Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 2538/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 832/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 19. September 2017 wird aufgehoben und die ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 9 AS 2538/15 geführte Klage wird abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines über den Arbeitgeber vergünstigt bezogenen "Jobtickets" bei der Anrechnung von Einkommen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat September 2014.
Die 1983 geborene Klägerin zu 1. und ihre Tochter, die 2010 geborene Klägerin zu 2., lebten in H. und bezogen als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Diese waren ihnen zuletzt für die Zeit von April bis September 2014 i.H.v. insgesamt 875,76 EUR pro Monat bewilligt worden (Bescheid vom 17. Februar 2014). Davon entfielen 756,26 EUR auf die alleinerziehende Klägerin zu 1. und 119,50 EUR auf die Klägerin zu 2. Als Bedarfe berücksichtigte der Beklagte die Regelbedarfe i.H.v. 391 EUR bzw. 229 EUR, einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung i.H.v. 140,76 EUR sowie die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) i.H.v. insgesamt 449 EUR. Diese Kosten überstiegen zwar geringfügig den vom Beklagten zu dieser Zeit angenommenen Angemessenheitswert. Der Beklagte sah aber aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung von einer Kostensenkungsaufforderung ab.
Im Juni 2014 teilte die Klägerin zu 1. dem Beklagten mit, dass sie voraussichtlich eine Tätigkeit als Operations Agent bei der D. H. L. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber) aufnehmen werde. Unter dem 3. Juli 2014 schloss sie einen entsprechenden Arbeitsvertrag zum 7. Juli 2014. Vereinbart wurde Arbeit auf Abruf mit einer Gesamtarbeitsleistung von 420 Stunden pro Jahr. Mit einem Änderungsvertrag vom 8. August 2014 wurde die regelmäßige durchschnittliche Wochen-Arbeitszeit ab 1. August 2014 von ursprünglich 8 auf 16 Stunden angehoben. Diese Arbeitszeit verteilte sich auf drei Arbeitstage pro Woche.
Am 4. August 2014 teilte die Klägerin zu 1. dem Beklagten telefonisch ihre Arbeitsaufnahme mit. Daraufhin erließ dieser unter dem 7. Augst 2014 einen Änderungsbescheid, mit dem er die Leistungsbewilligung für September 2014 in Höhe von 160 EUR aufhob. Dabei rechnete er "vorerst" ein Einkommen i.H.v. 300 EUR an.
In der Folgezeit legte die Klägerin u.a. ihre Gehaltsabrechnung für September 2014 vor. Danach erzielte sie in diesem Monat einen Brutto-Verdienst i.H.v. 1.101,42 EUR und einen Netto-Verdienst i.H.v. 842,74 EUR. Vom Nettoentgelt wurden 67,36 EUR für ein Jobticket abgezogen. Dabei handelte es sich um eine personengebundene Vier-Zonen-Fahrkarte für den Bereich des Mitteldeutschen Verkehrsverbunds (MDV). Zu bestimmten Uhrzeiten (zwischen 17 Uhr und 4 Uhr des Folgetages) war es möglich, diese Fahrkarte einer anderen Person zu überlassen oder Kinder mitzunehmen. Der Arbeitgeber bezog diese Fahrkarte von der DB Vertrieb GmbH und hatte dafür seinerseits 111,36 EUR zu zahlen. Die Preisdifferenz von 44 EUR trug der Arbeitgeber, der die Fahrkarte an die Klägerin weitergab. Das nach Abzug des Ticket-Preises (67,36 EUR) verbleibende Arbeitsentgelt i.H.v. 775,38 EUR wurde dem Girokonto der Klägerin zu 1. am 16. September 2014 gutgeschrieben. Außerdem gingen im September 2014 auf diesem Konto Kindergeld (184 EUR) und ein Unterhaltsvorschuss (133 EUR) für die Klägerin zu 2. ein.
Nach vorheriger Anhörung der Klägerinnen erließ der Beklagte unter dem 23. März 2015 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem er den Bescheid vom 17. Februar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. August 2014 teilweise aufhob. Die Erstattungsforderung betrug insgesamt 988,48 EUR. Davon entfielen 362,91 EUR auf den September 2014. Die Bewilligung für diesen Monat wurde wie folgt teilweise aufgehoben: Der Klägerin zu 1. wurden Leistungen für den Regelbedarf i.H.v. 74,40 EUR statt zuletzt 393,59 EUR bewilligt (die Leistungen für KdUH blieben unverändert bei 224,50 EUR), der Klägerin zu 2. Leistungen für KdUH i.H.v. 53,95 EUR statt zuletzt 97,67 EUR. Dementsprechend machte der Beklagte für diesen Monat gegen die Klägerin zu 1. eine Erstattungsforderung i.H.v. 319,19 EUR und gegen die Klägerin zu 2. eine solche i.H.v. 43,72 EUR geltend. Die Aufhebung stützte er auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (Arbeitsförderung – SGB III), § 40 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II).
Gegen diesen Bescheid legten die Klägerinnen Widerspruch ein und machten geltend, dass die Fahrtkosten der Klägerin zu 1. bei der Einkommensbereinigung nicht zutreffend berücksichtigt worden seien. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2015 als unbegründet zurück. Zum Monat September 2014 führte er aus, es sei ein Nettoeinkommen der Klägerin zu 1. i.H.v. 842,74 EUR abzüglich der gesetzlich vorgeschriebenen Freibeträge und der Fahrtkosten i.H.v. 67,36 EUR, mithin i.H.v. 539,91 EUR zu berücksichtigen, außerdem Kindergeld für die Klägerin zu 2. i.H.v. 184 EUR und ein Unterhaltsvorschuss i.H.v. 133 EUR.
Dagegen haben die Klägerinnen am 16. Juli 2015 beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben. Diese ist unter dem Az. S 9 AS 2538/15 (später S 3 AS 2538/15) geführt worden. Die Klägerinnen haben die Klage auf die Leistungen für den Monat September 2014 beschränkt und die Auffassung vertreten, dass das in diesem Monat zu berücksichtigende Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1. mit Blick auf das Jobticket anders zu berechnen sei: Da der Arbeitgeber für das Ticket 111,36 EUR gezahlt, der Klägerin zu 1. dafür aber nur 67,36 EUR vom Lohn abgezogen habe, sei der darüber hinausgehende Sachwert von 44 EUR als Einkommen zu berücksichtigen. Dafür spreche auch, dass die Klägerin zu 1. das Ticket auch außerhalb der Arbeitstätigkeit habe nutzen können und dass auch Dritte damit hätten fahren können. Diese 44 EUR seien sodann auch als notwendige Ausgabe zu berücksichtigen und dementsprechend in Abzug zu bringen. Allerdings ergebe sich aufgrund des erhöhten Einkommens ein höherer zusätzlicher Erwerbstätigenfreibetrag. Dies führe zu einem um 4,40 EUR höheren Leistungsanspruch.
Dem hat der Beklagte entgegengehalten, dass nur die tatsächlich angefallenen Fahrtkosten i.H.v. 67,36 EUR in Abzug gebracht werden könnten. Würde man auf der Einnahmeseite trotzdem einen zusätzlichen Sachbezug i.H.v. 44 EUR berücksichtigen, ergäbe sich ein geringerer Leistungsanspruch als der Bewilligung zugrunde gelegt worden sei.
Das SG hat das Verfahren mit zwei anderen Verfahren der Klägerinnen (S 9 AS 2539/15, S 9 AS 2540/15) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In diesen beiden Verfahren, die den Zeitraum von Februar 2015 bis März 2016 betreffen, streiten die Beteiligten ebenfalls über die Art und Weise der Berücksichtigung des Jobtickets bei der Einkommensanrechnung.
Mit Urteil vom 19. September 2017 hat das SG den Beklagten unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, den Klägerinnen u.a. für September 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von zusätzlichem Einkommen i.H.v. 44 EUR und von zusätzlichen Fahrtkosten i.H.v. 44 EUR zu gewähren. Das Jobticket sei mit seinem Einkaufswert von 111,36 EUR als Einkommen der Klägerin zu 1. zu berücksichtigen, weil dies der tatsächliche Wert des Tickets sei. Von diesem Einkommen sei aber ein Betrag in gleicher Höhe abzusetzen, weil die Klägerin zu 1. das Jobticket unstreitig benötige, um ihren Arbeitsplatz aufzusuchen. Auch insoweit sei das Jobticket mit seinem tatsächlichen Wert anzusetzen und nicht mit dem vergünstigten Tarif des Arbeitgebers. Das SG hat die Berufung zugelassen. Das Urteil ist dem Beklagten am 1. November 2017 zugestellt worden.
Der Beklagte hat am 23. November 2017 Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 24. Juni 2020 hat der Senat das Verfahren abgetrennt, soweit es die ursprünglich unter den Aktenzeichen S 9 AS 2539/15 und S 9 AS 2540/15 geführten Klagen betrifft.
Der Beklagte meint, nach den gesetzlichen Vorgaben sei das Jobticket zwar mit einem Wert von 111,36 EUR als Einkommen zu berücksichtigen, es seien aber nur die tatsächlich vom Lohn abgezogenen 67,36 EUR als Fahrtkosten abzusetzen. Eine Berücksichtigung weiterer, fiktiver Fahrtkosten sehe das Gesetz nicht vor. In den angegriffenen Bescheiden sei deshalb von einem zu geringen und nicht von einem zu hohen Einkommen ausgegangen worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 19. September 2017 aufzuheben, soweit es das Ausgangsverfahren S 9 AS 2538/15 betrifft, und die Klage insoweit abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertiefen ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Der Berücksichtigung des Jobtickets als geldwerte Einnahme stehe nicht entgegen, dass es personengebunden gewesen sei. Selbst wenn man annehmen wollte, dass eine Einnahme in Geldeswert nur eine solche sei, die man auch veräußern könne, müsste berücksichtigt werden, dass die Klägerin zu 1. die Möglichkeit gehabt habe, die Fahrkarte zu bestimmten Uhrzeiten entgeltlich Dritten zu überlassen.
Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin zu 1. erklärt, dass sie das Jobticket fast ausschließlich für den Weg zur Arbeit genutzt habe, weil sie die Wege zu Verwandten, zur Kindertagesstätte der Klägerin zu 2. und zum Einkaufen zu Fuß zurückgelegt habe. Die Klägerin zu 2. habe sie bei Fahrten mit dem Jobticket nicht mitgenommen; für sie seien in der streitgegenständlichen Zeit auch keine anderen Ausgaben für Verkehrsmittel angefallen.
Der Arbeitgeber hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass der Bezug des Jobtickets für die Arbeitnehmer des Unternehmens freiwillig gewesen sei. Hätte die Klägerin zu 1. dieses Angebot nicht Anspruch genommen, hätte sie den Zuschussbetrag nicht anderweitig erhalten.
Der MDV hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass ein "Abo Basis 4 Zonen", das im Leistungsumfang dem hier in Rede stehenden Jobticket entsprochen habe, im September 2014 einen regulären Verkaufspreis von 128 EUR pro Monat gehabt habe. Eine Vier-Zonen-Tageskarte habe im September 2014 13,50 EUR gekostet.
Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Nach dem Trennungsbeschluss vom 24. Juni 2020 ist Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens nur noch die unter Abänderung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 23. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids 16. Juni 2015 erfolgte Verurteilung des Beklagten, den Klägerinnen für September 2014 "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in gesetzlicher Höhe unter zusätzlicher Berücksichtigung von 44 EUR [zusätzlichem] Einkommen und zusätzlicher Fahrkosten [ ] zu gewähren", die in der Sache eine Reduzierung des Aufhebungs- und Erstattungsbetrags darstellt.
Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist aufgrund der Zulassung durch das SG statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
Sie ist auch begründet. Die statthafte Anfechtungsklage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist, soweit er den hier allein streitigen Monat September 2014 betrifft, rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der formell rechtmäßig ergangenen und inhaltlich hinreichend bestimmten Aufhebungsentscheidung ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III, § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Der Bescheid vom 17. Februar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. August 2014 ist ein Dauerverwaltungsakt. Nach Erlass dieses Bescheids ist durch die Arbeitsaufnahme und die Erzielung von Einkommen eine Änderung eingetreten. Insoweit ist als Erlasszeitpunkt auf den Bescheid vom 17. Februar 2014 abzustellen. Der Änderungsbescheid vom 7. August 2014 hat diesen Bescheid nicht vollständig ersetzt, sondern lediglich teilweise aufgehoben. Gegenstand des vorliegend streitigen Bescheids ist die weitere teilweise Aufhebung der nach dieser Änderung verbliebenen Leistungsbewilligung vom 17. Februar 2014. Die Klägerinnen haben im hier allein streitgegenständlichen Monat September 2014 Einkommen erzielt, das zu einer Minderung des Anspruchs aus § 19 SGB II geführt hat.
Im Ergebnis würde sich allerdings auch dann nichts ändern, wenn man annähme, dass Gegenstand der Aufhebung (nur) der Bescheid vom 7. August 2014 sei. Dieser wäre wegen der von vornherein erkennbar zu geringen Leistungsaufhebung von Anfang an rechtswidrig gewesen und dies war der Klägerin zu 1. nach ihrem eigenen Bekunden in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch bewusst, so dass in diesem Fall die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Satz 3 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III, § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II erfüllt wären.
Die Klägerinnen hatten einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, der aufgrund des Einkommens geringer war als bewilligt. Sie erfüllten die Leistungsvoraussetzungen. Insbesondere waren sie hilfebedürftig i.S. der §§ 7, 9 SGB II. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Dabei ist das erzielte und um die gesetzlich vorgesehenen Freibeträge und Absetzungen bereinigte Einkommen dem Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gegenüberzustellen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 SGB II außer Betracht (§ 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB II).
Die Klägerin zu 1. hatte im September 2014 einen Regelbedarf i.H.v. 391 EUR. Da sie alleinerziehend war, ist außerdem ein Mehrbedarf gem. § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II i.H.v. 140,76 EUR zu berücksichtigen. Die Klägerin zu 2. hatte einen Regelbedarf i.H.v. 229 EUR. Die gem. § 22 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) betrugen insgesamt 449 EUR. Dies entspricht den tatsächlich angefallenen Kosten, die unabhängig von ihrer Angemessenheit zu berücksichtigen sind, weil der Beklagte mit Blick auf § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II von einer Kostensenkungsaufforderung abgesehen hatte.
Diesen Bedarfen ist das Einkommen der Klägerinnen gegenüberzustellen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Einnahmen der Klägerin zu 2. waren im September 2014 Kindergeld i.H.v. 184 EUR (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 5 SGB II) und ein Unterhaltsvorschuss i.H.v. 133 EUR. Die Klägerin zu 1. hatte ein Erwerbseinkommen i.H.v. 1.101,42 EUR brutto bzw. 842,74 EUR netto. Dabei sind auch die 67,36 EUR zu berücksichtigen, die der Arbeitgeber für das Jobticket einbehalten hat. Dem steht nicht entgegen, dass dieser Betrag der Klägerin zu 1. nie zugeflossen ist. Insoweit hat sie gleichwohl einen wertmäßigen Zuwachs erlangt (vgl. dazu und zum Folgenden: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24. Mai 2017 – B 14 AS 32/16 R –, juris Rn. 23 ff.). Mit dem freiwilligen Bezug des Jobtickets hatte sie selbst im Vorhinein eine Verwendungsentscheidung über diesen Teil ihres zu erwartenden Einkommens getroffen, die grundsätzlich nicht anders zu bewerten ist als jede andere Entscheidung über die zur Verfügung stehenden Mittel. Unabhängig davon, dass es sich insoweit um eine autonome Entscheidung der Klägerin zu 1. über die Verwendung ihres Einkommens handelte, wird die Schutzposition der Klägerinnen aus ihrem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) durch die Berücksichtigung dieses Einkommens auch deshalb nicht beeinträchtigt, weil das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum im Ergebnis nicht berührt wird. Dies folgt zum einen daraus, dass der Berücksichtigung des einbehaltenen Lohns als Einkommen spiegelbildlich die Berücksichtigung einer entsprechenden Ausgabe als notwendig mit der Erzielung des Einkommens verbunden und damit einkommensmindernd i.S.v. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II gegenübersteht (dazu unten). Zum anderen ist der einbehaltene Betrag durch den zu ihren Gunsten berücksichtigten Erwerbstätigenfreibetrag i.S.v. § 11b Abs. 3 SGB II gedeckt.
Das Jobticket selbst ist dagegen nicht als Einnahme in Geldeswert und damit als weiteres Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II a.F. zu berücksichtigen. Dies gilt auch, soweit es vom Arbeitgeber mit einem Betrag von 44 EUR bezuschusst wurde bzw. soweit der Wert einer vergleichbaren, im freien Verkauf bezogenen Monatsfahrkarte (128 EUR) den von der Klägerin zu 1. gezahlten Betrag (67,36 EUR) um 60,64 EUR übersteigt.
Es kann dahinstehen, ob die Nicht-Berücksichtigung schon daraus folgt, dass die Fahrkarte personengebunden war, so dass die Klägerin zu 1. sie nicht veräußern konnte, um von dem Erlös ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Teils wird angenommen, Einnahmen in Geldeswert seien nur solche, die einen Marktwert haben und sich daher in Geld tauschen lassen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2016 – L 9 AS 2108/13 –, juris Rn. 37; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Februar 2016 – L 4 AS 159/12 –, juris Rn. 45 ff. (jeweils zur privaten Nutzung eines Dienst-Kfz); Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 11 Rn. 45; Schmidt, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11 Rn. 20; Lange, ebd., § 13 Rn. 41, 45).
