L 8 AY 8/20 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 34 SF 61/18 E
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 AY 8/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 22. März 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Vergütung des die Beschwerde führenden Rechtsanwaltes (im Weiteren: Bf.) im Rahmen der Prozesskostenhilfe streitig.

Der von dem Beschwerdeführer anwaltlich vertretene Kläger machte im Hauptsacheverfahren die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Zeitraum von Januar 2011 bis Juli 2012 geltend. Nachdem der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 5. November 2009 laufende Leistungen nach § 3 AsylbLG ab November 2009 "bis auf weiteres" mit dem Zusatz bewilligt hatte, die Beträge für die Folgemonate würden jeweils im Voraus an den Kläger überwiesen, solange sich dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse nicht änderten, berechnete er mit einem weiteren Bescheid vom 5. November 2009 "über die Änderung von laufenden Leistungen nach dem AsylbLG" die Leistungen für den Monat Dezember 2009 unter Berücksichtigung des vollen Leistungsmonats neu. Beide Bescheide sind mit der Rechtsbehelfsbelehrung über den jeweils möglichen Widerspruch versehen. Die Zahlungen erfolgten monatlich "postbar" bzw. durch Auszahlung am Kassenautomat.

Am 20. Juli 2012 legte der Kläger (in anwaltlicher Vertretung des Bf.) Widerspruch "gegen alle noch nicht bestandskräftigen Bescheide" des Beklagten über die Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG ein. Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt wies mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2014 den Widerspruch des Klägers als unzulässig zurück. Der Widerspruch vom 20. Juli 2012 sei nach Ablauf der Monatsfrist erhoben worden. Bei dem Bescheid vom 5. November 2009 handele es sich um einen bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

Mit seiner am 10. November 2014 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat der Kläger erstrebt, ihm "unter Aufhebung der Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2014" höhere Leistungen nach dem AsylbLG zu gewähren. Er hat gemeint, die von dem Beklagten vertretene Rechtsauffassung zur Bewilligung der Leistungen mit einem Dauerverwaltungsakt werde von den Behörden nicht umgesetzt. Alle Auszahlungen der Leistungen seien neue, konkludent ergangene Änderungsbescheide jeweils für den kommenden Bewilligungszeitraum, die hier zum Zeitpunkt des Widerspruchs nicht bestandskräftig gewesen seien.

Das Sozialgericht hat dem Kläger mit rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 6. August 2015 für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab dem 29. Juni 2015 bewilligt und ihm den Bf. zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts Dessau-Roßlau ansässigen Rechtsanwaltes beigeordnet.

Am 16. September 2016 hat der Bf. die Kostenerstattung in Höhe von insgesamt 844,04 EUR mit folgenden Positionen nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) beantragt:

