewohnen ein Eigenheim in W., das nach ihren Angaben eine Wohnfläche von 65 m² aufweist. Für das Wohnhaus fallen Neben- und Heizkosten in monatlich unterschiedlicher Höhe an. Die Klägerin war nicht erwerbstätig. Der Kläger war als Versicherungsfachmann selbstständig tätig. Er vermittelte Versicherungen und Bausparverträge.

Ab Januar 2005 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen von insgesamt 485,35 EUR monatlich, wobei er ein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit von 529,30 EUR anrechnete. In den Folgebewilligungszeiträumen betrugen die monatlichen Leistungen zwischen 460 EUR und 1.228 EUR. Von Anfang an war die Leistungsgewährung zwischen den Beteiligte umstritten. Der Streit bezog sich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) und die Berechnung des Einkommens des Klägers aus selbständiger Tätigkeit – dabei insbesondere auf die Berücksichtigungsfähigkeit von Betriebsausgaben und Versicherungsbeiträgen sowie die Einkommensbereinigung. Aus den Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2004 bis 2007 ergaben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb zwischen 9.600 und 13.760 EUR.

Für die erste Jahreshälfte 2009 bewilligte der Beklagte mit mehreren Bescheiden vorläufige Leistungen in einer monatlichen Gesamthöhe von zuletzt 886,31 EUR. Dabei berücksichtigte er vorläufig ein bereinigtes Einkommen von 160,49 EUR. Für die zweite Jahreshälfte 2009 bewilligte er monatliche Gesamtleistungen von 169,28 EUR. Dabei legte er ein vorläufiges Einkommen von 646,00 EUR zugrunde. Denselben Einkommensbetrag berücksichtigte er für die erste Jahreshälfte 2010 und bewilligte vorläufig monatlich 298,39 EUR. Für die zweite Jahreshälfte 2010 bewilligte der Beklagte Monatsleistungen von 577,35 EUR unter Anrechnung eines Einkommens von vorläufig 414,49 EUR. Die Kläger legten gegen alle Bescheide Widerspruch ein.

Nach den abschließenden Angaben der Kläger vom 16. Juli 2009 zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in der ersten Jahreshälfte 2009 standen Betriebseinnahmen von 13.373,64 EUR Betriebsausgaben von insgesamt 11.920,59 EUR gegenüber, sodass sich ein Gewinn von 1.453,05 EUR ergab. In der zweiten Jahreshälfte 2009 erzielte der Kläger Betriebseinnahmen von 16.481,21 EUR, was nach Ausgaben von 11.480,48 EUR zu einem Gewinn von 5.000,73 EUR führte. In der ersten Jahreshälfte 2010 standen nach seinen Angaben Gesamteinnahmen von 16.016,49 EUR betriebliche Ausgaben von 7.268,81 EUR gegenüber. Es verblieb ein Gewinn von 8.747,68 EUR. Nach den Angaben für die zweite Jahreshälfte 2010 beliefen sich die Einnahmen auf 14.044,73 EUR und die Betriebsausgaben auf 6.976,75 EUR. Daraus resultierte ein Gewinn von 7.067,98 EUR.

Wegen der Leistungsgewährung nach dem SGB II waren beim SG etliche Verfahren (Klagen und einstweiliger Rechtsschutz) anhängig, in denen es u.a. um die Leistungen für die erste Jahreshälfte 2008 sowie um die Ablehnung von Leistungsanträgen für die zweite Jahreshälften 2011 und 2012 ging. Die Kläger rügten insbesondere die Einkommensberechnung und die unzureichende Berücksichtigung von Versicherungen durch den Beklagten. In einem Erörterungstermin am 31. August 2012 erklärten sich die Beteiligten mit der Durchführung eines Mediationsverfahrens einverstanden.

Am 3. und 19. Dezember 2012 fanden Güterichterverhandlungen statt, die mit folgendem Vergleich endeten (streitige Passage grau hinterlegt):

1. Für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2008 legen die Beteiligten folgende Regelungen fest:
Der Kläger nimmt die Klage zum Aktenzeichen S ... für sich und die Klägerin zu 1), seine Ehegattin, hiermit zurück.

2. Für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 legen die Beteiligten folgende Regelungen fest:

a) Die Beteiligten sind sich einig, dass die vorläufigen Bewilligungen für diesen Zeitraum unter folgender Maßgabe endgültig festgesetzt werden:

aa) Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bleiben unverändert wie vorläufig bewilligt.

bb) Hinsichtlich der Einkommensberechnung wird die endgültige Festsetzung nicht zur Lasten der Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu einer Erstattungsforderung führen, dies gilt insbesondere für die Fahrkosten.

cc) Telefonkosten werden als betriebliche Ausgabe in Höhe von 30,00 EUR monatlich angesetzt.

dd) Kontoführungsgebühren werden nicht als betriebliche Ausgabe anerkannt.

ee) Ausgaben für die Steuersoftware werden nicht als betriebliche Ausgabe anerkannt, dafür werden die Ausgaben für den Steuerberater bezogen auf den betrieblichen Anteil als betriebliche Ausgabe anerkannt.

ff) Ausgaben für die Computerprogramme Virenschutz und Firewall werden als betriebliche Ausgabe anerkannt.

gg) Aufwendungen für die Mitarbeiterunfallversicherung ( ...) werden als betriebliche Ausgabe anerkannt.

hh) Aufwendungen für die Risikolebensversicherung ( ...) werden als Versicherungen der Altersvorsorge vom Einkommen abgesetzt.

ii) Aufwendungen für die Sterbegeldkasse fallen unter die Versicherungspauschale von monatlich 30,00 EUR.

jj) Für die Jahre 2009 bis 2010 bleiben die berücksichtigten Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung unverändert.

kk) Für das Jahr 2011 wird für den Fall, dass die endgültige Festsetzung eine Hilfebedürftigkeit ergibt, der Zuschuss für die Kranken- und Pflegeversicherungen bis zur Hälfte des Basistarifes gewährt und für den Fall, dass die endgültige Festsetzung keine Hilfebedürftigkeit ergibt, der Zuschuss zu der Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen bis maximal zum Basistarif unter Berücksichtigung des Einkommensüberhangs gewährt.

b) Der Rechtsstreit S ... wird übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Beteiligten haben untereinander keine Kosten zu erstatten.

3. Für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2012 legen die Beteiligten folgende Regelungen fest:

a) Die Beteiligten sind sich einig, dass die vorläufigen Bewilligungen für diesen Zeitraum unter folgender Maßgabe endgültig festgesetzt werden:

aa) Der Beklagte gewährt zusätzliche Leistungen für die Unterkunft für Januar 2012 in Höhe von 110,56 EUR, für Februar 2012 in Höhe von 65,32 EUR und für März 2012 in Höhe von 400,00 EUR, im Übrigen bleiben die Leistungen für Unterkunft und Heizung unverändert wie vorläufig bewilligt, sofern nicht die Bedarfsgemeinschaft des Klägers höhere Aufwendungen nachweist.

bb) Hinsichtlich der Einkommensberechnung gelten die unter Ziffer 2.) des Vergleiches für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 vereinbarten Regelungen.

cc) Die Berücksichtigung der Kranken- und Pflegeversicherung findet wie unter Ziffer 2.) des Vergleiches für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2011 statt.

b) Der Rechtsstreit S ... wird übereinstimmend für insgesamt erledigt erklärt.

c) Folgende Widerspruchsverfahren werden für erledigt erklärt: W ..., W ..., W ..., W ..., W ..., W ..., W ..., W ..., W ...

4. Für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2013 legen die Beteiligten folgende Regelungen fest:

a) Der Beklagte berücksichtigt im Rahmen der Leistungsberechnung als zusätzliche Leistungen für Unterkunft einen monatlichen Betrag in Höhe von 350,40 EUR für den Austausch der Heizungsanlage im Jahr 2012, damit ist die Zuschusshöhe für den Austausch der Heizungsanlage ausgeschöpft, damit ist auch die Angemessenheitsgrenze für Instandhaltung und Reparatur für das Jahr 2013 ausgeschöpft.

b) Die gewöhnlich anfallenden Abschläge für die Kosten der Unterkunft und Heizung werden entsprechend nach nachgewiesener Fälligkeit berücksichtigt.

c) Hinsichtlich der Einkommensberechnung wird Folgendes vereinbart.

aa) Telefonkosten werden als betriebliche Ausgabe in Höhe des hälftigen tatsächlichen Betrages begrenzt auf den von dem Beklagten als Mindestbetrag vorgesehenen geringsten monatlichen Tarif anerkannt.

bb) Das Steuersparprogramm wird anstelle der Ausgaben für den Steuerberater als betriebliche Ausgabe anerkannt.

cc) Die weiteren Computerprogramme Virenschutz und Firewall werden ebenfalls als betriebliche Ausgabe anerkannt.

dd) Die Aufwendungen für die Mitarbeiterunfallversicherung ( ...) werden als betriebliche Ausgaben anerkannt.

ee) Aufwendungen für die Risikolebensversicherung ( ...) werden als Versicherungen der Altersvorsorge vom Einkommen abgesetzt.

ff) Aufwendungen für die Sterbegeldkasse fallen unter die Versicherungspauschale von monatlich 30,00 EUR.

d) Die Berücksichtigung der Kranken- und Pflegeversicherung findet wie unter Ziffer 2.) des Vergleichs für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2011 statt.

e) Die Beteiligten vereinbaren eine Bescheidung jeweils für sechs Monate statt wie bisher monatlich sowohl bei der vorläufigen als auch bei der endgültigen Bewilligung.

Nachfolgend setzte der Beklagte mit an beide Kläger gerichteten Bescheiden vom 16. Oktober 2013 die SGB II-Leistungen für die erste Jahreshälfte 2009 endgültig auf monatlich 153,66 EUR für die Klägerin und 153,67 EUR für den Kläger fest. Aufgrund des in geringerer Höhe zuerkannten Leistungsanspruchs machte er eine Erstattungsforderung von insgesamt 1.172,55 EUR gegen die Klägerin und von 2.301,30 EUR gegen den Kläger geltend. In der Begründung führte der Beklagte aus, das Einkommen des Klägers sei in nachgewiesener Höhe (Mediation vom 19. Dezember 2012) berücksichtigt worden. Die Überzahlung sei zu erstatten. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein und erklärten, eine Rückforderung dürfe wegen des Mediationsvergleichs nicht mehr geltend gemacht werden.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 25. Februar 2014 wies der Beklagte die Widersprüche der Kläger zurück und führte ergänzend aus, im Mediationsverfahren habe man sich über einzelne Regelungen zur Ermittlung des Einkommens geeinigt, die insbesondere die Berücksichtigungsfähigkeit von Ausgabenpositionen betroffen hätten. Diese Vereinbarungen seien im Rahmen der endgültigen Festsetzung sowohl bei der Einkommensermittlung als auch bei der Einkommensbereinigung eingehalten worden. Beispielsweise seien die im Rahmen der vorläufigen Leistungsgewährung bereits als Betriebsausgaben akzeptierten Fahrkosten nicht abgelehnt worden, obwohl der Kläger kein Fahrtenbuch geführt habe, und diese daher nicht als Betriebsausgabe berücksichtigungsfähig seien. Der Kläger habe einen durchschnittlichen Monatsgewinn von 1.565,40 EUR erzielt, von dem nach Bereinigung um die Freibeträge sowie um die Versicherungsbeiträge ein Betrag von 551,34 EUR monatlich auf den Bedarf anzurechnen sei.

Gegen die endgültige Festsetzung für das erste Halbjahr 2009 haben die Kläger am 24. März 2014 bei dem SG Klage erhoben (Az.: S 3 AS 720/14, Az. des Landessozialgerichts [LSG]: L 4 AS 642/16). Zur Begründung haben sie vorgetragen, der Beklagte sei nicht berechtigt, Rückzahlungen zu fordern. Denn im Mediationsverfahren habe man für das Jahr 2009 im Vergleich darauf verständigt, dass die endgültige Festsetzung nicht zu Lasten der Bedarfsgemeinschaft zu einer Erstattungsforderung führen werde. Dies bedeute, dass aus der endgültigen Festsetzung des Leistungsanspruchs keine Erstattungsforderung gegen sie resultieren dürfe. Die Argumentation des Beklagten, die Erstattungsforderung beruhe nicht auf einer Abänderung der Einkommensberechnung, sondern allein auf der Anrechnung der tatsächlichen Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit, sei nicht plausibel. Insoweit verkenne der Beklagte, dass im Vergleich nicht von einer Änderung der Einkommensberechnung, sondern von der endgültigen Festsetzung die Rede sei. Mit der Formulierung im Vergleich hätten nach der Vorstellung des ohne anwaltlichen Beistand im Mediationsverfahren agierenden Klägers Erstattungsforderungen in jedem Fall ausgeschlossen werden sollen. Diesbezüglich habe er sich ausdrücklich bei der Güterichterin rückversichert, dass er nun keine Rückforderung mehr zu erwarten habe. Die endgültige Festsetzung hätte daher aus seiner Sicht ggf. zu einer Erhöhung des Leistungsanspruchs, aber nicht zu einer Verringerung mit der Folge einer Rückzahlungsverpflichtung führen dürfen.