Die Gegenansicht stellt u.a. darauf ab, dass der Geldeswert einer Einnahme auch darin zum Ausdruck kommen könne, dass der Leistungsbegehrende sich dadurch Aufwendungen erspare, die er anderenfalls aus dem Regelbedarf bestreiten müsste (vgl. Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rn. 162 (Stand: Dezember 2019); Becker, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Auflage 2019, § 11 SGB II Rn. 4). Davon ging zumindest für solche geldwerten Einnahmen, die sich einer im Regelbedarf berücksichtigten Ausgabenposition zuordnen lassen, erkennbar auch der Verordnungsgeber der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) aus. Dies zeigt sich zum einen in § 2 Abs. 5 Alg II-V, wo eine vom Arbeitgeber gestellte Vollverpflegung als Einnahme in Geldeswert behandelt wird, obwohl eine Veräußerung in aller Regel ausscheidet. Zum anderen regelt § 2 Abs. 6 Alg II-V in der hier maßgeblichen, bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.), dass sonstige Einnahmen in Geldeswert mit ihrem Verkehrswert anzusetzen sind, jedoch höchstens mit dem Betrag, der für diesen Teil in dem maßgebenden Regelbedarf enthalten ist. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Bedarf in diesem Fall unmittelbar durch die geldwerte Einnahme (und nicht erst durch deren Veräußerung) gedeckt wird (vgl. auch BT-Drs. 18/8041, S. 32; krit. dazu Lange, a.a.O.). Die Materialien zu dieser Verordnung beschreiben zudem ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Monatsticket als typischen Fall einer Einnahme in Geldeswert (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referentenentwurf einer Ersten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung, Stand: 10. Dezember 2008, S. 8; vgl. auch Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu §§ 11-11b SGB II Rn. 11.24 (Stand: 7. Februar 2020)).
Das BSG hatte zunächst offengelassen, ob der Begriff der Einnahme in Geldeswert voraussetzt, dass diese einen Marktwert hat (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 22/07 R –, juris Rn. 14), dies jedoch später allgemein für den Begriff der Einnahme i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II verneint (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 KG 1/10 R –, juris Rn. 17 (für gepfändetes Arbeitslosengeld); Urteil vom 25. Januar 2012 – B 14 AS 101/11 R –, juris Rn. 20 (für eine Erbschaft); vgl. dazu allerdings Neumann, in: BeckOK-SGB II, § 11 Rn. 7 (Stand: 1. März 2020)).
Doch auch wenn man davon ausgeht, dass die fehlende Veräußerbarkeit des Jobtickets einer Berücksichtigung als Einnahme in Geldeswert nicht entgegensteht, führt dies vorliegend nicht zu einer Anrechnung. Dem steht § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V a.F. entgegen. Dies gilt unabhängig davon, ob man bei der Bestimmung des Verkehrswerts des Tickets auf den vom Arbeitgeber entrichteten Einkaufspreis (111,36 EUR) oder den noch höheren regulären Verkaufspreis eines nicht rabattierten Monatstickets (128 EUR), jeweils abzüglich der von der Klägerin zu 1. entrichteten 67,36 EUR, abstellt.
Nach § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V a.F. ist, wenn die Einnahme in Geldeswert auch als Teil des Regelbedarfs nach § 20 SGB II berücksichtigt ist, als Wert der Einnahme in Geldeswert höchstens der Betrag anzusetzen, der für diesen Teil in dem maßgebenden Regelbedarf enthalten ist. Damit soll verhindert werden, dass die Anrechnung einer solchen Einnahme zu Lasten der übrigen in der Regelleistung berücksichtigten Bedarfe geht (vgl. Referentenentwurf, a.a.O.). Für einen Alleinstehenden war 2014 ein Betrag von 24,62 EUR für Verkehr im Regelbedarf enthalten, für ein Kind unter sechs Jahren 12,75 EUR.
Vorliegend ist als Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1. bereits einen Betrag von 67,36 EUR aufwenden musste, um das Jobticket zu erhalten. Sie musste dafür also bereits mehr Geld ausgeben, als für sie und ihre Tochter zusammen im Regelbedarf für Verkehr eingestellt war. Damit scheidet nach Sinn und Zweck des § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V a.F. eine zusätzliche teilweise Berücksichtigung des Jobtickets als Einnahme in Geldeswert aus. Denn andernfalls ginge dies entgegen der Intention des § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V a.F. zu Lasten der übrigen im Regelbedarf berücksichtigten Verbrauchspositionen.
Die vom Beklagten vorgenommene Berechnung der Leistungshöhe ist nicht zu beanstanden. Insbesondere hat er bei der Anrechnung des Einkommens die Absetzbeträge des § 11b SGB II zutreffend ermittelt. Angesichts der Kosten, die bei der Nutzung von Tagesfahrkarten angefallen wären, stellen die für das Jobticket aufgewendeten 67,36 EUR pro Monat eine mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe i.S.v. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II dar. Auf dieser Grundlage hat der Beklagte den Umfang der Aufhebung zutreffend ermittelt.
Die Fristerfordernisse des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SGB X sind gewahrt.
Die Erstattungsforderung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch insoweit ist der angegriffene Bescheid formell rechtmäßig ergangen und inhaltlich hinreichend bestimmt; die Voraussetzungen des § 50 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegen vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere wirft die Auslegung des hier streitentscheidenden § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V a.F. keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auf, weil es sich dabei um eine bereits seit fast vier Jahren außer Kraft befindliche Vorschrift handelt. Es ist keine erhebliche Zahl von Fällen mehr auf der Grundlage des ausgelaufenen Rechts zu entscheiden und eine Überprüfung dieser ausgelaufenen Norm bzw. ihrer Auslegung hat auch nicht aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 19. Juli 2012 – B 1 KR 65/11 B –, juris Rn. 10).
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines über den Arbeitgeber vergünstigt bezogenen "Jobtickets" bei der Anrechnung von Einkommen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat September 2014.
Die 1983 geborene Klägerin zu 1. und ihre Tochter, die 2010 geborene Klägerin zu 2., lebten in H. und bezogen als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Diese waren ihnen zuletzt für die Zeit von April bis September 2014 i.H.v. insgesamt 875,76 EUR pro Monat bewilligt worden (Bescheid vom 17. Februar 2014). Davon entfielen 756,26 EUR auf die alleinerziehende Klägerin zu 1. und 119,50 EUR auf die Klägerin zu 2. Als Bedarfe berücksichtigte der Beklagte die Regelbedarfe i.H.v. 391 EUR bzw. 229 EUR, einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung i.H.v. 140,76 EUR sowie die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) i.H.v. insgesamt 449 EUR. Diese Kosten überstiegen zwar geringfügig den vom Beklagten zu dieser Zeit angenommenen Angemessenheitswert. Der Beklagte sah aber aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung von einer Kostensenkungsaufforderung ab.
Im Juni 2014 teilte die Klägerin zu 1. dem Beklagten mit, dass sie voraussichtlich eine Tätigkeit als Operations Agent bei der D. H. L. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber) aufnehmen werde. Unter dem 3. Juli 2014 schloss sie einen entsprechenden Arbeitsvertrag zum 7. Juli 2014. Vereinbart wurde Arbeit auf Abruf mit einer Gesamtarbeitsleistung von 420 Stunden pro Jahr. Mit einem Änderungsvertrag vom 8. August 2014 wurde die regelmäßige durchschnittliche Wochen-Arbeitszeit ab 1. August 2014 von ursprünglich 8 auf 16 Stunden angehoben. Diese Arbeitszeit verteilte sich auf drei Arbeitstage pro Woche.
Am 4. August 2014 teilte die Klägerin zu 1. dem Beklagten telefonisch ihre Arbeitsaufnahme mit. Daraufhin erließ dieser unter dem 7. Augst 2014 einen Änderungsbescheid, mit dem er die Leistungsbewilligung für September 2014 in Höhe von 160 EUR aufhob. Dabei rechnete er "vorerst" ein Einkommen i.H.v. 300 EUR an.
In der Folgezeit legte die Klägerin u.a. ihre Gehaltsabrechnung für September 2014 vor. Danach erzielte sie in diesem Monat einen Brutto-Verdienst i.H.v. 1.101,42 EUR und einen Netto-Verdienst i.H.v. 842,74 EUR. Vom Nettoentgelt wurden 67,36 EUR für ein Jobticket abgezogen. Dabei handelte es sich um eine personengebundene Vier-Zonen-Fahrkarte für den Bereich des Mitteldeutschen Verkehrsverbunds (MDV). Zu bestimmten Uhrzeiten (zwischen 17 Uhr und 4 Uhr des Folgetages) war es möglich, diese Fahrkarte einer anderen Person zu überlassen oder Kinder mitzunehmen. Der Arbeitgeber bezog diese Fahrkarte von der DB Vertrieb GmbH und hatte dafür seinerseits 111,36 EUR zu zahlen. Die Preisdifferenz von 44 EUR trug der Arbeitgeber, der die Fahrkarte an die Klägerin weitergab. Das nach Abzug des Ticket-Preises (67,36 EUR) verbleibende Arbeitsentgelt i.H.v. 775,38 EUR wurde dem Girokonto der Klägerin zu 1. am 16. September 2014 gutgeschrieben. Außerdem gingen im September 2014 auf diesem Konto Kindergeld (184 EUR) und ein Unterhaltsvorschuss (133 EUR) für die Klägerin zu 2. ein.
Nach vorheriger Anhörung der Klägerinnen erließ der Beklagte unter dem 23. März 2015 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem er den Bescheid vom 17. Februar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. August 2014 teilweise aufhob. Die Erstattungsforderung betrug insgesamt 988,48 EUR. Davon entfielen 362,91 EUR auf den September 2014. Die Bewilligung für diesen Monat wurde wie folgt teilweise aufgehoben: Der Klägerin zu 1. wurden Leistungen für den Regelbedarf i.H.v. 74,40 EUR statt zuletzt 393,59 EUR bewilligt (die Leistungen für KdUH blieben unverändert bei 224,50 EUR), der Klägerin zu 2. Leistungen für KdUH i.H.v. 53,95 EUR statt zuletzt 97,67 EUR. Dementsprechend machte der Beklagte für diesen Monat gegen die Klägerin zu 1. eine Erstattungsforderung i.H.v. 319,19 EUR und gegen die Klägerin zu 2. eine solche i.H.v. 43,72 EUR geltend. Die Aufhebung stützte er auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (Arbeitsförderung – SGB III), § 40 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II).
Gegen diesen Bescheid legten die Klägerinnen Widerspruch ein und machten geltend, dass die Fahrtkosten der Klägerin zu 1. bei der Einkommensbereinigung nicht zutreffend berücksichtigt worden seien. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2015 als unbegründet zurück. Zum Monat September 2014 führte er aus, es sei ein Nettoeinkommen der Klägerin zu 1. i.H.v. 842,74 EUR abzüglich der gesetzlich vorgeschriebenen Freibeträge und der Fahrtkosten i.H.v. 67,36 EUR, mithin i.H.v. 539,91 EUR zu berücksichtigen, außerdem Kindergeld für die Klägerin zu 2. i.H.v. 184 EUR und ein Unterhaltsvorschuss i.H.v. 133 EUR.
Dagegen haben die Klägerinnen am 16. Juli 2015 beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben. Diese ist unter dem Az. S 9 AS 2538/15 (später S 3 AS 2538/15) geführt worden. Die Klägerinnen haben die Klage auf die Leistungen für den Monat September 2014 beschränkt und die Auffassung vertreten, dass das in diesem Monat zu berücksichtigende Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1. mit Blick auf das Jobticket anders zu berechnen sei: Da der Arbeitgeber für das Ticket 111,36 EUR gezahlt, der Klägerin zu 1. dafür aber nur 67,36 EUR vom Lohn abgezogen habe, sei der darüber hinausgehende Sachwert von 44 EUR als Einkommen zu berücksichtigen. Dafür spreche auch, dass die Klägerin zu 1. das Ticket auch außerhalb der Arbeitstätigkeit habe nutzen können und dass auch Dritte damit hätten fahren können. Diese 44 EUR seien sodann auch als notwendige Ausgabe zu berücksichtigen und dementsprechend in Abzug zu bringen. Allerdings ergebe sich aufgrund des erhöhten Einkommens ein höherer zusätzlicher Erwerbstätigenfreibetrag. Dies führe zu einem um 4,40 EUR höheren Leistungsanspruch.
Dem hat der Beklagte entgegengehalten, dass nur die tatsächlich angefallenen Fahrtkosten i.H.v. 67,36 EUR in Abzug gebracht werden könnten. Würde man auf der Einnahmeseite trotzdem einen zusätzlichen Sachbezug i.H.v. 44 EUR berücksichtigen, ergäbe sich ein geringerer Leistungsanspruch als der Bewilligung zugrunde gelegt worden sei.
Das SG hat das Verfahren mit zwei anderen Verfahren der Klägerinnen (S 9 AS 2539/15, S 9 AS 2540/15) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In diesen beiden Verfahren, die den Zeitraum von Februar 2015 bis März 2016 betreffen, streiten die Beteiligten ebenfalls über die Art und Weise der Berücksichtigung des Jobtickets bei der Einkommensanrechnung.
Mit Urteil vom 19. September 2017 hat das SG den Beklagten unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, den Klägerinnen u.a. für September 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von zusätzlichem Einkommen i.H.v. 44 EUR und von zusätzlichen Fahrtkosten i.H.v. 44 EUR zu gewähren. Das Jobticket sei mit seinem Einkaufswert von 111,36 EUR als Einkommen der Klägerin zu 1. zu berücksichtigen, weil dies der tatsächliche Wert des Tickets sei. Von diesem Einkommen sei aber ein Betrag in gleicher Höhe abzusetzen, weil die Klägerin zu 1. das Jobticket unstreitig benötige, um ihren Arbeitsplatz aufzusuchen. Auch insoweit sei das Jobticket mit seinem tatsächlichen Wert anzusetzen und nicht mit dem vergünstigten Tarif des Arbeitgebers. Das SG hat die Berufung zugelassen. Das Urteil ist dem Beklagten am 1. November 2017 zugestellt worden.
Der Beklagte hat am 23. November 2017 Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 24. Juni 2020 hat der Senat das Verfahren abgetrennt, soweit es die ursprünglich unter den Aktenzeichen S 9 AS 2539/15 und S 9 AS 2540/15 geführten Klagen betrifft.
Der Beklagte meint, nach den gesetzlichen Vorgaben sei das Jobticket zwar mit einem Wert von 111,36 EUR als Einkommen zu berücksichtigen, es seien aber nur die tatsächlich vom Lohn abgezogenen 67,36 EUR als Fahrtkosten abzusetzen. Eine Berücksichtigung weiterer, fiktiver Fahrtkosten sehe das Gesetz nicht vor. In den angegriffenen Bescheiden sei deshalb von einem zu geringen und nicht von einem zu hohen Einkommen ausgegangen worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 19. September 2017 aufzuheben, soweit es das Ausgangsverfahren S 9 AS 2538/15 betrifft, und die Klage insoweit abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertiefen ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Der Berücksichtigung des Jobtickets als geldwerte Einnahme stehe nicht entgegen, dass es personengebunden gewesen sei. Selbst wenn man annehmen wollte, dass eine Einnahme in Geldeswert nur eine solche sei, die man auch veräußern könne, müsste berücksichtigt werden, dass die Klägerin zu 1. die Möglichkeit gehabt habe, die Fahrkarte zu bestimmten Uhrzeiten entgeltlich Dritten zu überlassen.
Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin zu 1. erklärt, dass sie das Jobticket fast ausschließlich für den Weg zur Arbeit genutzt habe, weil sie die Wege zu Verwandten, zur Kindertagesstätte der Klägerin zu 2. und zum Einkaufen zu Fuß zurückgelegt habe. Die Klägerin zu 2. habe sie bei Fahrten mit dem Jobticket nicht mitgenommen; für sie seien in der streitgegenständlichen Zeit auch keine anderen Ausgaben für Verkehrsmittel angefallen.
Der Arbeitgeber hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass der Bezug des Jobtickets für die Arbeitnehmer des Unternehmens freiwillig gewesen sei. Hätte die Klägerin zu 1. dieses Angebot nicht Anspruch genommen, hätte sie den Zuschussbetrag nicht anderweitig erhalten.
Der MDV hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass ein "Abo Basis 4 Zonen", das im Leistungsumfang dem hier in Rede stehenden Jobticket entsprochen habe, im September 2014 einen regulären Verkaufspreis von 128 EUR pro Monat gehabt habe. Eine Vier-Zonen-Tageskarte habe im September 2014 13,50 EUR gekostet.
Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Nach dem Trennungsbeschluss vom 24. Juni 2020 ist Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens nur noch die unter Abänderung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 23. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids 16. Juni 2015 erfolgte Verurteilung des Beklagten, den Klägerinnen für September 2014 "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in gesetzlicher Höhe unter zusätzlicher Berücksichtigung von 44 EUR [zusätzlichem] Einkommen und zusätzlicher Fahrkosten [ ] zu gewähren", die in der Sache eine Reduzierung des Aufhebungs- und Erstattungsbetrags darstellt.
Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist aufgrund der Zulassung durch das SG statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
Sie ist auch begründet. Die statthafte Anfechtungsklage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist, soweit er den hier allein streitigen Monat September 2014 betrifft, rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der formell rechtmäßig ergangenen und inhaltlich hinreichend bestimmten Aufhebungsentscheidung ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III, § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Der Bescheid vom 17. Februar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. August 2014 ist ein Dauerverwaltungsakt. Nach Erlass dieses Bescheids ist durch die Arbeitsaufnahme und die Erzielung von Einkommen eine Änderung eingetreten. Insoweit ist als Erlasszeitpunkt auf den Bescheid vom 17. Februar 2014 abzustellen. Der Änderungsbescheid vom 7. August 2014 hat diesen Bescheid nicht vollständig ersetzt, sondern lediglich teilweise aufgehoben. Gegenstand des vorliegend streitigen Bescheids ist die weitere teilweise Aufhebung der nach dieser Änderung verbliebenen Leistungsbewilligung vom 17. Februar 2014. Die Klägerinnen haben im hier allein streitgegenständlichen Monat September 2014 Einkommen erzielt, das zu einer Minderung des Anspruchs aus § 19 SGB II geführt hat.
Im Ergebnis würde sich allerdings auch dann nichts ändern, wenn man annähme, dass Gegenstand der Aufhebung (nur) der Bescheid vom 7. August 2014 sei. Dieser wäre wegen der von vornherein erkennbar zu geringen Leistungsaufhebung von Anfang an rechtswidrig gewesen und dies war der Klägerin zu 1. nach ihrem eigenen Bekunden in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch bewusst, so dass in diesem Fall die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Satz 3 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III, § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II erfüllt wären.
Die Klägerinnen hatten einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, der aufgrund des Einkommens geringer war als bewilligt. Sie erfüllten die Leistungsvoraussetzungen. Insbesondere waren sie hilfebedürftig i.S. der §§ 7, 9 SGB II. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Dabei ist das erzielte und um die gesetzlich vorgesehenen Freibeträge und Absetzungen bereinigte Einkommen dem Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gegenüberzustellen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 SGB II außer Betracht (§ 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB II).
Die Klägerin zu 1. hatte im September 2014 einen Regelbedarf i.H.v. 391 EUR. Da sie alleinerziehend war, ist außerdem ein Mehrbedarf gem. § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II i.H.v. 140,76 EUR zu berücksichtigen. Die Klägerin zu 2. hatte einen Regelbedarf i.H.v. 229 EUR. Die gem. § 22 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) betrugen insgesamt 449 EUR. Dies entspricht den tatsächlich angefallenen Kosten, die unabhängig von ihrer Angemessenheit zu berücksichtigen sind, weil der Beklagte mit Blick auf § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II von einer Kostensenkungsaufforderung abgesehen hatte.
Diesen Bedarfen ist das Einkommen der Klägerinnen gegenüberzustellen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Einnahmen der Klägerin zu 2. waren im September 2014 Kindergeld i.H.v. 184 EUR (§ 11 Abs. 1 Satz 4, 5 SGB II) und ein Unterhaltsvorschuss i.H.v. 133 EUR. Die Klägerin zu 1. hatte ein Erwerbseinkommen i.H.v. 1.101,42 EUR brutto bzw. 842,74 EUR netto. Dabei sind auch die 67,36 EUR zu berücksichtigen, die der Arbeitgeber für das Jobticket einbehalten hat. Dem steht nicht entgegen, dass dieser Betrag der Klägerin zu 1. nie zugeflossen ist. Insoweit hat sie gleichwohl einen wertmäßigen Zuwachs erlangt (vgl. dazu und zum Folgenden: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24. Mai 2017 – B 14 AS 32/16 R –, juris Rn. 23 ff.). Mit dem freiwilligen Bezug des Jobtickets hatte sie selbst im Vorhinein eine Verwendungsentscheidung über diesen Teil ihres zu erwartenden Einkommens getroffen, die grundsätzlich nicht anders zu bewerten ist als jede andere Entscheidung über die zur Verfügung stehenden Mittel. Unabhängig davon, dass es sich insoweit um eine autonome Entscheidung der Klägerin zu 1. über die Verwendung ihres Einkommens handelte, wird die Schutzposition der Klägerinnen aus ihrem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) durch die Berücksichtigung dieses Einkommens auch deshalb nicht beeinträchtigt, weil das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum im Ergebnis nicht berührt wird. Dies folgt zum einen daraus, dass der Berücksichtigung des einbehaltenen Lohns als Einkommen spiegelbildlich die Berücksichtigung einer entsprechenden Ausgabe als notwendig mit der Erzielung des Einkommens verbunden und damit einkommensmindernd i.S.v. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II gegenübersteht (dazu unten). Zum anderen ist der einbehaltene Betrag durch den zu ihren Gunsten berücksichtigten Erwerbstätigenfreibetrag i.S.v. § 11b Abs. 3 SGB II gedeckt.
Das Jobticket selbst ist dagegen nicht als Einnahme in Geldeswert und damit als weiteres Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II a.F. zu berücksichtigen. Dies gilt auch, soweit es vom Arbeitgeber mit einem Betrag von 44 EUR bezuschusst wurde bzw. soweit der Wert einer vergleichbaren, im freien Verkauf bezogenen Monatsfahrkarte (128 EUR) den von der Klägerin zu 1. gezahlten Betrag (67,36 EUR) um 60,64 EUR übersteigt.
Es kann dahinstehen, ob die Nicht-Berücksichtigung schon daraus folgt, dass die Fahrkarte personengebunden war, so dass die Klägerin zu 1. sie nicht veräußern konnte, um von dem Erlös ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Teils wird angenommen, Einnahmen in Geldeswert seien nur solche, die einen Marktwert haben und sich daher in Geld tauschen lassen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2016 – L 9 AS 2108/13 –, juris Rn. 37; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Februar 2016 – L 4 AS 159/12 –, juris Rn. 45 ff. (jeweils zur privaten Nutzung eines Dienst-Kfz); Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 11 Rn. 45; Schmidt, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11 Rn. 20; Lange, ebd., § 13 Rn. 41, 45).
Die Gegenansicht stellt u.a. darauf ab, dass der Geldeswert einer Einnahme auch darin zum Ausdruck kommen könne, dass der Leistungsbegehrende sich dadurch Aufwendungen erspare, die er anderenfalls aus dem Regelbedarf bestreiten müsste (vgl. Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rn. 162 (Stand: Dezember 2019); Becker, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Auflage 2019, § 11 SGB II Rn. 4). Davon ging zumindest für solche geldwerten Einnahmen, die sich einer im Regelbedarf berücksichtigten Ausgabenposition zuordnen lassen, erkennbar auch der Verordnungsgeber der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) aus. Dies zeigt sich zum einen in § 2 Abs. 5 Alg II-V, wo eine vom Arbeitgeber gestellte Vollverpflegung als Einnahme in Geldeswert behandelt wird, obwohl eine Veräußerung in aller Regel ausscheidet. Zum anderen regelt § 2 Abs. 6 Alg II-V in der hier maßgeblichen, bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.), dass sonstige Einnahmen in Geldeswert mit ihrem Verkehrswert anzusetzen sind, jedoch höchstens mit dem Betrag, der für diesen Teil in dem maßgebenden Regelbedarf enthalten ist. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Bedarf in diesem Fall unmittelbar durch die geldwerte Einnahme (und nicht erst durch deren Veräußerung) gedeckt wird (vgl. auch BT-Drs. 18/8041, S. 32; krit. dazu Lange, a.a.O.). Die Materialien zu dieser Verordnung beschreiben zudem ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Monatsticket als typischen Fall einer Einnahme in Geldeswert (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referentenentwurf einer Ersten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung, Stand: 10. Dezember 2008, S. 8; vgl. auch Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu §§ 11-11b SGB II Rn. 11.24 (Stand: 7. Februar 2020)).
Das BSG hatte zunächst offengelassen, ob der Begriff der Einnahme in Geldeswert voraussetzt, dass diese einen Marktwert hat (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 22/07 R –, juris Rn. 14), dies jedoch später allgemein für den Begriff der Einnahme i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II verneint (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 KG 1/10 R –, juris Rn. 17 (für gepfändetes Arbeitslosengeld); Urteil vom 25. Januar 2012 – B 14 AS 101/11 R –, juris Rn. 20 (für eine Erbschaft); vgl. dazu allerdings Neumann, in: BeckOK-SGB II, § 11 Rn. 7 (Stand: 1. März 2020)).
Doch auch wenn man davon ausgeht, dass die fehlende Veräußerbarkeit des Jobtickets einer Berücksichtigung als Einnahme in Geldeswert nicht entgegensteht, führt dies vorliegend nicht zu einer Anrechnung. Dem steht § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V a.F. entgegen. Dies gilt unabhängig davon, ob man bei der Bestimmung des Verkehrswerts des Tickets auf den vom Arbeitgeber entrichteten Einkaufspreis (111,36 EUR) oder den noch höheren regulären Verkaufspreis eines nicht rabattierten Monatstickets (128 EUR), jeweils abzüglich der von der Klägerin zu 1. entrichteten 67,36 EUR, abstellt.
Nach § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V a.F. ist, wenn die Einnahme in Geldeswert auch als Teil des Regelbedarfs nach § 20 SGB II berücksichtigt ist, als Wert der Einnahme in Geldeswert höchstens der Betrag anzusetzen, der für diesen Teil in dem maßgebenden Regelbedarf enthalten ist. Damit soll verhindert werden, dass die Anrechnung einer solchen Einnahme zu Lasten der übrigen in der Regelleistung berücksichtigten Bedarfe geht (vgl. Referentenentwurf, a.a.O.). Für einen Alleinstehenden war 2014 ein Betrag von 24,62 EUR für Verkehr im Regelbedarf enthalten, für ein Kind unter sechs Jahren 12,75 EUR.
Vorliegend ist als Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1. bereits einen Betrag von 67,36 EUR aufwenden musste, um das Jobticket zu erhalten. Sie musste dafür also bereits mehr Geld ausgeben, als für sie und ihre Tochter zusammen im Regelbedarf für Verkehr eingestellt war. Damit scheidet nach Sinn und Zweck des § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V a.F. eine zusätzliche teilweise Berücksichtigung des Jobtickets als Einnahme in Geldeswert aus. Denn andernfalls ginge dies entgegen der Intention des § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V a.F. zu Lasten der übrigen im Regelbedarf berücksichtigten Verbrauchspositionen.
Die vom Beklagten vorgenommene Berechnung der Leistungshöhe ist nicht zu beanstanden. Insbesondere hat er bei der Anrechnung des Einkommens die Absetzbeträge des § 11b SGB II zutreffend ermittelt. Angesichts der Kosten, die bei der Nutzung von Tagesfahrkarten angefallen wären, stellen die für das Jobticket aufgewendeten 67,36 EUR pro Monat eine mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe i.S.v. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II dar. Auf dieser Grundlage hat der Beklagte den Umfang der Aufhebung zutreffend ermittelt.
Die Fristerfordernisse des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SGB X sind gewahrt.
Die Erstattungsforderung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch insoweit ist der angegriffene Bescheid formell rechtmäßig ergangen und inhaltlich hinreichend bestimmt; die Voraussetzungen des § 50 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegen vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere wirft die Auslegung des hier streitentscheidenden § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V a.F. keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auf, weil es sich dabei um eine bereits seit fast vier Jahren außer Kraft befindliche Vorschrift handelt. Es ist keine erhebliche Zahl von Fällen mehr auf der Grundlage des ausgelaufenen Rechts zu entscheiden und eine Überprüfung dieser ausgelaufenen Norm bzw. ihrer Auslegung hat auch nicht aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 19. Juli 2012 – B 1 KR 65/11 B –, juris Rn. 10).
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