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG

300,00 EUR

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG

280,00 EUR

Abwesenheitsgelder gemäß Nr. 7005VV RVG

40,00 EUR

Fahrtkosten (Rückfahrt) Nr. 7003 VV RVG

38,40 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Nettosumme

678,40 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

128,89 EUR

Deutsche Bahn (Hinfahrt) Nr. 7004 VV RVG

36,75 EUR

Zwischensumme

844,04 EUR

zu zahlender Betrag

844,04 EUR

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bei dem Sozialgericht hat am 20. September 2017 die Vergütung im Rahmen der Prozesskostenhilfe in Höhe von 142,80 EUR festgesetzt. Dem lagen eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 100,00 EUR, eine Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR und 19 Prozent Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG zugrunde. Mit PKH-Beschluss vom 6. August 2015 sei Prozesskostenhilfe ab dem 29. Juni 2015 bewilligt und damit ein konkreter Bewilligungszeitpunkt durch das Gericht mit konstitutiver Wirkung für die Kostenfestsetzung festgelegt worden. Auch aus § 48 Abs. 1 und 2 RVG folge, dass der Beschluss ausschließlich für in der Zukunft liegende Tätigkeiten wirke. Die vor dem 29. Juni 2015 angefallenen Tätigkeiten hätten damit im PKH-Festsetzungsverfahren unberücksichtigt bleiben. Damit seien insbesondere die Erhebung der Klage, die Akteneinsicht, die Klagebegründung mit Schriftsatz vom 6. Mai 2015 sowie die Wahrnehmung des Erörterungstermins am 15. Juni 2015 keine für die Entstehung bzw. Bestimmung der Gebühren maßgebenden Tätigkeiten. Daher könnten weder die Terminsgebühr noch die durch den Termin angefallenen Reisekosten (Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld) aus der Landeskasse erstattet werden. Im Bewilligungszeitraum - also ab dem 29. Juni 2015 - seien nur noch PKH-Unterlagen zur Akte gereicht worden. Sachdienliche Schriftsätze seien nicht mehr gefertigt worden. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien daher als deutlich unterdurchschnittlich einzuschätzen. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sei durchschnittlich gewesen, da es um höhere Leistungen nach dem AsylbLG gegangen sei. Unter weiterer Berücksichtigung der unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mandantschaft sei eine Verfahrensgebühr in Höhe von einem Drittel der Mittelgebühr, d.h. 100,00 EUR, angemessen.

Gegen diesen Beschluss hat der Bf. am 22. Februar 2018 Erinnerung eingelegt. Er hat sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass sämtliche von ihm angesetzten Gebühren im Bewilligungszeitraum der Prozesskostenhilfe entstanden seien. Der Zeitpunkt der Bewilligung sei insoweit nicht von Bedeutung.

Das Sozialgericht, hat zunächst die Erinnerung des Bf. mit Beschluss vom 12. Februar 2019 zurückgewiesen. Die Erinnerung sei in der Sache nicht begründet. Zutreffend habe der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in dem angegriffenen Beschluss vom 20. September 2017 auf § 48 Abs. 4 RVG abgestellt. Da Prozesskostenhilfe erst ab dem 29. Juni 2015 bewilligt worden sei, erstrecke sich die Beiordnung nur auf Tätigkeiten ab diesem Zeitpunkt. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren sei weit unterdurchschnittlich gewesen, weil nach dem 29. Juni 2015 ein Vortrag des Bf. zur Hauptsache oder ein Termin nicht mehr erfolgt sei. Auch die Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sei außerhalb des Zeitraumes, ab dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, erteilt worden. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei äußerst gering gewesen, zumal der der Bf. bereits vor dem 29. Juni 2015 für den Kläger in dieser Angelegenheit tätig gewesen sei. Die anwaltliche Tätigkeit habe sich in der Übersendung von Prozesskostenhilfeunterlagen erschöpft. Die Bedeutung des Klageverfahrens sei durchschnittlich gewesen. Einkommen und Vermögensverhältnisse des Klägers seien unterdurchschnittlich. Wegen der weit unterdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der durchschnittlichen Bedeutung und der unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers halte das Gericht die festgesetzte Gebühr für angemessen. Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG sei nicht entstanden, da der Erörterungstermin vor dem Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe durchgeführt worden sei. Im Übrigen werde auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss verwiesen, die sich das Gericht zu Eigen mache.

Gegen den dem Bf. am 14. Mai 2020 zugestellten Beschluss vom 22. März 2020 hat der Bf. am 28. Mai 2020 Beschwerde bei dem Sozialgericht eingelegt.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landessozialgericht vorgelegt.

Der Landeskasse ist rechtliches Gehör gewährt worden.

Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten aus dem Beschwerdeverfahren und dem Hauptsacheverfahren verwiesen.

II.

Der Berichterstatter hat als Einzelrichter entschieden, da die Rechtssache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 und 2 RVG).

Die Beschwerde des Bf. hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist gemäß § 1 Abs. 3 RVG i.V.m. §§ 56 Abs. 2 Satz1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Auf die von dem Bf. geltend gemachte Vergütung in Höhe von 844,04 EUR wurde eine solche in Höhe von 142,80 EUR festgesetzt. Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist eingelegt worden.

Nach § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Dabei bemessen sich die Rahmengebühren für die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten nach dem RVG. Die Höhe bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG.