Für die zweite Jahreshälfte 2009 setzte der Beklagte mit weiteren Bescheiden vom 16. Oktober 2013 den Leistungsanspruch der Kläger auf Null fest. Da vorläufig 10,98 EUR monatlich für die Klägerin und 158,30 EUR monatlich für den Kläger bewilligt worden seien, ergebe sich ein Erstattungsbetrag von 65,88 EUR für die Klägerin und von 949,80 EUR für den Kläger. Die dagegen von den Klägern eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 25. Februar 2014 zurück und führte zur Begründung aus, der Kläger habe nach Abzug der Betriebsausgaben einen monatlichen Gewinn von 2.024,80 EUR erzielt. Nach Abzug der Freibeträge sowie der zu berücksichtigenden Versicherungsbeiträge ergebe sich ein anzurechnendes bereinigtes Einkommen von 1.010,74 EUR im Juli 2009 bzw. von 999,79 EUR in den übrigen Monaten des Bewilligungszeitraums. Dieses übersteige den monatlichen Gesamtbedarf der Kläger von 876,17 EUR, sodass kein Leistungsanspruch bestehe. Dagegen haben die Kläger ebenfalls am 24. März 2014 Klage beim SG erhoben (Az.: S ..., L ...).

Mit Bescheiden vom 26. Februar 2014 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch für die erste Jahreshälfte 2010 endgültig in Höhe von monatlich 9,29 EUR für jeden Kläger fest und forderte von der Klägerin eine Erstattung von 397,44 EUR sowie vom Kläger von 1.281,39 EUR. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 24. Juni 2014 zurück und führte aus, im streitigen Zeitraum ergebe sich ein monatlicher Gewinn von 1.971,20 EUR und nach Bereinigung ein anrechenbares Einkommen von 857,59 EUR. Der monatliche Bedarf betrage 876,17 EUR, sodass jeder Kläger einen Leistungsanspruch von 9,29 EUR habe. Die Klägerin sei mit 66,24 EUR monatlich und der Kläger mit 213,57 EUR überzahlt; diese Leistungen seien zu erstatten. Dagegen haben die Kläger am 21. Juli 2014 Klage beim SG erhoben (Az.: S ..., L ...).

Für die zweite Jahreshälfte 2010 setzte der Beklagte mit Bescheiden vom 26. Februar 2014 und Änderungsbescheiden vom 10. Juli 2014 den SGB II-Leistungsanspruch für die Klägerin auf 160,41 EUR für Juli 2010 und 166,39 EUR für die übrigen Monate des Bewilligungszeitraums und für den Kläger auf 160,42 EUR für Juli 2010 und 166,39 EUR für die übrigen Monate des Bewilligungszeitraums fest und forderte die Rückzahlung von 307,42 EUR durch die Klägerin sowie von 1.171,95 EUR durch den Kläger. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2014 zurück. Am 28. Juli 2014 haben die Kläger Klage erhoben (Az.: S ..., L ...).

Zu den gleichlautenden Klagebegründungen in den vier Verfahren hat der Beklagte ausgeführt, nach seiner Auffassung sei im Mediationsvergleich nicht ausdrücklich vereinbart worden, dass die endgültige Festsetzung nicht zu einer Erstattungsforderung führen werde. Es sei im Vergleich nur die Einkommensberechnung genannt worden, aber nicht die Einkommensanrechnung. Nur diese führe letztlich zu Erstattungen. Der Wortlaut des Vergleichs sei nicht eindeutig und daher auslegungsbedürftig. Er halte es daher für erforderlich, die Beteiligten des Mediationsverfahrens, die Güterichterin, seine Mitarbeiterinnen sowie den Kläger als Zeugen zu vernehmen.

In der mündlichen Verhandlung des SG am 16. September 2016 hat der Kläger zum Verlauf der Mediationsverhandlungen ausgeführt, sie hätten in der Verhandlung zunächst die streitigen Einzelpunkte geklärt; später sei der Vergleichstext entworfen worden. Er habe bei der Mediationsrichterin nachgefragt, was die einzelnen Regelungen bedeuteten, und sie habe ihm erläutert, dass er nichts nachzahlen müsse. Es seien lediglich Regelungen für die Zukunft zur Einkommensberechnung getroffen worden. Es sei beispielsweise geregelt worden, in welcher Höhe Telefonkosten als betriebliche Ausgabe anerkannt würden. Die als Zeugin vernommene Mitarbeiterin des Beklagten gab an, die beiden Verhandlungen hätten sehr lange gedauert. Bei den Streitpunkten mit den Klägern habe es sich im Laufe der Jahre immer um dieselben Details bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit gehandelt. Der Streit habe sich nach der Gesetzesänderung im Jahr 2008 verschärft, nachdem nicht mehr der Einkommensteuerbescheid maßgeblich gewesen sei, sondern der Beklagte über die Notwendigkeit der betrieblichen Ausgaben habe entscheiden müssen. Ziel der Mediation sei es gewesen, für die Zukunft die streitigen Ausgabenpositionen auf ihre generelle Berücksichtigungsfähigkeit und die konkrete Form der Berücksichtigung – bei den Betriebsausgaben oder bei der Einkommensbereinigung – zu klären. Zudem habe eine Art Vertrauensschutzregelung zur Diskussion gestanden. Alle Positionen, die der Beklagte bei der vorläufigen Leistungsbewilligung dem Grunde nach anerkannt habe, hätten auch bei der endgültigen Festsetzung Berücksichtigung finden sollen. Die Formulierungen im Vergleichstext habe sie gemeinsam mit der Richterin entworfen. Der Kläger sei die ganze Zeit dabei gewesen. Ihr sei klar gewesen, was sie habe regeln wollen. Da sie das Ergebnis der endgültigen Festsetzung des Leistungsanspruchs nicht habe vorhersehen können, habe sie auf keinen Fall auf eine Rückforderung verzichten wollen. Zu einem solchen Vergleich sei sie auch nicht befugt gewesen. Sie wisse nicht mehr, ob im Zeitpunkt der Güterichterverhandlung die Unterlagen über die tatsächlichen Einnahmen des Klägers bereits vorgelegen haben. Über die konkreten Einnahmen sei nicht gesprochen worden. Maßgeblich sei es darum gegangen, die Ausgaben, insbesondere die vielen Versicherungen, zu klären. Die Güterichterin habe sich zurückgehalten und keine rechtlichen Hinweise erteilt, obwohl sie sich dies gewünscht habe. Über die Vorgehensweise im Fall einer Rückforderung sei nicht gesprochen worden. Für sie sei klar gewesen, dass ein höherer Leistungsanspruch zu einer Nachzahlung an die Kläger hätte führen müssen und im umgekehrten Fall eine Überzahlung aber zu einer Erstattung durch die Kläger.

Mit Urteilen vom 16. September 2016 hat das SG die Erstattungsbescheide des Beklagten vom 16. Oktober 2013, 26. Februar 2014 sowie den Änderungsbescheid vom 10. Juli 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. Februar, 24. Juni und 15. Juli 2014 für die vier Bewilligungszeiträume aufgehoben. Zur Begründung der Entscheidungen hat das SG ausgeführt, grundsätzlich könne der Beklagte gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011 in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) einen Erstattungsanspruch gegen die Kläger geltend machen, wenn mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde, sodass nach Anrechnung der vorläufigen Leistungen eine Überzahlung verbleibe. In den vorliegenden Fällen stehe jedoch der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs der in der Güterichterverhandlung am 19. Dezember 2012 geschlossene gerichtliche Vergleich entgegen. Mit ihm hätten die Beteiligten einvernehmlich geregelt, dass hinsichtlich der Einkommensberechnung die endgültige Festsetzung nicht zu Lasten der Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu einer Erstattungsforderung führen werde. Diese Vereinbarung sei dahin auszulegen, dass sie die Geltendmachung einer Erstattungsforderung hindere. Der Vergleich sei ein öffentlichrechtlichen Vertrag im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 53 ff. Zehntes Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), für den materielles Recht gelte. Der Vergleich sei formal wirksam zustande gekommen. Mangels ausdrücklicher spezieller Regelungen seien für die Auslegung von öffentlichrechtlichen Verträgen gemäß § 61 Abs. 2 SGB X die zivilrechtlichen Rechtgrundsätze heranzuziehen. Danach sei eine objektiv normative Auslegung aus Sicht eines sorgfältigen Empfängers unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände des Einzelfalles geboten (sog. objektiver Empfängerhorizont, § 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Die Auslegung richte sich nicht nur nach dem wirklichen Willen eines Vertragspartners. Daher komme es nicht entscheidend darauf an, dass der Beklagte nach der glaubhaften Aussage der Zeugin mit dem Vergleich zu keinem Zeitpunkt auf die Möglichkeit der Geltendmachung einer Erstattungsforderung habe verzichten wollen. Nach Auffassung des SG könne die streitige Vertragsklausel von einem objektiven Dritten als Empfänger der Erklärung nur so verstanden werden, dass der Beklagte im Rahmen der Einkommensberechnung bei der endgültigen Festsetzung keine Erstattungsforderung gegen die Kläger geltend machen werde. Die Verwendung des Wortes "hinsichtlich" lasse die Geltendmachung einer Erstattungsforderung aus anderen Gründen als der Einkommenserzielung zulässig erscheinen. Mit dem Wort "insbesondere" werde die beispielhaft und nicht abschließend in die Aufzählung von Bestandteilen der Einkommensberechnung eingeleitet. Auch die Verwendung des Wortes "Einkommensberechnung" reiche als tatsächliche Grundlage für das Verständnis des Beklagten vom Inhalt der Klausel nicht aus. Denn es sei zu bezweifeln, ob einem objektiven Empfänger die rechtliche Unterscheidung zwischen Einkommensberechnung und anrechnung geläufig sei. Jedenfalls sei die Einkommensberechnung der Einkommensanrechnung zwingend vorgeschaltet. Daher lasse sich der Klausel kein Anhalt für die vom Beklagten gewollte Auslegung als Vertrauensschutzregelung (allein) für die im Rahmen der vorläufigen Bewilligung dem Grunde anerkannten Ausgabepositionen entnehmen. Eine Anfechtung des Vergleichs nach § 58 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 142 BGB wegen Irrtums, falscher Übermittlung oder arglistiger Täuschung komme nicht in Betracht und sei vom Beklagten auch nicht erklärt worden. Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X wegen einer maßgeblicher Änderung der Verhältnisse lägen nicht vor, weil es nach Abschluss des Vergleichs am 19. Dezember 2012 keine Änderungen gegeben habe. Damals hätten dem Beklagten die abschließenden Angaben und die Einkommensunterlagen des Klägers bereits vorgelegen. Der Vertrag sei auch nicht nach § 58 Abs. 1 SGB X nichtig. Er verstoße weder gegen ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB noch bestünden andere Anhaltspunkte für einen qualifizierten Rechtsverstoß. Dafür reiche ein Verstoß gegen Regelungen des SGB II nicht aus. Ein Verstoß gegen § 58 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 138 BGB sei nicht ersichtlich. Eine Nichtigkeit § 58 Abs. 2 SGB X ergebe sich auch nicht daraus, dass ein Verwaltungsakt einem entsprechenden Verzicht auf die Erstattungsforderung rechtswidrig wäre, da er nicht der Regelung des § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 SGB III entspreche. Denn die Rechtswidrigkeit eines entsprechenden Verwaltungsakts führe nur dann zur Nichtigkeit des Vertrags, wenn diese den Vertragsschließenden bekannt war (§ 58 Abs. 2 Nr. 2 SGB X). Mit dieser Regelung solle die Verbindlichkeit von Verträgen ausgeschlossen werden, bei denen die Vertragsparteien im bewussten und gewollten Zusammenwirken rechtswidrig einen bestimmten Erfolg herbeiführen wollten. Ein derartiges kollusives Zusammenwirken habe hier nicht stattgefunden.

Gegen die ihm am 10. Oktober 2016 zugestellten Urteile hat der Beklagte am 10. November 2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, seiner Ansicht nach stehe der in der Güteverhandlung geschlossene gerichtliche Vergleich der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht entgegen. Das SG habe sich bei der Auslegung der streitigen Klausel (2.a.bb.) auf deren Wortlaut und den daraus zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen beschränkt. Der Zweck der Regelung, die beiderseitige Interessenlage sowie die Begleitumstände hätten keine ausreichende Beachtung gefunden. Zweck der Mediation sei es gewesen, die streitigen Punkte bei der Einkommensberechnung aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu klären. Für bestimmte Ausgabepositionen habe geregelt werden sollen, ob und wie sie berücksichtigungsfähig seien. Zudem habe geklärt werden sollen, inwieweit der Kläger bei an sich nicht berücksichtigungsfähigen Aufwendungen Vertrauensschutz genieße, wenn diese bereits im Rahmen der vorläufigen Bewilligung berücksichtigt und damit dem Grunde nach anerkannt worden waren. Gegenstand der Verhandlung seien immer nur die geltend gemachten Ausgaben im Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit gewesen. Die Höhe der Einnahmen des Klägers habe in der Mediation keine Rolle gespielt. Die umfassende und abschließende Beurteilung des Leistungsanspruchs habe nach Abschluss der Mediationsvereinbarung erfolgen sollen. Es sei bei den Güteverhandlungen nicht bekannt gewesen, ob es im Ergebnis zu weiteren Leistungsansprüchen oder zu Überzahlungen kommen werde. Daher habe auch ein Verzicht auf die Geltendmachung von Erstattungsforderungen in unbekannter Höhe nicht geregelt werden können. Er bestreite, dass die Güterichterin dem Kläger auf seine Frage versichert habe, dass er nach einer endgültigen Festsetzung keine Erstattungen leisten müsse. Wenn dies gewollt gewesen wäre, hätte die Formulierung im Vergleich einfacher und eindeutiger gestaltet werden können. Insoweit halte der Beklagte eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch eine Zeugenvernehmung der Güterichterin für erforderlich.

