L 8 SO 81/19 NZB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 SO 27/19
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 81/19 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Halle vom 1. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Zulassung ihrer Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle über die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII).

Der beklagte örtliche Sozialhilfeträger gewährt der am ... 1955 geborenen Klägerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII zur Abdeckung des das bereinigte Einkommen aus der Rente wegen voller Erwerbsminderung übersteigenden Bedarfs. Die Klägerin legte den zwischen ihr und einem Grundstücksverwalter, der auch unter dem Namen des Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren firmiert, im März 2017 geschlossenen Mietvertrag über eine Drei-Zimmer-Wohnung in H. mit einer Größe von 50,00 m² zu einer Grundmiete von 350,00 EUR und einer Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 137,08 EUR monatlich vor. Für den Zeitraum von September 2018 bis August 2019 erfolgte die Bewilligung mit Bescheid vom 31. August 2018 in Höhe von 709,67 EUR monatlich unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 446,93 EUR (hiervon 323,60 EUR für Grundmiete, 60,83 EUR für Heizkosten, 62,50 EUR für laufende Nebenkosten). In dem Bescheid wird ausgeführt, die Kosten der Unterkunft und Heizung seien nach Maßgabe der Richtlinie über die Kosten der Unterkunft und Heizung des Beklagten auf die Angemessenheit gekürzt worden. Der Betrag wurde ausgehend von dem Höchstbetrag der Tabellenwerte nach § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz (WoGG) mit einem Aufschlag von 10 Prozent für Grundmiete/Nebenkosten von 386,10 EUR angesetzt. Die Änderung mit Bescheid vom 5. Dezember 2018 berücksichtigt die Anpassung des Regelbedarfs ab Januar 2019 mit einer Bewilligung von insgesamt 717,67 EUR bei unveränderter Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung. Mit Schreiben vom 7. Februar 2019 teilte der Grundstücksverwalter dem Beklagten den Verzicht auf die den bewilligten Betrag übersteigende Gesamtmiete ab Januar 2019 mit.

Der Beklagte wies den nicht mit einer Begründung versehenen Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 31. August 2019 mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2019 als unbegründet zurück. Nachdem die Klägerin bis August 2018 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende) bezogen habe, sei davon auszugehen, dass ihr bereits im Rahmen der dortigen Hilfegewährung die Unterkunftskosten nicht in vollem Umfang gewährt worden seien. Ein Kostensenkungsverfahren sei nicht einzuleiten gewesen. Die Ermittlungen bei dem Jobcenter hätten ergeben, dass auch die dortigen Unterkunftskosten bereits auf die berücksichtigungsfähigen Angemessenheitsgrenzen gekürzt gewesen seien.

Das Klägerin hat am 4. März 2019 Klage vor dem Sozialgericht Halle erhoben, zunächst mit dem Begehren, den Bescheid vom 31. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2019 zu ändern und ihr für die in den Monaten September bis Dezember 2018 ungedeckten Mietkosten um 40,15 EUR monatlich höhere Leistungen (insgesamt 160,60 EUR) zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 9. September 2019 hat sie diesbezüglich geltend gemacht, es ergebe sich eine Differenz von mindestens 4,17 EUR monatlich unter Berücksichtigung des bundesweiten Heizkostenspiegels.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2019 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Die Mitteilung des Jobcenters über die Unangemessenheit der Kosten der Unterkunft wirke im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII fort. Eine erneute "Schonfrist" entspreche nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Höchstbeträge der Tabelle zu § 12 Abs. 1 WoGG mit einem "Sicherheitszuschlag" von 10 Prozent seien für Mieten einschließlich der Betriebskosten (sog. Bruttokaltmiete), hier nach der Mietenstufe II für H. mit 386,10 EUR monatlich, zu berücksichtigen gewesen. Dieser Betrag bilde die maßgebliche Obergrenze zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung ab. Auch hinsichtlich der Heizkosten seien keine Rechtsfehler erkennbar. Der Beklage habe den Heizkostenspiegel von 2017 für ein Objekt mit einer Gebäudefläche von 500 m² bei Beheizung mit Heizöl zugrunde gelegt. Danach ergäben sich die angemessenen Heizkosten von monatlich 60,83 EUR. Dem trügen die angefochtenen Bescheide des Beklagten für den streitbefangenen Zeitraum Rechnung.