Der Beschluss des Sozialgerichts vom 6. August 2015 ist sowohl in Bezug auf die vom Sozialgericht angenommene hinreichende Erfolgsaussicht der Klage, in Bezug auf den Zeitpunkt, ab dem die Bewilligung im Sinne des § 48 Abs. 1 und 4 RVG angeordnet wurde, als auch in Bezug auf die Beiordnung nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts Dessau-Roßlau ansässigen Rechtsanwaltes einer Überprüfung im Rechtsmittelzug entzogen. In Bezug auf die Frage der Bewilligungsvoraussetzungen und den Umfang der Beiordnung ist die Frist für eine Beschwerde abgelaufen, in Bezug auf den Zeitpunkt der Bewilligung ist für die Entscheidung eine Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a) Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, da die Entscheidung des Sozialgerichts insoweit an die Glaubhaftmachung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers angeknüpft hat.

Die Vergütungsfestsetzung des Sozialgerichts als zutreffend erweist. Auf die angefochtene Entscheidung wird nach § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG verwiesen.

In Bezug auf den Zeitpunkt, auf den die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zurückreichen sollte, ist hier entgegen der Auffassung des Bf. von einer wirksamen zeitlichen Festlegung im Sinne des § 48 Abs. 4 RVG in der ab dem 1. August 2013 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23. Juli 2013 (BGBl. I, S. 2586) auszugehen, wobei das Sozialgericht zu Gunsten des Klägers sogar vor den Zeitpunkt vor einer Bewilligungsreife zurückgegangen ist. Denn die Bewilligungsreife tritt erst mit dem Zeitpunkt ein, an dem insbesondere vollständige Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers vorliegen (vgl. z.B. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Februar 1988 - IX ZR 263/63 -, juris; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 8. Aufl. 2016, RdNr. 607; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG Kommentar, 23. Aufl. 2017, RdNr. 94). Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist bei dem Sozialgericht am 10. November 2014 ohne die amtlichen Vordrucke oder auch nur schriftsätzliche Informationen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers eingereicht worden. Die notwendigen Informationen sind auch in der Folgezeit nicht nachgeholt worden. Nur auf die Aufforderung des Sozialgerichts mit richterlichem Schreiben vom 8. Mai 2015 ist am 2. Juli 2015 ein Vordruck bei dem Sozialgericht eingereicht worden, der in Bezug auf die Einkommensverhältnisse nicht ausgefüllt und dem ein zur Glaubhaftmachung offenkundig ungeeigneter Bescheid über die Bewilligung von Leistungen vom 20. September 2012 beigefügt gewesen ist. Erst auf die weitere Nachfristsetzung bis zum 7. August 2015 mit richterlichem Schreiben vom 29. Juni 2015 ist am 5. August 2015 der Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG vom 3. August 2015 bei dem Sozialgericht eingereicht worden. Damit sind die Terminsgebühr, die Fahrtkosten und der darauf diese Vergütungsbestandteile anfallende Teil der Umsatzsteuer nicht bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen gewesen. Bezüglich der Fahrtkosten und der Abwesenheitsgelder ergibt sich dieses Ergebnis im Übrigen bereits aus der weiteren Einschränkung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts Dessau-Roßlau ansässigen Rechtsanwaltes.

Die umstrittene Frage, ob bei einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab einem Zeitpunkt nach Beginn des Hauptsacheverfahrens eine Aufteilung der Verfahrensgebühr vorzunehmen ist, muss hier nicht näher erörtert werden, weil in der Hauptsache hier Umfang, Schwierigkeit der Angelegenheit und Bedeutung für den Kläger als weit unterdurchschnittlich anzusehen sind. Einer Befassung mit den materiellen Rechtsfragen des AsylbLG stand bereits die offenkundige Verfristung des Widerspruchs entgegen. Die objektiv zu berücksichtigende anwaltliche Leistung bestand im vorliegenden Fall im Wesentlichen in dem Erkennen des Ablaufs der Monatsfrist für einen zulässigen Widerspruch im Sozialverwaltungsverfahren, auf den im Rahmen des Widerspruchsbescheides schon hingewiesen worden war.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

gez. Dr. Fischer

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Rechtskraft
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