Im Erörterungstermin mit der Berichterstatterin am 29. November 2018 hat der Beklagte weiter ausgeführt, Willenserklärungen seien nach Zweck, Interessenlage der Beteiligten und nach den sonstigen Umständen des Falles zu bewerten bzw. auszulegen. Lege man dies zugrunde, ergebe sich als Zweck der Mediationsvereinbarung eindeutig, dass es um eine Regelung für die Einkommensbereinigung gegangen sei. Die Höhe der Einnahmen oder Erstattungen seien nicht Thema der Güterichterverhandlungen gewesen. Im Erörterungstermin hat die Vertreterin des Beklagten ein Gedächtnisprotokoll der Güterichterin über den ersten Termin in der Mediationssache vorgelegt, um dieses in das Verfahren einzuführen. Die Berichterstatterin hat das Protokoll nicht entgegengenommen, sondern darauf hingewiesen, dass ein solches Protokoll, soweit es den Inhalt oder den Stand der Verhandlungen betreffe, zum vertraulichen Teil der Mediation gehöre. Es könne nur im Einvernehmen aller Beteiligten in die Berufungsverfahren eingeführt werden. Dazu hat der Kläger erklärt, er sei mit der Einführung des Protokolls in das Berufungsverfahren nicht einverstanden. Es handle sich allenfalls um ein Zwischenergebnis vom ersten Tag der Mediationsverhandlung, das nicht prägend für die gesamte Mediation gewesen sein müsse.

Der Beklagte beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 16. September 2016 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie führen aus, nicht nur sie, sondern auch ein objektiver Dritter habe nach dem Wortlaut des Vergleiches davon ausgehen müssen, dass der Beklagte im Rahmen der Einkommensberechnung bei der endgültigen Festsetzung der Leistungen keine Erstattungsforderung gegen sie geltend machen werde. Dies habe auch ihrer Intention entsprochen. Wenn nach den Ausführungen des Beklagten es alleiniger Gegenstand der Mediation gewesen sei, hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit der Betriebsausgaben dem Grunde nach eine Einigung zu erzielen, ergebe die streitgegenständliche Vereinbarung keinen Sinn. Dann hätte man in den Vergleich nur die Einzelpositionen der Betriebsausgaben und deren Behandlung aufzunehmen müssen. Stattdessen sei eine weit darüber hinaus gehende Vereinbarung geschlossen worden. Dies spreche gegen die Argumentation des Beklagten.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Berufungsverfahren L 4 AS 642/16, L ..., L ... und L ... zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen des Beklagten sind zulässig insbesondere form-und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie sind auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn der Gesamtbetrag der in jedem Verfahren streitigen Erstattungen, die die Beschwer des Beklagten ausmachen, übersteigt in jedem der jeweils sechsmonatigen Bewilligungszeiträume die Beschwerdewertgrenze von 750,00 EUR.

Gegenstand der Berufungsverfahren sind allein die vom Beklagten mit den angegriffenen Bescheiden geltend gemachten Erstattungsforderungen, die das SG mit den angegriffenen Urteilen aufgehoben hat. Maßgeblich geht es darum, ob die Regelungen des am 19. Dezember 2012 im Güterichterverfahren geschlossenen Vergleichs der Geltendmachung von Erstattungen entgegenstehen. Nicht streitgegenständlich im Berufungsverfahren sind die angegriffenen Bescheide, soweit der Beklagte mit ihnen abschließend über den Leistungsanspruch der Kläger entschieden hat. Denn die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung des SG allein die Aufhebung der Erstattungsbescheide beantragt und insoweit ihre zunächst umfassend erhobenen Anfechtungsklagen beschränkt.

Es bestehen keine prozessualen Hindernisse, die einer Sachentscheidung entgegenstehen. Zutreffende Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz SGG), die auf die Aufhebung der Erstattungsforderungen gerichtet ist.

Die Berufungen des Beklagten sind unbegründet. Die Urteile des SG sind nicht zu beanstanden. Denn der Beklagte kann gegen die Kläger für die streitbefangenen Zeiträume keine Erstattungsforderungen (mehr) geltend machen. Das SG hat die streitigen Erstattungsbescheide zu Recht aufgehoben.

Zunächst stehen den Klägern dem Grunde nach SGB II-Leistungen zu. Sie sind im hier streitigen Zeitraum von Januar 2009 bis zum Jahresende 2010 Berechtigte im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB II. Sie haben das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a noch nicht erreicht, haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, sind erwerbsfähig und insoweit hilfebedürftig, als sie ihren grundsicherungsrechtlichen Bedarf (überwiegend) nicht vollständig aus eigenem Einkommen und Vermögen decken können. Insoweit sind sie leistungsberechtigt nach dem SGB II im Umfang der vom Beklagten mit den angegriffenen Bescheiden bestandskräftig festgesetzten Leistungsansprüche.

Rechtsgrundlage für die vom Beklagten geltend gemachten Erstattungen gegen die Kläger ist § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III). § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ordnet die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften des SGB III über die vorläufige Entscheidung (§ 328 SGB III) an. Insoweit bestimmt § 328 Abs. 3 Satz 1 SGB II, dass aufgrund vorläufiger Entscheidung erbrachte Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen sind. Nach Satz 2 der Vorschrift sind die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Dem Grunde nach liegen die Vorsetzungen eines Erstattungsanspruchs hier vor. Denn der vom Beklagten in den einzelnen Monaten der streitigen vier Bewilligungszeiträume der Jahre 2009 und 2010 bestandskräftig festgesetzte endgültige Leistungsanspruch war jeweils geringer als die vorläufig gewährten Leistungen. Daher sind die Kläger grundsätzlich zur Erstattung der überzahlten Beträge gemäß § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III verpflichtet.

Indes steht im vorliegenden Fall der Geltendmachung der sich nach der endgültigen Leistungsfestsetzung ergebenden Erstattungsansprüche der in der Güteverhandlung am 19. Dezember 2012 geschlossene gerichtliche Vergleich entgegen, der seinem Inhalt nach Erstattungsforderungen des Beklagten gegen die Kläger (u.a.) für die Leistungsmonate der Jahre 2009 und 2010 ausschließt.

Wie bereits das Sozialgericht in den angegriffenen Urteilen zutreffend ausgeführt hat, ergibt die Auslegung des Vergleichs, dass der Beklagte jedenfalls für die hier streitgegenständlichen Jahre 2009 und 2010 nach der endgültigen Entscheidung über den Leistungsanspruch der Kläger nicht mehr berechtigt ist, von ihnen eine Erstattung zu fordern.

Ein Vergleich, der wie die vorliegende Vereinbarung im Mediationsverfahren gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 SGG geschlossen worden ist, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, ist grundsätzlich eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts richtet. Ein gerichtlicher Vergleich hat jedoch eine Doppelnatur. Er beinhaltet materiellrechtlich einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß § 54 Abs. 1 SGB X (vgl. Schmidt: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 101 RN 3; Engelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 54 RN 5a) Seine Wirksamkeit bemisst sich sowohl nach den Grundsätzen des Prozessrechts als auch nach den für öffentlich-rechtliche Verträge geltenden Regeln des materiellen Rechts. Daher gelten für die Auslegung eines Vergleichs dieselben Regeln wie für die Auslegung jedes anderen Vertrags, sodass auf die §§ 133,157 BGB zurückzugreifen ist.

Nach § 54 Abs. 1 SGB X liegt ein Vergleichsvertrag dann vor, wenn eine bei verständiger Würdigung der Sach- oder Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird. Eine Ungewissheit des Sachverhalts ist anzunehmen, wenn zumindest eine für die Sachentscheidung rechtserhebliche Tatsache zur Überzeugung der Behörde nicht festgestellt ist (vgl. Engelmann, a.a.O., RN 9). Die Ungewissheit muss bei verständiger Würdigung des Sachverhalts anzunehmen sein. Das Tatbestandsmerkmal erfordert damit eine gewisse Objektivierbarkeit der Ungewissheit. Der Abschluss eines Vergleichsvertrags ist auch dann möglich, wenn der Sachverhalt zwar feststeht, die Rechtslage aber bei verständiger Würdigung ungewiss ist (vgl. Engelmann, a.a.O., RN. 10). Davon kann insbesondere bei Zweifeln über die anzuwendenden Rechtssätze ausgegangen werden oder bei schwerwiegenden Auslegungsproblemen, die noch nicht durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt worden sind. Schließlich muss die Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt werden. Beide Vertragspartner müssen von ursprünglich angestrebten Positionen abrücken. Dabei ist es unschädlich, wenn beide Vertragspartner in unterschiedlichem Umfang nachgeben. Erforderlich ist jedoch, dass beide Beteiligte nachgeben (vgl. Engelmann, a.a.O., RN 11a).

Diese genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Zwischen den Beteiligten bestanden konträre Rechtsansichten zu mehreren Tatbestandsmerkmalen des von den Klägern geltend gemachten Leistungsanspruchs nach dem SGB II. Dieser betraf Art und Umfang der zu beanspruchenden Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (dort insbesondere die Fälligkeit von Aufwendungen bzw. die Berücksichtigungsfähigkeit von Instandhaltungsmaßnahmen und Kleinreparaturen). Bei der Anrechnung des Einkommens gab es aufgrund der selbständigen Tätigkeit des Klägers Unstimmigkeiten sowohl zu Art und Umfang der Nachweisführung (z.B. Fahrtenbuch) als auch zu fast allen geltend gemachten Betriebsausgaben, die die die Höhe der Aufwendungen sowie die betriebliche Notwendigkeit betrafen. Besonders umstritten war die Berücksichtigungsfähigkeit der Beiträge für die von den Klägern unterhaltenen Versicherungen. Der Streit betraf beispielsweise die Mitarbeiterunfallversicherung, die Risikolebensversicherung als Altersvorsorge sowie den Umfang der privaten (Kläger) bzw. der freiwilligen gesetzlichen (Klägerin) Krankenversicherung. Angesichts des Umfangs der Streitpunkte haben sich die Beteiligten im Erörterungstermin des SG am 31. August 2012 mit der Durchführung eines Güterichterverfahrens einverstanden erklärt – augenscheinlich, um zu einzelnen Streitpunkten oder auch insgesamt Einigungen herbeizuführen, damit die Leistungsgewährung nach dem SGB II einvernehmlich abgearbeitet werden konnte. Als Ergebnis der zweitägigen Güterichterverhandlung haben die Beteiligten am 19. Dezember 2012 einen umfangreichen Vergleich geschlossen, der die Leistungsgewährung für die Jahre 2008 bis 2012 betrifft, aber auch Regelungen für die Zukunft, das Jahr 2013, beinhaltet.

Die getroffenen Regelungen gehen über den Streitgegenstand der Verfahren hinaus, die Anlass waren für die Einleitung des Güterichterverfahrens. Mit dem abgeschlossenen Vergleich sollten bezüglich einer Vielzahl von Tatbestandsmerkmalen bestehende Unsicherheiten hinsichtlich der Tatsachen bzw. der Auslegung der Rechtslage geklärt werden, um dann in einem weiteren Schritt die Leistungsansprüche abschließend berechnen zu können. In diesem Zusammenhang haben beide Beteiligte nachgegeben. Die Kläger haben beispielsweise die Klage für das Jahr 2008, für das sie höhere Leistungen geltend gemacht haben, zurückgenommen, und sind von Forderungen hinsichtlich einzelner Positionen bei den Betriebsausgaben abgerückt. Der Beklagte seinerseits hat sich zu Berücksichtigung von Positionen verpflichtet, die er im Verwaltungsverfahren zuvor nicht anerkannt hatte (Instandhaltungsaufwendungen für das Eigenheim, Altersvorsorge des Klägers).

Insoweit handelt es sich dem Grunde nach um einen wirksamen Vergleichsvertrag, der auch zweckmäßig ist, um den Leistungsfall der Kläger für mehrere Jahre konsensual zu einem Ergebnis bzw. Abschluss zu führen. Durch den Abschluss des Vergleichsvertrags ist daher eine ungewisse Sach- und Rechtslage durch die getroffene Vereinbarung ersetzt worden.

Zu einer unmittelbaren Beendigung des Streits führt nur die Einigung für das Jahr 2008, für das die Kläger ihre Klage zurücknahmen. Im Übrigen wurden für die Jahre 2009 bis 2011 sowie gesondert für das Jahr 2012 Maßgaben für die endgültige Leistungsfestsetzung (2.a. bzw. 3.a.). vereinbart. Gemäß 2.a.aa. sollten die Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung unverändert bleiben wie vorläufig bewilligt. Gemeint ist mit dieser Formulierung offensichtlich, dass die im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung berücksichtigten Aufwendungen für die KdUH ohne Änderung auch bei der endgültigen Entscheidung berücksichtigt werden sollten. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten über die Auslegung kein Streit.

Nachfolgend wurde unter 2.a.bb. im Vergleich vereinbart, dass "hinsichtlich der Einkommensberechnung die endgültige Festsetzung nicht zu Lasten der Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu einer Erstattungsforderung führen" wird, "dies gilt insbesondere für die Fahrtkosten". Die Auslegung dieser Vergleichsregelung ist zwischen den Beteiligten umstritten. Die nachfolgenden Regelungen zu Telefonkosten (2.a.cc.), Kontoführungsgebühren (2.a.dd.), Steuersoftware und -beraterkosten (2.a.ee) sowie die sonstigen Regelungen insbesondere zu den zu berücksichtigenden Versicherungsbeiträgen sind eindeutig und zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

Allgemein gelten für die Auslegung der im Vergleichsvertrag getroffenen Vereinbarungen dieselben Regeln wie für jeden anderen Vertrag, sodass auf die § 133 und 157 BGB zurückzugreifen ist. Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Dabei ist gemäß § 133 BGB ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Willenserforschung sind insbesondere der mit der Absprache verfolgte Zweck und die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen. Dabei können auch Umstände außerhalb der eigentlichen Vertragsurkunde für die Auslegung zu berücksichtigen sein. Für die Erforschung des wirklichen Willens gilt, dass nicht der innere, sondern der bekundete Wille das Ziel der Auslegung bildet. Dabei geht die Objektivierung jedoch nicht so weit, dass darauf abzustellen wäre, welche Bedeutung eine Willenserklärung für jedermann, das heißt für einen beliebigen vernünftigen Teilnehmer am Rechtsverkehr, hat. Entscheidend ist vielmehr die Verständnismöglichkeit desjenigen, für den eine Willenserklärung bestimmt ist. Insoweit wird regelmäßig auf den Horizont des Erklärungsempfängers abgestellt. Daher ist bei der Auslegung der Erklärung darauf abzustellen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste. Maßgeblich ist demnach für die Auslegung vertraglicher Vereinbarungen in erster Linie der Wortlaut des Vertrags und der dem Vertrag zu entnehmende objektiv erklärte Wille oder im Fall einer planwidrigen Vertragslücke der objektiv zu ermittelnde hypothetische Wille der Vertragsparteien (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2017, Az. B 3 KR 31/15 R, juris).

Vorliegend war eindeutig das Ziel, zumindest eine Einigung hinsichtlich einzelner Tatbestandsmerkmale zur endgültigen Berechnung des Leistungsanspruchs der Kläger zu finden. In diesem Sinne sind die unter 2. des Vertragstexts getroffenen Regelungen für die Jahre 2009 bis 2011 als "Teilvereinbarungen" dafür anzusehen, wie der Leistungsanspruch nach der vorläufigen Bewilligung endgültig festgesetzt werden sollte. Nachdem die vorläufig berücksichtigten KdUH-Aufwendungen unverändert bleiben sollten (2.a.aa.), haben die Beteiligten unter 2.a.bb. vereinbart, dass die endgültige Festsetzung nicht zu einer Erstattungsforderung zu Lasten der Kläger führen soll. Nach dem Vertragstext bezieht sich dies auf die Einkommensberechnung.

Dem Wortlaut nach ist der Regelung in 2.a.bb. zu entnehmen, dass die endgültige Festsetzung so erfolgen sollte, dass sie (im Ergebnis) zu keiner Erstattungsforderung führt. Das heißt, im Rahmen der endgültigen Leistungsberechnung war ein anzurechnendes Einkommen des Klägers maximal in Höhe desjenigen Betrags zu berücksichtigen, der als Einkommen bei der vorläufigen Leistungsgewährung angerechnet worden war. Denn so war zu erreichen, dass das Ergebnis keine Erstattung zu Lasten der Kläger ist.

Vor dem Hintergrund, dass – wie unter 2.a.aa. vereinbart – die berücksichtigten Aufwendungen für die KdUH unverändert bleiben sollten, konnte sich nach der Vereinbarung im Vergleich auf der Grundlage des tatsächlichen Einkommens des Klägers, dessen Anrechenbarkeit durch die Bestimmung in 2.a.bb. tatsächlich gedeckelt war, keine Entscheidung zu Lasten der Kläger (in Form einer Erstattungsforderung), sondern allenfalls eine zu ihren Gunsten (im Sinne eines höheren Leistungsanspruchs) ergeben, wenn das anzurechnende Einkommen (für das unter 2.a.cc. und nachfolgend weitere Einzelregelungen getroffen worden) geringer war als bei der vorläufigen Leistungsbewährung berücksichtigt.

Diese Auslegung erscheint nach dem Wortlaut auf den ersten Blick eindeutig. Denn die Verwendung der Begriffe "endgültige Festsetzung" und "Erstattungsforderung" legen nahe, dass mit dieser Klausel das Endergebnis der endgültigen Leistungsfestsetzung in den Blick genommen, d.h. durch Maßgaben näher bestimmt, werden sollte. Im Ergebnis sollte aus dem Vergleich zwischen vorläufigen Leistungen und abschließender Feststellung des Leistungsanspruchs keine Erstattungsforderung resultieren. Dieses Verständnis der Regelung drängt sich dem unbefangenen Leser auf. Zu Zweifeln führt lediglich der Nachsatz, wonach dies, d.h. die vorstehende Regelung, insbesondere für die Fahrkosten gelten solle. Denn mit dieser Aussage schwenkt der Regelungsgehalt vom Endergebnis unvermittelt zurück auf eine Detailregelung zu den berücksichtigungsfähigen Betriebsausgaben, was aus sich heraus nicht verständlich ist. Dieser inhaltliche Bruch legt indes keine bestimmte andere Auslegung nahe.

Insbesondere führt er nicht zu der vom Beklagten vertretenen Auslegung des Vergleichs bzw. der Regelung in 2.a.bb.: Wenn die Beteiligten lediglich regeln wollten, dass die Einzelpositionen der berücksichtigungsfähigen Betriebsausgaben zumindest in der bei der vorläufigen Leistungsgewährung anerkannten Höhe auch bei der abschließenden Leistungsberechnung Berücksichtigung finden sollten, hätte man dies einfacher und klarer formulieren können und müssen. Tatsächlich ist sinngemäß ohne Einschränkung formuliert worden, dass die Anrechnung des tatsächlichen Einkommens nach der endgültigen Festsetzung nicht zu einer Erstattungsforderung gegen die Kläger führen werde.

Zwar passt der nachfolgende Satz "dies gilt insbesondere für die Fahrkosten" nicht zu der vorangegangenen (einschränkungslosen) Freistellung von Erstattungen, weil Fahrkosten üblicherweise nur einen von vielen Posten der Betriebsausgaben eines Selbständigen darstellen. Zudem wäre es angesichts der Bedeutung der Freistellung von Erstattungen zu erwarten gewesen, diese Regelung quasi vor die Klammer zu ziehen und nicht – relativ versteckt – unter 2.a.bb. in einer Reihe mit verschiedenen Betriebsausgaben wie Fahrkosten, Telefonkosten und Kontoführungsgebühren aufzuführen. Beides spricht aus der Sicht eines mit dem SGB II-Leistungsrecht vertrauten Juristen dafür, dass die von dem Beklagten befürwortete Auslegung als Regelung im Vergleich möglicherweise beabsichtigt war. Indes hat eine solche denkbare Regelungsabsicht im formulierten Vergleichstext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden. Nach den verwendeten Formulierungen kann ein unbefangener Dritter die Vergleichsvereinbarung nur so verstehen, dass es für die Kläger nach der endgültigen Festsetzung des Leistungsanspruchs nicht zu einer Verpflichtung zur Rückzahlung von vorläufig gewährten Leistungen kommen durfte.

Denn eine Auslegung in dem vom Beklagten gemeinten Sinne einer Festlegung von Mindestbeträgen bei den geltend gemachten Ausgabepositionen in Höhe der vorläufig berücksichtigten Beträge lässt sich dem Wortlaut des Vergleichs nicht ansatzweise entnehmen. Es ist daher ausgeschlossen, diesen als konsensualen Vergleichsinhalt zugrunde zu legen. Insoweit verfügt die für den Beklagten vergleichsschließende Juristin über einen anderen Empfängerhorizont als der Kläger, auch wenn sich dieser als Versicherungsfachmann in beachtlichem Umfang in das Leistungsrecht nach dem SGB II eingearbeitet hat.

Dem Beklagten ist zuzugestehen, dass seine Ausführungen zu der von ihm gewünschten Auslegung schlüssig sind und sinnvoll erscheinen. Indes lässt sich die beabsichtigte Schaffung einer begrenzten "Vertrauensschutzposition" für vorläufig berücksichtigte Betriebsausgaben dem Wortlaut der der Vergleichsregelung nicht entnehmen. Begriffe wie "Vertrauensschutz", "Mindestbetrag", "Betriebsausgaben" sind nicht verwendet worden. Anstatt dessen springen die (großen) abschließenden Begriffe für die Ergebnisse der Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II wie "endgültige Festsetzung" und "Erstattungsforderung" ins Auge, die sich gerade nicht auf Zwischenschritte der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit beziehen.

Zur Auslegung der streitigen Vergleichsformulierungen lässt sich auch keine planwidrige Vertragslücke feststellen, die im Wege der Auslegung zu schließen wäre. Denn eine ergänzende Vertragsauslegung muss sich im Rahmen der Vereinbarung halten; sie darf also den Vertragsgegenstand nicht erweitern und nicht zu einer freien richterlichen Rechtsschöpfung ausufern. Sie muss sich vielmehr zwingend und als selbstverständliche Folge aus dem Gesamtzusammenhang des Vereinbarten ergeben, sodass ohne die vorzunehmende Ergänzung das Ergebnis in einem offenbaren Widerspruch zu dem nach dem Inhalt des Vertrags tatsächlich Vereinbarten stehen würde. Zudem darf die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer wesentlichen Erweiterung des Vertragsinhalts führen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014, Az: XII ZR 111/12, juris).

Die danach erforderliche Regelungslücke ist nicht ersichtlich. Denn die unter 2.a.bb. geregelte Freistellung von Erstattungen ist in sich schlüssig und vollständig. Es ist nicht ersichtlich, dass insoweit eine (Teil-)Bestimmung fehlen könnte, die erforderlich ist, um den der Vereinbarung zugrundeliegenden Regelungsplan der Beteiligten zu verwirklichen. Aus Sicht der Kläger war – wie vorgetragen – die vergleichsweise Regelung vollständig und eindeutig. Aus ihrer Sicht fehlte in der Vereinbarung nichts.

Insoweit hat das SG in seinen Urteilen zutreffend ausgeführt, dass sich aus dem Vergleichstext kein Anhalt dafür ergibt, dass eine beschränkte Vertrauensschutzregelung hinsichtlich der im Rahmen der vorläufigen Bewilligung dem Grunde nach anerkannten Ausgabepositionen beabsichtigt war. Dazu ist der tatsächliche Wortlaut unter 2.a.bb. zu eindeutig und lässt keine Beschränkungen oder Vorbehalte erkennen, die es ermöglichen könnten, hinter dem Wortlaut (der eine Freistellung von Erstattungsforderungen beinhaltet) zurückzubleiben.

Maßgeblich ist dafür insbesondere, dass schon nach dem regulären Ablauf des Berechnungsverfahrens die Geltendmachung bzw. Bezifferung einer Erstattungsforderung erst erfolgen kann, wenn die endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs durchgeführt und abgeschlossen ist. Dieser Begriff gehört thematisch nicht in den Bereich der Einkommensberechnung und Einkommensbereinigung.

Andere Erkenntnismöglichkeiten zur Auslegung des Vergleichsinhalts stehen dem Senat nicht zur Verfügung. Insbesondere ist die vom Beklagten angeregte Vernehmung der Güterichterin als Zeugin oder die Einführung des von der Güterichterin gefertigten Gedächtnisprotokolls über den ersten Güterichtertermin nicht möglich. Beides verstieße gegen die Verschwiegenheitspflicht nach § 4 Mediationsgesetz. Danach sind der Mediator und die in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen zur Verschwiegenheit verpflichtet (Satz 1). Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihnen in Ausübung ihrer Tätigkeit bekannt geworden ist (Satz 2). Es liegt auch keine der in Satz 3 geregelten Ausnahmen vor. Die gesetzlich normierte Vertraulichkeit ist wichtig für die Offenheit des Gesprächs. Sie wird erreicht durch die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung, das grundsätzliche Unterbleiben einer Protokollführung über den Verlauf und die auch dem Prozessgericht gegenüber bestehende Verschwiegenheitspflicht des Güterichters nach § 46 Deutsches Richtergesetz mit einem korrespondierenden Zeugnisverweigerungsrecht (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, § 278 RN 30). Wird entgegen einer Vertraulichkeitsabrede vorgetragen, kann der Gegner hierzu unter Berufung auf die Vertraulichkeitsabrede die Einlassung verweigern, ohne dass eine Geständniswirkung eintritt. Dementsprechend ist zu vermeiden, dass schriftliche Unterlagen in die gerichtlichen Akten gelangen (vgl. Greger, a.a.O., RN 30a). Allein das Ergebnis der Güterrichterverhandlung – wie hier der abgeschlossene Vergleich – wird protokolliert.

Mithin ergibt sich aus dem Vergleich zugunsten der Kläger die wirksame Zusicherung des Beklagten, für die hier streitigen Bewilligungszeiträume keine Erstattungsforderungen geltend zu machen. Der Beklagte ist an diese Zusicherung gebunden, unabhängig davon, ob sich rechnerisch bei der endgültigen Entscheidung über den Leistungsanspruch tatsächlich ein Erstattungsanspruch zu Lasten der Kläger ergibt. Der wirksame Vergleichsvertrag ersetzt insoweit – im Hinblick auf eine Erstattungsforderung – die tatsächliche Rechtslage. Der Vertrag ist wirksam, auch wenn er möglicherweise rechtswidrig ist. Anhaltspunkte dafür, dass die vertragliche Regelung nichtig sein könnte (vgl. § 58 SGB X), sind nicht ersichtlich.

Soweit der Beklagte einwendet, seine Mitarbeiterin sei im Rahmen der Güteverhandlung nicht berechtigt gewesen, auf eine Erstattungsforderung zu verzichten, berührt dies die Gültigkeit und Rechtswirksamkeit der abgeschlossenen Vereinbarung nicht. Insoweit handelt es sich allenfalls um eine (verwaltungsinterne) binnenrechtliche Beschränkung, die übrigen Beteiligten am Güterichterverfahren weder kannten noch hätten erkennen können.

Das SG hat nach alledem zu Recht die angegriffenen Erstattungsbescheide aufgehoben. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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