Gegen das ihr am 14. Oktober 2019 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 14. November 2019 bei dem Sozialgericht eingegangenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung, die an das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt weitergeleitet worden ist. Zur Begründung ihres Rechtsmittels hat sich die Klägerin auf eine Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Sozialgerichts von Entscheidungen des 14. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) und des für Angelegenheiten der Grundsicherung zuständigen 4. Senats des Thüringer LSG gestützt. Nachfolgend hat sie mitgeteilt, die Beschwerde sei auch und gerade zur Weiterentwicklung des Rechts für die gleichlautende Vorschrift des SGB XII geboten.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 1. Oktober 2019 zuzulassen;

ihr Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt G., L., zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Berufung seien nicht erkennbar. Soweit sich die Klägerin auf eine Divergenz zu Entscheidungen des 14. Senats des BSG beziehe, gebe sie den Wortlaut des Urteils vom 12. Juni 2013 (- B 14 AS 60/12 R -, juris, RdNr. 25) unzutreffend wieder. Dieser Unterschied sei hier erheblich, weil zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen behördlichen Entscheidung vom 31. August 2018 nur der Heizkostenspiegel von 2017 veröffentlicht gewesen und der Heizkostenspiegel 2018 erst am 10. Oktober 2018 veröffentlicht worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten, welcher Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist, Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Halle vom 1. Oktober 2019 ist gemäß § 145 Abs. 1 SGG zulässig, aber nicht begründet.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist weder kraft Gesetzes zulässig, noch sind Zulassungsgründe gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG gegeben.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt, es sei denn, die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Zweifel daran, dass der Schwellenwert für eine kraft Gesetzes zulässige Berufung nicht erreicht ist, bestehen hier vor dem Hintergrund des Differenzbetrages zwischen den bewilligten und den begehrten Leistungen nicht.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Die Berufung ist nicht wegen einer Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen. Eine solche liegt nur vor, wenn das Sozialgericht eine Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, die von einem durch ein übergeordnetes Gericht in seiner Entscheidung aufgestellten tragenden abstrakten Rechtssatz abweicht und die Entscheidung des Sozialgerichts auf dieser Abweichung beruht, d.h. die Entscheidung des Sozialgerichts anders ausgefallen wäre, wenn die obergerichtliche Rechtsprechung beachtet worden wäre (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, a.a.O., § 144 RdNr. 30 unter Hinweis auf § 160 RdNr. 10 ff.). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass vor dem LSG Sachsen-Anhalt nicht die Divergenz von einer Entscheidung des Thüringer LSG gerügt werden kann. Im Übrigen können Entscheidungen zu anderen als den im konkreten Fall anzuwendenden Rechtsnormen nur dann eine Divergenz begründen, wenn die andere Rechtsnorm in ihrem Wortlaut im Wesentlichen und im Regelungsgehalt vollständig mit der Rechtsnorm übereinstimmt, die die Zulassungsfrage betrifft (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27. April 1993 - GmS OGB 1/92 -, BVerwGE 92, 367, 370ff). Das trifft in Bezug auf die Ermessensausübung bei von gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen betroffenen Menschen im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Regelungen in § 42 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 42 a SGB XII im Vergleich zu § 22 SGB II weder in Bezug auf Wortlaut noch Regelungsgehalt der Normen hinreichend zu. Das Sozialgericht hat im Übrigen keinen von der Rechtsprechung des LSG oder der obersten Gerichte abweichenden abstrakten Rechtsgrundsatz aufgestellt. Das Sozialgericht hat seine Entscheidung vielmehr ausdrücklich auf verschiedene Urteil des BSG gestützt, ohne eine hiervon abweichende Auffassung zu formulieren.

Die vorliegende Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einem Rechtsstreit nur zu, wenn von der Entscheidung der Rechtssache erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über ein bloß individuelles Interesse hinausgeht (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 144 RdNr. 28). Vorliegend vermag der Senat eine zu klärende Rechtsfrage im vorstehenden Sinne, die Auswirkungen auf den Klageerfolg haben könnte, nicht zu erkennen. Die Maßstäbe der Bemessung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ergeben sich für die im Sozialhilferecht sehr vielfältigen Einzelfälle insbesondere aus den detaillierten Regelungen in § 42 a SGB XII, wobei es sich bei der in der hier anzuwendenden, vom 1. Juli 2017 bis zum 5. Dezember 2019 geltenden Gesetzesfassung um in diversen Punkten bereits außer Kraft getretenes Recht handelt, dessen Auslegung regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung begründen kann. Für die Grundlagen der Auslegung des § 42 a Abs. 1 SGB XII findet sich in der Rechtsprechung zu § 35 SGB XII eine hinreichende Stütze.

Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist weder von der Klägerin gerügt worden noch für den Senat erkennbar.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Nach § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG wird das Urteil des SG mit der Ablehnung der Beschwerde durch das LSG rechtskräftig.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Es fehlt insoweit an der hinreichenden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels. Es kann damit dahinstehen, dass die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nicht eingereicht worden ist.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved