Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 SO 132/14 (Sozialgericht Magdeburg)
Datum
-
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 32/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist (nur noch) der Erstattungsanspruch des Klägers für im Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 15. Juli 2015 für J. H. (im weiteren J.) erbrachte Sozialhilfeleistungen i.H.v. von 511.676,13 EUR. Der aufgrund der für den Zwillingsbruder J. H. (im Weiteren: J.) aufgewendeten Kosten geltend gemachte Erstattungsanspruch des Klägers ist Gegenstand des Berufungsverfahrens L 8 SO 57/17, von dem dieses Verfahren abgetrennt worden ist.
J. wurde - ebenso wie J. - am 30. Januar 1991 in der Kinderklinik in M. geboren. Die am 21. April 1974 geborene und damit im Zeitpunkt der Geburt minderjährige Mutter verließ - ausweislich des Berichtes des Jugendamtes beim Landratsamt S. vom 1. Juli 1993 - die Geburtsklinik und kümmerte sich um beide Kinder nicht. Sie habe zunächst die Absicht gehabt, die Zwillinge zur Adoption freizugeben, dann jedoch die entsprechende Einverständniserklärung nicht unterzeichnet. Das Jugendamt S. sei zum Vormund für die Kinder bestellt worden, da die Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt (im Weiteren: gA) "im hiesigen Zuständigkeitsbereich" gehabt habe. Die Mutter war bis zum 18. Februar 1991 mit ihrem Hauptwohnsitz in Z. und mit einem Nebenwohnsitz in S. (jeweils im Landkreis S.) gemeldet und hatte ab dem 19. Februar 1991 ihren Wohnsitz in O. angemeldet. Der Vater von J. (und J.) konnte nicht ermittelt werden.
J. (und J.) leiden seit der Geburt an einer progressiven Muskeldystrophie Duchenne vom Beckengürteltyp und mussten bis zum 22. Januar 1992 in der Uniklinik M. stationär behandelt werden. Vom 23. Januar 1992 bis zum 6. Mai 1993 lebten sie zunächst in einer Pflegefamilie im Landkreis A ... Währenddessen war ab März 1993 das Kreisjugendamt A. zum Vormund bestellt. Aufgrund der Trennung der Pflegeeltern wurden die Zwillinge vom 7. Mai 1993 an im Kinderheim B. in U. (Bayern) untergebracht. Die Kosten für die Unterbringung übernahm zunächst das Jugendamt O ... Dieses beantragte aufgrund des zunehmenden Krankheitsfortschritts bei beiden Kindern im August 1997 Leistungen von Hilfen gemäß §§ 39, 100 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) beim Bezirk S., der diesen Antrag an den Landkreis S. weiterleitete. Dieser anerkannte unter dem 6. April 1998 seine örtliche Zuständigkeit gemäß § 97 BSHG. Da beide Kinder seit ihrer Geburt ohne Unterbrechung in verschiedenen Einrichtungen untergebracht worden seien und damit keinen eigenen gA hätten begründen können, sei maßgeblich der gA der Mutter vor ihrem Eintritt in die Einrichtung, in der die Kinder geboren worden seien. Unter dem 26. Februar 1999 folgte - nach der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit - das Kostenanerkenntnis für J. (und J.) gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG ausgehend vom Leitsyndrom der körperlichen Behinderung im Hinblick auf Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG für den Zeitraum vom 1. April 1997 bis zum 31. August 2005 im Kinderheim B. in U ... Aufgrund der weiter fortschreitenden Muskelerkrankung wurden J. (und J.) ab dem 24. September 2001 im D.-R.-W. (Wohnheim für Menschen mit Behinderungen) in U. aufgenommen. Der Landkreis S. gab insoweit ab dem 24. September 2001 bis auf weiteres ein Kostenanerkenntnis gemäß § 100 Abs.1 Nr. 1 i.V.m. §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG ab. Der Kläger anerkannte seine sachliche Zuständigkeit als überörtlicher Träger der Sozialhilfe ab dem 1. April 1997 fortlaufend an.
Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres wurde für J. vom Vormundschaftsgericht eine Betreuung eingerichtet; ab dem 5. Mai 2010 wurde zur Betreuerin H. mit den Aufgabenkreisen Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrages, Aufenthaltsbestimmung, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und Renten- und Sozialleistungsträgern, bestellt (Amtsgericht M. - Abteilung für Betreuungssachen - Az: 702 XVII 6788/09 -).
Ausweislich des Befundberichtes von Dr. Dr. S. vom 26. November 2008, der J. seit Januar 2001 kontinuierlich hausärztlich betreute, liege bei diesem neben der gesicherten progressiven Muskeldystrophie Duchenne vom Beckengürteltyp eine leichte Intelligenzminderung im Grenzbereich zwischen Lernbehinderung und geistiger Behinderung vor. Durch das Fortschreiten der Grunderkrankung sei J. zwischenzeitlich durchgehend rollstuhlpflichtig geworden und könne auch abgestützt nicht mehr gehen oder stehen. Zusätzlich komme es zu einem Ausgreifen der myopathischen Lähmungen auf die Bauch-, Oberkörper- und Armmuskulatur, die zwischenzeitlich zu einer zunehmenden Verformung von Wirbelsäule und knöchernem Thorax geführt und auch die Atemkapazität eingeschränkt hätten. J. könne zwischenzeitlich seine Arme bis auf minimale Unterarm- und Handhebung nicht mehr bewegen, sodass er in allen Belangen des täglichen Lebens versorgt werden müsse.
Ab dem 3. August 2009 wurde J. in das von der Stiftung P., M. (im Weiteren: P.), betriebene Wohnheim und die Werkstatt für Behinderte Menschen (WfbM) aufgenommen. Er wurde im Wohnheim in einer stationären Wohngruppe betreut. In der WfbM durchlief er zunächst das Eingangsverfahren sowie nachfolgend den Grund- und Aufbaukurs im Berufsbildungsbereich bis zum 2. November 2011. Die Agentur für Arbeit übernahm im vorgenannten Zeitraum sowohl die Kosten für die Wohnunterbringung als auch die Kosten im Bereich der Arbeit/Ausbildung für J ...
Ausweislich der Vereinbarung gemäß §§ 75 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) vom 30. Juni 2008 zwischen der P. und dem Beklagten wurde für die vollstationäre Einrichtung P. (Wohnheim für WfbM-Beschäftigte) - Leistungstyp W-E-K-Wohnen ohne Tagesbetreuung für körperlich behinderte Erwachsene - eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2009 abgeschlossen. Die Gesamtvergütung für die Hilfebedarfsgruppe 4 (HBGr 4), in die J. eingruppiert worden war, betrug 178,81 EUR pro Tag, die Bekleidungspauschale monatlich 28,50 EUR. Vom 1. Juli 2012 an betrug die Gesamtvergütung in der HBGr 4 182,84 EUR. Die Bekleidungspauschale änderte sich nicht. Mit der zwischen dem Träger der P., der VUB V.- und B. für B. mbH (im Weiteren: VUB) und dem Beklagten für die WfbM geschlossenen Leistungsvereinbarung wurde ab dem 1. Januar 2011 eine Gesamtvergütung in der Gruppe 2, in die J. eingruppiert worden war, i.H.v. 54,08 EUR vereinbart; ab dem 1. Mai 2012 wurde J. in die HBG 2c eingruppiert; der Tagessatz betrug 72,43 EUR. Wegen der Einzelheiten und der weiteren Anpassungen der Tagessätze wird u.a. auf Blatt 7, 8, 60, 105 und 115 der Verwaltungsakte des Klägers Band V Bezug genommen.
Die Pflegekasse bewilligte J. Leistungen der Pflege in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe zunächst nach der Pflegestufe II und ab Oktober 2014 nach der Pflegestufe III (256,00 EUR monatlich). Bei J. sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG", "B" und "H" anerkannt.
Auf den von der Betreuerin von J. am 7. September 2011 mit Schriftsatz vom 6. September 2011 gestellten Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe zur Übernahme der Wohn- und Betreuungskosten ab dem 3. November 2011, dem Tag des Wegfalls der Leistungen der Agentur für Arbeit, gewährte der - nach der Kreisgebietsreform zum 1. Juli 2007 durch die Zusammenlegung mehrerer Landkreise, u.a. des Landkreises S., gebildete - S. im Namen des Klägers mit Bescheid vom 29. November 2011 Eingliederungshilfe gemäß §§ 53, 54 SGB XII in Form von Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX - in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) i.V.m. § 92 SGB XII in der Einrichtung WKM, Werkstatt für Körperbehinderte, B., M. (im Weiteren: WKM), für den Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 31. Oktober 2016. Der Tagessatz betrage derzeit 54,08 EUR. Über die Höhe des zu leistenden Kostenbeitrages nach § 92 SGB XII werde ein gesonderter Bescheid erteilt. Unter dem 29. November 2011 informierte der Salzlandkreis die WKM über das erteilte Kostenanerkenntnis.
Mit den Bescheiden vom 9. Dezember 2011 bewilligte der S. im Namen des Klägers J. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich eines Barbetrages und Bekleidungshilfen sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in der Einrichtung P. für den Zeitraum vom 3. November bis zum 31. Dezember 2011 i.H.v. monatlich 4.601,64 EUR (anteilig 4.113,99 EUR) und vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Oktober 2013 i.H.v. 4.592,28 EUR. Zur Deckung der Kosten des Heimaufenthaltes werde ein Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 218,07 EUR bzw. 217,14 EUR verlangt. Unter dem 9. Dezember 2011 informierte der S. die P. über das erteilte Kostenanerkenntnis. Die vereinbarte Vergütung in Höhe von 178,81 EUR werde anerkannt.
Auf die an die - weiterhin in O. wohnhafte - Mutter von J. gerichtete Rechtswahrungsanzeige des S. vom 25. Januar 2012 über die ab dem 3. November 2011 bewilligten Leistungen und den Anspruchsübergang für die gewährte Eingliederungshilfe und die Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 94 Abs. 4 SGB XII erfolgte keine Reaktion, insbesondere kein Zahlungseingang.
Der Salzlandkreis teilte der Betreuerin von J. im Namen des Klägers unter dem 29. Februar 2012 und 8. April 2013 jeweils mit, dass nach der Prüfung der eingereichten Unterlagen der Einsatz von Vermögen über der Vermögensfreigrenze gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sowie der Einsatz von Einkünften aus Kapitalvermögen (Zinsen) gemäß § 82 SGB XII entfalle.
Aufgrund des bei der Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse H. - gestellten Antrags des S. auf Abzweigung des Kindergeldes und der mit Bescheid vom 21. März 2012 bewilligten Nachzahlung im Zeitraum von Dezember 2011 bis März 2012 setzte der S. mit Bescheid vom 23. April 2012 das von J. hinzusetzende Einkommen, d.h. das anteilige Kindergeld, mit 184,43 EUR vom 3. November 2011 bis zum 16. Mai 2012 zur Deckung der Heimkosten fest.
Nachdem der Beklagte - aufgrund der bei ihm gestellten und nicht weitergeleiteten Anträge - J. mit den Bescheiden vom 10. Februar und 25. Oktober 2011 vorläufig für die Zeit vom 18. Mai 2010 bis zum 31. Oktober 2012 Mobilitätshilfe für schwer behinderte Menschen als ambulante Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Rahmen der Eingliederungshilfe in Höhe von monatlich 80,00 EUR - ohne Eigenbeteiligung aus Einkommen sowie Vermögenseinsatz - bewilligt hatte, beantragte der Beklagte beim S. unter Bezugnahme auf eine - nicht aktenkundige - Zusage per E-Mail vom 14. Februar 2012, die Kosten der Mobilitätshilfe für den Zeitraum von November 2011 bis Oktober 2012 zu erstatten und bat um Überweisung von 960,00 EUR. Ausweislich der E-Mail vom 29. Oktober 2012 sind die Beträge vom Kläger antragsgemäß erstattet worden. Gleichzeitig leitete der Beklagte den Antrag von J. auf Gewährung dieser Mobilitätshilfe ab dem 1. November 2012 an den Kläger weiter. Mit Bescheid vom 9. November 2012 bewilligte daraufhin der S. im Namen des Klägers für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 31. Oktober 2013 die vorgenannte Mobilitätshilfe i.H.v. 80,00 EUR monatlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. März 2014 wies das Sozialgericht M. die Klage des Bezirks O., des Beklagten im anhängigen Berufungsverfahren, gegen den S. auf Erstattung der vom 1. Juli 2010 bis zum 31. Oktober 2011 für J. geleisteten Mobilitätshilfe i.H.v. insgesamt 1.280,00 EUR (16 Monate à 80,00 EUR) rechtskräftig ab (S 22 SO 481/12). Der Bezirk O. habe weder gegen den S. noch gegen das dort beigeladene Land S., den Kläger im anhängigen Berufungsverfahren, einen Anspruch auf Kostenerstattung. Der Bezirk O. sei für den gesamten Zeitraum, für den er Kostenerstattung gefordert habe, der erstangegangene Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX gewesen. Die an ihn gerichteten Anträge des Leistungsberechtigten vom 17. Mai 2010 und vom 10. Juli 2011 habe dieser erst nach Ablauf der Frist des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX an den S. weitergeleitet. Der Bezirk O. habe seine Klage weder auf § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) noch auf § 105 SGB X stützen können. Denn er habe seine Zuständigkeit prüfen und innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist an den zuständigen Träger weiterleiten können. Sofern er nach Aktenlage seine Unzuständigkeit angenommen, aber dennoch den Antrag nicht weitergeleitet, sondern die beantragten Leistungen erbracht habe, sei ein Erstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Jedenfalls scheitere der Erstattungsanspruch an der in § 110 Abs. 2 SGB XII vorgeschriebenen Bagatellgrenze. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 182 bis 188 der Verwaltungsakte des Beklagten Band 1 verwiesen.
Bereits mit Schreiben vom 23. Juli 2012 hatte sich der S. an den Beklagten gewandt und für den Leistungsberechtigten J. (ebenso wie für J.) im Namen des Klägers Kostenerstattung nach §§ 102, 105 SGB X sowie die Übernahme des Hilfefalls in die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Beklagten beantragt. Bisher sei die örtliche Zuständigkeit des S. für die stationäre Leistungsgewährung als "völlig unstreitig" angesehen worden. Nach Kenntnis eines aktuelleren Urteils des S. Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom 25. April 2008 (1 A 93/08) bestünden an der Rechtsauffassung, die zur Anerkennung der örtlichen Zuständigkeit für die stationäre Leistung geführt habe, nunmehr erhebliche Zweifel. Im vorgenannten Urteil sei festgestellt worden, dass ein gA eines Neugeborenen bei einem Elternteil auch begründet werde, soweit dieses nach der Geburt zunächst in der Klinik verbleibe. Etwas Anderes gelte jedoch in den Ausnahmefällen, in denen die Haltung der Eltern zu ihrem Kind von vornherein durch Ablehnung oder ausgeprägtes Desinteresse gekennzeichnet sei oder in denen aufgrund sonstiger Umstände schon zum Zeitpunkt der Geburt feststehe, dass die Personensorgeberechtigten das Neugeborene nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nicht zu sich nehmen würden. Ein dementsprechend atypischer Fall liege bei J. (und J.) vor. Ein gA sei für die Zwillinge nie begründet worden, vorliegend also überhaupt nicht vorhanden. In diesem Fall sei der nach § 98 Abs. 1 SGB XII vorgesehene Träger für die Leistungserbringung zuständig. Da sich J. tatsächlich im Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufhalte, werde die Übernahme des Leistungsfalls beantragt und bis zu einer Entscheidung würden Leistungen lediglich vorläufig gemäß § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) weiter erbracht. Gleichzeitig werde die Erstattung der Aufwendungen für J. beginnend ab dem 3. November 2011 für die stationäre und die teilstationäre Eingliederungshilfe beantragt.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2013 lehnte der Beklagte den "Antrag auf Kostenerstattung nach §§ 102, 105 SGB X" ab. Der Kläger sei gemäß § 98 Abs. 2 S. 4 i.V.m. Abs. 2 S. 2 SGB XII örtlich zuständig. Der Verweis auf das Urteil des Sächsischen OVG vom 25. April 2008 greife nicht, da sich dieses Urteil mit der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe - SGB VIII) befasse, der die örtliche Zuständigkeit für Jugendhilfeleistungen an Kinder und Jugendliche regele und dabei je nach Lebenssituation im Wesentlichen an den gA der Eltern oder der Mutter/des Vaters oder des Kindes/des Jugendlichen oder an dessen tatsächlichen Aufenthalt anknüpfe. Eine § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII entsprechende Regelung zur örtlichen Zuständigkeit bei Geburten einer Einrichtung enthalte § 86 SGB VIII nicht, sodass die vorgenannte Entscheidung nicht auf § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII übertragen werden könne. Bei einer Anstaltsgeburt bleibe der gA der Mutter für die örtliche Zuständigkeit auch langfristig (für künftige stationäre Aufenthalte) maßgeblich. Bei Einrichtungswechseln müsse ein Übertritt nach § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII gegeben sein (Hinweis auf Urteil des Hamburgischen OVG vom 1. September 2005 - 4 Bf 441/01 -). Damit könnten aber nur Fälle gemeint sein, in denen eine Rückkehr zur Mutter nach der Geburt in der Einrichtung nicht gewollt oder nicht möglich sei. Dementsprechend habe das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII in einem Fall für anwendbar erachtet, in dem von vornherein feststand, dass das Kind nicht bei seinen Eltern leben könne (Urteil vom 14. Februar 2011 - L 20 SO 110/08 -).
Mit Schreiben vom 5. Februar 2013 teilte der Kläger dem Beklagten mit, an seinem Kostenerstattungsanspruch festzuhalten und bezifferte diesen mit dem Schreiben vom 7. Mai 2013 unter Beifügung der tabellarisch aufgelisteten für J. gezahlten Leistungen im Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 31. Dezember 2012 mit 155.476,41 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 157 der Verwaltungsakte des Klägers Bezug genommen.
Unter dem 27. September 2013 und dem 18. August 2014 beantragte J. beim S. - jeweils unter Hinweis darauf, dass sich keine Veränderungen ergeben hätten - formlos die Weiterbewilligung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich Barbetrag und Bekleidungshilfe sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und Mobilitätshilfe jeweils über den 31. Oktober 2013 bzw. 31. Oktober 2014 hinaus. Daraufhin bewilligte der S. im Namen des Klägers mit den Bescheiden vom 25. November 2013 bzw. 28. Oktober 2014 vorläufig gemäß § 43 SGB I Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich des Barbetrages und Bekleidungshilfen und Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in der Einrichtung P. sowie Mobilitätshilfe jeweils vom 1. November bis zum 31. Oktober 2014 bzw. bis zum 31. Oktober 2015. Die Vorläufigkeit der Leistung begründe sich damit, dass derzeit zwischen zwei Leistungsträgern streitig sei, wer zur Leistung verpflichtet sei.
Mit Schreiben vom 21. Januar 2014 bezifferte der Kläger gegenüber dem Beklagten den geltend gemachten Erstattungsanspruch unter Hinweis auf tabellarische Übersichten für die im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2013 gezahlten Leistungen für J. für das Wohnheim (Ausgaben: Pflegesatz, Barbetrag, Bekleidung; Einnahmen: Pflegekasse, Kindergeld), die Werkstatt und die Mobilitätshilfe i.H.v. 140.022,51 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 282 und 283 der Verwaltungsakte des Klägers Bezug genommen.
Im Juni 2015 teilte J. mit, zu beabsichtigen in eine Wohnung einzuziehen und sich dort von einem ambulanten Pflegedienst pflegen zu lassen, und beantragte formlos unter dem 10. Juni 2015 beim S. u.a. die Übernahme der nicht durch Pflegeleistungen der AOK gedeckten Pflegekosten, Umzugs-, Miet- und Mietnebenkosten, der Kaution sowie der Hilfe zum Lebensunterhalt. Er werde weiterhin in der WKM beschäftigt bleiben. Wegen des bekannten Zuständigkeitsstreits beantrage er, die Leistungen gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 SGB I vorläufig zu gewähren.
J. zog zum 15. Juli 2015 in eine eigene Wohnung mit ambulanter Pflegeversorgung in M ...
Der S. bewilligte J. mit den Bescheiden vom 22. Juni 2015 - jeweils im Namen des Klägers vorläufig gemäß § 43 SGB I - eine einmalige Beihilfe zur Erstausstattung einer Wohnung i.H.v. 1.010,00 EUR sowie ein Darlehen zur Begleichung der Mietkaution i.H.v. 2.487,23 EUR. Mit Bescheid vom 25. Juni 2015 bewilligte er zudem im Namen des Klägers eine Umzugsbeihilfe der Umzugskategorie C. Die Umzugskosten beliefen sich ausweislich der Rechnung vom 16. Juli 2015 auf 396,27 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 267 der Verwaltungsakte des Klägers Bezug genommen. Der S. hob zudem das Kostenanerkenntnis vom 28. Oktober 2014 über die Gewährung von stationärer Eingliederungshilfe zum 1. Juli 2015 wegen des Verlassens der stationären Wohnform und des Bezugs einer Wohnung in M. im Namen des Klägers auf (Bescheid vom 10. Juli 2015). Ferner bewilligte der S. J. mit Bescheid vom 27. Juli 2015 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 15. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016. Die Leistungen würden vorläufig erbracht, da zwischen mehreren Leistungsträgern strittig sei, wer zur Leistung verpflichtet sei. Der S. habe als zuerst angegangener Leistungsträger die beantragten Leistungen vorläufig erbracht. Die Erstattung werde gegenüber der Stadt M. geltend gemacht.
Bereits am 21. Oktober 2014 hat der Kläger beim Sozialgericht M. Klage mit dem Ziel der Verurteilung des Beklagten zur Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen für J. (und J.) ab dem 3. November 2011 erhoben (S 16 SO 132/14). Ihm stehe auf der Grundlage von § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zu. Er habe dem Leistungsberechtigten die notwendige Hilfe nicht bewusst als unzuständiger Leistungsträger erbracht, sondern sei zunächst davon ausgegangen, der zuständige Leistungsträger zu sein. Erst aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) mit Urteil vom 26. September 2002 - 5 C 46.01 - sei ihm bekannt geworden, dass die Begründung eines gA eines minderjährigen Kindes eine tatsächliche Aufenthaltsnahme voraussetze. Hier habe der Leistungsberechtigte zu keiner Zeit im elterlichen Haushalt gelebt. Ein gA sei somit nicht begründet worden, da J. sich seit seiner Geburt ununterbrochen in Kliniken, bei einer Pflegefamilie und in stationären Einrichtungen aufgehalten habe. Aufgrund der geänderten Rechtsauffassung habe sich die örtliche Zuständigkeit geändert. Da kein gA durch den Leistungsberechtigten begründet worden sei, richte sich die örtliche Zuständigkeit nunmehr gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 SGB XII nach dem tatsächlichen Aufenthalt und dieser habe im Zeitpunkt der Antragstellung am 6. September 2011 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gelegen. Der Kläger hat die für J. aufgewendeten Leistungen für den Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 30. September 2017 (Wohnheim-Ausgaben: Pflegesatz, Barbetrag, Bekleidung; Einnahmen: Pflegekasse, Kindergeld, WfbM, Mobilitätshilfe, Kaution, Erstausstattung, Umzugskosten sowie Hilfe zur Pflege: Pflegesachleistung und Pflegegeld) aufgeführt und in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht die Erstattung von 695.266,09 EUR verfolgt.
Der Beklagte hat daran festgehalten, dass der Kläger als zuerst angegangener Träger den Antrag nicht im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IX weitergeleitet habe und dementsprechend gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX verpflichtet gewesen sei, über den Antrag auf Hilfegewährung ab dem 3. November 2011 zu entscheiden und Leistungen zu bewilligen. Der Kläger habe auch nicht als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Leistungen erbracht. Denn zwischen den Leistungen, die der Kläger erbracht habe und denen, die laut Kläger er - der Beklagte - hätte erbringen sollen, bestehe kein Vor- und Nachrangverhältnis. Sozialhilfe nach § 53 SGB XII sei nicht vor- oder nachrangig zur Hilfe nach § 53 SGB XII, die von einem anderen Sozialhilfeträger erbracht werde. Die Hinweise des Klägers auf die Urteile des BVerwG und des S. OVG gingen ins Leere, da sich diese Urteile mit der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 SGB VIII befassten und sich diese Vorschrift erheblich von § 98 SGB XII unterscheide; insoweit hat der Beklagte seine Rechtsauffassung aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20. September 2017 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe aus keinem rechtlichen Grund gegen den Beklagten einen Erstattungsanspruch für die von ihm für den Leistungsberechtigten J. - ebenso wie für J. - aufgewandten Kosten der Eingliederungshilfe. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die vom Kläger geleistete Hilfe in der zuletzt geltend gemachten Höhe erforderlich gewesen und tatsächlich angefallen sei. Ein möglicher Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 105 Abs. 1 SGB XII. Voraussetzung hierfür sei, dass der Kläger als unzuständiger Träger Sozialleistungen erbracht habe und der Beklagte für die Leistungserbringung tatsächlich zuständig gewesen wäre. Jedoch sei der Kläger entgegen seiner Ansicht (weiterhin) gemäß § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII i.Vm. mit § 107 SGB XII zuständig für die Hilfegewährung und damit auch zur Kostentragung. Werde ein Kind in einer Einrichtung geboren, trete an die Stelle seines gA der gA der Mutter. Dieser sei zur Zeit der Geburt in Z. im damaligen Landkreis S. gewesen. Die Tatsache, dass sich J. (und J.) nach der Geburt niemals bei der Mutter aufgehalten hätten, sei unerheblich. Selbst wenn, was vorliegend ausgeschlossen werden könne, der gA der Mutter nicht mehr habe festgestellt werden können, sei der Kläger nach § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII gleichwohl für die Leistungen zuständig geblieben. Die Regelung des § 98 Abs. 2 SGB XII stelle in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich nach ihrem Satz 4 bei der Geburt eines Kindes in einer Einrichtung anstelle des gA des Kindes auf den gA der Kindesmutter ab. Nach Satz 2 komme es bei einem Weiterzug von Einrichtung zu Einrichtung auf den für die erste Einrichtung maßgebenden gA an. Nach Sinn und Zweck der Regelung solle der Sozialhilfeträger des mit Zufälligkeiten der Lage der Einrichtungen verknüpften tatsächlichen Aufenthaltsortes entlastet werden. Über die Regelung des § 107 SGB XII gelte das Vorstehende auch für die Aufnahme in anderen Familien oder bei anderen Personen als bei den Eltern oder einem Elternteil, mithin insbesondere auch für die Aufnahme in einer Familie (Schutz des Pflegestellenortes). Werde ein Kind - wie hier - in einem Krankenhaus geboren, könne hinsichtlich des Schutzes der Pflegestellenorte nichts Anderes gelten. § 97 Abs. 2 S. 4 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII stellten dem Wortlaut nach auf die Geburt in einer "Einrichtung" ab. Als Einrichtung gemäß § 13 Abs. 2 SGB XII sei auch ein Krankenhaus zu verstehen. Da ein Kind naturgemäß noch keinen gA begründen könne, erkläre das Gesetz auch insoweit den gA der Mutter als maßgeblich, den diese bei Einrichtungsaufnahme bzw. bei der Geburt des Kindes gehabt habe. Aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des BVerwG vom 26. September 2002 (5 C 46/01) ergebe sich nichts anderes, da der dort entschiedene Sachverhalt anders gelagert und mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen sei. Ein speziellerer vorrangiger Erstattungsanspruch nach § 106 SGB XII komme nicht in Betracht, da der Kläger die Leistungen der Eingliederungshilfe wieder vorläufig, sondern endgültig erbracht habe, und darüber hinaus der Kläger auch tatsächlich für die Leistungserbringung zuständig gewesen sei und weiterhin sei.
Gegen das ihm am 9. Oktober 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. November 2017 Berufung beim LSG eingelegt und die Kostenerstattung für J. und J. weiterverfolgt (L 8 SO 57/17). Der Senat hat das Verfahren, soweit es J. betrifft, mit Beschluss vom 9. Juli 2020 abgetrennt.
Nachdem - in Anerkennung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII ab dem Auszug aus der P. und dem Einzug in eine eigene Wohnung - die ab dem 15. Juli 2015 entstandenen Kosten für J. vom Beklagten und der Landeshauptstadt M. erstattet worden sind und der Beklagte aufgrund geänderter landesrechtlicher Zuständigkeitsregelungen J. ab Januar 2019 in eigener Zuständigkeit betreut, verfolgt der Kläger im Berufungsverfahren noch die Erstattung der ihm vom 3. November 2011 bis zum 15. Juli 2015 entstandenen Kosten mit Ausnahme der Kaution, Erstausstattung und Umzugskosten. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 20. September 2017 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, die von ihm - dem Kläger bzw. dem von ihm herangezogenen Landkreis - vom 3. November 2011 bis zum 15. Juli 2015 geleisteten Sozialhilfeaufwendungen für den Hilfeberechtigten J. H. in Höhe von insgesamt 511.676,13 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Streitakte L 8 SO 57/17 sowie der Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Erstattung der für J. im Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 15. Juli 2015 aufgewendeten Sozialhilfeleistungen zu, soweit dieser noch streitig ist.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der vom Kläger - aufgrund des Gleichordnungsverhältnisses der Beteiligten - statthaft im Wege der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) verfolgte Anspruch auf Kostenerstattung für Leistungen der Sozialhilfe, der zuletzt mit 511.676,13 EUR beziffert worden ist. Damit ist die seit dem 1. April 2008 gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG maßgebliche Berufungsgrenze von 10.000,00 EUR überschritten.
Eine Beiladung von J., der P. und/oder der WKM gemäß § 75 Abs. 2 1. Alt SGG waren nicht erforderlich (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 1. März 2018 - B 8 SO 22/16 R -, juris RdNr. 10 m.w.N.). Auch die - vom Kläger beantragte - Beiladung der Stadt M. war nicht vorzunehmen, da gegen sie - nach der erfolgten Erstattung der Aufwendungen für J. nach dem Auszug aus dem Wohnheim der P. ab dem 1. Januar 2014 - ein Anspruch des Klägers nicht bestehen kann.
Der Kläger kann die Erstattung im Klageverfahren geltend machen (§ 2a Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII (AG SGB XII LSA) vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, Seite 8 in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung sowie § 2 Abs. 2 Nr. 12 des Gesetzes zur Ausführung des SGB IX (AG SGB IX LSA) vom 5. Dezember 2019, GVBl. LSA 2019, S. 948 in der ab dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung), auch soweit die Leistungen im Rahmen der Heranziehung des örtlichen Trägers, hier des S., bewilligt worden sind. Soweit in § 4 Abs. 2 AG SGB XII LSA bzw. § 2 Abs. 1 S. 1 AG SGB IX LSA die Sozialagentur als für die Durchführung der Klageverfahren zuständige Behörde genannt ist, ist sie als rechtlich unselbstständige Landesbehörde nicht beteiligtenfähig im Sinne von § 70 SGG (so bereits LSG , Urteil vom 28. August 2009 - L 8 SO 16/07 -, juris RdNr. 35 f.). Die Beteiligtenfähigkeit im vorgenannten Sinne besteht nur für den Rechtsträger der Behörde, d.h. für das Land und damit für den Kläger.
Für die im Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 31. Oktober 2013 bewilligten Leistungen kommt - mit Ausnahme der bewilligten Mobilitätshilfe - ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB IX in Betracht. Denn der Kläger erbrachte als erstangegangener Leistungsträger aufgrund des von J. am 7. September 2011 bei ihm gestellten Antrags mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 29. November 2011 Eingliederungshilfe in der WKM und mit den - ebenfalls bestandskräftig gewordenen - Bescheiden vom 9. Dezember 2011 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich eines Barbetrages und Bekleidungshilfen sowie Eingliederungshilfe in der Einrichtung P ... Dem lag die Anerkennung der örtlichen Zuständigkeit unter dem 6. April 1998 gemäß § 97 BSHG und der sachlichen Zuständigkeit gemäß §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 8, 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG unter dem 26. Februar 1999 zugrunde. Der Kläger ging deshalb davon aus, nach dem Wegfall der Übernahme der Kosten für die Unterbringung in der stationären Wohngruppe in der P. und den Besuch der WKM durch die Agentur für Arbeit für die erforderlichen Rehabilitationsleistungen umfassend zuständig zu sein.
Der Kläger ist damit infolge der durch § 14 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB IX geschaffenen Zuständigkeitsordnung zuständig geworden. Wäre eigentlich ein anderer Träger zuständig gewesen, stünde dem Kläger aufgrund des daraus resultierenden Vor- und Nachrangverhältnisses gemäß § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch zu. Denn in diesem Fall wäre der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 104 Abs. 1 S. 1 SGB X).
Hier scheidet ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten als für die von J. beantragten Sozialleistungen zuständigen Träger aus, da der Beklagte nicht materiell-rechtlich zuständig war. Nach § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII ist für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gA im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gA, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend (§ 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII). Wird ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt an die Stelle seines gA der gA der Mutter (§ 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII). Hinsichtlich des Leistungsberechtigten J. ist auf den gA seiner Mutter abzustellen, da er in der Kinderklinik in M. und damit in einer Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB XII geboren wurde und sich seit seiner Entlassung aus der Kinderklinik - jedenfalls - bis zum 31. Dezember 2013 lückenlos in stationären Einrichtungen aufgehalten hat. Für den Zeitraum der Unterbringung nach der Entlassung am 22. Januar 1992 aus der Uniklinik M. vom 23. Januar 1992 bis zum 6. Mai 1993 in einer Pflegefamilie im Landkreis A. gilt gemäß § 107 SGB XII/§ 104 BSHG die Vorschrift des § 98 Abs. 2 SGB XII/§ 97 Abs. 2 BSHG entsprechend. Auch bei den sich anschließenden Unterbringungen im Kinderheim B. in U. vom 7. Mai 1993 bis zum 23. September 2001, im D.-R.-Werk in U. vom 24. September 2001 bis zum 2. August 2009 und in der stationären Wohngruppe im Wohnheim der P. vom 3. August 2009 bis zum 31. Dezember 2013 handelt es sich jeweils um stationäre Einrichtungen im Sinne des § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII. Denn eine Einrichtung gemäß § 13 Abs. 2 SGB XII/§ 3a BSHG ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden P. zugeschnitten ist, und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfen oder der Erziehung dient (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 8 SO 12/16 R -, juris, RdNr. 28).
Aufgrund des Vorliegens einer durchgehenden sogenannten Einrichtungskette im Sinne des § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII nach der Geburt des leistungsberechtigten Kindes ist an den gA seiner Mutter vor Eintritt in die Einrichtung, in der das Kind - hier J. - geboren wurde, anzuknüpfen. Für den Senat steht fest, dass der gA der Mutter von J. vor der Geburt jedenfalls nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten lag. Denn nach den aktenkundigen Unterlagen, insbesondere dem Bericht des Jugendamtes vom 1. Juli 1993, hatte die Mutter von J. ihren gA im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes S. und war dementsprechend sowohl mit ihrem Hauptwohnsitz in Z. als auch mit ihrem Nebenwohnsitz in S. gemeldet. Insoweit ist von Bedeutung, dass die Mutter von J. im Zeitpunkt der Geburt noch minderjährig war und damit ihren gA grundsätzlich bei dem Elternteil, der das Personensorgerecht ausgeübt und bei dem sie sich aufgehalten hat, innehatte (Schlegel in jurisPK-SGB I, § 30 RdNr. 39). Anhaltspunkte dafür, dass die personensorgeberechtigten Eltern der Mutter von J. außerhalb von S. und insbesondere in B. ihren gA hatten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist aufgrund des gemeldeten Hauptwohnsitzes bzw. Nebenwohnsitzes jeweils in S. vom gA im Zuständigkeitsbereich des Klägers auszugehen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist für die Feststellung des gA unerheblich, ob die Aufnahme des Kindes in den mütterlichen Haushalt später tatsächlich auch erfolgen konnte (Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 98, Rdnr. 103). Da ein in einer stationären Einrichtung geborenes Kind keinen eigenen gA vor der Geburt haben kann, tritt an die Stelle seines gA derjenige der Mutter (Deckers in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 98 RdNr. 30), womit ein gA des Kindes "ersetzt" wird (so Schoch in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 98, RdNr. 45). Hierdurch soll der Ort der (Geburts-)Einrichtung geschützt werden, insbesondere für den Fall, dass sich nach der Geburt die Notwendigkeit eines längeren stationären Aufenthalts des Neugeborenen in der Klinik - wie hier bei J. und J.- anschließt (vgl. Hamburgisches OVG, Urteil vom 1. September 2005 - 4 Bf 441/01 -, juris, RdNr. 27).
Soweit sich der Kläger auf Rechtsprechung zu § 86 SGB VIII bezieht, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn eine § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII entsprechende Vorschrift enthält § 86 SGB VIII nicht. Ein gA wird im Rahmen von § 86 SGB VIII an keiner Stelle fingiert, sondern jeweils unter Heranziehung von § 30 SGB I, insbesondere von § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I, im Einzelnen unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls ermittelt. Insoweit betreffen die vom Kläger für seine Rechtsauffassung angeführten Entscheidungen jeweils andere Fallkonstellationen.
Die Intention des Schutzes des Einrichtungsortes und die Vorgabe, wonach der gA der Mutter an die Stelle des in einer Einrichtung geborenen Kindes tritt, hat der Gesetzgeber bereits in der bis zum 26. Juni 1993 und damit im Zeitpunkt der Geburt von Jörg - geltenden Fassung des § 105 S. 1 2. HS BSHG verfolgt. Ab dem 27. Juni 1993 wurde der Grundsatz des Schutzes der Anstaltssorte in das Zuständigkeitsrecht dergestalt verlagert, dass bei der stationären Hilfe das Herkunftsprinzip gilt (Fichtner, Kommentar zum BSHG 2. Aufl. § 97 RdNr. 1). Mit dem Inkrafttreten des SGB XII ist dann an die Stelle von § 97 Abs. 2 S. 4 BSHG wortgleich § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII getreten.
Insoweit bedarf es keiner näheren Prüfung der rechtlichen Konsequenzen des vom vom Kläger herangezogenen Landkreises Schönebeck ab dem 24. September 2001 "bis auf Weiteres" abgegebenen Kostenanerkenntnisses für den Hilfefall und der Anerkennung der sachlichen Zuständigkeit des Klägers als überörtlicher Träger der Sozialhilfe ab dem 1. April 1997.
Da die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, umfasst (§ 97 Abs. 4 SGB XII), scheidet eine Passivlegitimation des Beklagten für alle vom Kläger erbrachten Sozialhilfeleistungen nicht in Betracht.
Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner näheren rechtlichen Erörterung, dass der Kläger die Mobilitätshilfe für J. für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 31. Oktober 2012 im Oktober 2012 und damit nach der Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs mit Schreiben vom 23. Juli 2012 seinerseits vorbehaltlos dem Beklagten erstattet hatte und damit eine Rechtsgrundlage für eine nochmalige Erstattung des Beklagten an den Kläger ausgeschlossen ist. Für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 31. Oktober 2013 hat der Kläger nach der Weiterleitung des Antrags von J. durch den Beklagten als zweitangegangener Leistungsträger Mobilitätshilfe geleistet. Der damit in Betracht kommende spezialgesetzliche Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX besteht - wie oben dargelegt - nicht, da der Beklagte nicht der nachrangig verpflichtete Leistungsträger gewesen ist.
Auch für die im Zeitraum vom 1. November 2013 bis zum 15. Juli 2015 vorläufig gemäß § 43 SGB I erbrachten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich des Barbetrages und Bekleidungshilfen, der Eingliederungshilfe in der Einrichtung P. sowie der Mobilitätshilfe besteht kein Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten.
Der Kläger hat die von J. unter dem 27. September 2013 bei ihm beantragten Leistungen als erstangegangener Leistungsträger bewilligt und die beantragten Leistungen im Hinblick auf den - auch J. bekannten - Zuständigkeitsstreit gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 SGB I geleistet. Ein Erstattungsanspruch scheitert jedoch auch in Bezug auf diese bewilligten Leistungen daran, dass der Beklagte weder der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger im Sinne von § 102 Abs. 1 SGB X noch der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist. Denn auch für den Zeitraum vom 1. November bis zum 15. Juli 2015 war der Beklagte - aus den oben genannten Gründen - weiterhin nicht der örtlich zuständige Leistungsträger im Sinne von § 98 Abs. 2 S. 1, 2 und 4 SGB XII.
Schließlich könnte der Senat - selbst wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach hätten festgestellt werden können - den Beklagten nicht zur Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen für J. verurteilen, da der Anspruch der Höhe nach nicht feststellbar ist. Denn der Kläger hat es versäumt zu ermitteln, ob und in welchem Umfang sich die Mutter von J. an den bewilligten Leistungen hätte beteiligen können und müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Kostenfreiheit der Sozialhilfeträger gilt nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X nicht im Anwendungsbereich des § 197a SGG, d.h. insbesondere nicht bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialhilfeträgern (vgl. hierzu z.B. Roos/Blüggel in: Schütze, SGB X Kommentar, 9. Aufl. 2020, § 64 RdNr. 25).
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Tatbestand:
Im Streit ist (nur noch) der Erstattungsanspruch des Klägers für im Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 15. Juli 2015 für J. H. (im weiteren J.) erbrachte Sozialhilfeleistungen i.H.v. von 511.676,13 EUR. Der aufgrund der für den Zwillingsbruder J. H. (im Weiteren: J.) aufgewendeten Kosten geltend gemachte Erstattungsanspruch des Klägers ist Gegenstand des Berufungsverfahrens L 8 SO 57/17, von dem dieses Verfahren abgetrennt worden ist.
J. wurde - ebenso wie J. - am 30. Januar 1991 in der Kinderklinik in M. geboren. Die am 21. April 1974 geborene und damit im Zeitpunkt der Geburt minderjährige Mutter verließ - ausweislich des Berichtes des Jugendamtes beim Landratsamt S. vom 1. Juli 1993 - die Geburtsklinik und kümmerte sich um beide Kinder nicht. Sie habe zunächst die Absicht gehabt, die Zwillinge zur Adoption freizugeben, dann jedoch die entsprechende Einverständniserklärung nicht unterzeichnet. Das Jugendamt S. sei zum Vormund für die Kinder bestellt worden, da die Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt (im Weiteren: gA) "im hiesigen Zuständigkeitsbereich" gehabt habe. Die Mutter war bis zum 18. Februar 1991 mit ihrem Hauptwohnsitz in Z. und mit einem Nebenwohnsitz in S. (jeweils im Landkreis S.) gemeldet und hatte ab dem 19. Februar 1991 ihren Wohnsitz in O. angemeldet. Der Vater von J. (und J.) konnte nicht ermittelt werden.
J. (und J.) leiden seit der Geburt an einer progressiven Muskeldystrophie Duchenne vom Beckengürteltyp und mussten bis zum 22. Januar 1992 in der Uniklinik M. stationär behandelt werden. Vom 23. Januar 1992 bis zum 6. Mai 1993 lebten sie zunächst in einer Pflegefamilie im Landkreis A ... Währenddessen war ab März 1993 das Kreisjugendamt A. zum Vormund bestellt. Aufgrund der Trennung der Pflegeeltern wurden die Zwillinge vom 7. Mai 1993 an im Kinderheim B. in U. (Bayern) untergebracht. Die Kosten für die Unterbringung übernahm zunächst das Jugendamt O ... Dieses beantragte aufgrund des zunehmenden Krankheitsfortschritts bei beiden Kindern im August 1997 Leistungen von Hilfen gemäß §§ 39, 100 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) beim Bezirk S., der diesen Antrag an den Landkreis S. weiterleitete. Dieser anerkannte unter dem 6. April 1998 seine örtliche Zuständigkeit gemäß § 97 BSHG. Da beide Kinder seit ihrer Geburt ohne Unterbrechung in verschiedenen Einrichtungen untergebracht worden seien und damit keinen eigenen gA hätten begründen können, sei maßgeblich der gA der Mutter vor ihrem Eintritt in die Einrichtung, in der die Kinder geboren worden seien. Unter dem 26. Februar 1999 folgte - nach der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit - das Kostenanerkenntnis für J. (und J.) gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG ausgehend vom Leitsyndrom der körperlichen Behinderung im Hinblick auf Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG für den Zeitraum vom 1. April 1997 bis zum 31. August 2005 im Kinderheim B. in U ... Aufgrund der weiter fortschreitenden Muskelerkrankung wurden J. (und J.) ab dem 24. September 2001 im D.-R.-W. (Wohnheim für Menschen mit Behinderungen) in U. aufgenommen. Der Landkreis S. gab insoweit ab dem 24. September 2001 bis auf weiteres ein Kostenanerkenntnis gemäß § 100 Abs.1 Nr. 1 i.V.m. §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG ab. Der Kläger anerkannte seine sachliche Zuständigkeit als überörtlicher Träger der Sozialhilfe ab dem 1. April 1997 fortlaufend an.
Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres wurde für J. vom Vormundschaftsgericht eine Betreuung eingerichtet; ab dem 5. Mai 2010 wurde zur Betreuerin H. mit den Aufgabenkreisen Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrages, Aufenthaltsbestimmung, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und Renten- und Sozialleistungsträgern, bestellt (Amtsgericht M. - Abteilung für Betreuungssachen - Az: 702 XVII 6788/09 -).
Ausweislich des Befundberichtes von Dr. Dr. S. vom 26. November 2008, der J. seit Januar 2001 kontinuierlich hausärztlich betreute, liege bei diesem neben der gesicherten progressiven Muskeldystrophie Duchenne vom Beckengürteltyp eine leichte Intelligenzminderung im Grenzbereich zwischen Lernbehinderung und geistiger Behinderung vor. Durch das Fortschreiten der Grunderkrankung sei J. zwischenzeitlich durchgehend rollstuhlpflichtig geworden und könne auch abgestützt nicht mehr gehen oder stehen. Zusätzlich komme es zu einem Ausgreifen der myopathischen Lähmungen auf die Bauch-, Oberkörper- und Armmuskulatur, die zwischenzeitlich zu einer zunehmenden Verformung von Wirbelsäule und knöchernem Thorax geführt und auch die Atemkapazität eingeschränkt hätten. J. könne zwischenzeitlich seine Arme bis auf minimale Unterarm- und Handhebung nicht mehr bewegen, sodass er in allen Belangen des täglichen Lebens versorgt werden müsse.
Ab dem 3. August 2009 wurde J. in das von der Stiftung P., M. (im Weiteren: P.), betriebene Wohnheim und die Werkstatt für Behinderte Menschen (WfbM) aufgenommen. Er wurde im Wohnheim in einer stationären Wohngruppe betreut. In der WfbM durchlief er zunächst das Eingangsverfahren sowie nachfolgend den Grund- und Aufbaukurs im Berufsbildungsbereich bis zum 2. November 2011. Die Agentur für Arbeit übernahm im vorgenannten Zeitraum sowohl die Kosten für die Wohnunterbringung als auch die Kosten im Bereich der Arbeit/Ausbildung für J ...
Ausweislich der Vereinbarung gemäß §§ 75 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) vom 30. Juni 2008 zwischen der P. und dem Beklagten wurde für die vollstationäre Einrichtung P. (Wohnheim für WfbM-Beschäftigte) - Leistungstyp W-E-K-Wohnen ohne Tagesbetreuung für körperlich behinderte Erwachsene - eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2009 abgeschlossen. Die Gesamtvergütung für die Hilfebedarfsgruppe 4 (HBGr 4), in die J. eingruppiert worden war, betrug 178,81 EUR pro Tag, die Bekleidungspauschale monatlich 28,50 EUR. Vom 1. Juli 2012 an betrug die Gesamtvergütung in der HBGr 4 182,84 EUR. Die Bekleidungspauschale änderte sich nicht. Mit der zwischen dem Träger der P., der VUB V.- und B. für B. mbH (im Weiteren: VUB) und dem Beklagten für die WfbM geschlossenen Leistungsvereinbarung wurde ab dem 1. Januar 2011 eine Gesamtvergütung in der Gruppe 2, in die J. eingruppiert worden war, i.H.v. 54,08 EUR vereinbart; ab dem 1. Mai 2012 wurde J. in die HBG 2c eingruppiert; der Tagessatz betrug 72,43 EUR. Wegen der Einzelheiten und der weiteren Anpassungen der Tagessätze wird u.a. auf Blatt 7, 8, 60, 105 und 115 der Verwaltungsakte des Klägers Band V Bezug genommen.
Die Pflegekasse bewilligte J. Leistungen der Pflege in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe zunächst nach der Pflegestufe II und ab Oktober 2014 nach der Pflegestufe III (256,00 EUR monatlich). Bei J. sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG", "B" und "H" anerkannt.
Auf den von der Betreuerin von J. am 7. September 2011 mit Schriftsatz vom 6. September 2011 gestellten Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe zur Übernahme der Wohn- und Betreuungskosten ab dem 3. November 2011, dem Tag des Wegfalls der Leistungen der Agentur für Arbeit, gewährte der - nach der Kreisgebietsreform zum 1. Juli 2007 durch die Zusammenlegung mehrerer Landkreise, u.a. des Landkreises S., gebildete - S. im Namen des Klägers mit Bescheid vom 29. November 2011 Eingliederungshilfe gemäß §§ 53, 54 SGB XII in Form von Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX - in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) i.V.m. § 92 SGB XII in der Einrichtung WKM, Werkstatt für Körperbehinderte, B., M. (im Weiteren: WKM), für den Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 31. Oktober 2016. Der Tagessatz betrage derzeit 54,08 EUR. Über die Höhe des zu leistenden Kostenbeitrages nach § 92 SGB XII werde ein gesonderter Bescheid erteilt. Unter dem 29. November 2011 informierte der Salzlandkreis die WKM über das erteilte Kostenanerkenntnis.
Mit den Bescheiden vom 9. Dezember 2011 bewilligte der S. im Namen des Klägers J. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich eines Barbetrages und Bekleidungshilfen sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in der Einrichtung P. für den Zeitraum vom 3. November bis zum 31. Dezember 2011 i.H.v. monatlich 4.601,64 EUR (anteilig 4.113,99 EUR) und vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Oktober 2013 i.H.v. 4.592,28 EUR. Zur Deckung der Kosten des Heimaufenthaltes werde ein Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 218,07 EUR bzw. 217,14 EUR verlangt. Unter dem 9. Dezember 2011 informierte der S. die P. über das erteilte Kostenanerkenntnis. Die vereinbarte Vergütung in Höhe von 178,81 EUR werde anerkannt.
Auf die an die - weiterhin in O. wohnhafte - Mutter von J. gerichtete Rechtswahrungsanzeige des S. vom 25. Januar 2012 über die ab dem 3. November 2011 bewilligten Leistungen und den Anspruchsübergang für die gewährte Eingliederungshilfe und die Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 94 Abs. 4 SGB XII erfolgte keine Reaktion, insbesondere kein Zahlungseingang.
Der Salzlandkreis teilte der Betreuerin von J. im Namen des Klägers unter dem 29. Februar 2012 und 8. April 2013 jeweils mit, dass nach der Prüfung der eingereichten Unterlagen der Einsatz von Vermögen über der Vermögensfreigrenze gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sowie der Einsatz von Einkünften aus Kapitalvermögen (Zinsen) gemäß § 82 SGB XII entfalle.
Aufgrund des bei der Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse H. - gestellten Antrags des S. auf Abzweigung des Kindergeldes und der mit Bescheid vom 21. März 2012 bewilligten Nachzahlung im Zeitraum von Dezember 2011 bis März 2012 setzte der S. mit Bescheid vom 23. April 2012 das von J. hinzusetzende Einkommen, d.h. das anteilige Kindergeld, mit 184,43 EUR vom 3. November 2011 bis zum 16. Mai 2012 zur Deckung der Heimkosten fest.
Nachdem der Beklagte - aufgrund der bei ihm gestellten und nicht weitergeleiteten Anträge - J. mit den Bescheiden vom 10. Februar und 25. Oktober 2011 vorläufig für die Zeit vom 18. Mai 2010 bis zum 31. Oktober 2012 Mobilitätshilfe für schwer behinderte Menschen als ambulante Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Rahmen der Eingliederungshilfe in Höhe von monatlich 80,00 EUR - ohne Eigenbeteiligung aus Einkommen sowie Vermögenseinsatz - bewilligt hatte, beantragte der Beklagte beim S. unter Bezugnahme auf eine - nicht aktenkundige - Zusage per E-Mail vom 14. Februar 2012, die Kosten der Mobilitätshilfe für den Zeitraum von November 2011 bis Oktober 2012 zu erstatten und bat um Überweisung von 960,00 EUR. Ausweislich der E-Mail vom 29. Oktober 2012 sind die Beträge vom Kläger antragsgemäß erstattet worden. Gleichzeitig leitete der Beklagte den Antrag von J. auf Gewährung dieser Mobilitätshilfe ab dem 1. November 2012 an den Kläger weiter. Mit Bescheid vom 9. November 2012 bewilligte daraufhin der S. im Namen des Klägers für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 31. Oktober 2013 die vorgenannte Mobilitätshilfe i.H.v. 80,00 EUR monatlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. März 2014 wies das Sozialgericht M. die Klage des Bezirks O., des Beklagten im anhängigen Berufungsverfahren, gegen den S. auf Erstattung der vom 1. Juli 2010 bis zum 31. Oktober 2011 für J. geleisteten Mobilitätshilfe i.H.v. insgesamt 1.280,00 EUR (16 Monate à 80,00 EUR) rechtskräftig ab (S 22 SO 481/12). Der Bezirk O. habe weder gegen den S. noch gegen das dort beigeladene Land S., den Kläger im anhängigen Berufungsverfahren, einen Anspruch auf Kostenerstattung. Der Bezirk O. sei für den gesamten Zeitraum, für den er Kostenerstattung gefordert habe, der erstangegangene Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX gewesen. Die an ihn gerichteten Anträge des Leistungsberechtigten vom 17. Mai 2010 und vom 10. Juli 2011 habe dieser erst nach Ablauf der Frist des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX an den S. weitergeleitet. Der Bezirk O. habe seine Klage weder auf § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) noch auf § 105 SGB X stützen können. Denn er habe seine Zuständigkeit prüfen und innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist an den zuständigen Träger weiterleiten können. Sofern er nach Aktenlage seine Unzuständigkeit angenommen, aber dennoch den Antrag nicht weitergeleitet, sondern die beantragten Leistungen erbracht habe, sei ein Erstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Jedenfalls scheitere der Erstattungsanspruch an der in § 110 Abs. 2 SGB XII vorgeschriebenen Bagatellgrenze. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 182 bis 188 der Verwaltungsakte des Beklagten Band 1 verwiesen.
Bereits mit Schreiben vom 23. Juli 2012 hatte sich der S. an den Beklagten gewandt und für den Leistungsberechtigten J. (ebenso wie für J.) im Namen des Klägers Kostenerstattung nach §§ 102, 105 SGB X sowie die Übernahme des Hilfefalls in die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Beklagten beantragt. Bisher sei die örtliche Zuständigkeit des S. für die stationäre Leistungsgewährung als "völlig unstreitig" angesehen worden. Nach Kenntnis eines aktuelleren Urteils des S. Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom 25. April 2008 (1 A 93/08) bestünden an der Rechtsauffassung, die zur Anerkennung der örtlichen Zuständigkeit für die stationäre Leistung geführt habe, nunmehr erhebliche Zweifel. Im vorgenannten Urteil sei festgestellt worden, dass ein gA eines Neugeborenen bei einem Elternteil auch begründet werde, soweit dieses nach der Geburt zunächst in der Klinik verbleibe. Etwas Anderes gelte jedoch in den Ausnahmefällen, in denen die Haltung der Eltern zu ihrem Kind von vornherein durch Ablehnung oder ausgeprägtes Desinteresse gekennzeichnet sei oder in denen aufgrund sonstiger Umstände schon zum Zeitpunkt der Geburt feststehe, dass die Personensorgeberechtigten das Neugeborene nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nicht zu sich nehmen würden. Ein dementsprechend atypischer Fall liege bei J. (und J.) vor. Ein gA sei für die Zwillinge nie begründet worden, vorliegend also überhaupt nicht vorhanden. In diesem Fall sei der nach § 98 Abs. 1 SGB XII vorgesehene Träger für die Leistungserbringung zuständig. Da sich J. tatsächlich im Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufhalte, werde die Übernahme des Leistungsfalls beantragt und bis zu einer Entscheidung würden Leistungen lediglich vorläufig gemäß § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) weiter erbracht. Gleichzeitig werde die Erstattung der Aufwendungen für J. beginnend ab dem 3. November 2011 für die stationäre und die teilstationäre Eingliederungshilfe beantragt.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2013 lehnte der Beklagte den "Antrag auf Kostenerstattung nach §§ 102, 105 SGB X" ab. Der Kläger sei gemäß § 98 Abs. 2 S. 4 i.V.m. Abs. 2 S. 2 SGB XII örtlich zuständig. Der Verweis auf das Urteil des Sächsischen OVG vom 25. April 2008 greife nicht, da sich dieses Urteil mit der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe - SGB VIII) befasse, der die örtliche Zuständigkeit für Jugendhilfeleistungen an Kinder und Jugendliche regele und dabei je nach Lebenssituation im Wesentlichen an den gA der Eltern oder der Mutter/des Vaters oder des Kindes/des Jugendlichen oder an dessen tatsächlichen Aufenthalt anknüpfe. Eine § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII entsprechende Regelung zur örtlichen Zuständigkeit bei Geburten einer Einrichtung enthalte § 86 SGB VIII nicht, sodass die vorgenannte Entscheidung nicht auf § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII übertragen werden könne. Bei einer Anstaltsgeburt bleibe der gA der Mutter für die örtliche Zuständigkeit auch langfristig (für künftige stationäre Aufenthalte) maßgeblich. Bei Einrichtungswechseln müsse ein Übertritt nach § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII gegeben sein (Hinweis auf Urteil des Hamburgischen OVG vom 1. September 2005 - 4 Bf 441/01 -). Damit könnten aber nur Fälle gemeint sein, in denen eine Rückkehr zur Mutter nach der Geburt in der Einrichtung nicht gewollt oder nicht möglich sei. Dementsprechend habe das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII in einem Fall für anwendbar erachtet, in dem von vornherein feststand, dass das Kind nicht bei seinen Eltern leben könne (Urteil vom 14. Februar 2011 - L 20 SO 110/08 -).
Mit Schreiben vom 5. Februar 2013 teilte der Kläger dem Beklagten mit, an seinem Kostenerstattungsanspruch festzuhalten und bezifferte diesen mit dem Schreiben vom 7. Mai 2013 unter Beifügung der tabellarisch aufgelisteten für J. gezahlten Leistungen im Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 31. Dezember 2012 mit 155.476,41 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 157 der Verwaltungsakte des Klägers Bezug genommen.
Unter dem 27. September 2013 und dem 18. August 2014 beantragte J. beim S. - jeweils unter Hinweis darauf, dass sich keine Veränderungen ergeben hätten - formlos die Weiterbewilligung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich Barbetrag und Bekleidungshilfe sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und Mobilitätshilfe jeweils über den 31. Oktober 2013 bzw. 31. Oktober 2014 hinaus. Daraufhin bewilligte der S. im Namen des Klägers mit den Bescheiden vom 25. November 2013 bzw. 28. Oktober 2014 vorläufig gemäß § 43 SGB I Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich des Barbetrages und Bekleidungshilfen und Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in der Einrichtung P. sowie Mobilitätshilfe jeweils vom 1. November bis zum 31. Oktober 2014 bzw. bis zum 31. Oktober 2015. Die Vorläufigkeit der Leistung begründe sich damit, dass derzeit zwischen zwei Leistungsträgern streitig sei, wer zur Leistung verpflichtet sei.
Mit Schreiben vom 21. Januar 2014 bezifferte der Kläger gegenüber dem Beklagten den geltend gemachten Erstattungsanspruch unter Hinweis auf tabellarische Übersichten für die im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2013 gezahlten Leistungen für J. für das Wohnheim (Ausgaben: Pflegesatz, Barbetrag, Bekleidung; Einnahmen: Pflegekasse, Kindergeld), die Werkstatt und die Mobilitätshilfe i.H.v. 140.022,51 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 282 und 283 der Verwaltungsakte des Klägers Bezug genommen.
Im Juni 2015 teilte J. mit, zu beabsichtigen in eine Wohnung einzuziehen und sich dort von einem ambulanten Pflegedienst pflegen zu lassen, und beantragte formlos unter dem 10. Juni 2015 beim S. u.a. die Übernahme der nicht durch Pflegeleistungen der AOK gedeckten Pflegekosten, Umzugs-, Miet- und Mietnebenkosten, der Kaution sowie der Hilfe zum Lebensunterhalt. Er werde weiterhin in der WKM beschäftigt bleiben. Wegen des bekannten Zuständigkeitsstreits beantrage er, die Leistungen gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 SGB I vorläufig zu gewähren.
J. zog zum 15. Juli 2015 in eine eigene Wohnung mit ambulanter Pflegeversorgung in M ...
Der S. bewilligte J. mit den Bescheiden vom 22. Juni 2015 - jeweils im Namen des Klägers vorläufig gemäß § 43 SGB I - eine einmalige Beihilfe zur Erstausstattung einer Wohnung i.H.v. 1.010,00 EUR sowie ein Darlehen zur Begleichung der Mietkaution i.H.v. 2.487,23 EUR. Mit Bescheid vom 25. Juni 2015 bewilligte er zudem im Namen des Klägers eine Umzugsbeihilfe der Umzugskategorie C. Die Umzugskosten beliefen sich ausweislich der Rechnung vom 16. Juli 2015 auf 396,27 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 267 der Verwaltungsakte des Klägers Bezug genommen. Der S. hob zudem das Kostenanerkenntnis vom 28. Oktober 2014 über die Gewährung von stationärer Eingliederungshilfe zum 1. Juli 2015 wegen des Verlassens der stationären Wohnform und des Bezugs einer Wohnung in M. im Namen des Klägers auf (Bescheid vom 10. Juli 2015). Ferner bewilligte der S. J. mit Bescheid vom 27. Juli 2015 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 15. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016. Die Leistungen würden vorläufig erbracht, da zwischen mehreren Leistungsträgern strittig sei, wer zur Leistung verpflichtet sei. Der S. habe als zuerst angegangener Leistungsträger die beantragten Leistungen vorläufig erbracht. Die Erstattung werde gegenüber der Stadt M. geltend gemacht.
Bereits am 21. Oktober 2014 hat der Kläger beim Sozialgericht M. Klage mit dem Ziel der Verurteilung des Beklagten zur Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen für J. (und J.) ab dem 3. November 2011 erhoben (S 16 SO 132/14). Ihm stehe auf der Grundlage von § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zu. Er habe dem Leistungsberechtigten die notwendige Hilfe nicht bewusst als unzuständiger Leistungsträger erbracht, sondern sei zunächst davon ausgegangen, der zuständige Leistungsträger zu sein. Erst aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) mit Urteil vom 26. September 2002 - 5 C 46.01 - sei ihm bekannt geworden, dass die Begründung eines gA eines minderjährigen Kindes eine tatsächliche Aufenthaltsnahme voraussetze. Hier habe der Leistungsberechtigte zu keiner Zeit im elterlichen Haushalt gelebt. Ein gA sei somit nicht begründet worden, da J. sich seit seiner Geburt ununterbrochen in Kliniken, bei einer Pflegefamilie und in stationären Einrichtungen aufgehalten habe. Aufgrund der geänderten Rechtsauffassung habe sich die örtliche Zuständigkeit geändert. Da kein gA durch den Leistungsberechtigten begründet worden sei, richte sich die örtliche Zuständigkeit nunmehr gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 SGB XII nach dem tatsächlichen Aufenthalt und dieser habe im Zeitpunkt der Antragstellung am 6. September 2011 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gelegen. Der Kläger hat die für J. aufgewendeten Leistungen für den Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 30. September 2017 (Wohnheim-Ausgaben: Pflegesatz, Barbetrag, Bekleidung; Einnahmen: Pflegekasse, Kindergeld, WfbM, Mobilitätshilfe, Kaution, Erstausstattung, Umzugskosten sowie Hilfe zur Pflege: Pflegesachleistung und Pflegegeld) aufgeführt und in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht die Erstattung von 695.266,09 EUR verfolgt.
Der Beklagte hat daran festgehalten, dass der Kläger als zuerst angegangener Träger den Antrag nicht im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IX weitergeleitet habe und dementsprechend gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX verpflichtet gewesen sei, über den Antrag auf Hilfegewährung ab dem 3. November 2011 zu entscheiden und Leistungen zu bewilligen. Der Kläger habe auch nicht als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Leistungen erbracht. Denn zwischen den Leistungen, die der Kläger erbracht habe und denen, die laut Kläger er - der Beklagte - hätte erbringen sollen, bestehe kein Vor- und Nachrangverhältnis. Sozialhilfe nach § 53 SGB XII sei nicht vor- oder nachrangig zur Hilfe nach § 53 SGB XII, die von einem anderen Sozialhilfeträger erbracht werde. Die Hinweise des Klägers auf die Urteile des BVerwG und des S. OVG gingen ins Leere, da sich diese Urteile mit der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 SGB VIII befassten und sich diese Vorschrift erheblich von § 98 SGB XII unterscheide; insoweit hat der Beklagte seine Rechtsauffassung aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20. September 2017 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe aus keinem rechtlichen Grund gegen den Beklagten einen Erstattungsanspruch für die von ihm für den Leistungsberechtigten J. - ebenso wie für J. - aufgewandten Kosten der Eingliederungshilfe. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die vom Kläger geleistete Hilfe in der zuletzt geltend gemachten Höhe erforderlich gewesen und tatsächlich angefallen sei. Ein möglicher Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 105 Abs. 1 SGB XII. Voraussetzung hierfür sei, dass der Kläger als unzuständiger Träger Sozialleistungen erbracht habe und der Beklagte für die Leistungserbringung tatsächlich zuständig gewesen wäre. Jedoch sei der Kläger entgegen seiner Ansicht (weiterhin) gemäß § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII i.Vm. mit § 107 SGB XII zuständig für die Hilfegewährung und damit auch zur Kostentragung. Werde ein Kind in einer Einrichtung geboren, trete an die Stelle seines gA der gA der Mutter. Dieser sei zur Zeit der Geburt in Z. im damaligen Landkreis S. gewesen. Die Tatsache, dass sich J. (und J.) nach der Geburt niemals bei der Mutter aufgehalten hätten, sei unerheblich. Selbst wenn, was vorliegend ausgeschlossen werden könne, der gA der Mutter nicht mehr habe festgestellt werden können, sei der Kläger nach § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII gleichwohl für die Leistungen zuständig geblieben. Die Regelung des § 98 Abs. 2 SGB XII stelle in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich nach ihrem Satz 4 bei der Geburt eines Kindes in einer Einrichtung anstelle des gA des Kindes auf den gA der Kindesmutter ab. Nach Satz 2 komme es bei einem Weiterzug von Einrichtung zu Einrichtung auf den für die erste Einrichtung maßgebenden gA an. Nach Sinn und Zweck der Regelung solle der Sozialhilfeträger des mit Zufälligkeiten der Lage der Einrichtungen verknüpften tatsächlichen Aufenthaltsortes entlastet werden. Über die Regelung des § 107 SGB XII gelte das Vorstehende auch für die Aufnahme in anderen Familien oder bei anderen Personen als bei den Eltern oder einem Elternteil, mithin insbesondere auch für die Aufnahme in einer Familie (Schutz des Pflegestellenortes). Werde ein Kind - wie hier - in einem Krankenhaus geboren, könne hinsichtlich des Schutzes der Pflegestellenorte nichts Anderes gelten. § 97 Abs. 2 S. 4 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII stellten dem Wortlaut nach auf die Geburt in einer "Einrichtung" ab. Als Einrichtung gemäß § 13 Abs. 2 SGB XII sei auch ein Krankenhaus zu verstehen. Da ein Kind naturgemäß noch keinen gA begründen könne, erkläre das Gesetz auch insoweit den gA der Mutter als maßgeblich, den diese bei Einrichtungsaufnahme bzw. bei der Geburt des Kindes gehabt habe. Aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des BVerwG vom 26. September 2002 (5 C 46/01) ergebe sich nichts anderes, da der dort entschiedene Sachverhalt anders gelagert und mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen sei. Ein speziellerer vorrangiger Erstattungsanspruch nach § 106 SGB XII komme nicht in Betracht, da der Kläger die Leistungen der Eingliederungshilfe wieder vorläufig, sondern endgültig erbracht habe, und darüber hinaus der Kläger auch tatsächlich für die Leistungserbringung zuständig gewesen sei und weiterhin sei.
Gegen das ihm am 9. Oktober 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. November 2017 Berufung beim LSG eingelegt und die Kostenerstattung für J. und J. weiterverfolgt (L 8 SO 57/17). Der Senat hat das Verfahren, soweit es J. betrifft, mit Beschluss vom 9. Juli 2020 abgetrennt.
Nachdem - in Anerkennung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII ab dem Auszug aus der P. und dem Einzug in eine eigene Wohnung - die ab dem 15. Juli 2015 entstandenen Kosten für J. vom Beklagten und der Landeshauptstadt M. erstattet worden sind und der Beklagte aufgrund geänderter landesrechtlicher Zuständigkeitsregelungen J. ab Januar 2019 in eigener Zuständigkeit betreut, verfolgt der Kläger im Berufungsverfahren noch die Erstattung der ihm vom 3. November 2011 bis zum 15. Juli 2015 entstandenen Kosten mit Ausnahme der Kaution, Erstausstattung und Umzugskosten. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 20. September 2017 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, die von ihm - dem Kläger bzw. dem von ihm herangezogenen Landkreis - vom 3. November 2011 bis zum 15. Juli 2015 geleisteten Sozialhilfeaufwendungen für den Hilfeberechtigten J. H. in Höhe von insgesamt 511.676,13 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Streitakte L 8 SO 57/17 sowie der Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Erstattung der für J. im Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 15. Juli 2015 aufgewendeten Sozialhilfeleistungen zu, soweit dieser noch streitig ist.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der vom Kläger - aufgrund des Gleichordnungsverhältnisses der Beteiligten - statthaft im Wege der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) verfolgte Anspruch auf Kostenerstattung für Leistungen der Sozialhilfe, der zuletzt mit 511.676,13 EUR beziffert worden ist. Damit ist die seit dem 1. April 2008 gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG maßgebliche Berufungsgrenze von 10.000,00 EUR überschritten.
Eine Beiladung von J., der P. und/oder der WKM gemäß § 75 Abs. 2 1. Alt SGG waren nicht erforderlich (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 1. März 2018 - B 8 SO 22/16 R -, juris RdNr. 10 m.w.N.). Auch die - vom Kläger beantragte - Beiladung der Stadt M. war nicht vorzunehmen, da gegen sie - nach der erfolgten Erstattung der Aufwendungen für J. nach dem Auszug aus dem Wohnheim der P. ab dem 1. Januar 2014 - ein Anspruch des Klägers nicht bestehen kann.
Der Kläger kann die Erstattung im Klageverfahren geltend machen (§ 2a Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII (AG SGB XII LSA) vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, Seite 8 in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung sowie § 2 Abs. 2 Nr. 12 des Gesetzes zur Ausführung des SGB IX (AG SGB IX LSA) vom 5. Dezember 2019, GVBl. LSA 2019, S. 948 in der ab dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung), auch soweit die Leistungen im Rahmen der Heranziehung des örtlichen Trägers, hier des S., bewilligt worden sind. Soweit in § 4 Abs. 2 AG SGB XII LSA bzw. § 2 Abs. 1 S. 1 AG SGB IX LSA die Sozialagentur als für die Durchführung der Klageverfahren zuständige Behörde genannt ist, ist sie als rechtlich unselbstständige Landesbehörde nicht beteiligtenfähig im Sinne von § 70 SGG (so bereits LSG , Urteil vom 28. August 2009 - L 8 SO 16/07 -, juris RdNr. 35 f.). Die Beteiligtenfähigkeit im vorgenannten Sinne besteht nur für den Rechtsträger der Behörde, d.h. für das Land und damit für den Kläger.
Für die im Zeitraum vom 3. November 2011 bis zum 31. Oktober 2013 bewilligten Leistungen kommt - mit Ausnahme der bewilligten Mobilitätshilfe - ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB IX in Betracht. Denn der Kläger erbrachte als erstangegangener Leistungsträger aufgrund des von J. am 7. September 2011 bei ihm gestellten Antrags mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 29. November 2011 Eingliederungshilfe in der WKM und mit den - ebenfalls bestandskräftig gewordenen - Bescheiden vom 9. Dezember 2011 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich eines Barbetrages und Bekleidungshilfen sowie Eingliederungshilfe in der Einrichtung P ... Dem lag die Anerkennung der örtlichen Zuständigkeit unter dem 6. April 1998 gemäß § 97 BSHG und der sachlichen Zuständigkeit gemäß §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 8, 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG unter dem 26. Februar 1999 zugrunde. Der Kläger ging deshalb davon aus, nach dem Wegfall der Übernahme der Kosten für die Unterbringung in der stationären Wohngruppe in der P. und den Besuch der WKM durch die Agentur für Arbeit für die erforderlichen Rehabilitationsleistungen umfassend zuständig zu sein.
Der Kläger ist damit infolge der durch § 14 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB IX geschaffenen Zuständigkeitsordnung zuständig geworden. Wäre eigentlich ein anderer Träger zuständig gewesen, stünde dem Kläger aufgrund des daraus resultierenden Vor- und Nachrangverhältnisses gemäß § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch zu. Denn in diesem Fall wäre der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 104 Abs. 1 S. 1 SGB X).
Hier scheidet ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten als für die von J. beantragten Sozialleistungen zuständigen Träger aus, da der Beklagte nicht materiell-rechtlich zuständig war. Nach § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII ist für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gA im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gA, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend (§ 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII). Wird ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt an die Stelle seines gA der gA der Mutter (§ 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII). Hinsichtlich des Leistungsberechtigten J. ist auf den gA seiner Mutter abzustellen, da er in der Kinderklinik in M. und damit in einer Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB XII geboren wurde und sich seit seiner Entlassung aus der Kinderklinik - jedenfalls - bis zum 31. Dezember 2013 lückenlos in stationären Einrichtungen aufgehalten hat. Für den Zeitraum der Unterbringung nach der Entlassung am 22. Januar 1992 aus der Uniklinik M. vom 23. Januar 1992 bis zum 6. Mai 1993 in einer Pflegefamilie im Landkreis A. gilt gemäß § 107 SGB XII/§ 104 BSHG die Vorschrift des § 98 Abs. 2 SGB XII/§ 97 Abs. 2 BSHG entsprechend. Auch bei den sich anschließenden Unterbringungen im Kinderheim B. in U. vom 7. Mai 1993 bis zum 23. September 2001, im D.-R.-Werk in U. vom 24. September 2001 bis zum 2. August 2009 und in der stationären Wohngruppe im Wohnheim der P. vom 3. August 2009 bis zum 31. Dezember 2013 handelt es sich jeweils um stationäre Einrichtungen im Sinne des § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII. Denn eine Einrichtung gemäß § 13 Abs. 2 SGB XII/§ 3a BSHG ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden P. zugeschnitten ist, und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfen oder der Erziehung dient (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 8 SO 12/16 R -, juris, RdNr. 28).
Aufgrund des Vorliegens einer durchgehenden sogenannten Einrichtungskette im Sinne des § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII nach der Geburt des leistungsberechtigten Kindes ist an den gA seiner Mutter vor Eintritt in die Einrichtung, in der das Kind - hier J. - geboren wurde, anzuknüpfen. Für den Senat steht fest, dass der gA der Mutter von J. vor der Geburt jedenfalls nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten lag. Denn nach den aktenkundigen Unterlagen, insbesondere dem Bericht des Jugendamtes vom 1. Juli 1993, hatte die Mutter von J. ihren gA im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes S. und war dementsprechend sowohl mit ihrem Hauptwohnsitz in Z. als auch mit ihrem Nebenwohnsitz in S. gemeldet. Insoweit ist von Bedeutung, dass die Mutter von J. im Zeitpunkt der Geburt noch minderjährig war und damit ihren gA grundsätzlich bei dem Elternteil, der das Personensorgerecht ausgeübt und bei dem sie sich aufgehalten hat, innehatte (Schlegel in jurisPK-SGB I, § 30 RdNr. 39). Anhaltspunkte dafür, dass die personensorgeberechtigten Eltern der Mutter von J. außerhalb von S. und insbesondere in B. ihren gA hatten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist aufgrund des gemeldeten Hauptwohnsitzes bzw. Nebenwohnsitzes jeweils in S. vom gA im Zuständigkeitsbereich des Klägers auszugehen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist für die Feststellung des gA unerheblich, ob die Aufnahme des Kindes in den mütterlichen Haushalt später tatsächlich auch erfolgen konnte (Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 98, Rdnr. 103). Da ein in einer stationären Einrichtung geborenes Kind keinen eigenen gA vor der Geburt haben kann, tritt an die Stelle seines gA derjenige der Mutter (Deckers in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 98 RdNr. 30), womit ein gA des Kindes "ersetzt" wird (so Schoch in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 98, RdNr. 45). Hierdurch soll der Ort der (Geburts-)Einrichtung geschützt werden, insbesondere für den Fall, dass sich nach der Geburt die Notwendigkeit eines längeren stationären Aufenthalts des Neugeborenen in der Klinik - wie hier bei J. und J.- anschließt (vgl. Hamburgisches OVG, Urteil vom 1. September 2005 - 4 Bf 441/01 -, juris, RdNr. 27).
Soweit sich der Kläger auf Rechtsprechung zu § 86 SGB VIII bezieht, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn eine § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII entsprechende Vorschrift enthält § 86 SGB VIII nicht. Ein gA wird im Rahmen von § 86 SGB VIII an keiner Stelle fingiert, sondern jeweils unter Heranziehung von § 30 SGB I, insbesondere von § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I, im Einzelnen unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls ermittelt. Insoweit betreffen die vom Kläger für seine Rechtsauffassung angeführten Entscheidungen jeweils andere Fallkonstellationen.
Die Intention des Schutzes des Einrichtungsortes und die Vorgabe, wonach der gA der Mutter an die Stelle des in einer Einrichtung geborenen Kindes tritt, hat der Gesetzgeber bereits in der bis zum 26. Juni 1993 und damit im Zeitpunkt der Geburt von Jörg - geltenden Fassung des § 105 S. 1 2. HS BSHG verfolgt. Ab dem 27. Juni 1993 wurde der Grundsatz des Schutzes der Anstaltssorte in das Zuständigkeitsrecht dergestalt verlagert, dass bei der stationären Hilfe das Herkunftsprinzip gilt (Fichtner, Kommentar zum BSHG 2. Aufl. § 97 RdNr. 1). Mit dem Inkrafttreten des SGB XII ist dann an die Stelle von § 97 Abs. 2 S. 4 BSHG wortgleich § 98 Abs. 2 S. 4 SGB XII getreten.
Insoweit bedarf es keiner näheren Prüfung der rechtlichen Konsequenzen des vom vom Kläger herangezogenen Landkreises Schönebeck ab dem 24. September 2001 "bis auf Weiteres" abgegebenen Kostenanerkenntnisses für den Hilfefall und der Anerkennung der sachlichen Zuständigkeit des Klägers als überörtlicher Träger der Sozialhilfe ab dem 1. April 1997.
Da die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, umfasst (§ 97 Abs. 4 SGB XII), scheidet eine Passivlegitimation des Beklagten für alle vom Kläger erbrachten Sozialhilfeleistungen nicht in Betracht.
Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner näheren rechtlichen Erörterung, dass der Kläger die Mobilitätshilfe für J. für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 31. Oktober 2012 im Oktober 2012 und damit nach der Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs mit Schreiben vom 23. Juli 2012 seinerseits vorbehaltlos dem Beklagten erstattet hatte und damit eine Rechtsgrundlage für eine nochmalige Erstattung des Beklagten an den Kläger ausgeschlossen ist. Für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 31. Oktober 2013 hat der Kläger nach der Weiterleitung des Antrags von J. durch den Beklagten als zweitangegangener Leistungsträger Mobilitätshilfe geleistet. Der damit in Betracht kommende spezialgesetzliche Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX besteht - wie oben dargelegt - nicht, da der Beklagte nicht der nachrangig verpflichtete Leistungsträger gewesen ist.
Auch für die im Zeitraum vom 1. November 2013 bis zum 15. Juli 2015 vorläufig gemäß § 43 SGB I erbrachten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich des Barbetrages und Bekleidungshilfen, der Eingliederungshilfe in der Einrichtung P. sowie der Mobilitätshilfe besteht kein Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten.
Der Kläger hat die von J. unter dem 27. September 2013 bei ihm beantragten Leistungen als erstangegangener Leistungsträger bewilligt und die beantragten Leistungen im Hinblick auf den - auch J. bekannten - Zuständigkeitsstreit gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 SGB I geleistet. Ein Erstattungsanspruch scheitert jedoch auch in Bezug auf diese bewilligten Leistungen daran, dass der Beklagte weder der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger im Sinne von § 102 Abs. 1 SGB X noch der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist. Denn auch für den Zeitraum vom 1. November bis zum 15. Juli 2015 war der Beklagte - aus den oben genannten Gründen - weiterhin nicht der örtlich zuständige Leistungsträger im Sinne von § 98 Abs. 2 S. 1, 2 und 4 SGB XII.
Schließlich könnte der Senat - selbst wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach hätten festgestellt werden können - den Beklagten nicht zur Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen für J. verurteilen, da der Anspruch der Höhe nach nicht feststellbar ist. Denn der Kläger hat es versäumt zu ermitteln, ob und in welchem Umfang sich die Mutter von J. an den bewilligten Leistungen hätte beteiligen können und müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Kostenfreiheit der Sozialhilfeträger gilt nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X nicht im Anwendungsbereich des § 197a SGG, d.h. insbesondere nicht bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialhilfeträgern (vgl. hierzu z.B. Roos/Blüggel in: Schütze, SGB X Kommentar, 9. Aufl. 2020, § 64 RdNr. 25).
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
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